Nr.1/1998
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Ross und Reiter
Umweltfarce in Kyoto
von WOLFGANG POMREHN

Nominell 5,2% weniger Treibhausgase bis 2010, effektiv gar nur 0,6%
oder gar ein weiterer Anstieg. Das ist weniger als wenig, das ist ein
Witz. Vielfaeltige Wirtschaftsinteressen verhindern in den
Industriestaaten staerkere Einschnitte. In den USA sind es vor allem
die Erdoel- und Kohleproduzenten sowie die Automobilindustrie, die
ihre Spritschleudern absetzen will. Auch beim angeblichen
Oekomusterknaben Deutschland regen sich Energieversorger und
chemische Industrie. Bisher haben sie im Konzert mit ihrem
Dachverband BDI alle wirklich durchgreifenden Massnahmen zu
verhindern gewusst.

Doch was nun? Den Kopf frustriert in den Sand stecken? Kyoto war nicht
das letzte Wort. Es wird weiter im jaehrlichen Rhythmus ueber
Klimaschutz auf internationaler Buehne verhandelt werden. Raum also,
um weiter (und mehr) Druck auf die Regierungen der OECD-Staaten zu
machen. Und davon einmal abgesehen: kein internationales Abkommen
kann die EU daran hindern, ihre Forderungen in Europa umzusetzen.
Aber auch dafuer bedarf es sicherlich einiges an politischem Druck.

Darum ist es aber gerade in Deutschland schlecht bestellt. Die
Versprechungen der Bundesregierung haben viele eingeschlaefert. Die
Oeffentlichkeit hat das Gefuehl, es werde etwas getan, und die Linke
hat Schwierigkeiten, einen Feind auszumachen, und haelt sich daher
weitgehend raus.

Dabei koennten Klimaveraenderungen zum dominierenden Problem des
naechsten Jahrhunderts werden. Mit Sicherheit werden die vermehrt
auftretenden Naturkatastrophen weitere zig Millionen
Umweltfluechtlinge produzieren. Und wie die westlichen Staaten mit
Fluechtlingen umzugehen pflegen, mussten wir in den letzten Jahren
gruendlich lernen. Der Westen wird versuchen, die Verantwortung fuer
die von ihm verursachte Katastrophe abzuwaelzen. Die Fluechtlinge
werden mit rassistischer Repression verfolgt werden und die
ansaessige Bevoelkerung entsprechend aufgehetzt.

Dagegen kann nur helfen, dass die Linke bereits jetzt anfaengt, Ross
und Reiter zu benennen. Das Feld darf nicht den uebersaettigten
Naturfreunden ueberlassen werden, die nicht verstehen, dass es vor
allem um Menschen geht. Unabdingbar ist in diesem Zusammenhang, dass
die Forderung Indiens, Chinas und vieler anderer Entwicklungslaender
nach gleichen Emissions- Rechten fuer alle unterstuetzt und im
oeffentlichen Bewusstsein verankert wird.