Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Berlin: Flashmob in der East Side Mall
Solidaritätsaktion für Liebig 34 und Potse & Drugstore am 26.01.2019

Bericht der

02/2019

trend
onlinezeitung

WIR BEIBEN ALLE - WIR BLEIBEN WIDERSTÄNDIG!

Die Aktionsgruppe Rigaer 71-73 aus dem Norden Friedrichshain  - exakt dem am jetzt dichtesten bebauten und mit immer mehr Zuzug von hippstarren Menschen im einst Arbeiter*innen-, nun ebenso am dichtesten besiedelten -Kiez  -  ist mit etwa 30 Aktivist*innen heute um 14 Uhr in der sage und schreibe 69. Was-Berlin-Nicht-Braucht-Shopping-Mall reingegangen und hat einen Flashmob gegen Verdrängung initiiert.

Mit Schlafsäcken, Isomatte, Utensilien aus dem Hausgebrauch ließen wir uns im Eingangsbereich Nahe der Arena, deren Bewerbung hier jetzt wegfällt, nieder, gingen Tätigkeiten nach, von schlafen, unterhalten, Kaffee kochen bis Frisbee spielen, bedeckten teils die Schlafgelegenheiten mit Transpis wie "täglich >10 Zwangsräumungen in Berlin, >50.000 Wohnungslose, Wohnraum ist keine Ware, Freiräume verteidigen, Kapitalismus tötet oder Vedrängung tut weh." So wurde mit dieser Soli-Aktion ein deutlich starker Fokus auf diejenigen gelenkt, die am schlimmsten von Mietpreisanstiegen und krassen Aufwertungstendenzen Berlins hin zu einer Stadt der Reichen betroffen sind und durch diese Entwicklung am stärksten ins gesellschaftliche Aus gestoßen werden in vollem Bewußtsein und der Logik von Politik und Kapital. Ein Gruß geht mit unserer Aktion damit zur Mahnwache des Wohnungslosenparlaments, welches gerade vom 23. bis 25.01. mit Unterstützung des 'Bündnisses Zwangsräumung verhindern' vor dem Roten Rathaus auf ihre Situation aufmerksam gemacht haben. 50.000 Wohnungslose, mit 10.000 Obdachlosen Menschen, das sind an Zahlen 5 definierte Kleinstädte innerhalb Berlins, in einer der reichsten Gegenden auf diesem Globus. Das Wort Skandal ist dafür viel zu abgegriffen...

Andere Aktivist*innen bewegten sich um die sich im Eingangsbereich niedergelassene Gruppe herum mit Transpis und verteilten Flyer, die den Blick auf den Luxus, also die Überflüssigkeit z.B. der Mall an sich, aufgriffen und vor allem auch den Fokus auf die derzeit bedrohten Freiraum-Projekte lenken sollten. Insbesondere die Liebig34, das anarcha-queer-feministische Hausprojekt, bzgl. dessen eine Räumungklage bereits anhängig ist und die ebenso bedrohten autonomen selbstorganisierten Jugendzentren Potse & Drugstore in Schöneberg wurden als Soliaktion bedacht. Beides sind Projekte, in denen sich Menschen begeben, die dringendst Raum benötigen, um sich aufgehoben zu fühlen, als FLTI*Menschen (Feministisch-Lesbisch- Trans(gender) und Inter(sexuell)), in einem Hausprojekt, das sich als eines der Hauptthemen v.a. der sexistischen Diskriminierung annimt, in der immer noch stark patriarchalen Gesellschaft, mit allem sub-kulturellen Einsatz, mit einer Idee von Schutzraum, aber auch dem Bestreben, die eigenen Lebensvorstellungen nach außen zu tragen und damit die Gesellschaft mindestens zu inspirieren, toleranter, offener, anarchistischer zu werden, alte Gepflogenheiten und Blickwinkel zu verändern, zu weiten, Mauern einzureißen. Die autonomen selbstorganisierten Jugendzentren Potse & Drugstore betätigen sich in genau diesem subkulturellen Kontext seit fast 50 Jahren. Die jungen Menschen lernen dort sich selbst zu befähigen sich zu organisieren, sich für sich und andere einzusetzen, eigene Ideen umzusetzen, kreative Ideen zu verwirklichen, eigene Ausdrucksformen zu finden und damit sich selbst und andere zu stärken. Somit engagieren sie sich und leben für eine Idee von einer anderen Gesellschaft, einer anderen Form des Zusammenlebens, jenseits von Kapital und Macht und hierarchischen Gebilden einer Staatsform in Abhängigkeit zu einem System, welches Gier, Untertanengeist und Diskriminierungswünsche produziert, sprich sich faschistoid gebärdet.

Mit Ausrufen der Aktivist*innen für Freiräume, in denen z.B. nicht zum Konsum/Verzehr von irgendwas verpflichtet wird, die nicht Eigentum von irgendjemandem sind und mit Rufen gegen auch diese Mall-Form von Verdichtung und Aufwertung rieben sich sicherlich so manche Konsumgänger*innen verwundert die Augen. Beim Stichwort Verdrängung griffen dann doch so einige nach dem Flyer, andere wenige sahen so aus, als fühlten sie sich ertappt beim banal passiv infantilen Konsum in einer betonverdichteten scheinbar bunten Kunstwelt auf Kosten und zu Lasten einer ganzen Region in Sachen Aufwertung, Stadtraumverdichtung, Stadtödnis, Klimazerstörung, Freizeitverdummung. 

In einer durchkapitalisierten Gesellschaft werden gerade die Aktivist*innen mit ihrem jeweiligen Selbstverständnis und Unterstützer*innen dieser oben genannten Projekte immer wieder angegriffen, jetzt eben der Versuch unternommen von staatlichen Versager*innen und der Macht des Geldes und des Eigentums mit Gewalt aus ihrem Zuhause vertrieben zu werden. Für die ausgegrenzten Menschen, für die Freiraumprojekte und ihren Bewohner*innen wie Unterstützer*innen ist kapitalistische und, nachgeordnet, staatliche Repression Alltag. Ob Obdachlosencamps brutal geräumt, deren wenige Habseligkeiten in einer an nichts zu steigernden Form von Anmaßung, als Müll betitelt werden oder Bullen gerne ihre exklusive Exekutivmacht durchaus gewaltsam ungestraft ausüben, in dem gegenteilig wirkenden Bestreben, unseren Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse zu brechen. Ebenso verhält es sich mit den Machtgesten seitens des Kapitals, die einem in allen Alltagstätigkeiten begegnet oder existentiell bedrohlich in unser Leben eingreift. Besonders Shopping Malls, TV, teils Internet, social Medias als der Teilhabe- und Mitgestaltungsoption entziehende Zeitfressmaschinen kann man hier genauso nennen, wie die dramatisch verschärfte Situation um alles, was Wohnen bedeutet und mit Marktverwertung, gar Renditeoption zu einer der brutalsten Formen von Gewalt hierzulande geführt hat, denn nichts anderes ist Verdrängung und Vertreibung.

SCHLUSS DAMIT!

VERDRÄNGUNG STOPPEN  - KAPITALISMUS ABSCHAFFEN -
KLIMA RETTEN - FREIRÄUME FÜR UNS!

Das nachstehende Flugbatt (in HTML transkribiert) wurde verteilt

Und wann werden Sie obdachlos?
Am 31.12.18 endete der Mietvertrag des Hausprojekts Liebig 34. Der Vermieter Gijora Padovicz hat bis jetzt jegliche Verhandlungen über eine Mietvertragsverlängerung abgelehnt u macht deutlich, dass er sich eine Räumung des Hauses wünscht, um das Haus "luxuszusanieren" u die Wohnungen teuer an "angenehme Mieter*innen" vermieten zu können. Am 13.11.2018 hat er einen Räumungstitel gerichtlich beantragt, macht damit auch Druck gen Baustadtrat Schmidt, der offenbar eigeninitiativ mit diesem Subventionsmittelbetrüger weiter versucht zu verhandeln. Durch seine guten Beziehungen zur Politik wurden Padovicz nach der Wende große Bestände kommunaler Wohnungsunternehmen, v.a. in Friedrichshain, zu Spottpreisen überlassen. Die Bewohner*innen des anarcha-queer-feministischen Hausprojekts in der Liebigstr. 34 sind damit nur ein Beispiel unter vielen. Viele Mieter*innen der Häuser, die im Besitz des Firmengeflechts von Padovicz sind, haben seitdem seine skandalösen Entmietungspraktiken kennenlernen müssen. So muß es heißen: Padovicz enteignen! Mehr dazu auf padowatch.noblogs.org

Ihnen könnte das nicht passieren, dass Sie plötzlich auf der Straße stehen? Eine schöne Illusion: Mehr als zehn Zwangsräumungen von Mieter*innen finden jeden einzelnen Tag in Berlin statt. In unserer Stadt leben aktuell etwa 50.000 Wohnungslose, darunter immer mehr Familien, die unter kaum zumutbaren Bedingungen meist in Notunterkünften untergebracht sind. Geschätzte 10.000 der Wohnungslosen riskieren jede Nacht ihr Leben, weil ihnen nur ein Schlafplatz auf der Straße bleibt. Jede*r kann plötzlich obdachlos werden – besonders in einer Stadt wie Berlin, in der die Mieten in den letzten Jahren in astronomische Höhen gestiegen sind.

Dem Gentrifizierungsdruck begegnen wir gemeinsam solidarisch und widerständig. Wenn Investor*innen und Politik realisieren, dass wir uns nicht spalten lassen, sondern gemeinsam kämpfen, besteht nicht nur eine Chance für das Hausprojekt Liebig 34, sondern auch für uns alle - die Chance, unsere unterschiedlichen emanzipativen Kämpfe zusammenzuführen – ob wir vom Jobcenter, vom Arbeitgeber, von der Ausländerbehörde oder von der Polizei belästigt und schikaniert werden oder vom Kapital gegängelt. Deshalb solidarisieren wir uns untereinander und verteidigen unseren Lebensraum gemeinsam - gegen Bullen, gegen Gewalt durch Vermieter*innen u die ihnen zuarbeitenden Hausverwaltungen, Hauswartfirmen, sowie das Aufwertungsarbeit leistende Ordnungsamt.

Die drohende Räumung der Liebig 34 weckt bei uns - Nachbar*innen aus dem Nordkiez von Friedrichshain, die sich gegen Aufwertung u Verdrängung engagieren - Erinnerungen an andere Ereignisse aus den letzten Jahren: So haben die Räumung der Liebig 14 u die Stürmung der Rigaer 94 Spuren bei uns allen hinterlassen. Insbesondere während der Amtszeit von Innensenator Frank Henkel war unser Kiez belagert durch Hundertschaften aggressiver Bullen, die sogar die Kiezversammlungen umzingelten. Anwohner*innen u Besucher*innen wurden Opfer von willkürlichen Kontrollen u Polizeigewalt. Eine solche Situation wollen wir hier im Nordkiez nie wieder haben!

Ausdrücklich solidarisieren wir uns für den Erhalt weiterer Freiräume/Freiraumprojekte in Berlin, die zahlreich von Schließung und Räumung bedroht sind. Das sind die wenig verbliebenen Räume, in denen man nicht konsumieren muß, in denen man sich treffen kann, um in eben Freiräumen, frei denken, sich ausdrücken/austauschen, leben zu können. Besonders am Herzen liegen uns die autonomen und selbstorganisierten, seit fast 50 Jahren bestehenden Jugendzentren Potse & Drugstore in Schöneberg, die für eine Aufwertung der Umgebung in der Potsdamer Str. 180, durch Verkauf der landeseigenen Immobilie, von langer Hand geplant, über die Klinge springen sollen. NICHT MIT UNS! Die Besetzung der Potse geht weiter! Wir stellen uns an eure Seite u kämpfen mit euch gegen diese skandalösen Vertreibungsversuche!

Für den Fortbestand der Liebig 34!
Für den Erhalt der Jugendzentren Potse & Drugstore!

Nachbar*innen Nordkiez F'hain, Aktionsgruppe Rigaer 71-73, Kiezpower von unten!

V.i.S.d.P: A.Lerta, Schreinerstr 12,10247 Berlin

Quelle: https://de.indymedia.org/  vom 30.1.2019