Mao Werke


Mao Tse-Tung: 

Über den Widerspruch

 


VI. Der Platz des Antagonismus in den Widersprüchen

Das Problem des Kampfes der Gegensätze schließt die Frage ein: Was ist Antagonismus? Auf diese Frage antworten wir: Der Antagonismus ist eine der Formen des Kampfes der Gegensätze, aber nicht die einzige Form.

In der Menschheitsgeschichte existiert der Antagonismus zwischen den Klassen als ein spezifischer Ausdruck des Kampfes der Gegensätze. Betrachten wir den Widerspruch zwischen der Klasse der Ausbeuter und der Klasse der Ausgebeuteten, so bestehen sowohl in der Sklavenhaltergesellschaft als auch in der feudalen und der kapitalistischen Gesellschaft diese beiden im Widerspruch stehenden Klassen lange Zeit hindurch in ein und derselben Gesellschaft nebeneinander. Sie kämpfen gegeneinander, doch erst nachdem sich der Widerspruch der beiden Klassen bis zu einem bestimmten Stadium entwickelt hat, nimmt der Kampf der beiden Seiten die Form eines offenen Antagonismus an, der sich zur Revolution entwickelt. Auf ähnliche Weise verwandelt sich in der Klassengesellschaft der Frieden in den Krieg.

Bevor eine Bombe explodiert, stellt sie eine Einheit dar, worin die Gegensätze infolge bestimmter Bedingungen nebeneinander existieren. Erst nach dem Eintreten einer neuen Bedingung (der Zündung) erfolgt die Explosion. Analog verhält es sich mit allen Naturerscheinungen, bei denen die Lösung des alten Widerspruchs und die Entstehung des neuen Dinges schließlich in der Form eines offenen Zusammenpralls erfolgt.

Es ist ungemein wichtig, diese Tatsache zu erkennen. Das hilft uns verstehen, daß in der Klassengesellschaft Revolutionen und revolutionäre Kriege unvermeidlich sind, daß es sonst unmöglich ist, in der Entwicklung der Gesellschaft einen Sprung zu vollziehen und die reaktionäre herrschende Klasse zu stürzen, damit das Volk die Macht ergreifen kann. Die Kommunisten müssen die betrügerische Propaganda der Reaktionäre entlarven, die zum Beispiel behaupten, daß die soziale Revolution unnötig und unmöglich wäre; sie
müssen
|404| unerschütterlich an der marxistisch-leninistischen Lehre von der sozialen Revolution festhalten und dem Volk zum Verständnis dessen verhelfen, daß die soziale Revolution nicht nur unbedingt notwendig, sondern auch durchaus möglich ist und daß diese wissenschaftliche Wahrheit durch die ganze Menschheitsgeschichte und durch den Sieg der Sowjetunion bestätigt worden ist.

Wir müssen jedoch den Kampf der verschiedenen Gegensätze konkret untersuchen und dürfen keine unangebrachte Anwendung der obenerwähnten Formel auf alle Dinge zulassen. Die Widersprüche und der Kampf sind allgemein, absolut, doch die Methoden zur Lösung der Widersprüche, das heißt die Formen des Kampfes, sind je nach dem Charakter der Widersprüche verschieden. Manche Widersprüche weisen einen offen antagonistischen Charakter auf, andere nicht. Je nach der konkreten Entwicklung der Dinge werden manche ursprünglich nichtantagonistische Widersprüche zu antagonistischen, dagegen andere, ursprünglich antagonistische, zu nichtantagonistischen Widersprüchen.

Solange Klassen bestehen, sind die Widersprüche zwischen richtigen und falschen Ansichten in den Reihen der Kommunistischen Partei, wie oben festgestellt wurde, eine Widerspiegelung der Klassenwidersprüche innerhalb der Partei. In der Anfangsperiode oder in einzelnen Fragen treten diese Widersprüche nicht unbedingt sofort als antagonistische zutage. Doch mit der Entwicklung des Klassenkampfes können auch sie sich zu antagonistischen Widersprüchen entwickeln. Die Geschichte der KPdSU zeigt uns, daß sich die Widersprüche zwischen den richtigen Ansichten Lenins und Stalins und den falschen Ansichten Trotzkis, Bucharins und anderer anfangs nicht in antagonistischer Form kundtaten, in der Folge aber zu einem Antagonismus entwickelten. Auch in der Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas gab es solche Fälle. Die Widersprüche zwischen den richtigen Ansichten vieler Genossen in unserer Partei und den falschen Ansichten von Tschen Du-hsiu, Dschang Guo-tao und anderen traten anfangs auch nicht in antagonistischer Form zutage, entwickelten sich aber in der Folge zu antagonistischen. Derzeit weisen die Widersprüche zwischen richtigen und falschen Ansichten innerhalb unserer Partei keine antagonistische Form auf, und wenn die Genossen, die Fehler begangen haben, diese zu korrigieren verstehen, werden sich diese Widersprüche nicht zu antagonistischen entwickeln. Darum muß die Partei einerseits einen ernsten Kampf gegen falsche Ansichten führen, andererseits aber jenen Genossen, die Fehler gemacht haben,
|405| die volle Möglichkeit geben, diese einzusehen. Unter diesen Umständen ist eine Überspitzung des Kampfes offensichtlich unzweckmäßig. Wenn jedoch jene, die Fehler begangen haben, auf diesen beharren und sie vertiefen, dann besteht die Möglichkeit, daß sich diese Widersprüche zu antagonistischen entwickeln.

Die ökonomischen Widersprüche zwischen Stadt und Land in der kapitalistischen Gesellschaft (wo die von der Bourgeoisie kontrollierte Stadt das Dorf schonungslos ausplündert) und in den von der Kuomintang beherrschten Gebieten Chinas (wo die vom ausländischen Imperialismus und von der Kompradoren – Großbourgeoisie Chinas kontrollierte Stadt das Dorf aufs brutalste ausplündert) sind extrem antagonistisch. Doch im Lande des Sozialismus und in unseren revolutionären Stützpunktgebieten sind diese antagonistischen Widersprüche zu nichtantagonistischen geworden, und in der kommunistischen Gesellschaft werden sie verschwinden.

Lenin sagt: "Antagonismus und Widerspruch sind durchaus nicht dasselbe. Das erstere verschwindet, das zweite bleibt im Sozialismus." [25] Das bedeutet, daß der Antagonismus nur eine der Formen des Kampfes der Gegensätze ist, nicht aber die einzige Form; deshalb kann man diese Formel nicht überall wahllos anwenden.

 


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