mitte 1995

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Nr.12 onlineversion

Freiheit für Mumia Abu-Jamal

Seit 1982 sitzt der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal in der Todeszelle. Bis Anfang Januar 95 in Huntingdon, wurde er in einen neuen Hochsicherheitsknast "SCI Greene" in Western Pennsylvania verlegt, Ihm wird vorgeworfen, 1981 in Philadelphia einen weißen Polizisten getötet zu haben.

Obwohl man ihm diese Tat nicht nachweisen konnte, wurde Mumia Abu-Jamal aufgrund rassistischer und politischer Motive von einer mehrheitlich weißen Jury schuldig gesprochen und vom Gericht zum Tode verurteilt.

Es ging in diesem Fall weniger um eine konkrete Tat, als darum, einen politischen Aktivisten der African American Community zum Schweigen zu bringen.

Von der BPP zur Mordanklage

Schon frühzeitig begann Mumia sich politisch zu betätigen. Als Jugendlicher stieß er zur Ortsgruppe der Black Panther Party (BPP) in Philadelphia. 1969, mit 16 Jahren, wurde er Leutnant des Informationsministeriums der BPP und arbeitete einige Zeit im nationalen Büro der Panther-Zeitung in Kalifornien. Nach der Zerschlagung der BPP durch die amerikanische Bundespolizei FBI Anfang der 70er, arbeitete Mumia als Journalist für verschiedene Schwarze Radiosender in Philadelphia und schrieb für überregionale Zeitungen. 1980 wurde er zum Präsidenten der Association of Black Journalists gewählt. Seine Reportagen über die massiven, rassistisch motivierten Polizeiüberfälle auf die religiös-politische Organisation MOVE in den Jahren 1977/78, ließen Abu-Jamal zum "Public Enemy" werden. Der damalige Bürgermeister Philadelphias Frank Rizzo erklärte mehrmals, er hoffe, "dieser Art von Journalismus würde ein baldiges Ende bereitet". Daher geht Mumia Abu-Jamal davon aus, daß ihm im Dezember 1981 eine Falle der Polizei gestellt worden ist. Als er versuchte Polizisten davon abzuhalten, seinen Bruder zu verprügeln, wurde er durch einen Bauchschuß lebensgefährlich verletzt. Ebenso blieb ein weißer Polizist bei dieser Auseinandersetzung auf der Strecke.

Die Staatsanwaltschaft konnte Mumia allerdings nicht nachweisen, der Schütze gewesen zu sein. Zum einen sagten alle Zeugen zu Anfang aus, der Schütze sei vom Tatort geflohen, während Abu-Jamal an Ort und Stelle verhaftet worden ist. Der Zeuge, der dem Geschehen am nächsten war, wurde gar nicht erst vorgeladen. Des weiteren konnte kein Vergleich zwischen der Waffe Mumias und der tödlichen Kugel vorgenommen werden. Trotz allem wurde er zum Tode verurteilt und sitzt seit 1982 in der Todeszelle.

Im Hinblick auf die Wahlen im letzten Jahr überboten sich Demokraten und Republikaner mit "Law and Order"- Parolen. Im September 94 verabschiedete der noch demokratisch beherrschte Kongreß ein neues Verbrechensbekämpfungsgesetz. Danach stehen auf 60 weitere Verbrechen die Todesstrafe. Mumia schreibt dazu selber: "Dieses Gesetz, das drakonischste in der Geschichte der Nation, sieht die Ausgabe von über 30 Milliarden Dollar für mehr Gefängnisse, mehr Bullen, mehr Todesurteile vor. Mehr Werkzeuge der staatlichen Repression ... mehr Unfreiheit." Nach dem überwältigenden Sieg der Republikaner bei den Kongreß- und Gouverneurswahlen vom November 1994 besteht die Gefahr, daß die Hinrichtung jederzeit unterschrieben wird. Der neue republikanische Gouverneur Thomas Ridge sagte hierzu: " Sobald ich im Amt bin, werden auch in Pennsylvania die Hinrichtungen beginnen. Es kann nicht angehen, daß diese Kriminellen durch juristische Winkelzüge jahrelang den Steuerzahlern auf der Tasche liegen." Mumias Rechtsanwalt Len Weinglass versucht im Februar 95 die Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen. Die Genehmigung eines neuen Verfahrens könnte sich zwar über zwei Jahre erstrecken, die Vollstreckung des Todesurteils kann aber jederzeit unterschrieben werden. Es ist allerdings bisher noch keinem Gefangenen der Todestrakte Pennsylvanias gelungen die Wiederaufnahme seines Verfahrens zu erreichen.

Todestrafe in den USA

Die Anwendung der Todesstrafe in den USA zeigt einen eindeutig rassistischen Hintergrund. Im Wettlauf zwischen Demokraten und Republikanern für härtere Gesetze, wird vor allem die weiße Bevölkerung in ihren irrationalen Ängsten bedient. Stellt die nicht-weiße Bevölkerung den größten Anteil an Gefangenen, so sind sie zugleich am stärksten von Straftaten betroffen. So ist Totschlag die führende Todesursache für African Americans zwischen 15 und 34 Jahren. Insgesamt sitzen in den Todeszellen der Vereinigten Staaten etwa 3100 Gefangene. Etwa die Hälfte sind African Americans, obwohl sie nur etwa 12% der Bevölkerung sind (in Pennsylvania ein Anteil von 6%, aber 61% der Häftlinge in den Todeszellen). In Philadelphia, der größten Stadt in Pennsylvania, sind es sogar 84%.

Wir möchten Euch dazu aufrufen, mit den bescheidenen Mitteln, die uns auf Grund der Entfernung zu Verfügung stehen, für das Leben Mumia Abu-Jamals einzusetzen. Der Fall Mumia hat in den USA inzwischen eine große Bekanntheit erreicht. Auch hier bekannte Künstler, wie Harry Belafonte und Whoopi Goldberg, Arrested Development und Public Enemy setzen sich für Mumia ein. Wir bitten Euch als Gewerkschaftsgruppe, als Betriebsrat oder Vertauensleutekörper, als JAV oder Schülerrat, und natürlich auch als Einzelpersonen Protestschreiben an den neuen Gouverneur von Pennsylvania zu schicken. Die Adresse lautet:

Governor Thomas Ridge,

Main Capitol Building, Room 225,

Harrisburg, PA 17120, USA.

Solidaritätserklärungen an Mumia selbst sendet an folgende Adresse:

Mumia Abu-Jamal,

AM-8335, Huntingdon SCI,

1100 Pike St., PA 16654-112, USA.

Wer weiteres Interesse an diesem Thema hat, dem sei das Buch 'Black Power' der Edition ID-Archiv, 1993, empfohlen, in ihm wird auch ein Interview mit Mumia veröffentlicht.

Stefan Schulz

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