mitte 1995

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Nr.12 onlineversion

Kampf den alten und neuen Nazis

Demonstration in Prenzlauer Berg

Am 30. Januar 1933 ernennt der Reichspräsident Hindenburg den Führer der NSDAP Adolf Hitler zum Reichskanzler. Die Nationalsozialisten bekamen durch diese Machtübertragung freie Hand zur Errichtung ihres Terrorregimes, zur industriellen Vernichtung von JüdInnen, und anderen. Der zur Durchsetzung ihrer Herrschaftspläne entfesselte 2. Weltkrieg forderte über 60 Millionen Tote.

Um an dieses folgenschwere Datum zu erinnern und um sich gegen heutige neonazistische Akktivitäten zu wenden, rief ein antifaschistisches Bündnis am 29. Januar 1995 zu einer Demonstration auf. Der Demonstrationszug führte mit ca. 5000 TeilnehmerInnen durch Prenzlauer Berg. Auf der Abschlußkundgebung erinnerte Stefan Heim an die begangenen Verbrechen der Nationalsozialisten.

Relativierungen

Die geschichtlichen und gegenwärtigen Erfahrungen sind Grund genug, sich die besondere Bedeutung dieses Datums, das sich 1995 zum 62. Mal jährt, bewußt zu machen. Eine besondere Rolle kommt in den letzten Jahren dem Geschichtsrevisionismus zu, dessen Vertreter die Geschichte umzuschreiben und umzudeuten versuchen. Von der Ehrung der Waffen-SS durch Bundeskanzler Kohl 1985 in Bitburg, bis hin zur Umwidmung der Neuen Wache 1993 in Berlin werden Versuche unternommen, TäterInnen und Opfer gleichzusetzen. Um eine "neue nationale Identität" entstehen zu lassen, fördern Regierungsverantwortliche die bewußte Vermischung von Schuld und Unschuld, von MörderInnen und Gemordeten. Hinter dem Deckmantel der "gewachsenen internationalen Verantwortung" versucht die deutsche Regierung Vormachtstellungen in Europa aufzubauen und globale Herrschaftsansprüche durchzusetzen.

Um die Kampagne zur Abschaffung des Asylrechts zu verschärfen, bediente sich die Regierung neofaschistischer Parteien und rassistischer Umtriebe. Politiker etablierter Parteien schufen mit ihrer rassistischen Sprache und Hetze ("Asylantenschwemme", "Asylbetrüger",...) ein gesellschaftliches Umfeld, in dem organisierte Faschisten und andere Rassisten Flüchtlinge jagen, zusammenschlagen, verbrennen und ermorden konnten.

Für faschistische Parteien und Gruppen war das Erfolg, Ermutigung und politische Stärkung. In Berlin galt dies insbesondere für die kürzlich verbotene "Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" (FAP). Die FAP war die größte offen militante neofaschistische Partei in der BRD und bezog sich politisch auf die Ideologie des Nationalsozialismus. In Berlin befand sich mit ca. 100 Mitgliedern der größte Landesverband. Neben der aktivsten Gruppe im Prenzlauer Berg, hatte die FAP in den Stadtbezirken Treptow und Pankow Fuß gefaßt. Seit 1992 versuchte sie zum 1. Mai öffentlich aufzumarschieren.

Hochburgen

Zahlreiche Schlägereien, Überfälle, Schändungen jüdischer Friedhöfe, Morde, Brand- und Sprengstoffanschläge und der Terror gegen AusländerInnen, Behinderte, Obdachlose, Homosexuelle und Linke gingen auf das Konto der FAP. Parallel zu den Rekrutierungen Jugendlicher, üben sie massiven Druck auf die Nachbarschaft aus und versuchen ihnen mißliebige Menschen aus deren Wohnungen zu vertreiben. Eine kiezbezogene antifaschistische Demonstration zu veranstalten, war notwendig. Zeigen doch die jüngsten Ereignisse mögliche Verbindungen rechtsextremer FAP-Aktionen zu dem gezielten Brandanschlag auf den Eine-Welt-Laden in der Wichertstraße 51. Die in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 95 gelegten Brandherde in den Räumen des Projekts lassen keinerlei Zweifel an der Tatsache einer Brandstiftung. Der gesamte Warenbestand und die Einrichtungen wurden durch den Brand und die Löscharbeiten stark beschädigt. Einen konkreten Tatverdacht gibt es bisher noch nicht. Doch ist dieser Kiez als Hochburg faschistischer Treffpunkte und Aktivitäten bekannt. Der vom BAOBAB-Infoladen betriebene Eine-Welt-Laden ist in der, im November 93 im faschistischen Blatt "Einblick" veröffentlichten Liste, als Angriffsobjekt der "Anti-Antifa" vermerkt.

Aus den Erfahrungen mit der FAP und ihren SympathisantInnen sind trotz Verbot der FAP faschistische Aktivitäten zum 1. Mai nicht auszuschließen. Dem zunehmenden Alltagsrassismus müssen wir entschieden entgegentreten. Daher wird am 1. Mai, getragen von antifaschistischen Gruppen, ein großes kiezbezogenes Fest in Prenzlauer Berg stattfinden. Ob lokal oder global, nationalsozialistischen Gedanken und Praktiken darf kein Platz eingeräumt werden.

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