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KOMMUNISTISCHE STREITPUNKTE - Zirkularblätter - Nr. 6 - 10.10.2000 - Onlineversion

Daniel Dockerill

By The Rivers Of Babylon

Eine (inhaltliche) Kritik unserer Debattenkultur



„Jeder an der Debatte Beteiligte weiß, daß es bei kaum einer Sache so sehr auf Klarheit ankommt, wie an dieser Stelle.“

(Karl-Heinz Landwehr)

„Anscheinend reden wir aneinander vorbei.“

(Werner Imhof)

Karl-Heinz Landwehrs Vorstoß zur Konzentration der Debatte um die sogenannten Basiskategorien der Kritik der politischen Ökonomie auf den Inhalt des Werts und die Frage seiner historischen Reichweite hat einen recht eigenartigen Disput ausgelöst. In den Erläuterungen seines Vorstoßes, die den größten Unmut erregen, hat Karl-Heinz Landwehr (KHL) eigentlich nichts Überraschendes verkündet oder eingeklagt, sondern nur die Quintessenz dessen vorgetragen, was die Auseinandersetzung der Übergänge mit der Wertkritik bislang erbracht hat, und damit übrigens, ohne Aufhebens davon zu machen, einer Forderung entsprochen, die während des ersten Treffens verschiedentlich an die Übergänger erhoben worden war. Diese hatten außerdem bereits in ihrer Einladung zum ersten Treffen mehr als einmal und ohne auf Widerspruch zu stoßen, der Debatte, zu der sie einluden, als erstes Material die in den Übergängen drei und vier versammelten Texte zugrunde gelegt (und zu dessen Ergänzung oder Revision aufgefordert). Darin wird in zweifacher Abgrenzung, gegen den traditionellen wie den neueren, wertkritischen Revisionismus der keineswegs bloß theoretische, sondern dezidiert programmatische Charakter aller gegenwärtigen Diskussion jenes Gegenstandes herausgearbeitet, um den die Debatte auf unserem kommenden Treffen gehen soll. Eine bestimmte „politisch-programmatische Ausrichtung“ haben wir mit der initiierten Debatte natürlich nicht erst „jetzt“, sondern erklärtermaßen von vornherein bezweckt und nie einen Hehl daraus gemacht, daß dieser Zweck sie nach unserer Auffassung von allem Anfang an bestimmen sollte.

KHLs Vorstoß zielt mit der möglichst präzisen Definition des Inhalts der Debatte auf ihre zweckmäßige Form. An den Zurückweisungen jener inhaltlichen Präzisierung fällt gerade umgekehrt auf, daß sie sich um den Aspekt der Form ihres Widersprechens zu wenig kümmern und darüber dann auch jede Bestimmtheit des Inhalts verloren geht. Das, wogegen widersprochen wird, ist augenscheinlich höchst unzureichend zur Kenntnis genommen worden. Hier wird – aus dem Gedächtnis oder sonst woher – falsch zitiert, dort – aus Angst vor Vereinnahmung oder warum auch immer – mutwillig mißverstanden und so die Möglichkeit verbaut, die offenkundig vorhandene Übereinstimmung in einem entscheidenden Punkt klar zu definieren.

I.

KHL hat den „jetzige[n] Arbeitsschritt“ qualifiziert als „die Weichenstellung der programmatischen Debatte“. An anderer Stelle spricht er von der „Knotenpunktstellung der Waren- und Wertformanalyse“, die wir nicht „verkennen“ dürften. Wenn KHL anmahnt, daß wir „zügig da durchkommen“ müßten, dann nicht etwa, weil er durch die Auseinandersetzung mit den sogenannten „Basiskategorien“ im allgemeinen und Fiete Krumm im besonderen „die Programmdebatte verzögert“ sähe, sondern, weil er sie im Gegenteil, ihrer zentralen Wichtigkeit entsprechend, ergebnisorientiert geführt wissen will.

Zur Begründung, weshalb „die inhaltliche Erfassung der Basiskategorien der K.d.p.Ö. [Kritik der politischen Ökonomie; DD]“ nicht bloß das „Instrumentarium“ der Programmdebatte zu sichern habe, sondern selbst bereits einen ersten, weichenstellenden Schritt darin darstelle, schreibt KHL unter anderem:

„Drittens enthüllt die Waren- und Wertformanalyse den naturgesetzlichen Charakter des Inhalts des Werts; enthüllt zugleich unspektakulär (s. z.B. MEW 23, 92f) die Aufhebung seiner Form als einer durch die assoziierten Produzenten geplanten gesellschaftlichen Produktion.“

Eine Genossin hat daraufhin die Frage gestellt, „warum der Inhalt des Werts einen naturgesetzlichen Charakter hat und keinen gesellschaftlichen“. Aber weder KHL noch sonst jemand hat behauptet, was die Genossin hier begründet haben möchte, vielmehr unterstellt die Frage etwas, das selbst zunächst begründet werden müßte: daß naturgesetzlicher Charakter einer Sache ihren gesellschaftlichen Charakter ausschließe. Die Differenz von Natur und Gesellschaft ist schließlich keine absolute, sondern eine höchst bedingte und jedesmal konkret zu reflektierende.

Hat also niemand in Zweifel gezogen, daß der Inhalt, oder, wie Marx im „Kapital“ sagt, der „Gehalt“ des Werts gesellschaftlicher Natur sei, sind wir damit doch nicht die Frage nach Art und Bedeutung dieses gesellschaftlichen Inhalts des Werts los. Ist jene Gleichheit sämtlicher konkreten Arbeiten vor dem Wert, die darauf abzielt, daß bei aller Verschiedenheit des wirklichen gegenständlichen Tuns jedesmal dieselbe, spezifisch menschliche Physiologie zweckmäßig sich betätigt, bloß eine durch die besondere gesellschaftliche Form selbst, also durch die Warenproduktion erzeugte Phantasmagorie? Oder bringt umgekehrt der Wert dieses wirklich allgemeine Moment jeder besonderen Arbeit vielmehr in phantasmagorischer Form zum Vorschein? Liegt das Spezifische des Werts in seinem (gesellschaftlichen) Inhalt, ist seine Form also entweder damit ununterscheidbar identisch oder bloßes Beiwerk („sekundär“, wie Robert Kurz zu sagen pflegte, als er sich noch um Werttheorie gekümmert hat)? Oder liegt es vielmehr in jener eigenartigen Form, worin, wie Marx an Kugelmann schreibt1, das „Vernünftige und Na­turnotwendige“ als Gesetz des Werts der Waren sich durchsetzt? Stellt die Behandlung der nur als Summe „aus zahllosen individuellen Arbeitskräften“ existierenden gesellschaftlichen Gesamtarbeitskraft „als eine und dieselbe menschliche Arbeitskraft“ (MEW 23, S.53), die dem Wert zugrunde liegt, schon an sich eine Vergewaltigung der menschlichen Individualität dar? Oder ist der Wert vielmehr nur der allgemeinste Ausdruck dafür, daß die Individuen diese Behandlung sich gegenseitig antun und äußerlich erleiden, ohne zu wissen, was sie tun und wie ihnen geschieht, statt (eingedenk dessen, daß nur in der Gesellschaft sie sich vereinzeln können) sich als individuelle Glieder einer einzigen gesellschaftlichen Gesamtarbeitskraft selbstbewußt zu organisieren?

So steht – nicht erst seit unserem Entschluß zu einem Repetitorium der Marxschen Werttheorie – die Frage, die KHL in seiner an Marx angelehnten, herausfordernden Rede vom „naturgesetzlichen Charakter des Inhalts des Werts“ klärend zuzuspitzen sucht.

Sodann „interessiert“ jene Genossin noch

„hierbei doch, wie die Aufhebung der Wertform vonstatten geht – und das auch noch ‚unspektakulär‘“.

Macht das Spezifikum des Werts die spezifische Form aus, die ein naturnotwendiger, insofern historisch unspezifischer, allgemeiner Inhalt menschlicher Verhältnisse durch ihn erhält, so ergibt sich aus dieser Erkenntnis ohne weiteres („unspektakulär“), daß derselbe Inhalt (wohlgemerkt: der abstrakte, für sich festgehaltene, formlose Inhalt) ebensogut andere Form annehmen, die Form also, nicht aber jener Inhalt, aufgehoben werden kann. Die Aufhebung einer Form, worin der fragliche Inhalt „nur als blindwirkender Durchschnitt“ (Marx an K.), das Notwendige unter lauter Verstößen dagegen unerkannt und darum gewaltsam sich durchsetzt, kann aber nur eine solche andere Form sein, die gerade die Blindheit der Wirkung ihres Inhalts aufhebt, indem sie diesen offenlegt, für jede Frau und jedermann jederzeit einsichtig macht und so als deren gemeinsamen Plan deren Herrschaft unterwirft. – Dies ist der nicht sehr geheimnisvolle, wahrhaftig wenig spektakuläre Sinn von KHLs Bemerkung, daß die Marxsche Bestimmung des Wertinhalts „zugleich unspektakulär“ die Aufhebung der Form des Werts (lies: Möglichkeit, Notwendigkeit ihrer Aufhebung) „enthüllt“, d.h. als Schlußfolgerung nahelege. Daß da „auch noch ‚unspektakulär‘“ irgend etwas „vonstatten geht“, hat also einmal mehr niemand gesagt.

Wenn die Genossin sich dann zunächst beschwert, daß „Auch das angegebene Zitat“ (MEW 23, S. 92f) ihr „hierbei“, nämlich in der sie beschäftigenden Frage, wie denn wohl die Aufhebung der Wertform „vonstatten geht“, nicht weiterhelfe, gleich darauf aber wissen möchte, „warum die Form – und nicht der Inhalt – gesprengt werden soll“, fragt sich vollends, wer hier wohl dazu neigt, einer möglichen „gemeinsamen Entwicklung“ allzu hastig vorauszueilen.

Fast so, als wollte sie das Knäuel an Fragen entschuldigen, mit denen sie uns bestürmt, schreibt die Genossin, sie müsse „die ‚Waren- und Wertformanalyse‘ schon genau kennen, um etwas aus dem besagten Abschnitt (MEW 23, S. 92f) herauszulesen.“ Da liegt vielleicht das Problem. Der „besagte Abschnitt“ bzw. das „angegebene Zitat“ handelt vom berühmten „Verein freier Menschen“, bei dem sich alle Bestimmungen der individuellen Arbeit Robinsons, die Marx zwei Seiten vorher untersucht, als Bestimmungen gesellschaftlicher Arbeit wiederholen. In Robinsons einfachen und durchsichtigen Beziehungen zwischen sich und „den Dingen, die seinen selbstgeschaffnen Reichtum bilden“, hatte Marx bereits „alle wesentlichen Bestimmungen des Werts enthalten“ (MEW 23, S. 91) gefunden: Alle Verrichtungen, die zur Produktion seiner Gebrauchsgegenstände nötig sind, obgleich sehr verschiedener Art, werden durch „eine und dieselbe menschliche Arbeitskraft“ (MEW 23, S. 53) ausgeführt, und Robinsons Buchführung liegt diejenige Arbeitszeit zugrunde, „die ihm bestimmte Quanta dieser Produkte im Durchschnitt kosten.“ (MEW 23, S. 91) Dieselben Bestimmungen, die Marx als den „Gehalt“ des Werts analysiert hat, machen sich hier in vollkommen veränderter Form geltend. Beim „Verein freier Menschen“, mit dem Marx einen ersten, kleinen Ausblick auf die von uns diskutierte „Aufhebung der Wertform“ gibt, genauer: auf ihr Resultat, den Kommunismus, regelt statt Robinsons planmäßiger Einteilung seiner individuellen Arbeit die „gesellschaftlich planmäßige Verteilung“ der Arbeitszeit „die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Be­dürfnissen.“ (MEW 23, S. 93). Damit aber die Arbeitszeit „gesellschaftlich planmäßig“ verteilt werden kann, muß alle in der Gesellschaft verfügbare Arbeitskraft als ein Ganzes, als „eine und dieselbe“, aus vielen individuellen Gliedern zusammengesetzte Arbeitskraft behandelt werden. Auch hier kehrt also der Inhalt des Werts (welcher letztere indes keineswegs identisch ist mit seinem, wohlgemerkt, abstrakt, für sich betrachteten Inhalt) in ganz und gar veränderter Form wieder.

Wie wir sehen, ist, was die Genossin aus „dem besagten Abschnitt“ glaubt „herauslesen“ zu sollen (die Antwort auf die Frage „wie die Aufhebung der Wertform vonstatten geht“) auch bei genauester Kenntnis darin nicht zu finden, weil es darin nicht gar nicht das Thema ist. Dagegen finden wir eine ziemlich klare Antwort auf die Frage, die offenbar nicht an die Waren- und Wertformanalyse, sondern nur so in den Raum gestellt wurde: „warum die Form – und nicht der Inhalt – gesprengt werden soll“.

II.

Werner Imhofs Begründung seines Unwillens, sich mit Fietes „Kursunterlagen“ näher zu beschäftigen, sticht nicht, das ist wahr. Daß Fiete Krumms Text sehr wohl „eine bestimmte politisch oder/und theoretisch einflußreiche Lesart“ der Kritik der politischen Ökonomie repräsentiert, zeigt freilich erst die Reflexion des wirklichen politisch-theoretischen Kontextes, in den jegliche Rezeption derselben (also auch unsere) sich unvermeidlich gestellt sieht. Es zeigt sich dann z.B., daß Fiete Krumms scheinbar rein theoretische Erörterungen vermeintlicher Argumentationsschwächen der Marxschen Kritik des Warenfetischs nicht nur überhaupt einen vortheoretischen Zweck verfolgt, sondern bei der Verfolgung ihres Zweck sich in derselben werttheoretischen Konfusion verheddern wie derzeit der gesamte linksradikale Mainstream (soweit sich da jemand irgend werttheoretisch äußert). Und es zeigt sich dann auch, daß die unter uns aufgekommenen Fragen, „warum der Inhalt des Werts einen naturgesetzlichen Charakter hat und keinen gesellschaftlichen“ und „warum die Form – und nicht der Inhalt – gesprengt werden soll“, nicht nur jenes Zentrum aller linksradikalen Schwierigkeiten mit der Werttheorie bilden, als welches sie zu behandeln KHL vorschlägt, sondern daß wir mit ihnen, ob wir wollen oder nicht, uns immer schon mitten in einem politischen Streit befinden, der jedes echt theoretische Interesse natürlich um so mehr kontaminiert, je weniger er von uns in Rechnung gestellt wird.

Dies ist denn auch der Grund, warum es Sinn macht, wenn wir uns das nötige gemeinsame Verständnis des theoretischen Fundaments der Kritik der politischen Ökonomie nicht einfach „auf direktem Weg, anhand der Marxschen Texte“ (W.I.) zu sichern suchen. Zuallererst nämlich haben wir uns doch wohl darüber genau zu verständigen, für welche bestimmten Aspekte der Marxschen Theorie es inwiefern denn, wie Werner schreibt, „sicher angebracht“ sei, „mögliche Unklarheiten und Widersprüche im Verständnis … aufzudecken und zu beseitigen“. Da wir uns eine Programmdebatte und kein Schulungsseminar vorgenommen haben, kann es sich dabei ja kaum um die bloß zufälligen, subjektiven Defizite der an der Debatte gerade Beteiligten handeln. Diese müssen vielmehr ihrerseits im Kontext jener Auseinandersetzung um Stellenwert und Verständnis der Kritik der politischen Ökonomie diskutiert werden, die die derzeitige Umgruppierung und Neuorientierung verschiedener Strömungen der politischen Linken begleitet. Die „direkte“ Interpretation der Marxschen Werttheorie, wenn sie nicht genauestens reflektiert, wo in jener Auseinandersetzung sie selber steht, wäre bloß eine Illusion, die eine Parteinahme darin durchaus vergeblich vermeidet.

Wenn die Beschäftigung mit Fiete Krumms „Kursunterlagen“ sogar den Gutwilligsten in unserer Runde offenbar so viel Schwierigkeiten gemacht hat, daß sie schließlich entnervt das Handtuch warfen, so liegt das wahrscheinlich am wenigsten an der „Verschrobenheit“ (W.I.) der darin ausgebreiteten „Denkweise“, oder richtiger: Handelte es sich allein um die besondere „Verschrobenheit“ des Fiete Krumm, dann wäre damit sicher leicht fertig zu werden. Wie nun aber schon der bescheidene Anfang unserer Debatte zeigt, teilt sie mit Fiete zumindest die eine, sehr entscheidende Schwierigkeit im Verständnis der Warenanalyse, Identität und Unterschied von Form und Inhalt des Werts richtig zu bestimmen. Aus dieser Unschärfe in der Bestimmung des kategorialen Ausgangspunkts erklären sich die meisten jener „gedanklichen Winkel- und Klimmzüge“, die Werner an Fietes Darbietungen zurecht so verärgert haben. Am ärgerlichsten daran ist freilich, daß wir über solchen unbestimmten Ärger hinaus offenbar noch kaum zu einem wohlbegründeten Urteil in der Lage sind, das die Angelegenheit für uns und damit für andere nachvollziehbar wirklich erledigte. Erst ein solches Urteil befreite uns aus der schlechten Alternative, Fietes Übungen mit unsicheren Erfolgsaussichten „in allen Einzelheiten“ nachzuturnen oder uns mit ein paar abwertenden Etikettierungen mehr oder weniger elegant aus der Affäre zu ziehen.

Wenn nichts anderes, so wiese zumindest dieser doch ziemlich hilflose Umgang mit den „Kursunterlagen“ auf eine noch nicht näher bestimmte Affinität zu der darin dargebotenen Auffassung von Ware, Wert und Wertform etc. hin, die, unbewältigt, deren Kritik allzu enge Grenzen zieht. Aber diese die Kritiker entnervende, ihr abgeklärtes Urteil störende, schlecht abgegrenzte unmittelbare Nachbarschaft zu Fietes Auffassungen ist auch ansonsten eigentlich kein Geheimnis und oben schon benannt. Was die oben zitierte Genossin fragend zurückweist und Werner als den „Knackpunkt“ seiner „Differenzen“ mit KHL bezeichnet: daß dieser einen von der Form des Werts unterschiedenen, also unter Absehung von seiner Form qualitativ wie quantitativ zu bestimmenden Inhalt des Werts festhält, eben das hat Fiete als „Schwäche von Marx Darstellung“ in jenem Fetischabschnitt ausgemacht, in dem Marx seine Analyse der Ware abschließend zusammenfaßt.

Auch Fiete Krumm ist unzufrieden mit der

„ … Eingrenzung, die Marx … vornimmt, daß dies Geheimnis [des Fetischcharakters der Ware; DD] nicht aus dem Inhalt der Wertbestimmung, sondern aus der Warenform entspringe“.

Sie sei „ein schlechter Ansatzpunkt“, findet er. Zwar sei die „Aussage … nicht falsch, aber die Analyse zäumt die Sache verkehrtrum auf.“ Seine Begründung dieser Kritik erledigt dann allerdings mit der angeblich „verkehrtrum“ aufgezäumten „Analyse“ auch die „Aussage“ selbst, wenn er gegen Marx u.a. argumentiert:

„Als ‚von der Qualität der Arbeit sogar sinnfällig‘ unterscheidbare Quantität ist die Arbeitszeit außerhalb der Warenproduktion überdies nur Quantität der konkreten Arbeit, nicht einer ‚abstrakt gesellschaftlichen Arbeit‘.“

Der Ausdruck „abstrakt gesellschaftliche Arbeit“ ist eine krumme Kreation, mit deren Hilfe Fiete die geschichtliche Besonderheit von Warenproduktion, daß die abstrakte Arbeit, wie Marx sagt, das „gesellschaftliche Band“ aller individuellen Arbeiten darstellt, also die besondere Rolle, die jenes allgemeine, allen wirklichen Arbeiten gemeinsame Moment in der Warenproduktion spielt, zur gewissermaßen historisch unvergleichlichen, zusammenhanglosen, bloßen Singularität konfundiert. Nur so wird aus der Sache jener „Widersinn“, auf den Fiete erklärtermaßen hinauswill. Wenn „außerhalb der Warenproduktion“ gar nicht existierte, was innerhalb derselben die Wertgröße bestimmt, dann wäre es überhaupt unmöglich, irgend etwas Bestimmtes darüber zu sagen, wodurch denn die Wertgröße bestimmt sei. Sagte ich, es sei die Menge abstrakter Arbeit, die die Wertgröße festlege, wäre das eine Tautologie, weil ich über diese abstrakte Arbeit wiederum nichts weiter sagen könnte, als daß sie den Wert bzw. seine Größe bestimme.

Wir befinden uns hier mitten Zentrum von Fietes Begründung seiner „krausen Vorstellungen von ‚gewaltvermittelter‘ Warenproduktion“ (W.I.), und es ist wirklich schade, daß Werner sich „die Beschäftigung“ damit nicht mehr hat „antun“ mögen. Sie hätte Gelegenheit geboten, einige Mißverständnisse unter uns schon im Vorfeld unseres Treffens aufzuklären.

Den schon erwähnten „Knackpunkt“ erläuternd schreibt Werner in seiner Antwort auf KHLs Vorstoß:

„Ich kenne keinen ‚Inhalt‘ des Werts, der sich von dem unterschiede, was Marx die Wertsubstanz nannte. Ich kann schon gar keine Naturgesetzlichkeit darin erkennen. Der Wert ist eine bestimmte historische Manier, die auf ein Ding verwandte gesellschaftliche Arbeit durch Privateigentum an den Produktionsmitteln getrennter (individueller oder kollektiver) Produzenten als Eigenschaft dieses Dings auszudrücken.“

Sehen wir einmal ab von der Frage der „Naturgesetzlichkeit“, auf die ich gleich noch zurückkommen werde, dann besteht hier keinerlei Dissens. Wenn Werner den Wert als „eine bestimmte historische Manier“ bezeichnet, etwas „auszudrücken“, dann hat er selbst die Form oder „Manier … auszudrücken“, die bestimmte Ausdrucksweise, klar unterschieden von ihrem Inhalt: dem, was darin ausgedrückt wird. Eine „bestimmte historische“ ist jene „Manier“ ja nur, insofern sie von anderen solchen „Manieren“, die dasselbe anders ausdrücken, unterschieden werden kann. Nur dann stellt sich die fragliche „Manier“, es auszudrücken, als eine besondere, als „historisch bestimmte“ Ausdrucksweise dar. Ohne Identität gibt es keinen begründbaren Unterschied. Dieses Etwas, das je nach den Umständen sehr verschiedene Ausdrucksweisen, Erscheinungsformen annehmen kann, bezeichnet Marx als Substanz des Werts, und Werner scheint ihm soweit zu folgen.

„Seine Größe“, fährt er nun fort, „ist bestimmt durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Fällt das Privateigentum, entfällt auch die Wertform des Produkts und mit ihr seine Wertgröße.“

Auch hier gibt es keinen Dissens, aber doch Anlaß zur Nachfrage. Der Wert ist die Einheit seiner Form mit deren Inhalt oder seines Inhalts mit dessen Form. Verschwindet also die Wertform (nicht des Produkts, sondern des gesellschaftlichen Charakters der darauf verwendeten Arbeit; die besondere Form des Produkts ist die der Ware), dann ist der Inhalt, den sie ausgedrückt hatte, natürlich nicht mehr der Inhalt des Werts. Das Charakteristikum, das die besondere Form des Werts ihrer Substanz aufprägt, verschwindet an dieser, sobald jene Form wegfällt. Ist die Substanz nicht mehr Substanz des Werts, dann ist sie natürlich als bestimmte Größe auch nicht mehr Wertgröße. Da aber nicht selten die Wertgröße als Bestimmung seiner Form, statt seines Inhalts oder „Gehalts“ unterstellt wird,2 gibt es Anlaß nachzufragen, was es damit auf sich hat, daß Werner im vorher zitierten, ersten Satz die Wertsubstanz mit dem Inhalt des Werts unmittelbar identifiziert, die Wertgröße dagegen erst im nächsten Satz im Zusammenhang mit der Wertform erwähnt. Festzuhalten ist hier jedenfalls, daß bei Marx auch die Wertgröße nicht nur vor der Analyse der Wertform bestimmt wird, sondern ausdrücklich unter Absehung von der Wertform.

„Was bleibt?“, fragt Werner weiter, und hebt schon mit dieser Frage an sich ganz richtig ab auf etwas Substanzielles, das dem Wert als dessen Bestimmung ebenso angehört, wie es ihn überdauert. Werner antwortet selbst:

„Daß es [das Produkt; DD] Verkörperung eines Bruchteils der gesellschaftlichen Gesamtarbeit ist. Die Größe dieses Bruchteils hat aber nichts mehr mit irgendeinem Wert zu tun, und sie ist auch nicht naturgesetzlich, sondern gesellschaftlich bestimmt.“

Richtig: Wenn der Umstand, daß das Produkt einen bestimmten Bruchteil der gesamten in der Gesellschaft verausgabten Arbeit verkörpert, nicht mehr in der „schielenden“ (Engels), nachträglichen Form eines Wertes des fertigen Produkts ausgedrückt werden muß, weil er nämlich immer schon bei seiner Produktion als bestimmter Aspekt der darin wirklich verausgabten Arbeit planmäßig berücksichtigt ist, wenn also jener Wert überflüssig geworden ist und daher wegfällt, dann hat auch die Bestimmtheit jenes Bruchteils, seine Größe, mit solch einem gar nicht mehr vorhandenen Wert „nichts mehr … zu tun“. Wer von den Übergängern hätte jemals etwas anderes behauptet, Werner? Wir haben nur behauptet, was du selbst hier auch sagst: daß etwas von dem, was bei Warenproduktion den Wert des Produkts ausmacht, „bleibt“ – nämlich eben jener Umstand selbst, der halt nur in verschiedener Weise zur Geltung kommen, nicht etwa aus der Welt geschafft werden kann.

Es ist dieser substanzielle Aspekt des Werts, daß in ihm in historisch besonderer Weise etwas zum Ausdruck kommt, was unabhängig davon, in jeder historisch bestimmten Produktionsweise irgendwie Berücksichtigung finden muß, den Marx im Auge hat, wenn er von einem dem Wert zugrunde liegenden Naturgesetz spricht, das „überhaupt nicht aufgehoben werden“ könne; und auch KHLs Rede vom „naturgesetzlichen Charakter des Inhalts des Werts“ meint nichts anderes. Daß Werner sich damit nicht einverstanden erklärt, verwundert um so mehr, als er selbst der Reduktion der Arbeit ausdrücklich auch im Kommunismus eine Naturschranke gesetzt sieht. In seiner ersten Stellungnahme zu Robert Schlossers „Voraussetzungen des Kommunismus“ schrieb er:

„ … die Einsparung menschlicher Arbeit, ‚die Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum‘ (Marx), hat ihre Grenzen in den verfügbaren stofflichen und energetischen Naturressourcen bzw. in deren nachhaltiger Nutzung. Eine kommunistische Ökonomie wird sich also nicht auf eine Ökonomie der Zeit reduzieren (lassen), sondern eine Zeitökonomie im Rahmen einer Ökonomie des zulässigen, d.h. global und dauerhaft verallgemeinerbaren, Naturverbrauchs sein müssen (andernfalls wäre sie nicht kommunistisch, sondern parasitär).“

Und in seiner Kritik meines Kommentars zu Hermann Kirschs „politischer Ökonomie des Sozialismus“ in den Übergängen heißt es:

Es werde „ … gesellschaftliche Produktion immer menschliche Arbeit nötig haben, andernfalls wäre sie keine gesellschaftliche Produktion, sondern ein monströser Automatismus (aus physikalischen und ökologischen Gründen sowieso ein Unding).“

Wenn also ein Minimum an gesellschaftlicher Arbeit „aus physikalischen und ökologischen Gründen“ nicht unterschreitbar ist, womit haben wir es dann zu tun, wenn nicht mit einem Naturgesetz, das jegliche gesellschaftliche Regulierung der Arbeitszeit determiniert?

III.

Die Rede vom „Naturverbrauch“ halte ich für unglücklich, unter anderem, weil in ihr „Natur“ als Abstraktum „dem Menschen“ oder „der Gesellschaft“ bloß entgegen- und vorausgesetzt erscheint, während sie, konkret betrachtet, in jenem „Verbrauch“ selbst auch gesellschaftlich produziert wird. Ich sehe auch nicht, wie die Annahme einer Grenze, die der Verringerung der Arbeit gezogen sei, heiße sie nun „zulässiger Naturverbrauch“ oder anders, gegen die Reduktion aller Ökonomie auf eine Ökonomie der Zeit sprechen soll. Denn diese bezeichnet hier ja weiter nichts als ein solches Haushalten mit der von der Gesellschaft für das Notwendige aufzubringenden Zeit, daß sie nicht dessen Maß übersteige, also den eigentlichen Reichtum der assoziierten Individuen, die zu ihrer freien Verfügung stehende Zeit, über dieses Maß des Notwendigen hinaus nicht beschränke. Wo dagegen jegliche solche Grenze entfiele, weil die Zeit für das Notwendige, „das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist“ (MEW 25, S. 828) zu Null reduziert wäre, wo also Werners „monströser Automatismus“ alle Zeit zur Disposition jedes einzelnen Individuums gestellt hätte, da wäre jegliche gesellschaftliche Ökonomie dieser Zeit natürlich schlechthin gegenstandslos. Solche Einwände unterstreichen aber nur unsere vollständige Übereinstimmung in dem Punkt, auf den Werners Argumentation abzielt. Gemeinsam gehen wir davon aus, daß nach Aufhebung der Warenproduktion zwar mit den Waren selbstverständlich auch deren Wert verschwinde, keineswegs aber die Arbeit, deren gesellschaftliche Verteilung auf die „verschiednen Arbeitsfunktionen“ (Marx) darin spontan und gewaltsam durch das Wertgesetz reguliert wird.

Offenbar verkennt Werner aber, wenn er die gesellschaftliche Regelung der Gesamtarbeit ohne Wert und Wertgesetz als „die Grundfrage des Kommunismus“ bezeichnet, den politischen Stellenwert einer solchen Aussage. Sie steht nämlich quer zu so ziemlich sämtlichen derzeit unter Kommunisten, Sozialisten und sonstigen Linksradikalen angesagten Diskursen. Halten wertkritische und andere an Marx geschulte Anhänger eines demokratischen Sozialismus mittlerweile das Wertgesetz für ein unersetzliches Zivilisationsmittel und diskutieren die poststalinistischen Schriftgelehrten wieder unverdrossen „die Rolle des Wertgesetzes im Sozialismus“, wollen Fundamentalisten, Postmoderne und andere Undogmaten unter den Kritikern von Wert und Kapital entweder von der Gesamtarbeit (Fiete und Co.) oder überhaupt von Arbeit (Krisis, Bahamas, Jacob etc.) im Kommunismus nichts mehr wissen. Unfähig an der Grundkategorie der politischen Ökonomie Form und Inhalt, d.h. überhaupt etwas zu unterscheiden und so erst sie zu bestimmen, halten sich die Einen bezüglich des Werts an das darin spezifisch zum Ausdruck kommende „Vernünftige und Naturnotwendige“, um mit diesem seine spezifische Ausdrucksweise für ebenso vernünftig und naturnotwendig zu erklären, während die Anderen aus einer unbestimmten Ahnung von der Fragwürdigkeit jener Ausdrucksweise auf die schiere Unvernunft des Ganzen schließen, die sie dann in immer neuen Wendungen in allen ihren Facetten zu denunzieren verstehen, für die sie aber unmöglich noch einen bestimmten Grund angeben können. Verwandeln die Einen das Programm der wirklichen kommunistischen Umwälzung, der revolutionären Befreiung des vernünftigen Inhalts von seiner unvernünftig gewordenen Form, in einen irrealen Katalog listiger Vorschläge zur Verbesserung, d.h. Konservierung jener Form, so verwandeln die Anderen umgekehrt ihre unbegründete Sehnsucht nach der vernünftig eingerichteten Welt in den Realismus ihrer pessimistischen Kritik, die alle Vernunft in ein exklusiv von ihnen verwaltetes Jenseits verbannt.

Wir werden auf dem kommenden Treffen jede bzw. jeder für sich zu entscheiden und uns darüber zu verständigen haben, ob wir uns weiterhin den Luxus leisten wollen, dieser allgemeinen Entleerung aller revolutionären Ansprüche von jeder substanziellen Bestimmtheit indifferent gegenüberzustehen und doch in unseren kleinen und feinen eigenen exklusiven Zirkeln seelenruhig hocken zu bleiben. Eine Diskussion, wie sie sich mit den Reaktionen auf KHLs Aufforderung zur Verständigung über den thematischen Schwerpunkt des kommenden Treffens abzeichnet, wäre wohl auch im Rahmen der in der DKP und ihrem Umfeld laufenden Debatte um die „Sozialismusvorstellungen“ dieser Partei oder bei den turnusgemäß Pfingsten stattfindenden Rosa-Luxemburg-Tagen des Linksruck-Netzwerkes in Frankfurt/M. ganz gut aufgehoben und besäße dort immerhin den Vorteil, eventuell tatsächlich etwas zu bewegen. Wenn die von den Übergängen initiierte Debatte um das Programm des Kommunismus in derartigen Veranstaltungen nicht aufgeht und ihre selbständige Organisierung nötig hat, so ganz sicher nicht deshalb, weil wir der bunten Palette redseliger Ratlosigkeit unbedingt noch einen weiteren Farbtupfer hinzufügen müßten. Die diversen Redeverbote sind allerorten längst gefallen, weil eh’ selten jemand etwas zu sagen hat, was nicht alle anderen schon wissen und doch niemals recht verstehen. Für die selbständige Form unserer Debatte gibt es nur den einzigen vernünftigen Grund, daß wir allen Ernstes die Absicht verfolgen, das babylonische Palaver der sich neuorientierenden politischen Linken darin insgesamt aufzuheben, ihm gerade jenes Licht anzuzünden, in dem sich klärt, wer auf welcher Seite steht in den gegenwärtigen und künftigen Klassenauseinandersetzungen, in denen es mehr denn je nur noch ums Ganze gehen kann: um nicht weniger als entweder den bewußt herbeigeführten „Übergang zum Kommunismus“, also „sein revolutionäres Programm“, oder die Katastrophe seiner Fortsetzung in der jetzigen, blind-kapitalistischen Form, zu der dann eine nur noch delierende Linke (samt diversen „Ex“en) die kritische Begleitmusik liefert. Es geht um eine wegweisende Intervention, an der sich die politische Linke im Ganzen polarisiert.

So etwas nimmt man sich natürlich besser nicht vor, wenn man selbst noch gar nicht weiß, wo’s lang geht. Wohin der Weg zu weisen hat und woran die Polarisierung auszurichten ist, darüber darf und muß selbstverständlich jederzeit gestritten werden. Aber es kann schließlich nichts aus einer Sache herauskommen, was nicht an sich von vornherein in ihr gesteckt hat. Aneignung revolutionärer Theorie als gemeinsames Unternehmen, also in „bewußte[r] Kooperation“ (KHL), geht nur, wenn für jeden darin unternommenen Schritt, d.h. von allem Anfang an das angestrebte Resultat des Ganzen in der seinem Entwicklungsgrad jeweils entsprechenden Konkretheit (resp. Abstraktheit) als sein bestimmender Zweck für alle Beteiligten verbindlich formuliert wird. Voraussetzung für die Initiative der Übergänge zu einer Debatte um das Programm des Kommunismus war deshalb eine zwar noch ganz abstrakte, aber gerade darin genau bestimmte Idee von diesem Programm, und der erste Schritt in unserer Debatte kann nur darin bestehen, daß wir uns über diese erste, abstrakte Formulierung ihres allgemeinen Zweckes ins Einvernehmen setzen. Genau das intendiert KHLs Vorstoß. Ihn mit der Begründung abzulehnen, er versuche im Voraus festzulegen, was höchstens Ergebnis der Diskussion sein könne, geht demnach ebenso an der Sache vorbei, wie die Behauptung, er sei „nicht inhaltlich begründet“.

Die Begründung jener noch ganz abstrakten Idee zur Reformulierung der kommunistischen Programmatik kann „inhaltlich“ kaum ergiebiger sein als das, was sie begründet. Sie ist naturgemäß ebenso abstrakt, d.h. bescheiden an Inhalt wie die Idee selbst. Andererseits bietet sie keinen geringeren Inhalt als denjenigen, den Marx in seinem Resümee der Formanalyse der Ware an deren Ende im „Kapital“ formuliert. Daß es einen „direkten Weg von der ‚Kategorie des Werts‘ zum ‚Planungsprinzip des Kommunismus‘ gibt“ (W.I.), hat indes KHL genauso wenig behauptet,3 wie dergleichen Marxens Skizzierung eines kommunistisch produzierenden „Vereins freier Mensch“ zugrunde liegt. Das hindert aber uns so wenig, wie es Marx gehindert hat, aus der Analyse der Ware als der Elementarform kapitalistisch produzierten Reichtums auf einige „allgemeine Bestimmungen kommunistischer Produktion und Verteilung“ (KHL) zu schließen und sie als „erste programmatische Aussage“ (ders.) festzuhalten.

Niemand hat im übrigen die Absicht signalisiert, bei diesen ersten, abstrakten Festlegungen stehen zu bleiben. Und selbstverständlich müssen wir „die reale Welt der durch das Kapital vergesellschafteten Arbeit durchqueren“ (W.I.), um zu inhaltsreicheren, konkreteren Aussagen über Möglichkeit und Notwendigkeit des Übergangs zu gesellschaftlicher Planmäßigkeit der Produktion zu kommen. Mit diesem Gedanken aber gegen die von KHL vorgeschlagene „Weichenstellung“ zu argumentieren, macht ihn zur Ausflucht, sich lieber gar nicht erst auf die Reise zu begeben. Ein ernst zu nehmender Einwand würde Werners Argument nur, wenn er zeigen könnte, daß nicht diese, sondern eine andere „Weichenstellung“ unseren „Zug“ auf jenes „Gleis“ setzt, das ihn „die reale Welt der durch das Kapital vergesellschafteten Arbeit durchqueren“ läßt. Freilich sind da die Alternativen einigermaßen begrenzt und bereits recht gut ausgetestet. Bis jetzt ist jedenfalls noch niemand, dem schon die reale, naturgesetzliche Grundlage des gesellschaftlichen Charakters warenproduzierender Arbeit nicht einleuchten wollte, in irgendeiner „realen Welt“ und gar der des Kapitals angekommen.

DD, Kiel am 24.3.98

(für die Kommunistischen Streitpunkte gekürzt und leicht verändert im August 2000)

Anhang I

»Was das „Centralblatt“ angeht, so macht der Mann die größtmögliche Konzession, indem er zugibt, daß, wenn man unter Wert sich überhaupt etwas denkt, man meine Schlußfolgerungen zugeben muß. Der Unglückliche sieht nicht, daß, wenn in meinem Buch gar kein Kapitel über den „Wert“ stünde, die Analyse der realen Verhältnisse, die ich gebe, den Beweis und den Nachweis des wirklichen Wertverhältnisses enthalten würde. Das Geschwatz über die Notwendigkeit, den Wertbegriff zu beweisen, beruht nur auf vollständiger Unwissenheit, sowohl über die Sache, um die es sich handelt, als die Methode der Wissenschaft. Daß jede Nation verrecken würde, die, ich will nicht sagen für ein Jahr, sondern für ein paar Wochen die Arbeit einstellte, weiß jedes Kind. Ebenso weiß es, daß die den verschiednen Bedürfnissen entsprechenden Massen von Produkten verschiedne und quantitativ bestimmte Massen der gesellschaftlichen Gesamtarbeit erheischen. Daß diese Notwendigkeit der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit in bestimmten Proportionen durchaus nicht durch die bestimmte Form der gesellschaftlichen Produktion aufgehoben, sondern nur ihre Erscheinungsweise ändern kann, ist self-evident. Naturgesetze können überhaupt nicht aufgehoben werden. Was sich in historisch verschiednen Zuständen ändern kann, ist nur die Form, worin sich diese proportionelle Verteilung der Arbeit durchsetzt in einem Gesellschaftszustand, worin der Zusammenhang der gesellschaftlichen Arbeit sich als Privataustausch der individuellen Arbeitsprodukte geltend macht, ist eben der Tauschwert dieser Produkte.

Die Wissenschaft besteht eben darin, zu entwickeln, wie das Wertgesetz sich durchsetzt. Wollte man also von vornherein alle dem Gesetz widersprechenden Phänomene „erklären“, so müßte man die Wissenschaft vor der Wissenschaft liefern. Es ist grade der Fehler Ricardos, daß er in seinem ersten Kapitel über den Wert alle möglichen Kategorien, die erst entwickelt werden sollen, als gegeben voraussetzt, um ihr Adäquatsein mit dem Wertgesetz nachzuweisen.

Allerdings beweist andrerseits, wie Sie richtig unterstellt haben, die Geschichte der Theorie, daß die Auffassung des Wertverhältnisses stets dieselbe war, klarer oder unklarer, mit Illusionen verbrämter oder wissenschaftlich bestimmter. Da der Denkprozeß selbst aus den Verhältnissen herauswächst, selbst ein Naturprozeß ist, so kann das wirklich begreifende Denken immer nur dasselbe sein, und nur graduell, nach der Reife der Entwicklung, also auch des Organs, womit gedacht wird, sich unterscheiden. Alles andere ist Faselei.

Der Vulgärökonom hat nicht die geringste Ahnung davon, daß die wirklichen, täglichen Austauschverhältnisse und die Wertgrößen nicht unmittelbar identisch sein können. Der Witz der bürgerlichen Gesellschaft besteht ja eben darin, daß a priori keine bewußte gesellschaftliche Regelung der Produktion stattfindet. Das Vernünftige und Naturnotwendige setzt sich nur als blindwirkender Durchschnitt durch. Und dann glaubt der Vulgäre eine große Entdeckung zu machen, wenn er der Enthüllung des inneren Zusammenhangs gegenüber darauf pocht, daß die Sachen in der Erscheinung anders aussehen. In der Tat pocht er darauf, daß er an dem Schein festhält und ihn als Letztes nimmt. Wozu dann überhaupt eine Wissenschaft?

Aber die Sache hat hier noch einen andren Hintergrund. Mit der Einsicht in den Zusammenhang stürzt, vor dem praktischen Zusammensturz, aller theoretische Glauben in die permanente Notwendigkeit der bestehenden Zustände. Es ist also hier absolutes Interesse der herrschenden Klassen, die gedankenlose Konfusion zu verewigen. Und wozu anders werden die sykophantischen Schwätzer bezahlt, die keinen andern wissenschaftlichen Trumpf auszuspielen wissen, als daß man in der politischen Ökonomie überhaupt nicht denken darf.

Jedoch satis superque. Jedenfalls zeigt es, wie sehr diese Pfaffen der Bourgeoisie verkommen sind, daß Arbeiter und selbst Fabrikanten und Kaufleute mein Buch verstanden und sich darin zurechtgefunden haben, während diese „Schriftgelehrten (!)“ klagen, daß ich ihrem Verstand gar Ungebührliches zumute.« (Karl Marx, Brief an Ludwig Kugelmann vom 11. Juli 1868)

Anhang II

»Gemeinschaftliche Produktion vorausgesetzt, bleibt die Zeitbestimmung natürlich wesentlich. Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu andrer Produktion, materieller oder geistiger. Wie bei einem einzelnen Individuum hängt die Allseitigkeit ihrer Entwicklung, ihres Genusses und ihrer Tätigkeit von Zeitersparung ab. Ökonomie der Zeit, darin löst sich schließlich alle Ökonomie auf. Ebenso muß die Gesellschaft ihre Zeit zweckmäßig einteilen, um eine ihren Gesamtbedürfnissen gemäße Produktion zu erzielen; wie der einzelne seine Zeit richtig einteilen muß, um sich Kenntnisse in angemessenen Proportionen zu erwerben oder um den verschiedenen Anforderungen an seine Tätigkeit Genüge zu leisten. Ökonomie der Zeit sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiednen Zweige der Produktion bleibt also erstes ökonomisches Gesetz auf Grundlage der gemeinschaftlichen Produktion. Es wird sogar in viel höherem Grade Gesetz. …« (Karl Marx: Grundrisse zur Kritik der politischen Ökonomie. In: MEW 42, S. 105)

 

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1s. Anhang I.

2Z.B.: „Zur Plausibilisierung der notwendigen Arbeitszeit hatten wir schon mit der Preisform argumentiert. Wir haben es hier aber noch nicht mit Formen zu tun, sondern erst mit der Substanz. Das heißt auch: es geht hier noch nicht um Quantitäten, um Wertgrößen.“ (Fiete Krumm: Kursunterlagen ... S. 3)

3KHL hatte vielmehr angefragt: „Vielleicht seid Ihr, Werner und Daniel, ja zeitlich in der Lage, das von Euch unterschiedlich dargelegte PLANUNGSPRINZIP AUS DEN KATEGORIEN WERT UND ARBEIT KÜRZEST ZU ENTWICKELN.“ (kursive Hervh. Von mir, DD) Namentlich Werner hat aber in dem Text, auf den KHL sich hier bezieht, anhand der Kategorien Arbeit, Gesamtarbeit, Ware, Wert und Wertgesetz seine Überlegungen zu gesellschaftlicher Planung entwickelt, nicht aber beispielsweise anhand der das Kapital spezifizierenden Kategorien des Mehrwerts und der Mehrarbeit.