Dies ist keine
zusammenhängende Replik auf Ansgars (AKG) Fragen
und kritische Anmerkungen zu Daniels Thesen. Es
handelt sich vielmehr um aneinander gereihte
antikritische Kommentare zu einzelnen Stellen daraus,
ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Kommentare sind
außerdem nicht mehr ganz frisch, sie
datieren vom Herbst vergangenen Jahres und wurden hier
nun etwas verspätet in eine zirkulierbare
Form gebracht. Die Stellen aus Ansgars Text, worauf ich
mich jeweils beziehe, sind den Kommentaren in serifenlosem Schriftsatz voran gestellt.
Zu These
III. :
Zu schnell
geschossen. Klassenkampf gibt es immer; der kann
nicht nach Belieben von der Tagesordnung gestrichen
oder wieder draufgesetzt werden. Zu sehr auf
Faschismus zugespitzt; zu sehr der nur deutsche Blick
Zu flüchtig gelesen. Das
Wort Klassenkampf kommt in der These gar nicht vor. Die
Rede ist allerdings vom vorläufigen Resultat
jener wirklichen Geschichte des Kampfes
des Proletariats mit der Bourgeoisie, von der
in der vorhergehenden These die Rede war und nun
behauptet wird, daß sie zu einem erheblichen Teil
sich in Deutschland vorläufig, wäre hier
vielleicht noch einmal zu ergänzen entschied.
Vom Faschismus ist wiederum nicht die Rede,
sondern von den Nazis als der losgelassenen
Herrschaft der kleinen Bürger. Die Nazis sind
spezifisch deutsch, der Faschismus nicht. Der Blick ist
hier beründetermaßen (für diesen bestimmten
historischen Zeitpunkt) auf Deutschland konzentriert, was
man kritisieren kann, indem man die Begründung in Frage
stellt, aber wieso ist das der deutsche Blick?
Und was ist das überhaupt? Schon rein physikalisch
gewissermaßen kann man auf Deutschland jedenfalls
schlecht blicken, wenn man auf Deutschland steht.
Zurück, aber, zum
Klassenkampf. Nirgendwo in der These ist davon die Rede,
daß er gar nach Belieben
von der Tagesordnung gestrichen oder wieder
draufgesetzt werden könne oder worden sei. Ganz im
Gegenteil. Die These ist der Versuch zu zeigen, in
welcher bestimmten Weise es, trotz allem
anderslautenden Anschein, Klassenkampf, selbst in seiner
zugespitztesten Form, der des Krieges und Bürgerkrieges,
tatsächlich immer, mit A. zu sprechen:
gegeben hat. Die scheinbare Einebnung des
Klassengegensatzes in der nazistischen und schließlich
sozialpartnerschaftlichen Volksgemeinschaft, so die These
(dies bes., wenn man sie im Kontext der folgenden Thesen
liest, die den Gedanken erst konkretisieren), hatte die
im Osten heraufgezogene und auch im
Westen
unausweichlich geworden[e]
kommunistische Revolution zur Voraussetzung, nämlich
darin, daß diese weder sich vollenden, noch etwa
ungeschehen gemacht werden konnte.
Zu These I,
Parenthese, S. 11, 1.Spalte:
Es
zeigt sich hier der Irrtum diverser postmoderner und
wertkritischer Entsorger des Klassenkampfs, die
glauben, die Teilung der bürgerlichen Gesellschaft
in bestimmte Klassen und deren Kampf miteinander aus
einem ominösen Dasein des Kapitals, des sich selbst
verwertenden Werts als eines bösen automatischen
Subjekts, einfach ableiten und so als
dem Kapitalismus bloß immanent abtun zu
können. bleibt mir unverständlich und
ominös; natürlich hat die Teilung der bürgerlichen
Gesellschaft die ursprüngliche Akkumulation
vorausgesetzt ihren Grund im keineswegs ominösen
Dasein des Kapitals als sich selbst verwertender Wert,
auch die Bezeichnung automatisches Subjekt
ist in diesem Zusammenhang nachvollziehbar.
Ominös ist das Dasein des
Kapital, solange nicht sein Grund in der eigentümlichen
Klassenteilung der Gesellschaft bestimmt ist. Im
wirklichen Zusammenhang der Marxschen
Darstellung ist der sich selbst verwertende Wert als das
automatische Subjekt (MEW 23, S. 169) das zu
erklärende Phänomen (G-W-G' die allgemeine
Formel des Kapitals, wie es unmittelbar in der
Zirkulationssphäre erscheint; ebd. 170), das seine
Erklärung (Begründung) in der Teilung der
Gesellschaft in zwei verschiedene Klassen von Warenbesitzern
findet (vgl. dazu auch übergänge
Nr. 1, S. 22f). Der sich selbst verwertende Wert erweist
sich als die bestimmte Form dieses historisch
spezifischen Klassenverhältnisses, das sich darin,
einmal hergestellt, propagandistisch reproduziert.
Welchen Zusammenhang dagegen A. hier nachvollzogen
haben will, ist mir unerfindlich.
These I,
letzter Absatz und These II, erster Absatz (S. 12):
Die
Darstellung der Geschichte ist mir zu einfach und zu
deutschlandzentriert.
Um eine Darstellung
der Geschichte (welcher denn?) handelt es sich in
den beiden Absätzen ganz sicher nicht. Es handelt sich
zunächst nur um die Konstatierung des Aufstiegs
und jähen Falls der ersten und bislang einzigen
Arbeiterbewegung in Europa. Daß die deutschlandzentriert
ist, findet sich dort wiederum mit zwei Daten begründet:
dem Scheitern der Revolution in Deutschland 1923 und der
Liquidierung der größten und wichtigsten Sektion
der KI außer der KPdSU 1933. Das alles ist nur
Beschreibung, nicht Erklärung oder gar Begründung. (Es
ist überhaupt der Anspruch der Thesen weniger,
irgendwelchen verborgenen Gründen nachzuspüren, warum
die Geschichte sich so entwickelt hat oder
womöglich haben muß, wie sie sich uns heute
darstellt, als vielmehr dieses vorläufige Resultat als
geschichtlich gewordenes möglichst präzise zur Kenntnis
zu nehmen.) Der zweite Absatz handelt von der elementaren
Hinfälligkeit der bürgerlichen Herrschaft (ihrer Abhängigkeit
von den Beherrschten) und fragt zunächst nur nach den allgemeinen
(in ihrer charakteristischen Form selbst
liegenden) Bedingungen, die sie ihrer Beseitigung dennoch
widerstehen läßt, um zu der folgenden näheren
Bestimmung dieser Form hinzuführen. Irgendwelche Ursachen
des Versagen[s] der revolutionären
Arbeiterbewegung im Westen, wie A. sie im folgenden
diskutiert (vom Versagen ist freilich bei mir
nirgendwo die Rede) sind jedenfalls nicht das
Thema.
Im übrigen: Eine Sache mag
wohl zentriert sein um einen bestimmten Punkt,
aber zu zentriert wie hat man sich das
vorzustellen?
[
]
zu S.13 (Langfassung
These II):
Kann man
von einem verborgenen sachlichen Grund für
alle früheren, vorkapitalistischen Formen
gesellschaftlichen Lebens durchziehenden
Klassengegensätze sprechen?
Ich meine:
Nein! und sehe darin eine Tendenz zu idealistischem
Geschichtsdeterminismus.
Zwar ist idealistisch
unter uns ohne Frage eine handfeste Beleidigung, die ich
natürlich in aller Form zurückweise. Aber Geschichtsdeterminismus:
Ist das denn auch was Schlimmes? Heißt das nicht
vielmehr, die Geschichte als bestimmte zu fassen,
sie zur menschlichen zu bestimmen, als die
Geschichte der menschlichen Emanzipation? Und was
andererseits wäre das gute Gegenteil zum bösen Geschichtsdeterminismus?
Der inkriminierte Satz
lautet genauer: In allen früheren,
vorkapitalistischen Formen gesellschaftlichen Lebens
hatten die sie durchziehenden Klassengegensätze mehr
oder weniger offen zutage gelegen und gerade dadurch
ihren sachlichen Grund verborgen:
Was diesen angeht, befinde
ich mich immerhin in der angenehmen Gesellschaft des
idealistischen Geschichtsdeterministen
Friedrich Engels, der im Antidühring schreibt:
Es ist
klar: solange die menschliche Arbeit noch so wenig
produktiv war, daß sie nur wenig Überschuß über die
notwendigen Lebensmittel hinaus lieferte, war Steigerung
der Produktivkräfte, Ausdehnung des Verkehrs,
Entwicklung von Staat und Recht, Begründung von Kunst
und Wissenschaft nur möglich vermittelst einer
gesteigerten Arbeitsteilung, die zu ihrer Grundlage haben
mußte die große Arbeitsteilung zwischen den die
einfache Handarbeit besorgenden Massen und den die
Leitung der Arbeit, den Handel, die Staatsgeschäfte, und
späterhin die Beschäftigung mit Kunst und Wissenschaft
betreibenden wenigen Bevorrechteten. Die einfachste,
naturwüchsigste Form dieser Arbeitsteilung war eben die
Sklaverei.
Solange die wirklich
arbeitende Bevölkerung von ihrer notwendigen Arbeit so
sehr in Anspruch genommen wird, daß ihr keine Zeit zur
Besorgung der gemeinsamen Geschäfte der Gesellschaft
Arbeitsleitung, Staatsgeschäfte,
Rechtsangelegenheiten, Kunst, Wissenschaft etc. übrigbleibt,
solange mußte stets eine besondre Klasse bestehn, die,
von der wirklichen Arbeit befreit, diese Angelegenheiten
besorgte; wobei sie denn nie verfehlte, den arbeitenden
Massen zu ihrem eignen Vorteil mehr und mehr Arbeitslast
aufzubürden Erst die durch die große Industrie
erreichte ungeheure Steigerung der Produktivkräfte
erlaubt, die Arbeit auf alle Gesellschaftsglieder ohne
Ausnahme zu verteilen und dadurch die Arbeitszeit eines
jeden so zu beschränken, daß für alle hinreichend
freie Zeit bleibt, um sich an den allgemeinen
Angelegenheiten der Gesellschaft theoretischen wie
praktischen zu beteiligen. Erst jetzt also ist jede
herrschende und ausbeutende Klasse überflüssig, ja ein
Hindernis der gesellschaftlichen Entwicklung geworden,
und erst jetzt auch wird sie unerbittlich beseitigt
werden, mag sie auch noch sosehr im Besitz der
unmittelbaren Gewalt sein. (MEW 20, S. 168f)
Man lese
dagegen zum Verhältnis Arbeit, Arbeitsteilung,
Eigentum, Besitz in vorkapitalistischen
Produktionsweisen: Grundrisse S.375-413
Marx
untersucht hier das Eigentum als gesellschaftliches
Verhalten des Menschen zu den Produktionsbedingungen
als eigenen, als seinem verlängerten unorganischen
Leib, als zu seiner Individualität gehöriger
Voraussetzungen, wie es sich in bestimmten
historischen Produktionsweisen zeigt und entwickelt (asiatischer,
antiker, germanischer, dann als Negation oder
historische Auflösung: Sklaverei, Leibeigenschaft,
Kastenwesen usw.); also als bestimmtes Verhältnis
zwischen Einzelnem und Gemeinwesen.
(MEW 42, S. 383-421).
dagegen, nämlich gegen meine Behauptung
eines unter persönlichen Herr-Knecht-Verhältnissen
verborgenen sachlichen Grundes dieser Klassenverhältnisse
stehen die von Marx dort angestellten Überlegungen am
aller wenigsten. Nur eine kleine Stelle aus dem langen (in
der Tat sehr lesenswerten) Abschnitt genügt, das zu
demonstrieren:
Eine bestimmte Stufe
der Entwicklung der Produktivkräfte der arbeitenden
Subjekte, der bestimmte Verhältnisse derselben
zueinander und zur Natur entsprechen darin löst
sich in letzter Instanz sowohl ihr Gemeinwesen auf wie
das auf demselben begründete Eigentum. Bis zu einem
gewissen Punkt Reproduktion. Schlägt dann in Auflösung
um. (S. 403)
[
]
Der zweite
nähere Blick zeigt keineswegs, daß nach wie vor die
Mehrarbeit des einen Teils der Individuen dazu dient,
einen anderen Teil von solcher Arbeit freizustellen.
Ginge es tatsächlich nur darum,
Wer hätte denn behauptet,
daß nur darum es gehe? In meiner
These leitet der Satz einen bestimmten Gedankengang ein,
den die Kritik einesteils erst gar nicht zur Kenntnis
nimmt, andernteils im folgenden als ihren eigenen meinen
Ausführungen entgegenhalten zu müssen glaubt: den nämlich,
daß Mehrarbeit in ihren früheren Formen und Mehrarbeit
in der Form des Mehrwerts zu unterscheiden
sind. Sodann geht es darum, diesen
Unterschied näher zu entwickeln. Wenn es aber richtig
ist, daß die frühere Mehrarbeit nicht nur
identisch ist mit kapitalistischer Mehrarbeit, folgt
daraus etwa, daß kapitalistische Mehrarbeit keineswegs
nach wie vor Mehrarbeit sei?
wäre die
ganze Angelegenheit einfach zu regeln man bräuchte
den Kapitalisten nur lebenslange arbeitsfreie
Existenz zu garantieren meinetwegen auch
erblich was ein Klacks wäre, problemlos zu
realisieren, und hätte damit die einzig möglichen
Gründe ihres Widerstandes gegen die
Vergesellschaftung der Produktionsmittel ausgehebelt.
So einfach ist das leider nicht.
Doch, so einfach
wäre es tatsächlich, wenn es nur um den Widerstand der
Kapitalisten ginge (in Wahrheit geht es AKG
vermutlich darum überhaupt nicht), weshalb
denn auch Marx für das England seiner Zeit das Auskaufen
der dortigen Bourgeoisie durch das Proletariat ins Auge
gefaßt hat. Schwierig wird die Sache u.a. deshalb, weil
wir es in aller Regel halt nicht nur mit der wirklich in
komfortabler Arbeitslosigkeit lebenden Bourgeoisie zu tun
haben, sondern mit einer riesigen Schar freischaffender Kleinbürger,
die sich (Arbeit ist Scheiße!) ihre
Seeligkeit nach eigener Fasson nicht nehmen lassen, sich
keinerlei noch so gemeinschaftlichem Plan unterwerfen mögen.
Aus solchem ganz eigenen Widerstreben der weitverzweigten
Kleinbürgerei speist sich dann auch ein Großteil des
Widerstands der Bourgeoisie gegen ihre Abdankung, den sie
aus eigener Kraft wohl kaum mehr aufbrächte. Abgesehen
davon macht namentlich diese Kleinbürgerei auch die
revolutionäre Assoziation, die allein der Bourgeoisie
ihren friedlichen Auskauf garantieren könnte zu einem
ziemlich schwierigen Unternehmen, dessen Erfolg nur praktisch,
niemals theoretisch beweisbar ist. Die revolutionäre
Vereinigung der besitzlosen Klasse muß sich in der
Niederringung der Kleinbürgerei erst herausbilden, die
die Organisation der gesellschaftlichen Arbeit, statt sie
dem Kommando der Privaten zu entreißen, d.h. in ihre
Selbstorganisation zu überführen, lieber überhaupt
auflösen will. Dies zum ersten.
Des weiteren habe ich es
mir aber so einfach ja gar nicht gemacht,
sondern herausgearbeitet, wie gerade darin, daß die
Mehrarbeit des Proleten bzw. der Proletin mit der
Arbeitslosigkeit des Bourgeois unmittelbar identisch,
daher, indem an ihr selbst Zweck und Mittel
ununterscheidbar zusammenfallen, die Ausbeutung reiner
Selbstzweck wird, der wirkliche Klassengegensatz in der
Anonymität verschwindet, wie er also gerade in seiner
Reduktion auf sich selbst vollkommen unscheinbar
wird. Der arbeitslose Bürger hat an sich so wenig
irgendeinen bestimmten Genuß von seiner Arbeitslosigkeit
wie ein arbeitsloser Prolet. Vom Proleten unterscheidet
ihn nur, daß es seine Bestimmung ist, arbeitslos
zu sein, er also in diesem Zustand mit sich selbst im
Reinen, bei sich selber ist, während der Prolet in der
Arbeitslosigkeit sich selbst zu verlieren, zugrunde zu
gehen droht. Sobald der Bürger sich jedoch etwa
gestattet, seine Arbeitslosigkeit fremden, außer ihr
selber liegenden Zwecken, einem genußvollen, süßen
Leben zuzuführen, befindet er sich im Konflikt mit
seiner Bestimmung und droht, sofern solches gar zur Regel
wird, auch ihm der Untergang als Bürger.
In der Tat wäre es ein
Klacks, allen Bourgeois, die sich im Angesicht der
Revolution um die Annehmlichkeiten ihres arbeitsfreien
Lebens Sorgen machten, diese bis ins vierte oder fünfte
Glied zu garantieren. Denn als Quelle für solche
Annehmlichkeiten dient der bürgerlich angehäufte Überfluß
fremder Arbeit sowie allenfalls nebenher, sie sind schon
heute nur ein Klacks, der bei der Verfolgung
des Hauptzwecks der Aufhäufung fremder Arbeit abfällt:
weitere fremde Arbeit aufzuhäufen. Genau das ist in
meiner These entwickelt.
Selbst
wenn man immanent in Daniels Argumentation bleibt,
erweist sie sich als falsch. Er schreibt:
Aber
diese Freistellung bindet ihre Nutznießer nicht mehr
an einen bestimmten besonderen Zweck. Abgesehen
davon, daß hier Formen der gesellschaftlichen
Arbeitsteilung, die nur als Freistellung von einer bestimmten
Arbeit und zwar beidseitig zu verstehen
sind (der Bauer wird von der Arbeit des
Kriegshandwerks freigestellt, der Krieger von der
Nahrungsmittelproduktion), verwechselt wird mit
einseitiger Freistellung von jeder Arbeit
Witzbold! Den Unterschied
der beiden Dinge, deren angebliche Verwechslung der
Kritiker moniert, arbeite ich dort ja gerade heraus. Und
aus diesem Unterschied erst ergibt sich, warum und
inwiefern es nicht nur um die
Freistellung von Arbeit geht.
und ohne
weiteres gleichgesetzt wird mit Herrschaftsverhältnissen,
die zwar möglicherweise im Gefolge einer solchen
Arbeitsteilung entstehen konnten, aber keinesfalls
mit ihr gleichzusetzen sind, läßt sich wenn
man will natürlich ein bestimmter besonderer
Zweck auch für die Existenz des Kapitalisten finden:
wenn man will.
Ich will aber nicht! Und was will
A.? Scherz beiseite: Während der idealistische
Geschichtsdeterminist Herrschaftsverhältnisse
verbotenerweise gleichsetzt mit (bestimmter)
Arbeitsteilung, will sein Kritiker sie offenbar
wie etwa weiland Herr Dühring identifizieren als
nicht determinierte Gewaltverhältnisse.
Sein Zweck
ist nicht seine eigene arbeitslose Existenz, sondern
sein Zweck ist die Akkumulation des Mehrwerts, seine
Verwandlung in Kapital, und zwar als
Produktionsbedingung; das beinhaltet Reproduktion der
Trennung von Arbeitsvermögen und sachlichen
Arbeitsbedingungen, von Lohnarbeit und Kapital,
Konzentration des Reichtums in seiner sachlichen Form
als vergegenständlichte Arbeit in seiner Hand zum
Zwecke weiterer Produktion und Konzentration von
Reichtum.
nicht sei der
Zweck des Daseins des Kapitalisten als Kapitalist: seine
eigene arbeitslose Existenz, also seine Existenz
durch Aneignung fremder Arbeit; sondern sei
dieser Zweck die Akkumulation von Mehrwert, was wiederum
beinhaltet: Reproduktion der Trennung
von Arbeitsvermögen und sachlichen Arbeitsbedingungen.
Die sachlichen Arbeitsbedingungen sind aber (abgesehen
vom jungfräulichen Grund und Boden) ihrerseits Produkte
von Arbeit (letzterer ihre sachliche Bedingung
schlechthin). Ihre Trennung vom subjektiven Arbeitsvermögen
bedeutet ihre Trennung von denen, deren Arbeit sie
produziert hat, d.h. deren Enteignung von ihrem
Arbeitsprodukt. Der Zweck des Daseins des
nichtarbeitenden Kapitalisten, die Akkumulation des
Mehrwerts, beinhaltet demnach die Enteignung
der arbeitenden Proleten, d.h. aber die Aneignung der
Arbeit der Proleten durch den Kapitalisten, d.h. dessen
Existenz aufgrund fremder Arbeit, d.h. arbeitslose
Existenz. Quod erat demonstrandum.
Vorschlag zur Güte:
im Unterschied zu antiken
Sklavenhaltern oder feudalen Herren enteignet der
Kapitalist seinen Arbeiter nicht, um das Enteignete sich
anzueignen, sondern eignet sich dessen Arbeit an, um ihn
zu enteignen. (Aus DD: Aufstehen für
die Volksfront? Nein Danke! Absage an die andere
Politik. Übergänge-Flugblatt zur Erfurter Erklärung,
Juni 1998)
[
]
Diese
ganze Argumentation mit einem Zweck sowohl bezüglich
vorkapitalistischer Herrscher, als auch bezüglich
der Kapitalisten selbst ist bedenklich und
schief.
Zweck
beinhaltet bewußte Setzung aber wer setzt
hier den Zweck?
Zu schnell gedacht,
AKG! sein (des Kapitalisten) Zweck ist
die Akkumulation des Mehrwerts, hatte der Kritiker
oben geschrieben und ist in dessen Ausführung schließlich,
Marx zitierend, beim historischen Beruf der
kapitalistischen Produktionsweise geendet: Entfaltung
der Produktivität der menschlichen Arbeit. Diesem
letzteren gegenüber ist es allerdings bedenklich
und schief von einem Zweck im Sinne bewußter
Setzung zu sprechen. Aber heißt denn das, daß
auch AKGs eigener Ausgangspunkt bedenklich und
schief gewesen ist, der vom Kapitalisten verfolgte
Zweck sei die Akkumulation von Mehrwert? Dann wäre
freilich der Kapitalist bloß ein Hamster, der einem
blinden Naturtrieb folgend unermüdlich sein Laufrad
dreht. In etwa so hat es die fundamentale Wertkritik
sehen wollen und dann zunächst den Begriff der
Mehrarbeit und schließlich den der Arbeit, für welche
beide, in solcher zwecklosen Welt halt kein Platz ist,
aus ihrem Lexikon gestrichen.
[
]
Jedenfalls
kann man nicht sagen der Bürger eigne sich die
Mehrarbeit nicht als bestimmte Arbeit an.
DD: Die
Inkarnation einer solchen Arbeit ist das Geld
ebenfalls falsch.
Inkarnation
der konkreten Arbeit: Gebrauchswert
Inkarnation
der abstrakten Arbeit: Wert
Inkarnation
der warenproduzierenden Arbeit als Einheit von
konkreter u. abstrakter Arbeit: Ware
Äußere
Ausdrucksform der Inkarnation der abstrakten Arbeit
ist der Tauschwert, auch Wertform genannt, und als
entwickeltste Wertform die Geldform.
Inkarnation
der Mehrarbeit: Mehrprodukt
Inkarnation
der Lohnarbeit: Kapital
Inkarnation (von lateinisch
caro, carnis das Fleisch) bedeutet:
Fleischwerdung, Verkörperung. Der Wert ist an sich, nämlich
seiner Substanz nach, körperlos, weshalb Marx dort, wo
er ihn in seiner kritischen Darstellung des Kapitals einführt,
von einer gespenstischen Gegenständlichkeit
spricht. Einen Körper, eine spezifische gegenständliche
Form erhält der Wert der einzelnen Ware nur in
deren betätigter Beziehung auf die übrige Warenwelt,
letztlich also, da im Wert das allen Waren Gemeinsame
bestimmt ist, in der Zirkulation der Waren oder eben im
Geld, als deren Inbegriff.
Worüber AKG hier stolpert,
das hatte in ähnlicher Weise den guten Robert Kurz, als
dieser noch auf der Suche war, gründlich in die Irre geführt.
Der Versuch nämlich, den Wert an sich selbst, d.h. dort,
wo er zunächst bloße, formlose Substanz ist, als Form
zu bestimmen, läßt dann die wirkliche Form des Werts
zur Form einer Form, Form in zweiter
Potenz oder hier: zur äußere[n]
Ausdrucksform der Inkarnation erneut sich verrätseln
(vgl. dazu übergänge
Nr. 2, S. 63ff).
[
]
Es geht
darum, das Kapital als Produktionsverhältnis
aufzuheben! Auch zu These V und VI:
In diesem
Zusammenhang ist erst noch konkret zu untersuchen, ob
und inwieweit im real existiert habenden
Sozialismus die Lohnarbeit aufgehoben war und
das Geld nur noch die Funktion einer Theatermarke
hatte.
Ein vielleicht
naheliegendes und doch recht eigenartiges Mißverständnis
dieser These gegenüber scheint darin zu bestehen, sie
vor allem als Kompliment an den Realsozialismus
aufzufassen. Trotzki hat 1936 in Verratene
Revolution wahrscheinlich zu Recht darauf bestanden,
daß die Rückkehr zum Goldstandard für den Rubel, die
Abschaffung der Lebensmittelkarten etc. kein Rückschritt,
sondern ein Fortschritt auf dem Weg zum Sozialismus seien.
Da er einen isolierten Aufbau des Sozialismus in einem
Land für unmöglich hielt, war er von der Notwendigkeit
überzeugt, daß die SU am internationalen Warenaustausch
teilnahm. Dafür brauchte sie aber richtiges Geld,
Theatermarken halfen ihr nicht weiter. Es gehörte also
auch zu den Problemen, an denen das
Experiment am Ende gescheitert ist, daß das
realsozialistische Geld auf dem Weltmarkt
kaum wirkliche Anerkennung als Geld gefunden, vielmehr in
der Tat wie eine Theaterkarte behandelt wurde, die außer
für den Besuch des Theaters realer Sozialismus
keinerlei Wert besaß. (Vgl. dazu auch übergänge Nr. 3, S.
79, Fn. 20.)
Diese
Untersuchung hätte konkret an dieser Frage auch das
dialektische Verhältnis von Form und Inhalt zu
reflektieren, das Umschlagen und Zurückwirken vom
einen aufs andere. Daniels Gedanken hierzu greifen zu
kurz. Arbeitskraft und Produkte der individuellen
Konsumtion sind der Form nach Waren geblieben.
Was zu beweisen und nicht,
wie hier geschehend, bloß zu behaupten wäre. AKG meint
aber wahrscheinlich nur, daß sie dem Namen nach Waren
geblieben seien und ist sich nicht recht darüber
im Klaren, daß die Warenform des Arbeitsprodukts
ihrer ganzen Natur nach objektiven Charakter
besitzt und sich um Namen wenig schert.
Nur tritt
bei der Ware Arbeitskraft das Individuum als Verkäufer
sich selbst als gemeinschaftlichem Käufer gegenüber,
wobei diese Rolle an den Arbeiterstaat delegiert ist,
während bei den Produkten der individuellen
Konsumtion das Individuum als Käufer sich selbst als
gemeinschaftlichem Verkäufer wiederum in
Gestalt des Staates gegenübertritt. Dem
Inhalt nach
Gemeint offenbar: der Sache
nach.
haben wir
es hier also auf den ersten Blick nicht mehr mit
Waren zu tun, ein Austausch mit mir selbst ist kein
Austausch; dies aber nur wegen der Identität von Käufer
und Verkäufer. Wenn aber die unmittelbare Identität
von Individuum und Gesellschaft eh nicht klar ins
Auge gefaßt wird, schlägt die alte Form durch auf
den Inhalt und stellt erst richtig die Differenz her
zwischen Arbeiter und Arbeiterstaat.
Was für ein dialektisches
Gemuddel! Weil irgendein leichtfertiger Anonymus eine
offenbar gegebene unmittelbare Identität von
Individuum und Gesellschaft fatalerweise eh
nicht klar ins Auge fasse, schlägt eine alte
Form (alt wohl da ja irgendeine
neue Form noch nicht in Sicht gekommen ist
gegenüber ihrem neuen Inhalt: Hermann
Kirsch vgl. übergänge
Nr. 3, S. 70 läßt herzlich grüßen) über die
Stränge, nämlich durch auf den Inhalt,
macht sich also anheischig, an seiner Statt selber ihr
eigener Inhalt zu sein, worauf jene an sich, aber
irgendwie noch nicht richtig, gegebene unmittelbare
Identität von Individuum (hier gespielt vom Arbeiter)
und Gesellschaft (hier gespielt vom Arbeiterstaat)
nicht mehr nur von Selbstzweifeln geplagt eh nicht
nicht anständig funktioniert, sondern nun erst
richtig zum Teufel geht.
Was AKG hier vor allem nicht versteht, ist, daß nicht
nur wegen der Identität von Käufer und Verkäufer
im jedesmaligen Kaufakt die Warenform unmöglich wird, daß
also die unmittelbare Identität von Individuum und
Gesellschaft gar nicht ins Auge gefaßt
werden muß, damit die Arbeitsprodukte ihren
Warencharakter einbüßen. Wie Marx in der Proudhon-Kritik
seiner Grundrisse darlegt, kann der
universelle Käufer und Verkäufer, daher Produzent
ebensogut eine despotische Regierung der Produktion
und Verwalterin der Distribution sein (vgl. dazu übergänge Nr.
3, S. 72ff).
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