Der Hungerstreik als letzte
Waffe zur Verteidigung der Rechte politischer
Gefangener wurde und wird in Irland seit unzähligen Jahren
angewendet. Politische Gefangene werden ihrer Natur
nach vom Staat als Bedrohung des status
quo für die herrschende Klasse angesehen. So wird vom
Staat jede Tat des Widerstands gegen ihn "auf die am
möglichsten effektive ", so seine
Eigendefinition, entgegen getreten. Diese
"am möglichsten effektiv " ist aus unserer Perspektive der
brutalste Weg.
Irland hat eine lange Geschichte im Kampf gegen Besatzung,
die auf den Beginn der britischen
Herrschaft im 12. Jahrhundert zurück geht.
Seit damals ist der Widerstand eine Konstante. Dies
kulminiert sich in der Gefangenschaft
vieler politischer Aktivistinnen und Aktivisten bis heute.
Der erste Ire, der im Hungerstreik für politische Rechte der
Gefangenen starb, war Thomas Ashe.
Er starb 1917 im Mountjoy-Gefängnis in
Dublin an den Folgen der Zwangsernährung. Auch ein anderer
Gefangener starb auf diese Art. 1974
wurde Michael Gaughan im Parkhurst-Gefängnis auf
der Isle of Whyte zwangsernährt [und starb]. Zwei
weiter Männer starben im Hungerstreik
in Gefängnissen in Britannien. Dies waren der Oberbürgermeister
von Cork, Terence McSwiney, im Gefängnis in Brixton im
Jahr 1920 und Frank Stagg 1976 im Gefängnis in
Wakefield. Insgesamt starben seit 1917
22 Gefangene im Hungerstreik im Kampf für politische
Rechte.
Die letzten waren jene zehn Männer in den H-Blocks von Long
Kesh 1981. Diese Gefangenen wurden von illegalen britischen
Gerichten auf irischem Boden verhaftet,
verurteilt und sie starben in britischen
Gefängnissen auf irischem Boden.
Die Hungerstreiks begannen 1980 in den H-Blocks nach
mehreren Jahren des politischen Kampfs für die Rechte der
Gefangenen inner- und außerhalb der
Gefängnisse. Die britische Politik unter Margret Thatcher
folgte dem Ziel der Kriminalisierung irischer
Freiheitskämpferinnen und -kämpfer. Die
Gefangenen wollten nicht kriminalisiert werden [und so]
verweigerten [sie] Gefängniskleidung zu tragen. Sie
kleideten sich daher für sechs
Jahre ausschließlich in Bettlacken. Viele von ihnen konnten so
auch nicht ihre Familien sehen, da Gefangene bei
Besuchen die Gefängniskleidung tragen
mussten. Ebenso wurden sie auf ihrem Weg von und
zu Besuchen immer wieder durchsucht. Sie verweigerten
die Zellen zu verlassen, da es aber
keine Sanitäreinrichtungen in den Zellen gab,
schmierten sie ihre Exkremente an die Wände ihrer
Zellen. Alle paar Wochen wurden
die Männer von den Wärtern in Duschräume gezerrt und mit
Putzbürsten geschruppt, während ihre Zellen mit Wasser
ausgespritzt wurden. Oft wurden die
Zellen auch ausgespritzt, während sich die
Gefangenen noch darin befanden. Dadurch wurden ihre
Bettlacken und Matratzen, die am Boden
lagen, völlig durchnässt.
Die 5 Forderungen der Gefangenen waren:
1) Das Recht, keine
Gefangenenkleidung tragen zu müssen.
2) Das Recht, keine Gefängnisarbeit verrichten zu müssen.
3) Das Recht auf Bewegungsfreiheit mit anderen Gefangenen und
Organisierung
von Weiterbildung und Freizeit.
4) Das Recht auf einen Besuch, einen Brief und ein Paket pro
Woche.
5) Vollkommene Wiederherstellung aller Vergünstigungen, die
während dem
Protest verloren gingen.
Im März 1981 begann Bobby Sands
den zweiten Hungerstreik [nach jenen
im Herbst 1980]. [Er nahm zu sich] nichts außer Wasser. Als am
20. August Michael Devine starb, lagen
zwischen ihm und Bobby Sands die Leichen
von acht irisch-republikanischen Soldaten, die durch
Hungerstreiks starben. Die Auswirkungen
von Bobby Sands Tod zu Hause und außerhalb waren
elektrifizierend. Es kam natürlich zu Protesten in
Irland, aber auch in Frankreich,
Italien, der Schweiz und Portugal, in Athen [in Griechenland],
Belgien, Australien, den USA,
England oder Wales. Fidel Castro zollte
[Bobby Sands] Tribut und es wurde in Kuba ein Denkmal für ihn
errichtet. Im Iran wurde eine Straße
nach ihm benannt. Mitarbeiter der iranischen
Botschaft kamen zu seinem Begräbnis [nach Belfast] und
ebenso wurde ein Telegramm der
Islamischen Republik Iran erhalten. Die derart große
Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wurde in
Irland sehr positiv aufgenommen.
Damals glaubten wir, dass der Druck es für die
britische Regierung sehr schwer machen würde [die
Gefangenen tatsächlich verhungern zu
lassen], doch wir wurden erschreckender Weise eines Anderem
belehrt.
Unglücklicherweise war der Preis für politischen Status das
Leben von zehn Gefangenen. Wie
leicht wurde dieser Status dann 17 Jahre
später von einigen der Leute verkauft, die damals an
der Seite von Bobby Sands und seinen
Genossen in den H-Blocks standen. Das Stormont-Abkommen
(auch: Karfreitagsabkommen, IRC.) wurde im April 1998
unterzeichnet und beendete politischen
Status.
Das war der Preis, den meine ehemaligen Genossinnen und
Genossen bezahlten, um Eintritt in die sektiererischen Mauern
von Stormont (Sitz der
6-County-Verwaltung in Belfast, IRC.) und das britische
Establishment zu erhalten. Meine
ehemaligen Genossinnen und Genossen versuchen nun britische
Herrschaft in Irland
einzupflanzen und werden wohlwollen bezahlt dafür,
dass sie die derzeitigen POWs im Maghaberry-Gefängnis
außerhalb von Belfast, kriminalisieren.
Republican Sinn Féin unterstützt die
Continuity-IRA-Gefangenen in Maghaberry und Portlaoise. Sie
teilen mit uns das Ziel und Ideal einer
sozialistischen Republik aus allen 32 Counties. Die Insassen
in Portlaoise in den 26 Counties des
Freistaats haben bis zu einem gewissen Grad
politischen Status, werden aber von den Soldaten des
Freistaats permanent beobachtet und
kontrolliert. Aber für die Situation in Portlaoise wurde hart
gekämpft. Über viele Jahre waren etwa die Gefangenen und ihre
Besucherinnen und Besucher durch einen doppelten Zaun
getrennt. Meine Tochter war acht Jahre
alt, als ihr Vater sie das erste Mal berühren
konnte. Sie wurde nämlich geboren, nachdem er
verurteilt worden war.
Die republikanischen Gefangenen in Maghaberry erheben derzeit
folgende Forderungen:
1) Bewegungsfreiheit
2) Ende ständiger Kontrollen bei Aufenthalten außerhalb der
Zellen.
3) Recht auf jederzeitige Weiterbildung.
4) Getrennte Besuchsmöglichkeiten.
5) Recht auf Organisierung eines eigenen Flügels.
Die POWs haben keine
Möglichkeit zur freien Bewegung, was von der Gefängnisleitung
mit Sicherheitsbedenken begründet wird. In der
Praxis bedeutet das, dass nur drei Gefangene
gleichzeitig außerhalb ihrer Zellen
sein dürfen. Gefangenen können zudem bis zu 22 Stunden pro Tag
in den Zellen eingesperrt bleiben.
Aufgrund der geringen Zeit, die Gefangene außerhalb der
Zellen verbringen können, müssen
sie zwischen Sport und Unterricht wählen. Zur
Sicherheit von Besucherinnen, Besuchern und POWs sind
getrennte Besuchseinrichtungen
zwingend. In einem Fall wurde etwa ein Besucher eines
republikanischen POWs von Besuchern eines
loyalistischen Gefangenen bis zu seinem
Haus in Belfast verfolgt. Das Recht zur Organisierung des
eigenen Flügels ist ein immanenter
Bestandteil des politischen Status. Weiters bedarf es einem
Sprecher, der mit der Gefängnisleitung verhandelt.
Andere Bereiche, in denen es Forderungen gibt sind:
Schwierigkeiten einen Arzt aufzusuchen, lange
Verschließungen von bis zu 23 Stunden
pro Tag, laufende Nacktdurchsuchungen ("strip
searching" IRC.), Hinzunahme von
Hunden bei der Durchsuchung von
Besucherinnen und Besuchern, den Gefangenen und ihren Zellen.
Die
Osterlilie, ein Symbol des irischen Republikanismus, ist in
den Gefängnissen verboten, doch
die [loyalistische] Mohnblume ("Poppy",
IRC.), ein Symbol des britischen Imperialismus, isterlaubt.
Neue Verordnungen verlangen nun, dass Besucherinnen und
Besucher im vorhinein namentlich genannt werden müssen und
beim Betreten des Gefängnisses
müssen sie ihre Fingerabdrücke hinterlassen.
Ich selbst war politische Gefangene für nahezu fünf Jahre im
Gefängnis von Limerick. Im Jahr
2000 wurde ich entlassen. Die Bedingungen
dort gehörten zu den Schlimmsten in Irland. Das Gebäude
war knapp 200 Jahre alt,
heruntergekommen, doch trotzdem diente es als Frauengefängnis.
Zu der Zeit war ich die einzige
[weibliche] politische Gefangene, aber ich
erhielt gute Unterstützung von den nicht-politischen
Insassinnen. Ich wurde in einem
speziellen Gerichtsprozess verurteilt, wie alle politischen
Gefangenen [für die diese spezielle Judikatur
eingerichtet worden war]. Ich weigerte
mich, wie meine drei Genossen ebenfalls, auszusagen. Nach drei
Jahren im Gefängnis hatte ich einen Herzinfarkt und es
dauert für den Krankenwagen eine Stunde ins und, da ich von
bewaffneter Polizei eskortiert
werden musste, weitere 30 Minuten um aus dem Gefängnis zu
kommen. Im Krankenhaus blieb ich
lediglich eine Woche, ständig unter Beobachtung
bewaffneter Wachen, und wurde dann zurück ins Gefängnis
gebracht, in genau dieselbe Situation
[wie vor der Erkrankung]. Aber ich überlebte!
Vielen ehemaligen Gefangenen wird
die Einreise in die USA oder Kanada
verwehrt. Wir hatten sogar Fälle, dass Personen das Betreten
England oder sogar ihres eigen Landes verunmöglicht wurde
[nämlich Einreise in] die sechs besetzten Counties!
Die Sondergerichtshöfe wurden eingerichtet, um politische
Prozesse dort durchzuführen, aber nun finden dort auch mehrere
nicht-politische Prozesse statt. Für den Staat ist es dort nicht
schwierig eine Verurteilung zu erlangen, denn bei ihnen gibt es
keine Jury, nur drei
Richter. Faire Prozesse sind [unter diesen Umständen] unmöglich.
Die für die Verurteilung notwendige Vorarbeit wird von der
Polizei gemacht. Mitgliedschaft in der Irisch-republikanischen
Armee (IRA) ist illegal. Für die, denen Mitgliedschaft
vorgeworfen wird, ist die Aussage eines hohen Polizeibeamten
bereits gleich einer Verurteilung. Ebenso gibt es eigene
Legislatur. Der Offences Against the State Act (Gesetz gegen
Angriffe auf den Staat, IRC.), der über die Jahre immer mehr
erweitert und ausgeweitet wurde, zielt auf politische Prozesse
ab. Doch auch dieser wird mehr und mehr auf andere Anklagen
verwendet. Man könnte ihn mit den Paragraphen 129 und 278 [in
Deutschland und Österreich] vergleichen. Erst vor wenigen Wochen
wurde eine neues Gesetz erlassen, dass es der Polizei erlaubt,
in dein Haus einzudringen, Abhörgeräte zu installieren und dies
als Beweis vor Gericht zu verwenden.
Und noch etwas kurz zum Abschluss. In den vergangenen Jahren
starben mehrere Menschen in Polizeigewahrsam. Einer von ihnen
war ein 14 Jahre alter Junge.
Ich muss auch die unzähligen Iren erwähnen, die lange
Haftstrafen aufgrund ihres politischen Aktivismus in England
absitzen mussten. Sie litten sehr, wurden geschlagen und
gefoltert, für längere Zeit in Einzelhaft gehalten, ohne
Vorwarnung von einem Gefängnis zum
Nächsten verlegt und wieder weiter. Viele Besucherinnen und
Besucher kamen aus Irland nach England und erfuhren erst im
Gefängnis, dass der Gefangene
sich bereits am anderen Ende des Landes befand. Auch die
medizinische Versorgung war nicht ausreichend und so starb 1980
der Gefangene Guiseppi Conlon aufgrund mangelnder
Untersuchungen.
[Ich möchte meine Rede mit einem Zitat abschließen, dass uns
zurück zum Thema der Diskussion bringt: "Politische Gefangene
und der Kampf für Menschlichkeit“.] Vor einiger Zeit
schrieb mir ein Freund folgendes: "Durch ihre Standfestigkeit
gegen Tyrannei
behaupten politische Gefangenen die Menschlichkeit der
Unterdrückten. Durch unsere Unterstützung für sie, erhebt dies
uns und die Welt von der Unmenschlichkeit.
Editorische Anmerkungen
Den Text erhielten wir von
Republican Sinn Fein mit der Bitte um Veröffentlichung in dieser Ausgabe.
Redebeitrag von Josephine
Hayden auf dem VII. internationalen Symposium gegen
Isolationshaft, das Ende Dezember 2008 in Wien (Österreich)
stattfand. Hayden ist ehemalige politische Gefangene in
Irland, Generalsekretärin von
Republican Sinn Féin (RSF) und Leiterin des
Gefangenen-Referats der Partei.
Published by the Republican
Sinn Féin International
Relations Bureau in Central Europe, www.irish-solidarity.net
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Republican Sinn Féin
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Ireland.
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