Mao Werke


Mao Tse-tung:

DER WAHRE SACHVERHALT HINTER DEN KUOMINTANG-ANGRIFFEN *

 

(5. November 1945)

 

* Diese von Genossen Mao Tse-tung verfaßte Erklärung wurde im Namen des Sprechers der Kommunistischen Partei Chinas abgegeben. Zu dieser Zeit hatte Tschiang Kai-schek das "Übereinkommen vom 10. Oktober" schon zerrissen, und der Bürgerkrieg gegen die befreiten Gebiete dehnte sich von Tag zu Tag weiter aus.

Kuomintang, habe erklärt, daß "sich die Regierung in diesem Krieg ganz in der Defensive befindet", und habe Maßnahmen für die "Wiederherstellung der Verkehrswege"1 vorgeschlagen. Ein Berichterstatter der Hsinhua-Nachrichtenagentur erkundigte sich danach beim Sprecher der Kommunistischen Partei Chinas.

Der Sprecher der Kommunistischen Partei Chinas gab dem Berichterstatter folgenden Bescheid: Was Wu Guo-dschen über das "Sich-in-der-Defensive-Befinden" sagte, ist durch und durch verlogen. Die Kuomintang hat nicht nur die fünf befreiten Gebiete in Osttschekiang, Südkiangsu, Mittel- und Südanhui und Hunan, die von unseren Truppen evakuiert wurden, besetzt und die Bevölkerung einer grausamen Tyrannei unterworfen, sie hat auch mehr als 70 Divisionen ihrer regulären Truppen in die meisten der anderen befreiten Gebiete - z. B. in Kuangtung, Hupeh, Honan, Nordkiangsu, Nordanhui, Schantung und Hopeh - oder in ihre Nähe entsandt, unterdrückt dort das Volk und greift unsere Truppen an oder bereitet sich zum Angriff vor. Überdies strömen Dutzende weitere Kuomintang-Divisionen nach den befreiten Gebieten. Kann das als Defensive betrachtet werden? Von diesen Kuomintang-Divisionen stießen acht von Dschangdö nach Norden vor und erreichten das Handan-Gebiet; von diesen acht Divisionen waren zwei gegen den Bürgerkrieg und für den Frieden, während die anderen sechs (einschließlich drei von den USA ausgerüsteten Divisionen) gezwungen wurden, ihre Waffen zu strecken, nachdem die Truppen und das Volk in den befreiten Gebieten, um sich zu verteidigen, zu einem Gegenangriff übergegangen waren. Viele Offiziere dieser Kuomintang-Truppen, darunter stellvertretende Oberbefehlshaber der Kriegszone, Korpskommandeure und stellvertretende Korpsführer, sind jetzt in den befreiten Gebieten2 und können den ganzen wahren Sachverhalt bestätigen, nämlich, woher sie gekommen sind und wie ihnen befohlen wurde anzugreifen. Kann man das auch als Defensive bezeichnen? In den befreiten Gebieten der Provinzen Honan und Hupeh sind unsere Truppen jetzt von mehr als 20 Kuomintang-Divisionen der 4., 5. und 6. Kriegszone, geführt von Liu Dschi, dem Oberbefehlshaber zur "Ausrottung der Kommunisten", von allen Seiten eingekreist worden. Unsere befreiten Gebiete in West- und Mittelhonan sowie Süd-, Ost- und Mittelhupeh wurden von den Kuomintang-Truppen überfallen und besetzt; diese sengten und mordeten derart mutwillig, daß unsere Truppen unter dem Kommando von Li Hsiän-niän und Wang Schu-scheng keine Bleibe mehr finden konnten und, um ihre weitere Existenz zu sichern, gezwungen waren, an der Grenze der Provinzen Honan und Hupeh Quartier zu suchen; aber auch dort wurden sie von Kuomintang-Truppen unablässig verfolgt und angegriffen 3 Kann das ebenfalls als ein Sich-in-der-Defensive-Befinden angesehen werden? Genauso verhält es sich in den drei Provinzen Schansi, Suiyüan und Tschahar, Anfang Oktober drangen 13 Divisionen unter dem Befehl Yän Hsi-schans in den Hsiangyüan-Tunliu-Sektor in dem befreiten Gebiet Schangdang ein. Sie alle wurden von unseren Truppen dort und der örtlichen Bevölkerung im Selbstverteidigungskampf entwaffnet. Unter den Gefangenen waren mehrere Korps- und Divisionsführer. Diese halten sich jetzt im befreiten Gebiet von Taihang auf; jeder von ihnen ist noch am Leben und kann daher den ganzen wahren Sachverhalt bestätigen, nämlich, woher er gekommen ist und wie ihm befohlen wurde anzugreifen. Vor kurzem berichtete Yän Hsi-schan in Tschungking, wie er angegriffen wurde und wie er sich lediglich in der "Defensive" befunden habe. Das aber sind alles Lügen. Wahrscheinlich hatte er seine Generäle ganz vergessen: Schi Dsö-bo, Führer des 19. Korps; Guo Jung, Kommandeur der Provisorischen 46. Division, Dschang Hung, Kommandeur der Provisorischen 49. Division, Li Pe-ying, Kommandeur der 66. Division, Guo Tiän-hsing, Kommandeur der 68. Division, und Yang Wen-tsai, Kommandeur der Provisorischen 37. Division.4 Sie alle leben jetzt in unseren befreiten Gebieten und können jede Lüge von Wu Guo-dschen, Yän Hsi-schan und all den anderen reaktionären Bürgerkriegshetzern widerlegen. General Fu Dsuo-yi greift auf Befehl schon über zwei Monate lang unsere befreiten Gebiete in Suiyüan, Tschahar und Jehol an; einmal stieß er sogar bis an die Tore von Dschangdjiakou vor und besetzte unser ganzes befreites Gebiet in Suiyüan und West-Tschahar. Kann auch das als ein Sich-in-derDefensive-Befinden und nicht "den ersten Schuß" abfeuern bezeichnet werden? Unsere Truppen und die Bevölkerung in Tschahar und Suiyüan erhoben sich zur Selbstverteidigung, und bei ihrem Gegenangriff nahmen sie auch eine große Anzahl Offiziere und Soldaten gefangen; diese können alle Zeugnis darüber ablegen, woher sie gekommen sind, wie sie angriffen usw.5 In verschiedenen Selbstverteidigungsschlachten erbeuteten wir haufenweise "Banditenausrottungs" und antikommunistische Dokumente; unter diesen befanden sich auch das Handbuch über Banditenausrottung, Befehle zur "Banditenausrottung",6 die von den höchsten Kuomintang-Behörden veröffentlicht, von Wu Guo-dschen aber als "Jux" abgetan wurden, und andere antikommunistische Dokumente. Diese Beute wird jetzt nach Yenan befördert. Alle diese antikommunistischen Dokumente sind schlagende Beweise dafür, daß die Kuomintang-Truppen die befreiten Gebiete angegriffen haben.

Der Berichterstatter der Hsinhua-Nachrichtenagentur wollte ferner die Ansichten des Sprechers der Kommunistischen Partei Chinas über die von Wu Guo-dschen vorgeschlagenen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Verkehrswege erfahren. Der Sprecher stellte fest: Das sind nichts weiter als Verzögerungsmanöver. Die Kuomintang-Behörden sind dabei, gewaltige Streitkräfte zusammenzuziehen, mit dem Ziel, alle befreiten Gebiete zu überfluten. Da die mehrmaligen Angriffe im September und Oktober fehlschlugen, bereiten sie jetzt neue Attacken in noch größerem Maßstab vor. Und ein Mittel, diese Angriffe zu verhindern, d. h. dem Bürgerkrieg wirkungsvoll halt zugebieten, besteht darin, den Transport ihrer Truppen mit der Eisenbahn nicht zuzulassen. Auch wir befürworten wie andere eine rasche Wiederherstellung der Verkehrswege; das kann aber erst nach Regelung der folgenden drei Punkte geschehen: Entgegennahme der Kapitulation Japans; Verfügung über die Marionettentruppen; Verwirklichung der Selbstverwaltung in den befreiten Gebieten. Was soll zuerst gelöst werden: das Problem der Verkehrswege oder die drei letztgenannten Punkte? Warum sollen die Truppen der befreiten Gebiete, die acht Jahre lang hartnäckig und erbittert gegen Japan gekämpft haben, nicht das Recht haben, die Kapitulation Japans entgegenzunehmen? Und warum soll dies durch Truppen erfolgen, die von weither entsandt werden müssen? Jeder Bürger ist berechtigt, die Marionettentruppen zu bestrafen; warum werden sie alle in die "Nationalarmee" eingegliedert und zum Angriff gegen die befreiten Gebiete beordert? Eine örtliche Selbstverwaltung ist im "Übereinkommen vom 10. Oktober" ausdrücklich festgelegt, und schon vor langer Zeit hat sich Dr. Sun Yat-sen für die Volkswahl der Provinzgouverneure eingesetzt; warum besteht die Kuomintang-Regierung immer noch darauf, örtliche Beamte von außen dorthin zu entsenden? Das Verkehrsproblem soll schnellstens gelöst werden, doch noch dringender ist es, die genannten drei wichtigen Punkte zu regeln. Wenn man über die Wiederherstellung der Verkehrswege redet, ohne zuerst die drei wichtigen Punkte geregelt zu haben, so kann das nur der Ausdehnung und Verlängerung des Bürgerkriegs dienen und hilft seinen Anstiftern, ihr Ziel zu erreichen, nämlich die befreiten Gebiete zu überfluten. Um den volksfeindlichen und antidemokratischen Bürgerkrieg, der sich nun über das ganze Land erstreckt, schnell zu stoppen, schlagen wir folgendes vor: 1. Alle Truppen der Kuomintang-Regierung, die in die befreiten Gebiete von Nordchina, Nordkiangsu, Nordanhui, Zentralchina und ihre Nachbargebiete eingedrungen sind, um die Kapitulation Japans entgegenzunehmen und uns anzugreifen, müssen sofort in ihre ursprünglichen Stellungen zurückgezogen werden; die Truppen der befreiten Gebiete sollen die Kapitulation des Feindes entgegennehmen sowie die Städte und Verkehrswege besetzen. Die befreiten Gebiete, die überfallen und besetzt wurden, sollen uns wieder zurückgegeben werden. 2. Alle Marionettentruppen sollen sofort entwaffnet und entlassen werden; in Nordchina, Nordkiangsu und Nordanhui sollen die befreiten Gebiete mit der Entwaffnung und Entlassung beauftragt werden. 3. Die volksdemokratische Selbstverwaltung in allen befreiten Gebieten soll anerkannt werden; die Zentralregierung darf keine örtlichen Beamten ernennen oder Beamte dorthin entsenden; die Bestimmungen des "Übereinkommens vom 10. Oktober" müssen eingehalten werden. Der Sprecher sagte: Nur so kann der Bürgerkrieg verhindert werden, sonst gibt es absolut keine Gewähr dafür. Die während der drei Selbstverteidigungsschlachten in Suiyüan, Schangdang und Handan erbeuteten Dokumente und derartig konkrete Aktionen wie massierte Truppenbewegungen und Angriffe - das alles straft die Kuomintang-Behörden Lügen, die behaupten, daß die Wiederherstellung der Verkehrswege angeblich dem Wohle des Volkes diene und nicht für den Bürgerkrieg bestimmt sei. Das chinesische Volk wurde lange genug betrogen, es läßt sich nicht weiter betrügen. Das zentrale Problem ist jetzt, daß sich das ganze Volk mobilisiert, um mit allen Mitteln dem Bürgerkrieg Einhalt zu gebieten.

ANMERKUNGEN

1. Als der Widerstandskrieg gegen Japan zu Ende ging, standen die meisten Eisenbahnlinien Chinas entweder unter der Kontrolle der Armee und des Volkes der befreiten Gebiete, oder sie waren von ihnen eingekreist. Unter dem Vorwand der "Wiederherstellung der Verkehrswege" versuchten die Kuomintang-Reaktionäre, diese Eisenbahnlinien zu benutzen, um die befreiten Gebiete voneinander zu trennen und Millionen von Kuomintang-Truppen nach dem Nordosten sowie nach Nord-, Ost- und Zentralchina zu transportieren, um die befreiten Gebiete anzugreifen und sich der Großstädte zu bemächtigen.

2. Im September 1949 stießen die Kuomintang-Truppen vom Gebiet Dschengdschou-Hsinhsiang aus entlang der Peiping-Hankou-Eisenbahnlinie vor, um das befreite Gebiet Schansi-Hopeh-Schantung-Honan anzugreifen. Ende Oktober drangen ihre ersten drei Korps in das Gebiet Tsihsiän-Handan ein. Die Armee und die Bevölkerung des befreiten Gebiets erhoben sich mutig zur Selbstverteidigung, und nach einer Woche erbitterter Kämpfe rebellierte General Gao Schu-hsün, stellvertretender Oberbefehlshaber der 11. Kriegszone der Kuomintang und gleichzeitig Kommandeur des Neuen 8. Korps, gegen die Kuomintang bei Handan und ging mit dem Neuen 8. Korps und einer Kolonne von insgesamt mehr als 10000 Mann zu uns über. Die übrigen zwei Korps zogen sich in großem Durcheinander zurück, wurden aber von unseren Truppen eingekreist und entwaffnet. Unter den Offizieren von hohem Rang, die gezwungen wurden, ihre Waffen zu strecken, befanden sich Ma Fa-wu, ein anderer stellvertretender Oberbefehlshaber der 11. Kriegszone der Kuomintang und gleichzeitig Kommandeur des 40. Korps, Liu Schi-jung, stellvertretender Kommandeur des 40. Korps, Li Hsü-dung, Generalstabschef dieses Korps, und Liu Schu-sen, ein stellvertretender Divisionskommandeur dieses Korps.

3. Nach der Kapitulation Japans zog die Kuomintang mehr als zwanzig Divisionen von drei Kriegszonen zusammen, um zu einem großangelegten Angriff auf die befreiten Gebiete in den Provinzen Honan und Hupeh überzugehen. Ein Teil der Streitmacht des Oberbefehlshabers der 1. Kriegszone der Kuomintang, Hu Dsung-nan, stieß auf beiden Seiten der Lunghai-Eisenbahnlinie von Nordwesten nach Osten vor, um in das befreite Gebiet in Westhonan einzudringen; die Streitkräfte des Oberbefehlshabers der 5. Kriegszone, Liu Dschi, stießen zu beiden Seiten der Peiping-Hankou-Eisenbahnlinie von Norden nach Süden vor, um in die befreiten Gebiete in Mittelhonan und Mittel- und Osthupeh einzufallen; die Streitkräfte der 6. Kriegszone rückten vereint von Südhupeh nordwärts vor. Die meisten dieser Kuomintang-Streitkräfte standen unter dem Kommando von Liu Dschi. Die Streitkräfte des Volkes in den befreiten Gebieten von Honan und Hupeh kämpften entschlossen gegen die Eindringlinge, bewahrten ihre Kräfte und zogen Ende Oktober 1945 in das Gebiet des Dahung-Gebirges und des Tungbai-Gebirges und von Dsaoyang, an der Grenze zwischen Honan und Hupeh. Später zogen sie nach dem Gebiet Hsüanhuadiän, östlich der Peiping-Hankou-Linie, weil die Kuomintang sie weiterhin verfolgte.

4. Über die Schangdanger Schlacht siehe Anmerkung 2 zur Arbeit "Über die Verhandlungen in Tschungking", vorliegender Band, S. 63. Die hier erwähnten Kuomintang-Offiziere waren alle Kommandeure von hohem Rang in der Armee Yän Hsi-schans, die von der Befreiungsarmee bei der Schangdanger Schlacht gefangengenommen wurden.

5. Die Provinz Suiyüan wurde am 6. März 1954 aufgelöst und ihr Gebiet dem Autonomen Gebiet der Inneren Mongolei eingegliedert. General Fu Dsuo-yi war 1945 Oberbefehlshaber der 12. Kriegszone der Kuomintang. Seine Truppen waren während des Widerstandskriegs gegen Japan in und um Wuyüan und Linho in Westsuiyüan stationiert. Nach der Kapitulation Japans erhielt er den Befehl, die befreiten Gebiete in den drei Provinzen Suiyüan, Jehol und Tschahar anzugreifen. Im August 1945 besetzte er Guisui, Djining und Fengdschen. Anfang September besetzte er Hsingho, Schangyi, Wutschuan, Taolin, Hsintang und Liangtscheng, startete einen massiven Angriff auf das befreite Gebiet in Tschahar und stieß in die Umgebung von Dschangdjiakou vor. Unsere Armee schritt zur Selbstverteidigung, schlug diese Angriffe zurück und nahm eine große Anzahl Offiziere und Soldaten gefangen.

6. Das Handbuch über Banditenausrottung war ein konterrevolutionäres Pamphlet, erfassender Bürgerkrieg ist bereits zur Tatsache geworden. Die gegen das 1933 von Tschiang Kai-schek zusammengestellt wurde und sich ausschließlich mit den Methoden des Angriffs gegen die chinesischen Volksstreitkräfte und die revolutionären Stützpunktgebiete befaßte. Nach dem Ende des Widerstandskriegs im Jahre 1945 ließ es Tschiang Kai-schek neu drucken und mit einem Geheimbefehl unter die Kuomintang-Offiziere verteilen. Der Befehl lautete: "Von der jetzigen Kampagne zur Ausrottung der Banditen hängt das Glück unseres Volkes ab. Deshalb müssen sie im Geist des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression und in Übereinstimmung mit dem Handbuch über Banditenausrottung, das ich zusammengestellt habe, ihre Untergebenen ermahnen, ihr Äußerstes zu tun, um die Banditen auszurotten, und sie müssen diese Aufgabe schnellstens erfüllen. Jede verdienstvolle Tat im Interesse des Staates wird belohnt, diejenigen aber, die Verzögerungen oder Fehler verschulden, sollen gesetzlich bestraft werden. Dieser Befehl soll allen Offizieren und Soldaten, die unter Ihrem Kommando stehen und an der Banditenausrottung beteiligt sind, bekanntgemacht werden und ist von ihnen strikt zu befolgen.

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