zurück zur titelseite/inhalt

Nr.19 onlineversion

"Die politische Verantwortung fuer die Krawalle tragen PDS und ihre vermummten Hilfstruppen" CDU-Fraktionsgeschaeftsfuehrer in Berlin Dieter Hapel

"Es ist unbegreiflich, dass rechtsextreme Organisationen ungestraft und unter dem Schutz der Polizei Nazi-Parolen groelen und den Hitler-Gruss zeigen koennen" Stellv. Vors. DGB Berlin-Brandenburg Bernd Rissmann

"Auch Rechtsradikale duerfen demonstrieren. Dies wird durch die Meinungsfreiheit gedeckt." Innenpolitischer Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus Berlin Hans-Georg Lorenz

"Man kann nicht zulassen, dass wegen anderer politischer Auffassungen Jagd auf Menschen gemacht wird, das ist Sache des Staates sich darum zu kuemmern."Innensenator Joerg Schoenbohm

Faschistische Kundgebung erfolgreich verhindert

Die Jungen Nationaldemokraten (JN) hatten fuer den 15. Februar eine Demonstration unter dem Motto ,Arbeit zuerst fuer Deutsche" in Berlin- Hellersdorf angemeldet. Die JN ist die Jugendorganisation der NPD und hat seit dem Verbot von insgesamt zehn neonazistischen Organisationen eine Fuehrungsposition in der Szene erlangt.

Um den Aufmarsch organisierter Neonazis zu verhindern, bildete sich unter anderem in Hellersdorf ein breites Buendnis aus allen Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung, Gewerkschaften und linken Verbaenden. Dieses Buendnis rief zu einer Kundgebung am sowjetischen Ehrenmal in Kaulsdorf auf. Als Redner trat der Kollege Bernd Rissmann (DGB) deutlich gegen Rassismus auf. Zwei weitere Gegenkundgebungen gab es. Eine Kundgebung am Bahnhofsplatz in Kaulsdorf, eine weitere wurde vor dem Bahnhof Wuhletal, am vermuteten Aufmarschort der JN angemeldet. Insgesamt waren rund 2000 AntifaschistInnen unterwegs.

Als einige AntifaschistInnen zur Kundgebung auf dem Bahnhof Wuhletal ankamen, stiessen sie auf eine Gruppe Neonazis mit Reichskriegsflagge und zum Hitlergruss erhobenen Haenden. Von den Antifas ueberrascht, fluechteten sich diese in die U-Bahn und in Mannschaftswagen der Polizei. Alle danach am Kundgebungsort ankommenden Teilnehmer waren Knueppeleien und Polizeischikanen ausgesetzt.

Auf den Hinweis eines Journalisten, es werde eine verbotene Reichskriegsflagge mitgefuehrt und ob er denn nichts unternehmen wolle, reagiert ein Gruppenleiter gelassen: ,Das ist mir aus polizeitaktischen Gruenden nicht moeglich."

Unter anderem wurde auch die Jugendsekretaerin der Gewerkschaft HBV aus nichtigem Grund festgenommen. Sie war einem Platzverweis nicht sofort nachgekommen, sondern verlangte zunaechst eine Begruendung. Rund fuenf Stunden wurde sie in einem Gefangenentransporter festgehalten und erst abends mit anderen Mitgefangenen ausgesetzt. Einigen wurden die Schuhe abgenommen und sie mussten dann bei 0°C auf Socken nach Hause laufen. Am selben Abend begann die Hetze gegen die PDS. Innensenator Schoenbohm machte in der Berliner Abendschau den Bezirksbuergermeister von Hellersdorf (PDS) fuer die ,schweren Ausschreitungen" verantwortlich. Im selben Atemzug bezeichnete er die JN als ,junge Demokraten". In diesen Tenor des Ex- Generals Schoenbohm stimmten viele ein.

Nur vier Tage spaeter schoss der Neonazi Kay Diesner den Buchhaendler Baltruschat aus der Buchhandlung im Haus der PDS-Geschaeftsstelle in Marzahn nieder. Er verlor die rechte Hand und Finger an der linken Hand. Am Sonntag nach dem Attentat erschoss Diesner bei seiner Festnahme mit derselben Waffe einen Polizisten und verletzte einen weiteren. Diesner gehoert der terroristischen Neonazi-Szene in Berlin an.

Seit Jahren gibt es Brandanschlaege und Uebergriffe von Nazis und Rassisten mit oft toedlicher Folge. Dass jetzt gezielt ein Buchhaendler aus einem linken Buchladen niedergeschossen und spaeter noch ein Polizist ermordet wird, zeigt die terroristische Gefahr, die die Staatsschuetzer immer leugnen. ,Zeitbomben" wie K. Diesner, die erbarmungslos der rechten Propaganda unterliegen, konnten in den letzten Jahren unbehelligt rekrutiert und aufgestachelt werden.

Gegen die Kriminalisierung von antifaschistischem Protest und die Verharmlosung von Neonazis fand am Freitag, den 28. Februar, eine Kundgebung mit rund 2000 TeilnehmerInnen vor dem Roten Rathaus statt. In den knapp zwei Wochen vom 15. bis 28. Februar haben sich die Ereignisse ueberstuerzt: Ein Nazi-Aufmarsch ist von einem ungewoehnlich breiten Buendnis verhindert worden. Diejenigen, die trotzdem mit Hitlergruss und Reichskriegsflagge auf dem S-Bahnof der Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz die lange Nase zeigen wollten, wurden verjagt, was einen sehr massiven und brutalen Polizeieinsatz gegenueber den Antifas zur Folge hatte. Obwohl sich Teile der Medien und vor allem die CDU reichlich Muehe gegeben haben die Verhinderer zu kriminalisieren, gibt es gerade nicht mehr, wie sonst, gute und boese Antifas, sondern nur noch Boese. Die Spaltung hat diesmal nicht funktioniert.

Trotzdem gibt es bei solchen Aktionen natuerlich immer wieder, gerade im Nachhinein, mehrere Probleme. Wenn ein Naziaufmarsch verhindert werden soll und es im Zusammenhang auch zu Polizeiuebergriffen kommt, d.h. wenn die Aktion nicht gleich als belanglos unter den Tisch gekehrt werden kann, wird ganz schnell die Formel rechte Chaoten gegen linke Chaoten gefunden, womit auch schon die Entpolitisierung perfekt ist. Die weiter voranschreitende Organisierung und Vernetzung der Nazis und der notwendige Widerstand dagegen ist nicht mehr Thema. Auch nicht, nachdem in Muenchen aus Protest gegen die Wehr-machts--aus-stel-lung 5.000 Demonstranten von NPD und JN mobilisiert wurden. Das inhaltliche Forum ,Ehre der Wehrmacht" oder ,Arbeit fuer Deutsche" liefern die Eliten der CDU/CSU.

An die gemeinsamen Erfahrungen dieser Wochen werden wir anknuepfen, um auch am 1.Mai durchzusetzen, dass Neonazis mit Reichskriegsflagge und Hitlergruss und rassistischen Parolen nichts auf der Strasse zu suchen haben. Herr Schoenbohm hat jetzt schon angekuendigt, juristisch nichts gegen einen Aufmarsch der JN unternehmen zu wollen. Damit fordert er die JN geradezu auf. Wir fordern den Ruecktritt von Innensenator Schoenbohm.

Reaktionen

Kaum bemueht sich ein Berliner Bezirksbuergermeister mal aktiv etwas gegen die wiederholten Aufmarschversuche der Neofaschisten zu unternehmen, da versucht `unser' Innensenator den Buergermeister Uwe Klett zu verunglimpfen. Auch CDU-Fraktions-chef Landowsky sah eine Gelegenheit gekommen, linke Kraefte zu verunglimpfen und sprach von ,politischer Brandstifterei". Weimarer Verhaeltnisse wolle man nicht aufkommen lassen,

staendige Strassenkaempfe zwischen Rechten und Linken nicht zulassen. Sollen statt dessen lieber Rechtsradikale unbehelligt durch die deutsche Hauptstadt marschieren? Das Zulassen von Verherrlichungen unserer unsaeglichsten Geschichte traegt sicherlich nicht zur Festigung von demokratischen Prinzipien bei.

Innensenator Schoenbohm spricht von ,Jungdemokraten". Sie haetten nach den demokratischen Grundsaetzen das Recht oeffentlich zu demonstrieren - ein Recht, das er den Gegendemonstranten wohl am liebsten absprechen wuerde.

Als ,Jungdemokraten" bezeichnet er allen Ernstes die Jugendorganisation der NPD, die ,Jungen Nationaldemokraten", die als Sammelbecken von Aktivisten aus verbotenen Neofaschistischen Organisationen fungiert. Die Rechte der Kundgebungsteilnehmer wurden dagegen mit Fuessen getreten! Willkuerliche Festnahmen und Platzverweise, Androhungen koerperlicher Gewalt schienen als Richtlinie an die gruenen KollegInnen herausgegeben worden zu sein. Die Dienstnummern von pruegelnden Polizisten wurden vielfach nicht

herausgegeben. Beobachtungen, wonach auffaellig gewordene Gesetzeshueter die (numerierten) Helme unter den Einsatzgruppen tauschen, beduerfen noch genauerer Recherchen, die das Vertrauen in die Exekutive weiter erschuettern duerften. Nachfragen nach dieser Seite der demokratischen Grundrechte ist fuer die verantwortlichen Herren nicht mehr als unbequem, aber sicherlich keine Untersuchung wert.

Letztendlich hat der Aufmarsch der Neofaschisten nicht stattgefunden. Die angetroffenen versprengten Nazis wurden unter hoechstem (auch koerperlichen) Einsatz der Beamten abgeschirmt und verteidigt, fast als gaebe es einen Castor zu schuetzen. Nun, die Gefahren, die von Nazis und Strahlenmuell ausgehen sind beachtlich und auch die Halbwertzeit ist vergleichbar... Da behauptet ein General a.D. Schoenbohm ,fuer ein antifaschistisches Lager in

dieser Stadt besteht keine Notwendigkeit". Nicht erst Aktionen, wie die von einem Kay Diesner (Anschlag auf einen Buchhaendler in Berlin, Mord an einem Polizisten in Schleswig-Holstein), zeigen immer wieder das Gegenteil!

Gefaehrliche Tendenzen

Wir sind nach wie vor der Meinung, dass man gegen demagogische, fremdenfeindliche Aktionen auch durch Demonstrationen in der Oeffentlichkeit protestieren muss. Wir sind der Auffassung, dass es sich dabei um gefaehrliche, die demokratische Grundordnung gefaehrdende Tendenzen und nicht nur um ,verwirrte politische Ideen" ,politisch andersdenkender Menschen" handelt. Wir werden darin durch den Mordanschlag in Mahrzahn

bestaerkt. Aus der Abfolge der Ereignisse eine Spirale der Gewalt zu konstruieren, an deren Anfang der Bezirksbuergermeister steht, halten wir fuer eine Verdrehung der Tatsachen, fuer eine Verharmlosung des Verbrechens und fuer billige Parteipolitik.

Betriebsgruppe der OeTV im Bezirksamt Hellersdorf

Aus dem Aufruf zur Kundgebung am 28.2.97, gegen die Verharmlosung von Neonazis!

Am Mittwoch vergangener Woche ist ein Mordanschlag auf einen vermeintlichen PDS-Mitarbeiter veruebt worden. Das Opfer ueberlebte schwerverletzt. Die PDS sowie antifaschistische Gruppen haben aus neonazistischen Kreisen Drohbriefe und -anrufe bekommen.

Antifaschistischen Jugendgruppen, die den Aufruf gegen den am 15.2.97 geplanten Aufmarsch neofaschistischer ,Junger Nationaldemokraten" (JN) unterzeichnet haben, erhielten Morddrohungen. ,Wir schlagen auf Euch ein, immer wieder auf Euch ein, bis Ihr endlich Ruhe gebt."; so der Tenor eines Drohbriefes der Deutschen Befreiungsfront Hellersdorf. Die Neonazis wollen mit diesen Aktionen offensichtlich die demokratische und antifaschistische Oeffentlichkeit einschuechtern.

Mit seinem Verhalten und seinen oeffentlichen Aeusserungen hat der Innensenator Schoenbohm fuer diese Taten den geistigen Boden bereitet. Noch am Abend des 15.2. versuchet Innensenator Schoenbohm dem Buergermeister von Hellersdorf, Uwe Klett, und der PDS die Verantwortung fuer die Eskalation zuzuschieben, indem er behauptete, sie haetten zur ,Menschenjagd" aufgerufen. Gleichzeitig verharmloste er die JN als ,Junge Demokraten", obwohl ihm bekannt sein muesste, dass die JN mittlerweile als legales Sammelbecken von Kadern der militanten Neonaziszene dienen und in den vergangenen Jahren mehrfach als Anmelder von faschistischen Aufmaerschen fungierten.

Unterstuetzt von verschiedenen gewerkschaftlichen Gruppen und Organisationen

zurück zum seitenanfang