Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Wohnverhältnisse in Deutschland
Mietbelastung, soziale Ungleichheit und Armut

Kurzgutachten von Stephan Junker im Auftrag des Sozialverband Deutschland e.V.

02/2019

trend
onlinezeitung

Leseauszug S.28f

Die Ergebnisse dieses Kurzgutachtens lassen sich in vier Punkten zusammenfassen:

  • Die Mietsteigerungen von 1993 bis 2014 sind sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland stärker als die Einkommenssteigerung der Mehrheit in Deutschland. Besonders betroffen sind Haushalte mit niedrigem Einkommen mit Mietbelastungsquoten bei knapp 40 Prozent (bruttokalt, Großstädte). Die Miete macht über eine Million Haushalte in Großstädten so arm, dass ihr Einkommen nach Miete unter dem Regelsatz von Hartz IV liegt. Die Miete verstärkt so die soziale Ungleichheit. Dies wird auch an ungleichen Wohnflächen und Verfügungsrechten über den Wohnraum deutlich (Miete/Eigentum). Armutsgefährdete und einkommensschwache Haushalte werden durch die Miete stark belastet, leben in kleineren Wohnungen und in unsicheren Verhältnissen wie zur Untermiete.
  • Trägt man die Ergebnisse verschiedener Studien zusammen, dann ergibt sich eine komplexe Problemlage, die vermutlich noch drastischer ist als angenommen. Denn werden soziale Segregation (Helbig/Jähnen 2018) und Überbelegung bei von mehr als zwei Personen bewohnten Wohnungen hinzugenommen (Abbildung 10), dann wird deutlich, dass noch mehr erschwingliche Wohnungen in den Großstädten fehlen als die von Holm et al. 2018 geschätzten 1,9 Millionen. Das liegt daran, dass es das Phä- nomen der sozialen Segregation auch in Städten mit insgesamt ausreichend bezahlbaren Wohnungen gibt und anscheinend nicht nur kleine, sondern auch große Wohnungen fehlen. Letzteres wird erst beim Blick auf die zur Verfügung stehende Wohnfläche und nicht mit Blick auf die Mietbelastungsquote deutlich. Es fehlen demnach mehr als die von Holm et al. 2018a berechneten 1,9 Millionen erschwingliche Wohnungen.
  • Nicht nur kleine Haushalte sind von steigender Miete und mangelndem bezahlbarem Wohnraum betroffen, sondern auch große Haushalte, wenn nicht eine Mietbelastungsquote von 30 Prozent, sondern die Mindestwohnfläche nach Meyer-Ehler als Indikator gewählt wird. Demnach fehlen erschwingliche Wohnungen auch für größere Haushalte.
  • Neben den Gruppen mit geringem Einkommen zeigen sich auch andere Gruppen, die eine hohe mittlere Mietbelastung aufweisen. Diese sind oft Gruppen, die auch sonst gesellschaftlich benachteiligt sind: Alleinerziehende, Haushalte mit Migrationshintergrund und/oder Personen im Rentenalter, Menschen, die Transferleistungen beziehen, und Haushalte mit Menschen mit geringem Bildungsgrad. Ebenso haben Singlehaushalte allgemein eine hohe Mietbelastung. Unklar ist allerdings, wie stark sich diese Gruppen mit den niedrigen Einkommensgruppen überschneiden. So bleibt ebenfalls unklar, ob die hohe Mietbelastung allein über das niedrige Einkommen zu erklären ist oder ob auch Diskriminierung oder besondere Bedürfnisse (barrierefreie Wohnungen) dafür verantwortlich sind. Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt selbst wurde bisher nur für Migrant*innen untersucht und nachgewiesen. Festzustellen ist grundsätzlich, dass sich die Diskriminierung in der Gesellschaft auch in der Mietbelastung der Haushalte niederschlägt.

Aus diesen vier Ergebnissen ergeben sich komplexe politische Herausforderungen, die prinzipiell in zwei Richtungen angegangen werden können: starke Markteingriffe oder hohe Subventionen für Privatpersonen und Unternehmen. Es entstehen aber auch viele anschließende Fragen, denen weitere Forschungsprojekte auf den Grund gehen sollten.


Das komplette Kurzgutachten als PdF lesen