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Nr.20 onlineversion

Sturmangriff auf Gewerkschaften
Frankreichs Rechte kämpfen um eine Massenbasis

Die französische Ökonomie-Fachzeitschrift »Expansion« gibt in ihrer jüngsten Ausgabe ihrer Sorge Ausdruck, daß der Front National nach zunehmenden Erfolgen nun zum Sturmangriff auf gewerkschaftliche Positionen gerufen hat.

Geschildert wird, wie der »Betriebskampf« auf rechtsextreme Art abläuft: Erste Stufe: das Aufspüren. Der Fall eines Unternehmens wird durch eine lokale Parteigliederung ausfindig gemacht. Die Beschäftigten sind von Entlassungen und Produktionsauslagerung bedroht. Dies wird dem zentralen Parteisitz gemeldet. Zweite Stufe: das Aufziehen. Der Parteisitz entscheidet über die Verteilung von Flugblättern und welche Parteipersönlichkeiten in der Öffentlichkeit auftreten können. Dies wird mit einer Pressekonferenz begleitet. Dritte Stufe: das Kommando. Die Aktionen vor den Betriebstoren werden mit Aktionen auf Stadtebene gekoppelt, Kleinhändler, Handwerker, die von den Schwierigkeiten des Unternehmens in Mitleidenschaft gezogen werden. Vierte Stufe: das Verfolgen. Die Aktivitäten der Parteizentrale werden durch Aktivitäten der örtlichen Parteigliederung abgelöst.

Der Front National sucht sich anläßlich dieses zentral gesteuerten Eingreifens gezielt solche Konfliktfälle heraus, die sich mit dem Phänomen der ökonomischen »Globalisierung« und Produktionsverlagerungen ins Ausland in Verbindung bringen lassen. Prominentes Beispiel ist der Moulinex-Konzern, der 1996 die Verlagerung von 2.600 Arbeitsplätzen nach Mexiko bekanntgab, um von dort auf den amerikanischen Markt vorzudringen. Stets geht der FN nach einer bestimmten Strategie vor. Verweist der bürgerlich-neoliberale Kurs an den objektiven Prozeß der Globalisierung und die unvermeidliche Anpassung, um jegliche Verantwortung der politischen und ökonomischen Eliten für ihre Entscheidungen von sich zu schieben, so dreht das FN-Modell diese Argumentation einfach um. Die »Globalisierung« als die Nationalstaaten ihrer Machtmittel beraubender Prozeß ist demnach an allen Problemen schuld. Die Rückkehr von Politik und Ökonomie in einen nationalstaatlichen Rahmen - als Band zwischen nationalem Kapital und nationaler Arbeit - bildet das Allheilmittel.

In einem Interview der Tageszeitung »Le Parisien« mit Samuel Maréchal - Schwiegersohn von Le Pen, Chef der Parteijugend FNJ und Aktivist der FN-Satellitenorganisation »Nationaler Zirkel gewerkschaftlich organisierter Arbeiter« (CNTS) - wurde ihm die Frage gestellt, wie sich ein nationales Gewerkschaftertum nach seinem Geschmack verhalten würde, wenn beim Renault-Konzern Entlassungspläne anstünden. Die Antwort: »Wir würden uns in diesem Fall dafür einsetzen, daß die Ausländer zuerst entlassen werden. Dann würden wir vor die französischen Arbeiter treten und ihnen sagen, daß wir die Interessen der Franzosen vertreten haben. Und zugleich würden wir uns an den Generaldirektor von Renault wenden und ihm sagen, daß wir die Interessen von Renault vertreten haben.«

Neben der Gründung eigener Gewerkschaften ist eine der Strategien der extremen Rechten die Unterwanderung der existierenden Organisationen. Der erwähnte CNTS, eine Kadertruppe von ca. 1.500 Mitgliedern, bietet sogenannte Chamäleon-Lehrgänge an, bei denen Aktivisten lernen sollen, sich möglichst perfekt an ein gegebenes Terrain und Publikum anzupassen. Laut Philippe Colombani, der parteiintern mit diesem Sektor beauftragt ist, wurden so in den letzten 15 Monaten 4.000 Personen geschult. Samuel Maréchal fügt hinzu: »Wenn in einem Betrieb ein Kopf für eine Gewerkschaftsgliederung gesucht wird, fordern wir unsere Aktivisten auf, sich um die Posten zu bewerben, nachdem sie in die entsprechende Gewerkschaft eingetreten sind.«

Insbesondere die mitgliederschwachen Gewerkschaften CFTC (christlich) und CGC (Angestellte) gerieten so Anfang der 90er Jahre ins Visier- 21 Prozent der CGC-Mitglieder wählten 1995 Le Pen.

Bernhard Schmidt Antifaschistische Nachrichten, Köln

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