Neuauflage des SDS?
Studierende, Politiker, Wissenschaftler und Gewerkschafter diskutierten beim »Kongreß für eine neue Linke« Gründung eines neuen Hochschulverbandes

Von Sebastian Wessels, Frankfurt/Main

02/07

trend
onlinezeitung

Von der Hoffnung auf einen linken Aufbruch in Deutschland war am Wochenende der »Hochschulkongreß für eine neue Linke« geprägt. Unter dem Motto »get up, stand up« hatten sich ab Freitag nachmittag rund 500 Teilnehmer aus 40 Städten auf dem Bockenheim-Campus der Uni Frankfurt am Main versammelt, um Strategien gegen den Neoliberalismus und die Rolle kritischer Studierender in der Gesellschaft zu diskutieren. Darunter waren Vertreter von 20 Hochschulgruppen und auch Aktive anderer Organisationen wie ATTAC und Jusos.

Der Kongreß war vom 2004 geknüpften Hochschulgruppennetzwerk Die Linke organisiert worden und sollte die Initialzündung für die Gründung eines neuen, bundesweiten linken Studierendenverbandes abgeben. So war es kein Wunder, daß die Erinnerung an den 1946 gegründeten Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) die Veranstaltungen durchzog, der in den 1960er Jahren an der Spitze der westdeutschen, antikapitalistischen Studentenbewegung stand.

Den Auftakt zum Kongreß bildete am Freitag abend ein hochkarätig besetztes Podium über Prekarität und »die Linke im Zeitalter der Ungleichheit«. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, die Vizechefin der Linkspartei.PDS, Katja Kipping, der Jenaer Professor Klaus Dörre sowie die Landesbezirksleiterin von ver.di Baden-Württemberg, Sybille Stamm, referierten über Ursachen und Folgen der »neuen Herrschaftsform« Prekarität. Vor allem Oskar Lafontaine stimmte mit seinen Redebeiträgen einen kämpferischen Grundton an. Er plädierte für eine Rückeroberung linker Sprache und beklagte, daß die Linke sich nicht einmal mehr traue, von einer »Klassengesellschaft« und von »Klassenkampf« zu sprechen. Er forderte die Studierenden auf, sich dem »permanenten Abbau von Demokratie« entgegenzustellen: »Es geht nicht ohne euch«, rief er den Applaudierenden zu.

Unter den Gästen, die an einem der drei Podien teilnahmen oder einen der rund 30 Workshops anboten, waren desweiteren der globalisierungskritische Politologe und Autor Elmar Altvater, der Soziologe Alex Demirovic, die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Nele Hirsch, die sächsische Landtagsabgeordnete Julia Bonk, die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei.PDS Katina Schubert und jW-Autor Jürgen Elsässer. Alle Podien wurden nach den einleitenden Referaten für Redebeiträge aus dem Plenum geöffnet. So wurde deutlich, daß sich sowohl eher pragmatische als auch radikale Linke beteiligten. Der Streit um die Frage, wie weit die Linke sich auf Kompromisse einlassen dürfe, entzündete sich auch hier immer wieder an der Regierungsbeteiligung der Linkspartei.PDS in Berlin, die etwa wegen der dort verbreiteten Ein-Euro-Jobs scharf kritisiert wurde. Demgegenüber forderte Katina Schubert – unter Beifall –, auch die Erfolge der Linkspartei.PDS im Berliner Senat zu würdigen. Oskar Lafontaine gestand zu, daß es in Berlin »Fehlentscheidungen« gegeben habe, betonte aber, daß eine Zersplitterung der Linken nicht der richtige Weg sein könne. Er erneuerte indes seine Aussage, der Verkauf der Berliner Sparkasse sei der »Lackmustest« für die Koalition aus SPD und Linkspartei.PDS in der Hauptstadt.

Am Wochenende vom 2. bis 4. Februar sollen eine vorläufige Satzung und ein vorläufiges Programm für den neuen Hochschulverband formuliert, ein Übergangsvorstand gewählt und ein Gründungskongreß geplant werden, der Anfang Mai stattfinden soll. Die Frage, wie weit sich dieser Verband öffnen muß und kann, um möglichst viele Kräfte einzubinden, ohne das inhaltliche Profil zu verwässern, dürfte das Projekt Hochschulverband auf längere Sicht begleiten. Schließlich, und auch daran erinnerte man sich hier, birgt das große Vorbild SDS auch eine Warnung: Im Jahr 1970 beschloß der ehemals hochdynamische sozialistische Studentenbund aufgrund innerer Zersplitterung und Lähmung seine Selbstauflösung.

Zu dem an diesem Wochenende in Frankfurt/Main stattfindenden Kongress des Hochschulgruppen-Netzwerks von Linkspartei.PDS und WASG erklärt der jugendpolitische Sprecher des Parteivorstandes Sascha Wagener:

Mehr als 400 Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet wollen sich an diesem Wochenende an der Uni Frankfurt/Main treffen und über die Gründung eines Hochschulverbandes beraten. 26 Jahre nach der Auflösung des SDS ist es Zeit für die Gründung eines neuen sozialistischen Studierendenbundes.

Die Abschaffung von Gebühren im Bildungsbereich, die Demokratisierung der Hochschulen, eine Neuausrichtung der Forschung und kulturelle Freiheit und Vielfalt werden sich nicht ohne stärkeres Engagement der Studierenden verwirklichen lassen. Deshalb ist ein starker Hochschulverband notwendig.

Mit seiner Hilfe soll es auch gelingen, die ostdeutschen Bundesländer, die derzeit noch weitgehend auf Studiengebühren verzichten, gebührenfrei zu halten. Die Einführung von Studiengebühren in den neuen Bundesländern würde die Abwanderung junger Menschen weiter verstärken. Hier sehen wir uns als Linke in einer besonderen Verantwortung.

Nur gemeinsam wird es uns gelingen, die Teilhabe jedes Menschen am gesamten Reichtum von Wissenschaft, Bildung, Kultur und Information zu ermöglichen, die kreativen Potenziale zu wecken und die Beteiligung an gesellschaftlicher Veränderung zu stärken.

Editorische Anmerkung

Wir spiegelten von http://www.solid-web.de/ - Webseite von SOLID - Sozialistischer Jugendverband