Mao Werke


Mao Tse-tung:

EINE POLITIK VON AUSSERORDENTLICHER WICHTIGKEIT*

 

(7. September 1942)

 

* Ein von Genossen Mao Tse-tung für die Yenaner Tageszeitung Djiäfang Jibao verfaßter Leitartikel.

Seit das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei die auf Verringerung und qualitative Verbesserung der Truppen sowie auf Vereinfachung der Verwaltung abzielende Politik formuliert hat, wird von den Parteiorganisationen vieler antijapanischer Stützpunktgebiete die entsprechende Arbeit gemäß den Weisungen des Zentralkomitees geplant und durchgeführt. Die führenden Genossen des Grenzgebiets Schansi-Hopeh-Schantung-Honan haben diese Aufgabe fest angepackt und ein vorbildliches Beispiel der Verringerung und qualitativen Verbesserung der Truppen und der Verwaltungsvereinfachung geliefert. In manchen Stützpunktgebieten jedoch haben die Genossen diese Politik wegen ungenügender Einsicht noch nicht ernsthaft durchgeführt. Sie verstehen noch nicht den Zusammenhang zwischen dieser Politik und der gegenwärtigen Lage sowie allen übrigen Richtlinien der Partei; sie betrachten noch nicht die Verringerung und qualitative Verbesserung der Truppen und die Vereinfachung der Verwaltung als eine Politik von außerordentlicher Wichtigkeit. Über diese Frage wurde in der Tageszeitung Djiäfang Jibao wiederholt diskutiert. Wir möchten sie heute weiter erläutern.

Alle politischen Richtlinien der Partei sind darauf gerichtet, den Sieg über die japanischen Aggressoren zu erringen. Vom fünften Jahr seiner Dauer an ist der Widerstandskrieg tatsächlich ins letzte Stadium - das Stadium der Erringung des Sieges - getreten. Dieses Stadium unterscheidet sich nicht nur vom ersten und zweiten Kriegsjahr, sondern auch vom dritten und vierten. Die Lage im fünften und sechsten Kriegsjahr ist dadurch gekennzeichnet, daß es trotz der Nähe des Sieges noch überaus große Schwierigkeiten gibt, das heißt, daß wir uns in einer Zeit der "Dunkelheit vor der Morgendämmerung" befinden. Im gegenwärtigen Stadium besteht eine solche Lage in allen antifaschistischen Ländern und in ganz China, ist also nicht auf die Stützpunktgebiete der Achten Route-Armee und der Neuen Vierten Armee beschränkt; doch macht sie sich hier besonders kraß bemerkbar. Wir streben danach, die japanischen Aggressoren in zwei Jahren zu zerschlagen. Diese zwei Jahre werden überaus schwer sein. Sie werden sich sowohl von den ersten zwei Jahren als auch vom dritten und vierten Kriegsjahr sehr stark unterscheiden. Die führenden Funktionäre der revolutionären Partei und der revolutionären Armee müssen diese Besonderheit voraussehen. Wenn sie dazu nicht imstande sind, werden sie nicht anders können, als hinter den Ereignissen einherzutraben, und den Sieg, trotz großer Anstrengungen, nicht erringen können; im Gegenteil, sie laufen Gefahr, der Sache der Revolution Schaden zuzufügen. Was die Lage in den antijapanischen Stützpunktgebieten im Rücken des Feindes betrifft, so haben sich bis zum heutigen Tag die Schwierigkeiten im Vergleich zu früher zwar vervielfacht, doch sind sie noch nicht aufs äußerste angewachsen. Wenn wir jetzt keine richtige Politik verfolgen, werden wir auf die allergrößten Schwierigkeiten stoßen. Die Menschen lassen sich im allgemeinen leicht durch die Lage irreführen, wie sie früher bestanden hat oder heute besteht, und denken, es werde auch künftig nicht schlimmer sein als bisher. Sie sind nicht imstande vorauszusehen, daß auf dem weiteren Weg Riffe auf das Schiff lauern, sie sind nicht imstande, mit kühlem Kopf das Schiff an diesen Riffen vorbeizusteuern. Was sind das für Riffe auf dem Weg unseres Schiffes im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression? Das sind äußerst ernste materielle Schwierigkeiten im letzten Stadium des Widerstandskriegs. Das Zentralkomitee der Partei hat auf diese Schwierigkeiten hingewiesen und uns aufgerufen, auf der Hut zu sein und diese Riffe zu umschiffen. Viele unserer Genossen haben das bereits begriffen, aber ein gewisser Teil begreift das noch nicht, und das ist das Hindernis, das wir vor allen Dingen zu beseitigen haben. Für den Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression ist der Zusammenschluß notwendig, und hinsichtlich des Zusammenschlusses gibt es Schwierigkeiten. Es sind das politische Schwierigkeiten, welche es in der Vergangenheit gab und auch in der Zukunft geben wird. In den letzten fünf Jahren hat unsere Partei gewaltige Anstrengungen unternommen, diese Schwierigkeiten nach und nach zu überwinden. Unsere Losung ist die Stärkung des Zusammenschlusses, und wir müssen weiterhin den Zusammenschluß stärken. Aber es gibt noch Schwierigkeiten anderer Art, nämlich materielle Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten werden unvermeidlich von nun an immer größer werden. Gegenwärtig nehmen einige Genossen diesen Umstand allzu ruhig hin und beachten ihn nicht sehr; wir müssen sie darauf aufmerksam machen. Alle Genossen in den antijapanischen Stützpunktgebieten müssen begreifen, daß sich unvermeidlich von nun an die materiellen Schwierigkeiten verschärfen werden, daß wir diese Schwierigkeiten überwinden müssen und daß eins der wichtigsten Mittel zu ihrer Überwindung die Politik der Verringerung und qualitativen Verbesserung der Truppen und der Verwaltungsvereinfachung ist.

Warum ist die Politik der Verringerung und qualitativen Verbesserung der Truppen und der Verwaltungsvereinfachung wichtig für die Überwindung der materiellen Schwierigkeiten? Es ist ganz offensichtlich, daß die gegenwärtige und insbesondere die zukünftige Kriegslage in den Stützpunktgebieten uns weder gestattet noch gestatten wird, bei den alten Ansichten zu bleiben. Unser umfangreicher Militärapparat entsprach den früheren Verhältnissen. Die damalige Lage hat uns diesen Apparat gestattet und ihn auch erforderlich gemacht. Heute ist es aber schon anders. Unsere Stützpunktgebiete haben sich verkleinert und werden in nächster Zeit vielleicht noch kleiner werden; deshalb können wir auf keinen Fall einen so umfangreichen Apparat wie bisher unterhalten. Heute ist zwischen unserem Militärapparat und der Kriegslage ein Widerspruch entstanden, und wir müssen diesen Widerspruch überwinden. Der Feind verfolgt die Linie auf die Vertiefung dieses Widerspruchs - das ist seine Politik des "dreifachen Total"1. Wenn wir einen solchen umfangreichen Militärapparat auch weiterhin beibehalten wollen, werden wir dem Feind in die Falle gehen. Wenn wir jedoch unseren Apparat verkleinern, wenn die Armee verringert und qualitativ verbessert sowie die Verwaltung vereinfacht sein wird, dann wird unser Militärapparat trotz der Verkleinerung seine Stärke wahren; wenn der Widerspruch "großer Fisch in seichtem Wasser" überwunden und damit unser Militärapparat der Kriegslage angepaßt ist, dann werden wir dadurch stärker als zuvor; dann können wir vom Feind nicht besiegt werden, sondern werden ihn letzten Endes besiegen. Eben deshalb sagen wir, daß die vom Zentralkomitee der Partei formulierte Politik der Verringerung und qualitativen Verbesserung der Truppen und der verwaltungsvereinfachung eine Politik von außerordentlicher Wichtigkeit ist.

Aber häufig ist es leicht möglich, daß Umstände und Gewohnheit dem Bewußtsein der Menschen Fesseln anlegen; das können auch Revolutionäre zuweilen nicht vermeiden. Als wir mit eigenen Händen den riesigen Apparat schufen, dachten wir nicht daran, daß wir ihn wieder mit eigenen Händen verkleinern müßten, und wenn es dann zu einer solchen Verkleinerung kommt, tun wir das nur widerwillig, und es fällt uns sehr schwer: Der Feind drückt auf uns mit seinem riesigen Militärapparat, wie könnten wir denn da unseren eigenen Apparat verkleinern? Tun wir das, würden wir das Gefühl haben, daß unsere militärischen Kräfte nicht ausreichen, um mit dem Feind fertig zu werden. Derartige Befürchtungen bedeuten eben von Umständen und Gewohnheit gefesselt sein. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten muß man auch die Kleidung wechseln. Beim Übergang vom Frühjahr zum Sommer, vom Sommer zum Herbst, vom Herbst zum Winter und vom Winter zum Frühjahr muß man jeweils die Kleidung wechseln. Doch häufig verstehen es die Menschen bei einem solchen Übergang nicht, die Kleidung zu wechseln, und sie erkranken; schuld daran ist die Macht der Gewohnheit. Die gegenwärtige Lage in den Stützpunktgebieten erfordert von uns, daß wir die Winterkleidung ablegen und bereits Sommerkleidung anlegen, um leicht gekleidet mit dem Gegner zu kämpfen; aber wir sind noch schwerfällig und nicht wendig, und das ist sehr ungeeignet für die Durchführung militärischer Operationen. Man könnte uns fragen: Wie sollen wir denn mit dem riesigen Militärapparat des Feindes fertig werden? Als Antwort berufen wir uns auf das Beispiel des Affenkönigs Sun Wu-kung, der die Prinzessin mit dem eisernen Fächer besiegt hat. Die Prinzessin mit dem eisernen Fächer war zwar ein fürchterlich böser Geist, aber Sun Wu-kung verwandelte sich in ein Insekt, drang in den Magen der Prinzessin ein und überwältigte sie 2 Als eine weitere gute Lehre kann die von Liu Dsung-yüan erzählte Geschichte "Der Esel in Kueitschou" dienen 3 Nach Kueitschou wurde ein Esel; ein gewaltiges Tier, gebracht. Als der kleine Kueitschou-Tiger ihn erblickte, erschrak er sehr, aber letzten Endes hat dieser kleine Tiger dennoch den großen Esel aufgefressen. Unsere Achte Route-Armee und die Neue Vierte Armee gleichen Sun Wu-kung oder dem kleinen Tiger, sie sind durchaus fähig, mit dem bösen japanischen Geist oder mit dem japanischen Esel fertig zu werden. Jetzt müssen wir uns ändern, müssen kleiner und dennoch fester werden, dann werden wir unbesiegbar sein.

ANMERKUNGEN

1) Unter der "Politik des dreifachen Total" ist die Politik der japanischen Imperialisten gemeint, die sie gegenüber den befreiten Gebieten Chinas anwandten: total niederbrennen, total niedermetzeln, total ausplündern.

2) Die Prinzessin mit dem eisernen Fächer wurde auch Luo Tscha genannt. Die Erzählung, wie sich Sun Wu-kung in ein Insekt verwandelte und die Prinzessin mit dem eisernen Fächer besiegte, ist im Kapitel 59 des mythologischen chinesischen Romans Die Pilgerfahrt nach dem Westen enthalten.

3) Liu Dsung-yüan (773-819) war einer der größten chinesischen Schriftsteller in der Zeit der Tang-Dynastie. Sein Werk "Drei Gleichnisse" besteht aus drei Fabeln, von denen eine "Der Esel in Kueitschou" betitelt ist. Die Fabel erzählt von einem Kueitschou-Tiger, der fürchterlich erschrak, als er zum ersten Mal einen Esel sah. Aber später fand der Tiger heraus, daß der Esel nichts anderes vermochte, als nur laut zu schreien und mit den Hufen auszuschlagen; so stürzte sich der Tiger auf den Esel und fraß ihn auf.

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