Ägypten: Aus dem Magma bilden sich langsam Strukturen heraus
In Ägypten ist ein „Bund Junger Revolutionäre“ dabei, einen
Forderungskatalog auszuarbeiten. Die ersten fundamentalen, an
das Militär gerichteten Forderungen wurden in einem Dokument
zusammengefaßt, das sich „Volkskommuniqué Nr. 1“ nennt.
Darin wird die Auflösung des am 29. Januar eingesetzten
Kabinetts sowie des Parlaments gefordert, dessen Zusammensetzung
im vergangenen Jahr durch Wahlbetrug zustandegekommen war, wie
im Kommuniqué betont wird. Hier kollidiert ein Teil der
Forderungen der oppositionellen Aktivisten mit der einseitig
aufoktroyierten Militärregierung und der damit verbundenen
Liquidierung des Parlaments: Ablehnung des Scheinparlaments
contra Liquidierung des letzten Anscheins von Parlamentarismus.
In Punkt 2 fordert die aus Akademikern, Bloggern und Angehörigen
der Mittelschicht zusammengesetzten Formation die Bildung eines
aus 5 Mitgliedern bestehenden provisorischen
Präsidentschaftsrates, davon sollen 4 Zivilpersonen sein, einer
ein Militär.
Sie fordern in Punkt 3 die Bildung einer Übergangsregierung,
deren Aufgabe es sein soll, innerhalb von 9 Monaten Wahlen
abzuhalten, sowie die Einsetzung eines Gremiums, das eine neue
demokratische Verfassung ausarbeiten soll.
Punkt 4: Freiheit für die Medien sowie die Gewerkschaften, in
denen, so wird etwas einseitig hervorgehoben, Rechtsanwälte,
Ärzte und Ingenieure vertreten sind, sowie die Möglichkeit
politische Parteien zu gründen.
Der letzte Punkt: Militär- und Sondergerichte sind aufzulösen.
In diesem Bund sind Elemente von Kifaya, der 6.-April-Gruppe und
politischen Parteien nahestehende Personen vertreten. Scharfe
Ablehnung des Heeres ist bei ihnen nicht zu bemerken, sie trafen
sich Sonntag abend mit Mahmoud Hijazi und Abdel Fattah, beides
Generalmajore, in einer durchaus nicht paternalistischen
Atmosphäre, wie anerkennend bemerkt wurde. In der Delegation des
Protestausschusses war unter anderem Wael Ghonim vertreten.
Von expliziten Forderungen, die die ArbeiterInnen und die
Bauernschaft betreffen, war bei dieser Gruppierung bis dato noch
nichts zu hören.
Guardian/Reuters/AlMasry alYoum/Democracy Now
Editorische
Anmerkungen
Wir erhielten den Text vom Autor für
diese Ausgabe.