September 1995

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Nr.14 onlineversion

Antifa-Arbeit in der IG Medien

So um die 1000 RAG gehen an AbonnentInnen im gesamten Bundesgebiet. Na klar erreichen uns erstmal Infos und (als Gradmesser guter, offener Arbeit) Artikel aus der Region (Berlin Brandenburg). Den RAG sehen wir als ein überregionales Angebot zum Infoaustausch von KollegInnen oder Gruppen, die im Bereich Antirassismus/Antifaschismus eine Praxis pflegen oder Erfahrungen sammeln mußten. Die IG Medien Jugend arbeitet an einer bundesweiten Arbeitsgruppe (s. S. 22) und aus Saarbrücken schrieben KollegInnen der IG Medien Jugend Saar eine Selbstdarstellung, mit der sie die AG "Antinazismus" organisieren:

Wer oder was sind wir? Wir sind größtenteils Azubis, die in verschiedenen Bereichen der Druckindustrie arbeiten, und denen das gesellschaftlich/politische Klima in diesem Land immer mehr zuwider wird.

In einer Situation,

- in der Abschiebungen in Hunger, Folter und Tod an der Tagesordnung sind,

- in der das demokratische Grundrecht auf Asyl nahezu abgeschafft ist,

- in der Nazis fast ungestört ihre Propaganda und ihren Terror bis hin zu Morden durchführen können,

- in der nationalistische, rassistische und antisemitische Stimmungen auch von den Politikern und den Medien geschürt werden,

- in der wir tagtäglich im Betrieb, in der Schule oder im Familienkreis mit rassistischen und antisemitischen Sprüchen und mit einer Gleichgültigkeit gegenüber den Naziverbrechen früher wie heute konfrontiert sind,

haben wir uns deshalb als antinazistische Arbeitsgruppe zusammengefunden.

Die "Arbeitsgruppe gegen Rassismus, Antisemitismus, deutschen Nationalismus und Nazismus" ist Teil der Arbeit der Fachgruppe Druckindustrie und Zeitungsverlage der IG Medien im Bezirk Saar.

Was hat das mit Gewerkschaft zu tun?

Die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der abhängig Beschäftigten und der Kampf dafür, der Kampf vor allem auch gegen die immense Arbeitslosigkeit und gegen die Beschneidung von Sozialleistungen ist notwendig und mehr als berechtigt. Das muß klipp und klar gesagt werden, auch und gerade wenn die Unternehmer so tun, als müßten sie bald betteln gehen und aus dem Jammern nicht mehr rauskommen. Aber diese Kämpfe sind nicht alles.

Denn die aggressiven Vorstöße der Unternehmer und Politiker, ihr Generalangriff auf unsere Lebenslage - in der Druckindustrie wie in allen anderen Industriebereichen - sind nichts isoliertes, sind nicht "Wahnvorstellungen" einiger "Durchgeknallter" wie Murmann oder Stihl, Blüm oder Seehofer, Waigel oder Kohl.

Sie sind Teil eines politisch-wirtschaftlichen Gesamtkonzeptes zur Veränderung der gesellschaftlichen Situation hier. Und daß diese Veränderung, wenn sie von den Unternehmern oder den Politikern hier geplant und bestimmt wird, nur eine Veränderung zu ihren Gunsten und auf unsere Kosten sein kann - das sollte uns aus Erfahrung klar sein.

In diesem Konzept spielt Rassismus eine tragende Rolle. Der Arbeiter, der auf "die Ausländer" schimpft, daß sie "uns" Wohnungen, Arbeitsplätze und Steuergelder "wegnähmen", der Angestellte, der "Türkenwitze" reißt oder darüber lacht, ist auf die rassistische Propaganda reingefallen und hilft ihr. Indem er damit jene unterstützt, die die Menschen aus anderen Ländern hier zum "Sündenbock" erklären, fällt er dem Kampf für unsere Interessen in den Rücken. Denn wer nach unten tritt, gegen die hetzt, die noch weniger haben, ist keine Gefahr für "die da oben", sondern ist eine Gefahr für den Kampf von unten, der nur dann stark und wirkungsvoll ist, wenn er im Geist der internationalen Solidarität geführt wird.

Rassismus ist Spaltung

Die Interessen der Arbeiter aus anderen Ländern hier müssen auch unsere Interessen sein, so wie der Kampf für die Verbesserung der Lebensbedingungen in allen Ländern der Welt auch unser Kampf ist. In der Türkei wie in Polen, in Togo wie in Mexico, in Zaire wie in Portugal, in Indonesien wie in Finnland... Und deshalb stehen auch die Menschen aus aller Welt, die vor Hunger, Krieg, Verfolgung und Terror auf der Flucht sind, auf der gleichen Seite wie wir - und nicht gegen uns und "unsere" Unternehmer!

Was wollen wir überhaupt?

Wir haben uns mit der Arbeitsgruppe die Aufgabe gestellt, in dieses immer unerträglicher werdende gesellschaftliche Klima einzugreifen mit dem langfristigen Ziel, es zu verändern. Wir wollen uns dem Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft entschieden entgegenstellen. Um das leisten zu können, ist es natürlich notwendig, daß wir die politische Situation in diesem Land auf der Grundlage einer kritischen Beobachtung richtig einschätzen können. Das ist die Voraussetzung, um überhaupt wirkungsvoll aktiv werden zu können. Und gerade für eine richtige Einschätzung der Situation heute ist es zentral, daß wir uns auch intensiv mit der Geschichte und den Verbrechen Nazideutschlands und vor allem mit dem Widerstand dagegen auseinandersetzen. Warum?

Unserer Meinung nach kann die heutige Situation in diesem Land nur richtig von dem eingeschätzt werden, der seine Geschichte kennt. Nur auf dieser Grundlage können die Ursachen für bestimmte Entwicklungen analysiert und Parallelen erkannt werden, nur so können falsche Vergleiche zurückgewiesen und richtige Schlüsse gezogen werden.

Kurz: Wir sind davon überzeugt, daß der Kampf um die geschichtliche Wahrheit eine notwendige Grundlage ist für den Kampf um die Zukunft. Das gilt um so mehr gerade in der heutigen Situation in Deutschland, wo massiver denn je und mit allen Mitteln versucht wird, die Geschichte "umzuschreiben", zu verfälschen. Wer die Geschichte vergißt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen! Und in diesem Sinne gilt es auch gerade, aus den positiven Erfahrungen, aber auch aus den Fehlern des Widerstands gegen den Nazismus zu lernen - für den antinazistischen Kampf heute.

Wir sehen es als AntifaschistInnen in dieser Situation als unsere Aufgabe, uns gründlich mit der gesellschaftlichen Realität hier und heute auf der Grundlage der Beschäftigung mit den wichtigsten Besonderheiten der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen, um die Dinge beim Namen nennen und uns dem Klima hier entgegenstellen zu können.

Es ist unsere Pflicht, in Schule, Betrieb, Familie und auf der Straße entschieden und überzeugend gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und Nazismus aufzutreten. Es ist zwingend notwendig, die internationale Solidarität nicht nur zu propagieren, sondern uns auch ganz praktisch in eine Reihe zu stellen mit den Menschen aus anderen Ländern, die hier leben und arbeiten, solidarisch zu sein mit allen von Rassismus, Antisemitismus und Nazismus Bedrohten.

Wir müssen von ihnen lernen, ihren Kampf gegen Verfolgung, Diskriminierung und für demokratische Rechte konsequent unterstützen und gemeinsam unsere Interessen gegen die gesellschaftliche Realität durchzusetzen.

Die antinazistische Arbeitsgruppe freut sich über Kontaktaufnahme und Bestellungen für die Flugschrift unter folgender Adresse:

Arbeitsgruppe Antinazismus

Bezirksbüro der IG Medien

Hafenstraße 33

66111 Saarbrücken

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