Sprache und Denken bilden von ihrem Ursprung und ihrer
Funktionsweise her eine untrennbare Einheit. «Die Sprache ist so
alt wie das Bewußtsein - die Sprache ist das praktische, auch
für andre Menschen existierende wirkliche Bewußtsein, und die
Sprache entsteht, wie das Bewußtsein, erst aus dem Bedürfnis,
der Notdurft des Verkehrs mit ändern Menschen ... Die
unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens ist die Sprache»
(MARX/ENGELS 3, 30, 432).
Die Worte der Lautsprache bilden die Existenzform der
Begriffe, mit denen das Denken operiert, und die Begriffe sind
der gedankliche Inhalt, die Bedeutung der Worte. Die gemeinsame
neurodynamische Grundlage des Denkens und der Sprache ist das
zweite ->• Signalsystem, das System bedingt
reflektorischer Nervenverbindungen des menschlichen
Großhirns, das auf verallgemeinerte Signale, auf Worte reagiert.
Die Sprache spielt eine außerordentlich große Rolle im
Erkenntnisprozeß: erstens ist sie erforderlich, damit das zweite
Signalsystem funktionieren und das abstrakte Denken vor sich
gehen kann, zweitens gestattet sie durch ihre kommunikative
Funktion, die Wissenschaft zum Allgemeingut der Menschen zu
machen, und drittens gibt sie durch die Schriftsprache die
Möglichkeit, das im Verlaufe der fortschreitenden Erkenntnis der
Menschheit gesammelte Wissen zu fixieren und für die Zukunft zu
erhalten. Die Lautsprache ist durch ihre ganze historische
Entwicklung und durch ihre seit dem Ursprung gegebene
untrennbare Verflechtung mit dem Denken zur «natürlichen
Sprache» geworden.
Diese natürliche Sprache oder Umgangssprache bildet die
Grundlage für alle anderen Zeichensysteme, die ebenfalls als
Sprachen oder als Bestandteile davon angesehen werden. Hier sind
vor allem die Wissenschaftssprachen zu nennen und die in
zunehmendem Umfang von den Wissenschaften verwendeten
symbolisierten und formalisierten Sprachen.
Symbolisierte und formalisierte Sprachen entstehen und
entwickeln sich nicht mehr oder weniger spontan wie die
natürliche Sprache, sondern durch bewußte,
zweckbestimmte Festsetzungen und Verabredungen; sie werden daher
auch als künstliche Sprachen oder Kunstsprachen der natürlichen
Sprache gegenübergestellt.
Während die bisher genannten Sprachen dem Menschen
unmittelbar dienen und zwischen Menschen benutzt werden, also an
den Menschen gebunden sind, hat die Informationstheorie den
Begriff der Sprache so erweitert, daß er auch Zeichensysteme
erfaßt, die zwischen niederen Lebewesen, technischen Systemen
u.a. Verwendung finden. Im Sinne der Informationstheorie wird
jedes natürliche oder durch Konvention gegebene Zeichensystem,
durch das Nachrichten bzw. Informationen von einem
kybernetischen System zu einem anderen übertragen werden, als
Sprache angesehen.