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Nr.19 onlineversion

Zwickels neue Thesen

Anfang Januar forderte der IG Metall Vorsitzende Klaus Zwickel Quoten fuer Nicht-EU-Auslaender, um den deutschen Arbeitsmarkt zu entlasten. Er tat dies in einem Interview mit dem Magazin "Focus". Zwickels Aeusserungen loesten eine Kontroverse aus, bis in die DGB-Spitze hinein.Stein des Anstosses ist folgende Interview-Passage im "Focus" vom 7.Januar:

"Ich denke sehr wohl, dass wir zu Quotierungen im Rahmen eines Einwanderungsgesetzes kommen muessen, um den deutschen Arbeitsmarkt zu entlasten und den sozialen Sprengstoff zu entschaerfen".

Die Forderung nach einem fortschrittlichen Einwanderungsgesetz ist sicher richtig, Zwickels Argumente dafuer sind jedoch eher abstrus und gefaehrlich. Die IG Metall-Vorsitzende leistete sich sicher auch keinen Versprecher, gab es doch danach ein Interview des Pressesprechers der IG Metall in der "jungen Welt", ein Rundschreiben an die Verwaltungsstellen, sowie ein Interview im IG Metall-Infodienst ,direkt". Joerg Barzcynski, Sprecher des IG Metall-Hauptvorstandes, aeusserte sich so: "Es gibt in der Bundesrepublik einen hohen Anteil illegaler Arbeitnehmer und obendrein auch viele legale Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Laendern. Diese Zahl wird immer groesser, waehrend sich gleichzeitig die Zahl der Arbeitsplaetze in der Bundesrepublik nicht annaehernd um die gleiche Menge vermehrt, sondern eher weniger wird. Da kann man sich leicht vorstellen, zu welch sozialem Sprengstoff es fuehrt, wenn wir dem nicht endlich Einhalt gebieten." (junge Welt v. 28.1.97) Der Kollege Barzcynski will also jetzt den ,illegalen Arbeitnehmern" und den "vielen legalen Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Laendern", sprich in erster Linie den tuerkischen KollegInnen, ,endlich Einhalt gebieten", oder was? Solche Saetze kommen uns sehr bekannt vor, aber aus einer ganz anderen Ecke. Aber es geht leider noch weiter.

In einem Rundschreiben von Klaus Zwickel an die Verwaltungsstellen der IG Metall vom 4.2.97 lasen sich folgende Saetze: "Wir brauchen also ein Einwanderungsgesetz, um die Einwanderung zu regeln. Alle nicht regulierten Zugaenge sind problematisch, weil sie fuer die Betroffenen bedeuten koennen, dass sie sich in Deutschland illegal aufhalten und moeglicherweise zu Dumpingloehnen arbeiten muessen. Dass daraus Spannungen zur inlaendischen Bevoelkerung entstehen koennen, brauche ich Euch nicht zu sagen. Zu beruecksichtigen ist auch, dass die Arbeitslosigkeit der auslaendischen Arbeitnehmer bereits jetzt doppelt so hoch ist, wie die der deutschen Beschaeftigten. Es ist also ein Gebot von Humanitaet und Demokratie, sich fuer transparente und demokratisch legitimierte Zugangsbedingungen einzusetzen."

Hier wird ganz nebenbei auch mit Demagogie gearbeitet: Wenn die Arbeitslosigkeit der KollegInnen nichtdeutscher Herkunft doppelt so hoch ist wie die der Deutschen, was ja eine Menge mit strukturellem Rassismus und geringeren Bildungschancen dieser Menschen zu tun hat, warum ist es dann ein "Gebot von Humanitaet und Demokratie ... transparente ...Zugangsbedingungen" einzufordern? Weil all die arbeitslos gemeldeten nichtdeutschen KollegInnen undurchsichtig und illegal hierher gekommen sind?

Es scheint so, als ob die IG Metall Fuehrung versuchen will mit rechten Argumenten ein ,fortschrittliches" Einwanderungsgesetz durchzusetzen. Ein Vorhaben, das nur nach hinten losgehen kann.Die Erfahrungen der Asylkampagne, die vor allem die Bundesregierung inszenierte, um zu einer Grundgesetzaenderung zu kommen, zeigen, wie schnell in diesem Land eine gewalttaetige Welle von Rassismus losgetreten werden kann. Der mutmassliche Verfasser des von Zwickel unterschriebenen Rundschreibens an die Verwaltungsstellen, Wolfgang Schroeder, ist Mitarbeiter der Abteilung fuer Grundsatzfragen beim IG Me-tall-Vorstand (vgl. RAG 11). Schroeder forderte auf dem Hoehepunkt der Terrorwelle gegen Fluechtlinge und MigrantInnen, kurz nach dem rassistischen Pogrom von Rostock, in der Frankfurter Rundschau ,den gewachsenen Unmut in der Bevoelkerung ueber den offenkundigen massiven Missbrauch des Asylrechts" nicht als "Auslaenderfeindlichkeit abzustempeln". Schon damals warnte er davor, dass Deutschlands "ganze Energien durch die Probleme der Zuwanderung absorbiert werden".

Heute ist eine erneute rassistische Kampagne vorstellbar, die Fluechtlinge, MigrantInnen, WanderarbeiterInnen fuer die rapide wachsende Arbeitslosigkeit verantwortlich machen will: "Wenn die Arbeitslosigkeit nicht nachhaltig gesunken ist, hat dies auch damit zu tun, dass 1988 bis 1993 allein 2,5 Millionen Zuwanderer auf den deutschen Arbeitsmarkt gestroemt sind. Ich fordere Sie dringend auf, all diese weithin unbekannten, wichtigen Daten staerker in unserem Land zu verbreiten." Originalton Helmut Kohl auf dem CDU-Parteitag am 20.10.1996. Will die IG Metall-Fuehrung dieser Forderung jetzt nachkommen?

Wer in dieser Situation nicht die wahren Verantwortlichen fuer Arbeitslosigkeit - Politiker und Unternehmer - benennt, wer in diesem Zusammenhang nicht Arbeitszeitverkuerzung und Beschaeftigungsprogramme, sondern "Begrenzung der Zuwanderung" zum Thema macht, tut nicht anderes als Oel in die Flamme des Rassismus zu giessen.

Der Auslaenderausschuss der Berliner IG Metall schrieb in einem Brief an Klaus Zwickel, das Focus-Interview habe bei den auslaendischen Kolleginnen und Kollegen grosse Empoerung ausgeloest. Es heisst dort u.a. ,mit Deiner Forderung (...) hast Du Dich leider in das Buendnis derjenigen eingereiht, die versuchen, einen Zusammenhanb zwischen Auslaenderbeschaeftigung und Arbeitslosigkeit zu suggerieren und damit auslaenderfeindliche Stimmungen naehren."

Erfreulich war im Zusammenhang mit Zwickels Thesen die Reaktion des DGB. Dieter Schulte stellte klar, dass "die Erfahrungen der Asyldebatte eigentlich jeden vernuenftigen Menschen" dazu bringen muessten, mit Vorschlaegen vorsichtig zu sein, die Fremdenfeindlichkeit hervorrufen koennten.

Das voellig Verrueckte an der Diskussion, die der IG Metall-Vorstand von Zaun gebrochen hat, ist die Tatsache, dass die IG Metall ohne die 300.000 organisierten KollegInnen nichtdeutscher Herkunft sehr viel weniger durchsetzen koennte. Bilden sie doch in vielen Betrieben das Rueckgrat eines jeden Streiks.

Wir hoffen, dass die IG Metall-Mitglieder dafuer sorgen, dass in der notwendigen Diskussion um ein Einwanderungsgesetz Fremdenfeindlichkeit foerdernde Thesen nichts zu suchen haben.

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