Nr.1/1998
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Eskalation der Anpassung
Garzweiler II und die Gruenen
von MANUEL KELLNER

Ob die Regierungskoalition von SPD und Gruenen in Nordrhein-Westfalen
wirklich wackelt? Das ist zu bezweifeln! Der Sonderparteitag der NRW-
Gruenen am 17.Januar wird sich wohl mit der vagen Hoffnung begnuegen,
das Projekt Braunkohletagebau Garzweiler II trotz der von NRW-
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) erfolgreich betriebenen
Genehmigung des Rahmenbetriebsplans irgendwie noch durch
Umweltministerin Baerbel Hoehn (Gruene) mit juristischen Mitteln
auszuhebeln.

Die Sprecherin der gruenen Bundestagsfraktion, Kerstin Mueller, betont
die Notwendigkeit, in NRW an der Regierung zu bleiben, um ueberhaupt
Einfluss ausueben zu koennen. Sicher koennten Garzweiler II weiterhin
rechtliche Knueppel zwischen die Raeder geworfen werden. Zum Beispiel
steht noch die Klaerung der wasserrechtlichen Voraussetzungen aus.
Schlimm ist, dass nur noch institutionelle Gesichtspunkte die gruene
Debatte bestimmen.

Beim Projekt Garzweiler II handelt es sich um eine Politik, die sich
-- unter dem heuchlerischen Vorwand der "Schaffung von
Arbeitsplaetzen" -- bedenkenlos ueber oekologische Gefahren und die
Interessen der betroffenen Bevoelkerung hinwegsetzt. Garzweiler II
ist nur Teil, aber auch Symbol, der prokapitalistischen
Standortpolitik der SPD. Den Gruenen scheint der Gedanke voellig
fremd geworden zu sein, diese mit dem Ziel des Aufbaus von Widerstand
und Gegenmobilisierung anzuprangern, um so das Kraefteverhaeltnis auf
einem anderen Terrain zu aendern als dem der Verhandlungen und der
juristischen Rabulistik. Die vor Urzeiten auf dem linken Fluegel der
Gruenen angesiedelte GAL Hamburg hat dieselbe Tendenz von der
trabenden zur galoppierenden Anpassung demonstriert, als sie im
September bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD alle eigenen
Programmpunkte fallenliess -- mit Ausnahme der Durchsetzung eines
Vogelschutzgebiets. Nach den ersten Andeutungen des moeglichen SPD-
Kanzlerkandidaten Gerhard Schroeder in Richtung auf eine Grossen
Koalition ("auf keinen Fall von der PDS abhaengig werden") mag es
vielleicht auch einigen gruenen Koepfen daemmern, dass der Verzicht
auf Opposition eines Tages in den Verlust der politischen
Existenzgrundlage umschlagen koennte.