Mao Werke


Mao Tse-tung:

ÜBER DIE NEUE DEMOKRATIE

(Teil 1)

 

(Januar 1940)

 

I. WOHIN GEHT CHINA?

Seit Beginn des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression herrscht im ganzen chinesischen Volk eine Stimmung des Aufschwungs, jedermann ist der Meinung, daß ein Ausweg aus der Sackgasse gefunden worden ist, niemandes Stirn verdüstert sich mehr aus Verzweiflung. In letzter Zeit verdichtet sich jedoch plötzlich erneut die Atmosphäre der Kompromißlerei, erhebt sich wiederum wildes antikommunistisches Geschrei, und abermals wird das ganze Volk in Verwirrung gestürzt. Mit besonderer Schärfe empfinden das die Kulturschaffenden und die studierende Jugend, sie sind davon in erster Linie betroffen. Aufs neue erhebt sich die Frage: Was tun? Wohin geht China? Anläßlich des Erscheinens der Zeitschrift Dschungguo Wenhua (Chinesiscbe Kultur)1 mag es daher von Nutzen sein, die politischen und kulturellen Tendenzen in China klarzumachen. Was die Kulturfragen anbelangt, so bin ich darin ein Laie, ich will sie studieren, bin aber erst am Beginn. Glücklicherweise befinden sich in Yenan viele Genossen, die darüber eingehend geschrieben haben, so daß meine ungeschliffenen Worte gleichsam als der Gongschlag dienen mögen, mit dem eine Theatervorstellung eingeleitet wird. Für die fortgeschrittenen Kulturschaffenden unseres Landes dürfte das, was wir zu sagen haben, als Erfolg langen mühevollen Suchens betrachtet werden, als bescheidener Ansporn zur Leistung ihrer eigenen wertvollen Beiträge, und wir hoffen, daß sie sich mit uns an der Diskussion beteiligen werden, um zu richtigen Schlußfolgerungen zu gelangen, die den Bedürfnissen unserer Nation entsprechen. Eine wissenschaftliche Haltung einnehmen heißt "die Wahrheit in den Tatsachen suchen", während man mit der anmaßenden Einstellung jener, die sich für unfehlbar halten und andere Leute schulmeistern wollen, niemals irgendwelche Probleme lösen kann. Das Unheil, das unsere Nation heimgesucht hat, ist überaus ernst, und lediglich mit einer wissenschaftlichen Haltung und mit Verantwortungsbewußtsein kann man sie auf den Weg zur Befreiung führen. Es gibt nur eine Wahrheit, und die Frage, wer eigentlich die Wahrheit entdeckt hat, läßt sich nicht auf Grund subjektiver Großsprecherei entscheiden, sondern durch die objektive Praxis. Der einzige Maßstab der Wahrheit ist die revolutionäre Praxis von Millionen Menschen. Ich glaube, eben eine solche Einstellung sollte die neuerscheinende Zeitschrift Dschungguo Wenhua einnehmen.

II. WIR WOLLEN EIN NEUES CHINA AUFBAUEN

Wir Kommunisten kämpfen seit vielen Jahren nicht nur für die politische und wirtschaftliche Revolution in China, sondern auch für eine chinesische Kulturrevolution; das ziel dieses umfassenden Kampfes ist die Errichtung einer neuen Gesellschaft und eines neuen Staates für die chinesische Nation. In dieser neuen Gesellschaft, diesem neuen Staat werden nicht nur die Politik und die Wirtschaft neu sein, sondern wird es auch eine neue Kultur geben. Das heißt, wir wollen nicht bloß das politisch unterdrückte und ökonomisch ausgebeutete China in ein politisch freies und wirtschaftlich blühendes Land verwandeln, sondern auch aus dem wegen seiner Beherrschung durch die alte Kultur unwissenden und rückständigen China ein Land machen, in dem eine neue Kultur herrscht und das daher aufgeklärt und fortschrittlich ist. Mit einem Wort, wir wollen ein neues China aufbauen. Eine neue Kultur der chinesischen Nation schaffen - das ist unser Ziel im kulturellen Bereich.

III. DIE GESCHICHTLICHE BESONDERHEIT CHINAS

Wir wollen eine neue Kultur der chinesischen Nation schaffen, doch was für eine Kultur soll das eigentlich sein?

Eine bestimmte Kultur (als Ideologie betrachtet) ist die Widerspiegelung der Politik und Wirtschaft einer bestimmten Gesellschaft; die Kultur übt aber wiederum einen großen Einfluß und eine gewaltige Einwirkung auf die Politik und Wirtschaft der gegebenen Gesellschaft aus; die Wirtschaft ist die Basis, die Politik aber ist der konzentrierte Ausdruck der Ökonomik 2 Das ist unsere Grundanschauung über die Beziehungen zwischen der Kultur einerseits und der Politik und Wirtschaft andererseits, sowie zwischen der Politik und der Wirtschaft. Daraus folgt, daß zunächst eine gegebene politische und ökonomische Form bestimmend ist für die jeweilige Form der Kultur und dann erst wiederum die letztere auf die politische und ökonomische Form Einfluß nimmt und zurückwirkt. Marx sagte: "Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt."3 Er sagte ferner: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt drauf an, sie zu verändern."4 Das sind wissenschaftliche Formulierungen, in denen zum erstenmal in der Geschichte der Menschheit das Problem der Beziehungen zwischen Bewußtsein und Sein richtig gelöst worden ist, und sie bilden die Grundauffassung der später von Lenin tiefschürfend ausgearbeiteten aktiven revolutionären Widerspiegelungstheorie. Wenn wir die Probleme der chinesischen Kultur erörtern, dürfen wir diese Grundauffassung nicht vergessen.

Somit ist es durchaus klar, daß die reaktionären Elemente in der alten Kultur der chinesischen Nation, die wir ausschalten wollen, von der alten Politik und der alten Wirtschaft der chinesischen Nation nicht losgelöst werden können; auch die neue chinesische Nationalkultur, die wir schaffen wollen, kann nicht losgelöst sein von einer neuen Politik und einer neuen Wirtschaft der chinesischen Nation. Die alte Politik und die alte Wirtschaft der chinesischen Nation bilden ja das Fundament der alten chinesischen Nationalkultur; und so wird denn auch die neue Nationalkultur Chinas auf seiner neuen Politik und neuen Wirtschaft basieren.

Was sind nun die alte Politik und die alte Wirtschaft der chinesischen Nation? Und was ist ihre alte Kultur?

Seit der Zeit der Dschou- und der Tjin-Dynastie bildete China eine Feudalgesellschaft mit einer feudalen Politik und einer feudalen Wirtschaft. Und die herrschende Kultur als Widerspiegelung dieser Politik und dieser Wirtschaft war eben eine feudale Kultur.

Seit dem Beginn der Aggression des ausländischen Kapitalismus gegen China und mit dem allmählichen Anwachsen von Elementen des Kapitalismus in der chinesischen Gesellschaft verwandelte sich China nach und nach in eine koloniale, halbkoloniale, halbfeudale Gesellschaft. Das heutige China ist in den von Japan besetzten Gebieten kolonial, in den von der Kuomintang beherrschten Gebieten im wesentlichen halbkolonial und in den einen wie den anderen vorwiegend feudal oder halbfeudal. Das ist der Charakter der heutigen chinesischen Gesellschaft, das sind die nationalen Verhältnisse des heutigen China. Was die in dieser Gesellschaft herrschenden Verhältnisse anbelangt, so ist ihre Politik die eines kolonialen bzw. halbkolonialen und eines halbfeudalen Landes, trägt ihre Wirtschaft einen ebensolchen Charakter und ist die herrschende Kultur als Widerspiegelung dieser Politik und dieser Wirtschaft eine koloniale, halbkoloniale, halbfeudale Kultur.

Gegen diese herrschenden Formen der Politik, Wirtschaft und Kultur ist eben unsere Revolution gerichtet. Was wir abschaffen wollen, das sind eben die koloniale, halbkoloniale und halbfeudale alte Politik und alte Wirtschaft sowie die ihnen dienende alte Kultur. Und was wir aufbauen wollen, das ist das genaue Gegenteil, nämlich eine neue Politik, Wirtschaft und Kultur der chinesischen Nation.

Was ist nun die neue Politik, die neue Wirtschaft der chinesischen Nation, was ist ihre neue Kultur?

Den geschichtlichen Verlauf der chinesischen Revolution muß man in zwei Phasen teilen: erstens die Phase der demokratischen Revolution und zweitens die Phase der sozialistischen Revolution; diese Phasen bilden ihrem Charakter nach zwei verschiedene revolutionäre Prozesse. Und die Demokratie, von der hier die Rede ist, gehört nicht mehr zur alten Kategorie der Demokratie, ist keine alte Demokratie, sondern sie gehört einer neuen Kategorie an, ist eine neue Demokratie.

Man kann daher die Feststellung treffen, daß die neue Politik der chinesischen Nation eine Politik der Neuen Demokratie sein wird, ihre neue Wirtschaft eine Wirtschaft der Neuen Demokratie und ihre neue Kultur eine Kultur der Neuen Demokratie.

Das eben ist heute die geschichtliche Besonderheit der chinesischen Revolution. Jede beliebige Partei, Gruppe oder Einzelperson, die an der chinesischen Revolution teilnimmt, wird, wenn sie diese Besonderheit nicht versteht, außerstande sein, die Revolution zu leiten und zum Sieg zu führen; sie wird vom Volk beiseite geschleudert werden und irgendwo in einem Schmollwinkel ihr Geschick bejammern.

IV. DIE CHINESISCHE REVOLUTION IST EIN TEIL DER WELTREVOLUTION

Die historische Besonderheit der chinesischen Revolution besteht darin, daß sie sich in zwei Phasen teilt, in eine demokratische und eine sozialistische, wobei die erste Phase nicht mehr eine Demokratie schlechthin, sondern eine Demokratie chinesischen Typus, eine Demokratie von besonderem, neuem Typus darstellt - die Neue Demokratie. Wie hat sich nun diese historische Besonderheit herausgebildet? Ist sie schon in den letzten hundert Jahren vorhanden gewesen, oder ist sie erst jüngeren Ursprungs?

Studiert man die geschichtliche Entwicklung Chinas und der Welt, so zeigt es sich, daß diese historische Besonderheit keineswegs bereits mit dem Opiumkrieg in Erscheinung getreten ist, sondern sich erst später, nach dem ersten imperialistischen Weltkrieg und der Oktoberrevolution in Rußland, herausgebildet hat. Untersuchen wir nun diesen Bildungsprozeß.

Es ist durchaus einleuchtend, daß es eben der koloniale, halbkoloniale, halbfeudale Charakter der heutigen chinesischen Gesellschaft ist, der die Notwendigkeit einer Teilung der chinesischen Revolution in zwei Phasen bedingt. In der ersten Phase muß die koloniale, halbkoloniale und halbfeudale Form der Gesellschaft geändert und diese in eine unabhängige demokratische Gesellschaft umgewandelt werden. In der zweiten Phase ist die Revolution voranzutreiben und eine sozialistische Gesellschaft zu errichten. Gegenwärtig durchläuft die chinesische Revolution ihre erste Phase.

Das Vorbereitungsstadium dieser ersten Phase begann schon mit dem Opiumkrieg von 1840, als die Verwandlung der chinesischen Gesellschaft aus einer feudalen in eine halbkoloniale und halbfeudale einsetzte. Zahlreiche weitere Stadien folgten, die zusammen ein volles Jahrhundert beanspruchten: die Taiping-Tiänguo-Bewegung, der Chinesisch-Französische Krieg, der Chinesisch-Japanische Krieg, die Reformbewegung von I898, die Revolution von 1911, die Bewegung des 4. Mai, der Nordfeldzug, der Agrarrevolutionäre Krieg und in unserer unmittelbaren Gegenwart der Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression. In einem gewissen Sinne bilden sie alle die erste Phase, jene Phase, in welcher das chinesische Volk unter verschiedenen Zeitumständen und in verschiedenem Grade gegen den Imperialismus und die feudalen Kräfte, für die Errichtung einer unabhängigen demokratischen Gesellschaft, für die Vollendung seiner ersten Revolution kämpfte und kämpft. Doch in einem volleren Sinne begann diese Revolution mit der Revolution von 1911. Sie war ihrem gesellschaftlichen Charakter nach eine bürgerlich-demokratische Revolution und keine proletarisch-sozialistische. Diese bürgerlich-demokratische Revolution ist bis heute unvollendet geblieben, sie erfordert weiterhin gewaltige Anstrengungen, weil ihre Feinde bis jetzt noch außerordentlich stark sind. Dr. Sun Yat-sen sagte: "Die Revolution ist noch nicht vollendet, meine Kameraden müssen das Ringen fortsetzen." Er meinte damit eben die bürgerlich-demokratische Revolution.

In der chinesischen bürgerlich-demokratischen Revolution trat jedoch seit dem Ausbruch des ersten imperialistischen Weltkriegs im Jahre 1914. und seit der russischen Oktoberrevolution von 1917, als auf einem Sechstel des Erdballs ein sozialistischer Staat gegründet wurde, ein Wandel ein.

Vorher hatte die bürgerlich-demokratische Revolution in China zur alten Kategorie bürgerlich-demokratischer Revolutionen in der Welt gehört, sie war ein Bestandteil der alten bürgerlich-demokratischen Weltrevolution.

Seither ist die chinesische bürgerlich-demokratische Revolution in die neue Kategorie der bürgerlich-demokratischen Revolutionen hinübergewechselt, und sie bildet, unter dem Gesichtswinkel der revolutionären Frontlinie gesehen, nunmehr einen Bestandteil der proletarisch-sozialistischen Weltrevolution.

Warum? Weil der erste imperialistische Weltkrieg und die erste siegreiche sozialistische Revolution, die Oktoberrevolution, den ganzen Lauf der Weltgeschichte geändert und eine neue Epoche der Weltgeschichte eingeleitet haben.

Diese Epoche ist durch folgende Tatsachen gekennzeichnet: Die Weltfront des Kapitalismus ist an einem Abschnitt (und dieser Abschnitt macht ein Sechstel der Erdoberfläche aus) zusammengebrochen, und auch an den übrigen Abschnitten hat sich die Fäulnis des Kapitalismus in vollem Maße offenbart; der kapitalistisch gebliebene Teil der Welt kann sich nicht am Leben erhalten, wenn er sich nicht noch mehr auf die Kolonien und Halbkolonien stützt; ein sozialistischer Staat wurde errichtet, der seine Bereitwilligkeit verkündet hat, einen Kampf zu führen, um die Befreiungsbewegung aller Kolonien und Halbkolonien zu unterstützen; das Proletariat der kapitalistischen Länder befreit sich mit jedem Tag mehr von dem Einfluß der sozialimperialistischen Sozialdemokratie und bekundet seine Unterstützung der Befreiungsbewegung in den kolonialen und halbkolonialen Ländern. Wenn in einer solchen Epoche ein beliebiges koloniales oder halbkoloniales Land eine Revolution gegen den Imperialismus, d. h. gegen die internationale Bourgeoisie, gegen den internationalen Kapitalismus, unternimmt, dann gehört diese Revolution nicht mehr zur alten Kategorie der bürgerlichdemokratischen Weltrevolution, sondern zu einer neuen Kategorie; dann ist sie nicht mehr Bestandteil der alten, bürgerlichen oder kapitalistischen Weltrevolution, sondern Bestandteil einer neuen Weltrevolution, das heißt, sie ist zum Bestandteil der sozialistischen Weltrevolution des Proletariats geworden. Solche revolutionären Kolonial- und Halbkolonialländer sind nicht mehr Bundesgenossen der konterrevolutionären Weltfront des Kapitalismus, sondern sie haben sich in Bundesgenossen der revolutionären Weltfront des Sozialismus verwandelt.

In ihrem ersten Stadium, ihrer ersten Phase, ist zwar diese Revolution der Kolonien und Halbkolonien dem gesellschaftlichen Charakter nach im wesentlichen immer noch eine bürgerlich-demokratische; und ihre objektive Forderung gilt der Wegbereitung für eine Entwicklung des Kapitalismus; doch ist das nicht mehr eine Revolution von altem Typus, bei der die Bourgeoisie die Führung innehat und die Errichtung einer kapitalistischen Gesellschaft sowie eines Staates der Diktatur der Bourgeoisie das Ziel ist, sondern eine Revolution von neuem Typus, die unter der Führung des Proletariats steht und in ihrem ersten Stadium die Errichtung einer neudemokratischen Gesellschaft, den Aufbau eines Staates der gemeinsamen Diktatur der revolutionären Klassen zum Ziel hat. Gerade deshalb ist diese Revolution auch wiederum geeignet, einen noch breiteren Weg für die Entwicklung des Sozialismus zu bahnen. Sie kann sich infolge von Wandlungen im Lager des Feindes und unter ihren Verbündeten im Laufe des Fortschreitens in einige weitere Unterabschnitte aufgliedern, doch bleibt ihr fundamentaler Charakter unverändert.

Da eine solche Revolution den Imperialismus unmittelbar an der Wurzel packt, kann er sie nicht dulden, sondern er bekämpft sie. Dem Sozialismus ist sie jedoch willkommen, und sie genießt die Unterstützung des sozialistischen Staates und des internationalen sozialistischen Proletariats.

Deshalb muß eine solche Revolution unbedingt Bestandteil der sozialistischen Weltrevolution des Proletariats werden.

Die richtige These, daß "die chinesische Revolution ein Bestandteil der Weltrevolution ist", wurde schon in der Periode der Ersten Großen Chinesischen Revolution von 1924-1927 aufgestellt. Die chinesischen Kommunisten waren es, die diese These vorbrachten, und ihr stimmten alle Teilnehmer am damaligen Kampf gegen Imperialismus und Feudalismus zu. Doch die Bedeutung dieser These wurde damals noch nicht genügend dargelegt, und die Menschen hatten nur eine vage Vorstellung von diesem Problem.

Was hier mit "Weltrevolution" bezeichnet wurde, war nicht mehr die Weltrevolution im alten Sinne, denn die alte bürgerliche Weltrevolution gehörte längst der Vergangenheit an. Es war vielmehr eine neue, die sozialistische Weltrevolution. Und so war denn auch mit der Bezeichnung "Bestandteil" nicht mehr ein Bestandteil der alten, bürgerlichen, sondern ein Bestandteil der neuen, sozialistischen Revolution gemeint. Das bedeutete eine gewaltige Wandlung, eine Wandlung, wie sie in der Weltgeschichte und in der Geschichte Chinas beispiellos dastand.

Als die chinesischen Kommunisten diese richtige These formulierten, stützten sie sich auf die Theorie Stalins.

Bereits im Jahre 1918 schrieb Stalin in einem Artikel, der dem ersten Jahrestag der Oktoberrevolution gewidmet war:

Die gewaltige Weltbedeutung des Oktoberumsturzes besteht ja hauptsächlich gerade darin, daß er,

1. den Rahmen der nationalen Frage erweitert und sie aus einer Teilfrage, der Frage des Kampfes gegen die nationale Unterdrückung in Europa, in die allgemeine Frage der Befreiung der unterjochten Völker, Kolonien und Halbkolonien vom Imperialismus verwandelt hat;

2. weitgehende Möglichkeiten und wirkliche Wege für diese Befreiung eröffnet hat, so daß er den unterdrückten Völkern des Westens und Ostens ihre Befreiung bedeutend erleichtert hat, indem er sie in den allgemeinen Strom des siegreichen Kampfes gegen den Imperialismus einbezog;

3. hierdurch eine Brücke zarischen dem sozialistischen Westen und dem versklavten Osten geschlagen und eine neue Front der Revolutionen aufgebaut hat, eine Front von den Proletariern des Westens über die Revolution in Rußland bis zu den unterjochten Völkern des Ostens, eine Front gegen den Weltimperialismus 5

Seit der Niederschrift dieses Artikels hat Stalin die dargelegte Theorie von der Loslösung der Revolution in den kolonialen und halbkolonialen Ländern von der alten Kategorie und ihrer Verwandlung in einen Bestandteil der proletarisch-sozialistischen Revolution mehrmals erläutert. Die klarste und präziseste Erklärung findet sich in einem am 30. Juni 1925 veröffentlichten Artikel, in welchem sich Stalin mit den damaligen jugoslawischen Nationalisten auseinandersetzte. Der Artikel, der den Titel "Noch einmal zur nationalen Frage" trägt, wurde in das von Dschang Dschung-schi übersetzte Buch Stalin über die nationale Frage aufgenommen. Es heißt darin:

Semitsch beruft sich auf eine Stelle in Stalins Schrift "Marxismus und nationale Frage", die Ende 1912 verfaßt wurde. Dort heißt es, daß "der nationale Kampf unter den Bedingungen des aufsteigenden Kapitalismus ein Kampf der bürgerlichen Klassen untereinander ist". Augenscheinlich will Semitsch damit andeuten, daß seine Formel der Bestimmung des sozialen Sinns der nationalen Bewegung unter den obwaltenden historischen Verhältnissen richtig sei. Stalins Schrift wurde aber vor dem imperialistischen Krieg verfaßt, als die nationale Frage in der Vorstellung der Marxisten noch nicht die Bedeutung einer Weltfrage hatte, als die Grundforderung der Marxisten, die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht, nicht als Teil der proletarischen Revolution, sondern als Teil der bürgerlich-demokratischen Revolution aufgefaßt wurde. Es wäre lächerlich, nicht sehen zu wollen, daß sich die internationale Lage seitdem von Grund aus geändert hat, daß der Krieg einerseits und die Oktoberrevolution in Rußland anderseits die nationale Frage aus einer Teilfrage der bürgerlich-demokratischen Revolution in eine Teilfrage der proletarischsozialistischen Revolution verwandelt haben. Schon im Oktober 1916 sagte Lenin in seinem Artikel über "Die Ergebnisse der Diskussion über die Selbstbestimmung", daß der wesentliche Punkt der nationalen Frage, der Punkt über das Selbstbestimmungsrecht, aufgehört hat, einen Teil der allgemeindemokratischen Bewegung zu bilden, daß er bereits zu einem Bestandteil der allgemeinproletarischen, sozialistischen Revolution geworden ist. Von den weiteren Arbeiten sowohl Lenins als auch anderer Vertreter des russischen Kommunismus zur nationalen Frage will ich hier ganz absehen. Welche Bedeutung kann nach alledem Semitschs Berufung auf die bekannte Stelle in Stalins Schrift, die in der Periode der bürgerlich-demokratischen Revolution in Rußland verfaßt wurde, heute haben, da wir kraft der neuen historischen Situation in eine neue Epoche, in die Epoche der proletarischen Revolution eingetreten sind? Sie kann nur die Bedeutung haben, daß Semitsch außerhalb von Raum und Zeit, unabhängig von der lebendigen historischen Situation, zitiert und somit gegen die elementaren Forderungen der Dialektik verstößt und außer acht läßt, daß etwas, was in der einen historischen Situation richtig ist, sich in einer anderen historischen Situation als falsch erweisen kann.

Daraus ist ersichtlich, daß es zweierlei Weltrevolution gibt. Die erste Weltrevolution gehört der bürgerlichen, der kapitalistischen Kategorie an. Ihre Zeit ist längst vorbei, hat schon mit dem Ausbruch des ersten imperialistischen Weltkriegs im Jahre 1914, insbesondere aber mit der russischen Oktoberrevolution von 1917 ihr Ende gefunden. Hierauf begann die zweite Weltrevolution, d. h, die sozialistische Weltrevolution des Proletariats. Diese Revolution hat das Proletariat der kapitalistischen Länder zur Hauptkraft und die unterdrückten Nationen der Kolonien und Halbkolonien zu ihren Verbündeten. Unabhängig davon, welche Klassen, Parteien oder Einzelpersonen einer unterdrückten Nation an der Revolution teilnehmen - diese Revolution wird, wenn sie alle nur gegen den Imperialismus kämpfen, zu einem Bestandteil der proletarisch-sozialistischen Weltrevolution, und ihre Teilnehmer werden zu deren Bundesgenossen, ob sie sich nun dieses Umstands bewußt sind oder nicht, ob sie ihn begreifen oder nicht.

Die chinesische Revolution hat heute eine noch größere Bedeutung gewonnen. Der gegenwärtige Zeitpunkt ist dadurch gekennzeichnet, daß die wirtschaftliche und politische Krise des Kapitalismus die Welt immer tiefer in den Strudel des zweiten Weltkriegs hineinzieht; daß die Sowjetunion in die Periode des Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus eingetreten ist und die Fähigkeit besitzt, das Proletariat und die unterdrückten Nationen der ganzen Welt in ihrem Kampf gegen den imperialistischen Krieg und gegen die kapitalistische Reaktion zu führen und zu unterstützen; daß sich das Proletariat der kapitalistischen Länder zum Sturz des Kapitalismus und zur Errichtung des Sozialismus rüstet; daß in China das Proletariat, die Bauernschaft, die Intelligenz und andere kleinbürgerliche Schichten unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas zu einer großen unabhängigen politischen Kraft geworden sind. Müssen wir angesichts einer solchen Situation nicht zu der Einschätzung gelangen, daß die Weltbedeutung der chinesischen Revolution gewachsen ist. Ich denke, wir müssen das. Die chinesische Revolution ist ein sehr bedeutender Teil der Weltrevolution.

Obgleich die chinesische Revolution in ihrem ersten Stadium (mit seinen vielen Unterabschnitten) dem gesellschaftlichen Charakter nach eine bürgerlich-demokratische Revolution von neuem Typus ist und noch keine proletarisch-sozialistische Revolution, ist sie dennoch schon längst zu einem Bestandteil der sozialistischen Weltrevolution des Proletariats geworden und wird jetzt darüber hinaus zu einem sehr bedeutsamen Bestandteil, zu einem großen Bundesgenossen dieser Weltrevolution. Die erste Phase, das erste Stadium der chinesischen Revolution bedeutet keineswegs und kann nicht bedeuten, daß eine kapitalistische Gesellschaft unter der Diktatur der chinesischen Bourgeoisie errichtet werden wird; das erste Stadium unserer Revolution wird vielmehr mit der Errichtung einer neudemokratischen Gesellschaft unter der gemeinsamen Diktatur der vom chinesischen Proletariat geführten revolutionären Klassen Chinas abschließen. Sodann müssen wir die Revolution in ihr zweites Stadium hinüberführen, in dessen Verlauf die sozialistische Gesellschaft in China aufgerichtet werden wird.

Das ist die fundamentalste Besonderheit der chinesischen Revolution zum gegenwärtigen Zeitpunkt, das ist der nunmehr zwanzig Jahre (seit der Bewegung des 4. Mai 1919) währende neue revolutionäre Prozeß, das ist der lebendige, konkrete Inhalt der Revolution im heutigen China.

V. DIE POLITIK DER NEUEN DEMOKRATIE

Daß sich die chinesische Revolution in zwei historische Stadien teilt, von denen das erste das Stadium der neudemokratischen Revolution ist, bildet die neue geschichtliche Besonderheit der chinesischen Revolution. Wie äußert sich nun konkret diese neue Besonderheit in den politischen und ökonomischen Verhältnissen des Landes? Wir wollen das im weiteren klarstellen.

Vor der Bewegung des 4. Mai 1919 (diese Bewegung entstand nach dem 1914 ausgebrochenen ersten imperialistischen Weltkrieg und nach der russischen Oktoberrevolution von 1917) waren das Kleinbürgertum und die Bourgeoisie (d. h. ihre Intellektuellen) die politischen Führer der chinesischen bürgerlich-demokratischen Revolution. Das chinesische Proletariat hatte damals noch nicht als selbstbewußte, unabhängige Klassenkraft die politische Bühne betreten, es nahm noch als Gefolgschaft des Kleinbürgertums und der Bourgeoisie an der Revolution teil. Eine solche Klasse war das Proletariat zum Beispiel während der Revolution von 1911.

Nach der Bewegung des 4. Mai nahm zwar die chinesische nationale Bourgeoisie weiter an der Revolution teil, aber die politische Führung in der bürgerlich-demokratischen Revolution Chinas lag nicht mehr in den Händen der Bourgeoisie, sondern in den Händen des Proletariats. Als Ergebnis seines eigenen Reifeprozesses und unter dem Einfluß der Revolution in Rußland war das chinesische Proletariat rasch zu einer selbstbewußten und unabhängigen politischen Kraft geworden. Die Parole der Niederschlagung des Imperialismus wurde von der Kommunistischen Partei Chinas ausgegeben, die auch ein gründliches Programm für die gesamte bürgerlich-demokratische Revolution in China ausarbeitete; und die Durchführung der Agrarrevolution war einzig und allein das Werk der Kommunistischen Partei Chinas.

Da die chinesische nationale Bourgeoisie das Bürgertum eines kolonialen und halbkolonialen Landes ist und vom Imperialismus unterdrückt wird, bewahrt sie noch, obwohl sie sich im Zeitalter des Imperialismus befindet, zu bestimmten Zeiten und in einem bestimmten Grade einen revolutionären Charakter in ihrem Kampf gegen den ausländischen Imperialismus sowie gegen die einheimischen Regierungen der hohen Bürokratie und der Militärmachthaber (was letztere betrifft, so war dies zum Beispiel zur Zeit der Revolution von 1911 und während des Nordfeldzugs der Fall), und sie kann sich mit dem Proletariat und dem Kleinbürgertum gegen jene Feinde verbünden, die zu bekämpfen sie bereit ist. Darin unterscheidet sich die chinesische Bourgeoisie von der Bourgeoisie des alten zaristischen Rußland. Da das zaristische Rußland ein militärisch-feudaler imperialistischer Staat war, der anderen gegenüber Aggressionen beging, wies die russische Bourgeoisie keinerlei revolutionäre Eigenschaften auf. Dort war es die Aufgabe des Proletariats, die Bourgeoisie zu bekämpfen, nicht aber, sich mit ihr zu verbünden. Da China ein koloniales und halbkoloniales Land ist, das unter den von anderen Staaten verübten Aggressionen zu leiden hat, besitzt die chinesische nationale Bourgeoisie zu bestimmten Zeiten und in einem bestimmten Grade noch revolutionäre Eigenschaften. Hier darf das Proletariat die revolutionären Eigenschaften der nationalen Bourgeoisie nicht ignorieren, es hat vielmehr die Aufgabe, mit ihr eine Einheitsfront gegen den Imperialismus und gegen die Regierungen der hohen Bürokratie und der Militärmachthaber zu bilden.

Zugleich aber ist die chinesische nationale Bourgeoisie - und zwar ebenfalls deshalb, weil sie das Bürgertum eines kolonialen und halbkolonialen Landes ist - wirtschaftlich und politisch überaus schwach und behält deshalb noch ein anderes Charakteristikum bei, nämlich die Bereitschaft, mit den Feinden der Revolution Kompromisse einzugehen. Selbst wenn sie an der Revolution teilnimmt, ist sie nicht gewillt, mit dem Imperialismus vollständig zu brechen, und da sie mit der Ausbeutung der Landbevölkerung durch deren Bodenrente eng verbunden ist, ist sie überdies nicht gewillt und nicht imstande, den Imperialismus - und noch weniger die feudalen Kräfte - radikal zu stürzen. Somit ist die chinesische nationale Bourgeoisie nicht in der Lage, auch nur eine der zwei Grundfragen, auch nur eine der zwei großen Grundaufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution in China zu lösen. Was die Großbourgeoisie Chinas betrifft, die von der Kuomintang vertreten wird, so lag sie die ganze lange Zeit von 1927 bis 1937 den Imperialisten in den Armen und war mit den feudalen Kräften gegen das revolutionäre Volk verbündet. Im Jahre i927 und eine gewisse Zeitlang später schwamm auch die nationale Bourgeoisie Chinas im Kielwasser der Konterrevolution. Während des Widerstandskriegs gegen Japan kapitulierte der von Wang Djing-we repräsentierte Teil der Großbourgeoisie vor dem Feind, was einen neuen Verrat seitens der Großbourgeoisie bedeutete. Auch darin unterscheidet sich die chinesische Bourgeoisie von der europäischen und amerikanischen - insbesondere der französischen - Bourgeoisie früherer Geschichtsperioden. Als sich die Bourgeoisie Europas und Amerikas, besonders die Frankreichs, noch in ihrer revolutionären Periode befand, wurde in ihren Ländern die bürgerliche Revolution verhältnismäßig gründlich durchgeführt; in China aber ermangelt es der Bourgeoisie sogar dieser relativen Gründlichkeit.

Einerseits die Möglichkeit zur Teilnahme an der Revolution und andererseits Bereitschaft zu Kompromissen mit dem Feind der Revolution - das ist der Januskopf der chinesischen Bourgeoisie. Dieser doppelgesichtige Charakter war auch der europäischen und amerikanischen Bourgeoisie in der Vergangenheit eigentümlich. Einem starken Feind gegenüber suchte sie das Bündnis mit den Arbeitern und Bauern ; waren aber die Arbeiter und Bauern aufgewacht, verbündete sie sich mit dem Feind gegen die Arbeiter und Bauern. Das ist ein für die Bourgeoisie der ganzen Welt allgemeingültiges Gesetz, doch tritt diese Besonderheit bei der chinesischen Bourgeoisie viel ausgeprägter hervor.

In China ist die Sachlage völlig klar: Wer das Volk zum Sturz des Imperialismus und der Feudalkräfte führen kann, der wird sich das Vertrauen des Volkes erwerben, denn die Todfeinde des Volkes sind die Imperialisten und die feudalen Kräfte, vor allem die Imperialisten. Wer heute das Volk zur Vertreibung der japanischen Imperialisten und zur Verwirklichung der demokratischen Ordnung führen kann, der wird der Retter des Volkes sein. Die Geschichte hat es bewiesen: Die chinesische Bourgeoisie kann diese Aufgabe nicht erfüllen; das zu tun ist eine Verantwortung, die unvermeidlich auf die Schultern des Proletariats fällt.

Somit bilden zweifellos das Proletariat, die Bauernschaft, die Intellektuellen und die anderen Schichten des Kleinbürgertums die grundlegenden Kräfte, die das Schicksal Chinas bestimmen. Diese Klassen, von denen die einen schon aufgewacht sind, während die anderen gerade im Begriff sind aufzuwachen, werden in einer chinesischen demokratischen Republik die Fundamentteile der Struktur des Staates und der politischen Macht sein, und das Proletariat wird hierbei die führende Kraft bilden. Die chinesische demokratische Republik, die wir jetzt errichten wollen, kann nur eine demokratische Republik der gemeinsamen Diktatur aller gegen den Imperialismus und den Feudalismus kämpfenden Menschen unter Führung des Proletariats sein, das heißt eine Republik der Neuen Demokratie; dies wird dann auch eine Republik der auf die drei politischen Hauptrichtlinien begründeten wirklich revolutionären neuen Drei Volksprinzipien sein.

Diese Republik der Neuen Demokratie wird sich einerseits von den unter der Diktatur der Bourgeoisie stehenden kapitalistischen Republiken des alten, europäisch-amerikanischen Typs unterscheiden, also von den Republiken der alten Demokratie, die bereits überholt sind; sie wird sich auch von einer unter der Diktatur des Proletariats stehenden sozialistischen Republik des sowjetischen Typs unterscheiden, also von einer sozialistischen Republik, wie sie bereits in der Sowjetunion zur Blüte gelangt ist und in allen kapitalistischen Ländern errichtet werden wird, wie sie zweifellos einmal die dominierende strukturelle Form des Staates und der politischen Macht in allen industriell fortgeschrittenen Ländern sein wird, jedoch für eine bestimmte Geschichtsperiode den Revolutionen in kolonialen und halbkolonialen Ländern nicht angemessen ist. Deshalb müssen die Revolutionen in allen kolonialen und halbkolonialen Ländern für diese Geschichtsperiode eine dritte Staatsform wählen, nämlich die besagte Republik der Neuen Demokratie. Diese Form gilt für eine gewisse Geschichtsperiode und ist daher eine Übergangsform; sie kann aber nicht ersetzt werden und stellt eine notwendige Form dar.

Die mannigfaltigen Staatssysteme in der Welt können daher nach dem Klassencharakter der politischen Macht auf drei grundlegende Typen reduziert werden:

1. unter der Diktatur der Bourgeoisie stehende Republiken;

2. unter der Diktatur des Proletariats stehende Republiken;

3. unter der gemeinsamen Diktatur mehrerer revolutionärer Klassen stehende Republiken.

Der erste Typus umfaßt die Staaten der alten Demokratie. Heute, nach Ausbruch des zweiten imperialistischen Krieges, ist in vielen kapitalistischen Ländern kaum noch eine Spur von Demokratie zu finden; sie sind entweder zu einer blutigen Militärdiktatur der Bourgeoisie übergegangen oder werden bald dahin übergehen. Gewisse unter der gemeinsamen Diktatur der Grundherren und der Bourgeoisie stehende Länder fallen auch in diese Kategorie.

Der zweite Typus existiert in der Sowjetunion, und in den kapitalistischen Ländern reifen die Bedingungen für diesen Typus heran. In der Zukunft wird er für eine betreffende Periode zur vorherrschenden Form in der Welt werden.

Der dritte Typus ist jene Übergangsstaatsform, die sich die Revolutionen in kolonialen und halbkolonialen Ländern wählen müssen. Jede dieser Revolutionen wird notwendigerweise gewisse, von den anderen unterschiedliche Besonderheiten haben, doch wird es sich dabei lediglich um geringe Unterschiede bei großer Ähnlichkeit handeln. Sobald es sich um Revolutionen in den Kolonien und Halbkolonien handelt, wird dort die Staats- und Regierungsstruktur im wesentlichen die gleiche sein müssen, nämlich die eines Staates der Neuen Demokratie, in dem sich einige antiimperialistische Klassen zur gemeinsamen Diktatur verbünden. Im heutigen China besteht eine solche Staatsform der Neuen Demokratie eben in der Form der antijapanischen Einheitsfront. Es ist dies ein Staat des Widerstands gegen die japanische Aggression, des Kampfes gegen den Imperialismus; und es ist dies auch ein Staat des Bündnisses mehrerer revolutionärer Klassen, einer Einheitsfront. Leider hat aber trotz der langen Dauer des Widerstandskriegs im größten Teil des Landes - in den Gegenden außerhalb der unter der Führung der Kommunistischen Partei stehenden demokratischen Stützpunktgebiete des Widerstands gegen Japan - die Demokratisierung des Staates im Grunde genommen kaum angefangen, und der japanische Imperialismus hat diese fundamentale Schwäche ausgenutzt, um mit Riesenschritten in unser Land einzudringen. Wenn hier nicht ein Wandel geschaffen wird, dann ist unsere nationale Zukunft äußerst gefährdet.

Was hier besprochen wurde, ist die Frage des "Staatssystems". Über diese Frage hat man sich seit den letzten Jahren der Tjing-Dynastie jahrzehntelang gestritten, ohne daß sie geklärt worden wäre. In der Tat handelt es sich dabei lediglich um die Frage, welchen Platz die einzelnen Gesellschaftsklassen im Staate einnehmen. Die Bourgeoisie verschleiert in der Regel diese Frage und übt unter der "nationalen" Etikette praktisch die Diktatur einer Klasse, die Diktatur allein ihrer Klasse aus. Eine derartige Verschleierung liegt durchaus nicht im Interesse des revolutionären Volkes, und man muß ihm die Sachlage deutlich erläutern. Man kann die Bezeichnung "national" verwenden, doch darf dieser Begriff die Konterrevolutionäre und Landesverräter nicht einschließen. Der Staat, den wir jetzt brauchen, ist eine Diktatur aller revolutionären Klassen über die Konterrevolutionäre und Landesverräter.

Das sogenannte demokratische System in den modernen Staaten wird häufig von der Bourgeoisie monopolisiert und verwandelt sich somit in ein Instrument zur Unterdrückung des einfachen Volkes. Aber die Demokratie, wie sie die Kuomintang zu einem ihrer Prinzipien gemacht hat, ist Gemeingut des einfachen Volkes und nicht Privatbesitz einer kleinen Minderheit.

So lautete die feierliche Erklärung des Manifestes, das im Jahre 1924, als die Kuomintang mit der Kommunistischen Partei zusammenarbeitete, vom 1. Nationalkongreß der Kuomintang erlassen worden ist. Sechzehn Jahre lang hat die Kuomintang dieser Erklärung zuwidergehandelt, und das Ergebnis davon ist die heutige schwere Krise der Nation. Somit hat die Kuomintang einen überaus schweren Fehler begangen. Wir hoffen, daß sie im Fegefeuer des Widerstandskriegs gegen Japan diesen Fehler gutmachen wird.

Was die Frage des "Regierungssystems" betrifft, so handelt es sich darum, welche strukturelle Form die politische Macht hat, welche Form eine bestimmte Gesellschaftsklasse wählt, um den Machtapparat für den Kampf gegen den Feind und zum eigenen Schutz zu organisieren. Es gibt keinen Staat, der nicht einen entsprechenden Machtapparat hätte, welcher ihn repräsentiert. China könnte jetzt ein System von Vertretungskörperschaften annehmen, das von einem Volkskongreß des Landes über Volkskongresse der Provinzen, Kreise und Distrikte bis zu Volkskongressen der Gemeinden hinabreicht und auf allen Stufen die Wahl der entsprechenden Machtorgane durch die jeweiligen Volkskongresse vorsieht. Wenn jedoch dem Platz jeder revolutionären Klasse im Staat, der Äußerung des Volkswillens, der Leitung des revolutionären Kampfes und dem Geist der Neuen Demokratie entsprochen werden soll, dann muß ein System des wirklich allgemeinen und gleichen Wahlrechts ohne Unterschied des Geschlechts, des Glaubens, der Vermögenslage und des Bildungsstands usw. eingeführt werden. Dieses System ist der demokratische Zentralismus. Nur wenn es eine auf den demokratischen Zentralismus begründete Regierung gibt, kann sich der Wille des gesamten revolutionären Volkes voll und ganz durchsetzen und können auch die Feinde der Revolution am wirksamsten bekämpft werden. In der Zusammensetzung der Regierung und der Armee muß jener Geist zum Ausdruck kommen, der durch die Worte "Nicht Privatbesitz einer kleinen Minderheit" charakterisiert ist; ohne ein echtes demokratisches System ist dieses Ziel nicht zu erreichen, wird das Regierungssystem mit dem Staatssystem nicht übereinstimmen.

Das Staatssystem ist die gemeinsame Diktatur der revolutionären Klassen, das Regierungssystem ist der demokratische Zentralismus. Darin besteht eben die Politik der Neuen Demokratie, so sieht die neudemokratische Republik aus, die Republik der antijapanischen Einheitsfront, die Republik der auf die drei politischen Hauptrichtlinien begründeten neuen Drei Volksprinzipien, jene Republik, die sowohl dem Namen nach wie in der Tat die Republik China sein wird. Jetzt haben wir wohl eine Republik China dem Namen nach, aber eine tatsächliche Republik China gibt es immer noch nicht; unsere Bemühungen zielen heute darauf ab, die Wirklichkeit dem Namen anzupassen.

Das sind die innenpolitischen Beziehungen, die im revolutionären China, im China des Widerstandskriegs gegen Japan hergestellt werden sollen und unbedingt hergestellt werden müssen, das ist die heute einzig richtige Orientierung für den "Aufbau des Staates".

VI. DIE WIRTSCHAFT DER NEUEN DEMOKRATIE

Wenn China zu einer solchen Republik aufgebaut werden soll, muß es nicht nur in politischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein Land der Neuen Demokratie sein.

Die großen Banken sowie die großen Industrie- und Handelsunternehmungen müssen Staatseigentum dieser Republik werden. Unternehmen, ob in chinesischer oder ausländischer Hand, die

monopolistischen Charakter tragen oder deren Umfang für eine private Verwaltung zu groß ist, wie Banken, Eisenbahnen und Zivilluftfahrt, sollen vom Staat geführt und verwaltet werden, damit nicht das Privatkapital die Lebenshaltung der Nation kontrolliert; das eben ist das Hauptprinzip der Regulierung des Kapitals. Auch dieser Satz ist eine feierliche Erklärung des zur Zeit der Zusammenarbeit zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei auf dem 1. Nationalkongreß der Kuomintang beschlossenen Manifestes, und darin liegt der richtige Kurs für die Wirtschaftsstruktur einer neudemokratischen Republik vorgezeichnet. Die staatliche Wirtschaft einer vom Proletariat geleiteten neudemokratischen Republik trägt sozialistischen Charakter, sie ist die führende Kraft der gesamten Volkswirtschaft, doch wird diese Republik das übrige kapitalistische Privateigentum nicht beschlagnahmen, und sie wird auch eine Entwicklung der kapitalistischen Produktion nicht untersagen, soweit diese "nicht die Lebenshaltung der Nation kontrolliert", denn die Wirtschaft in China ist noch außerordentlich rückständig.

Diese Republik wird gewisse notwendige Maßnahmen ergreifen, um den grundherrlichen Boden zu konfiszieren, ihn unter die landlosen und landarmen Bauern aufzuteilen, die Parole Dr. Sun Yat-sens "Jedem Pflüger sein Feld!" in die Tat umzusetzen, die feudalen Beziehungen im Dorf zu liquidieren, Grund und Boden zum Privateigentum der Bauern zu machen. Eine Großbauernwirtschaft wird im Dorf zugelassen sein. Das ist die Politik des "Ausgleichs der Bodenrechte". Die richtige Losung, die dieser Politik entspricht, lautet: "Jedem Pflüger sein Feld I" In diesem Stadium wird im allgemeinen noch keine sozialistische Landwirtschaft errichtet, doch die verschiedenen Arten von genossenschaftlichen Wirtschaften, die sich auf der Grundlage des Prinzips "Jedem Pflüger sein Feld!" zu entwickeln begonnen haben, weisen auch sozialistische Elemente auf.

Die chinesische Wirtschaft muß den Weg der "Regulierung des Kapitals" und des "Ausgleichs der Bodenrechte" gehen, sie wird keineswegs eine solche des "Privatbesitzes einer kleinen Minderheit" sein; man darf absolut nicht zulassen, daß einige wenige Kapitalisten und Grundherren "die Lebenshaltung der Nation kontrollieren"; weder darf eine kapitalistische Gesellschaft im europäisch-amerikanischen Stil errichtet, noch die alte halbfeudale Gesellschaft aufrechterhalten werden. Wer es wagen sollte, sich dieser Orientierung zu widersetzen, wird sein Ziel bestimmt nicht erreichen, sondern sich nur den Kopf einrennen.

Das sind die Wirtschaftsbeziehungen im Innern des Landes, die das revolutionäre China, das China des Widerstandskriegs gegen Japan herstellen muß und notwendigerweise herstellen wird.

Eine solche Wirtschaft ist eben die Wirtschaft der Neuen Demokratie. Und die Politik der Neuen Demokratie ist nichts anderes als der konzentrierte Ausdruck einer solchen neudemokratischen Wirtschaft.

VII. ZURÜCKWEISUNG DER DIKTATUR DER BOURGEOISIE

Eine Republik mit einer solchen neudemokratischen Politik und Wirtschaft wird von mehr als neunzig Prozent der Bevölkerung des Landes begrüßt; zu diesem Weg gibt es keine Alternative.

Soll man denn den Weg der Errichtung einer unter der Diktatur der Bourgeoisie stehenden kapitalistischen Gesellschaft beschreiten? Freilich ist das der alte Weg, den die europäische und amerikanische Bourgeoisie gegangen ist, aber weder die internationale noch die innere Situation gestatten China, das gleiche zu tun, ob das nun einem gefällt oder nicht.

Was die internationale Situation anbelangt, so ist dieser Weg versperrt. Die gegenwärtige internationale Lage ist im wesentlichen durch den Kampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus gekennzeichnet, durch den Niedergang des Kapitalismus und den Aufstieg des Sozialismus. Will man in China eine unter der Diktatur der Bourgeoisie stehende kapitalistische Gesellschaft errichten, so wird das zu allererst der internationale Kapitalismus, d. h. der Imperialismus, nicht zulassen. Die moderne Geschichte Chinas ist eine Geschichte der imperialistischen Aggressionen gegen China, eine Geschichte des Kampfes der Imperialisten gegen die Unabhängigkeit des Landes, gegen die Entwicklung eines chinesischen Kapitalismus. Alle früheren Revolutionen in China erlitten eine Niederlage, weil sie vom Imperialismus abgewürgt wurden, und darüber waren unzählige Märtyrer der Revolution bis zu ihrem Tode sehr verbittert. Jetzt ist ein mächtiger Imperialismus, der japanische, in China eingefallen und will dieses Land in seine Kolonie verwandeln; heute ist es Japan, das in China seinen eigenen Kapitalismus entwickelt, von einem chinesischen Kapitalismus kann da nicht die Rede sein; die japanische Bourgeoisie ist es, die in China die Diktatur ausübt, und nicht die chinesische. Zweifellos leben wir in einer Periode, in welcher der unmittelbar seinem Tode entgegengehende Imperialismus einen letzten Verzweiflungskampf führt, denn der Imperialismus ist "sterbender Kapitalismus"6. Doch gerade weil der Imperialismus dem Tod entgegengeht, ist er um so mehr auf die Kolonien und Halbkolonien angewiesen, um sein Leben zu verlängern, darf er um so weniger zulassen, daß eine Kolonie oder Halbkolonie irgendeine unter der Diktatur der Bourgeoisie stehende kapitalistische Gesellschaft errichtet. Gerade weil der japanische Imperialismus in den Abgrund einer schweren ökonomischen und politischen Krise versunken ist, weil er also dem Tode nahe ist, hat er China überfallen müssen, strebt er danach, es in seine Kolonie zu verwandeln; deshalb hat er China den Weg zur Aufrichtung der Diktatur der Bourgeoisie und zur Entwicklung eines nationalen Kapitalismus abgeschnitten.

Außerdem wird das der Sozialismus nicht zulassen. Da alle Imperialisten auf dieser Welt unsere Feinde sind, kann China, wenn es unabhängig sein will, keineswegs auf die Hilfe des sozialistischen Landes und des internationalen Proletariats verzichten. Das heißt, es kann nicht auf die Hilfe der Sowjetunion sowie auf jene Hilfe verzichten, die ihm das Proletariat Japans, Englands, der USA, Frankreichs, Deutschlands und Italiens durch seinen Kampf gegen den Kapitalismus im eigenen Land erweist. Obwohl man nicht sagen kann, daß die chinesische Revolution erst nach dem Sieg der Revolution in diesen Ländern beziehungsweise in einem oder zwei von ihnen siegen könne, steht es doch außer Zweifel, daß sie der zusätzlichen Kraft des Proletariats dieser Länder bedarf, um siegen zu können. Insbesondere die Hilfe der Sowjetunion ist eine unerläßliche Bedingung für den endgültigen Sieg im Widerstandskrieg. Eine Ablehnung der sowjetischen Hilfe bedeutet die Niederlage der Revolution. Läßt denn die Lehre der antisowjetischen Kampagnen seit 1927 Partei an Deutlichkeit zu wünschen übrig? Die Welt von heute befindet sich in einer neuen Epoche der Revolutionen und Kriege, einer Epoche, die dadurch gekennzeichnet ist, daß in ihr der Kapitalismus sicher untergehen, der Sozialismus aber sicher aufblühen wird. Wäre es unter solchen Umständen nicht purer Wahnsinn zu glauben, daß in China nach dem Sieg über Imperialismus und Feudalismus eine kapitalistische Gesellschaft unter der Diktatur der Bourgeoisie errichtet werden würde?

Wenn es noch nach dem ersten imperialistischen Weltkrieg und der Oktoberrevolution ein kleines Land wie die Türkei geben konnte, wo infolge besonderer Bedingungen (die Bourgeoisie hatte die griechische Aggression siegreich abgewehrt, die Kräfte des Proletariats waren allzu schwach) eine Diktatur der Bourgeoisie vom kemalistischen Typus errichtet worden ist8, so kann es nach dem zweiten Weltkrieg und nach der Vollendung des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion nicht abermals so eine Türkei geben und schon gar nicht eine Türkei mit 45o Millionen Einwohnern. Infolge der besonderen Bedingungen Chinas (Schwäche und Kompromißbereitschaft der Bourgeoisie, Stärke und konsequent revolutionärer Geist des Proletariats) läßt sich derartiges niemals auf so billige Weise erzielen wie seinerzeit in der Türkei. Hatten nicht nach der Niederlage der Ersten Großen Revolution im Jahre I927 die chinesischen Bourgeois lauthals nach dem Kemalismus geschrien? Wo gibt es aber einen chinesischen Kemal? Und wo gibt es eine chinesische Diktatur der Bourgeoisie und eine chinesische kapitalistische Gesellschaft? Ganz davon zu schweigen, daß jene kemalistische Türkei letzten Endes auch nicht umhinkonnte, sich in die Arme der englischen und französischen Imperialisten zu werfen, sich immer mehr in eine Halbkolonie, in einen Bestandteil der reaktionären imperialistischen Welt zu verwandeln. Unter den heute obwaltenden internationalen Umständen müssen sich die wackeren Recken der Kolonien und Halbkolonien entscheiden, ob sie sich in die imperialistische Front einreihen und zu einem Teil der Kräfte der internationalen Konterrevolution werden oder sich in die antiimperialistische Front einreihen und zu einem Teil der Kräfte der Weltrevolution werden wollen. Eins von beiden, einen anderen Weg gibt es nicht.

Was die innere Lage des Landes anbelangt, so hätte die chinesische Bourgeoisie die notwendigen Lehren ziehen sollen. Kaum hatte die Stärke des Proletariats, der Bauernschaft und der anderen kleinbürgerlichen Schichten der Revolution von I927 zum Sieg verholfen, als das chinesische Bürgertum mit der Großbourgeoisie an der Spitze die breiten Volksmassen durch einen Fußtritt beiseite stieß, die Früchte der Revolution an sich riß, ein konterrevolutionäres Bündnis mit dem Imperialismus und den feudalen Kräften schloß, um sodann in einem zehnjährigen Krieg zur "Ausrottung der Kommunisten" ihre ganze Kraft zu verausgaben. Was war nun aber die Folge davon? Will man etwa auch heute, da ein mächtiger Feind tief in unser Territorium eingedrungen ist und seit zwei Jahren der Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression geführt wird, die alten und überholten Rezepte der europäischen und amerikanischen Bourgeoisie kopieren? Zehn Jahre lang hat man sich mit der "Kommunistenausrottung" abgegeben, ohne daß jedoch durch diese "Ausrottung" eine kapitalistische Gesellschaft unter der Diktatur der Bourgeoisie irgendwie emporgewachsen wäre; will man es etwa auf einen neuerlichen Versuch ankommen lassen? Gewiß, bei dieser "Ausrottung" ist eine "Einparteiendiktatur" herausgekommen, aber das ist eine halbkoloniale, halbfeudale Diktatur. Mehr noch, nach einer vierjährigen Kampagne zur "Ausrottung der Kommunisten" (von 1927 bis zu den Ereignissen des I8. September 1931) ist aus der "Ausrottung" ein "Mandschukuo" hervorgegangen; und nach weiteren sechs Jahren, im Jahre 1937, war die Invasion des japanischen Imperialismus südlich der Großen Mauer das Resultat der "Ausrottung". Sollte heutzutage jemand noch daran denken, einen neuen zehnjährigen "Ausrottungsfeldzug" zu unternehmen, dann wäre das eine - etwas abgewandelte - Neuauflage der "Kommunistenausrottung". Gibt es nicht aber schon einen Schnellfüßigen, der allen vorausgeprescht ist und großspurig diese Aufgabe der neuen "Kommunistenausrottung" auf sich genommen hat? Ja, und zwar Wang Djing-we, der bereits als Antikommunist neuen Stils zur Berühmtheit gelangt ist. Wer sich seiner Bande zugesellen will, möge das nur tun; wird er dann aber nicht noch mehr in Verlegenheit geraten, wenn er seine Melodie in all ihren Variationen wie "Diktatur der Bourgeoisie", "kapitalistische Gesellschaft", "Kemalismus", "moderner Staat", "Einparteiendiktatur", "eine einzige Lehre" usw. usf. singt? Schließt er sich aber nicht Wang Djing-we an, sondern der antijapanischen Front jedoch mit dem Hintergedanken, nach dem Sieg über die japanischen Aggressoren dem Volk, das diese bekämpft hat, einen Fußtritt zu geben, die im Widerstandskrieg errungenen Früchte an sich zu reißen und eine "Einparteiendiktatur für alle Ewigkeit" zu errichten -, gibt er sich da nicht gleichsam einem Wachtraum hin? Man redet hin und her über den Widerstand gegen Japan; wer ist es aber, der diesen Widerstand leistet? Ohne die Arbeiter, die Bauern und ohne die anderen Angehörigen des Kleinbürgertums könnt ihr keinen einzigen Schritt machen. Wer es noch einmal wagen sollte, ihnen einen Tritt zu versetzen, der wird selbst zermalmt werden. Sagt einem das nicht ebenfalls der gesunde Menschenverstand? Doch die Ultrakonservativen der chinesischen Bourgeoisie (und genau von dieser Gruppe ist hier die Rede) scheinen in den vergangenen zwanzig Jahren nichts dazugelernt zu haben. Schreien sie denn nicht weiter von "Einschränkung der Kommunistischen Partei", "Zersetzung der Kommunistischen Partei" und "Bekämpfung der Kommunistischen Partei"? Kennt man nicht ihre "Maßnahmen zur Einschränkung der Tätigkeit fremder Parteien", denen dann "Maßnahmen zur Regelung des Problems fremder Parteien" und hierauf ein "Durchführungsprogramm für die Regelung des Problems fremder Parteien" folgten? Ach du meine Güte 1 Nach all diesen "Einschränkungen" und "Regelungen" fragt man sich, was für ein Schicksal sie eigentlich der Nation und sich selbst bereiten. Wir wollen diesen Herren in aller Aufrichtigkeit den wohlgemeinten Rat geben: Sperrt doch endlich eure Augen auf, schaut euch einmal in China und in der Welt um, seht euch doch an, wie es im In- und Ausland aussieht, wie die Dinge heute stehen, und wiederholt nicht eure Fehler! Macht ihr wieder diese Fehler, so wird das fraglos ein Unglück für die Nation sein, doch bei euch, so meine ich, werden die Dinge auch nicht zum besten stehen. Das ist sicher, ohne jeden Zweifel und absolut wahr; wenn sich die Ultrakonservativen der chinesischen Bourgeoisie nicht der Sachlage bewußt werden, wird ihre Lage nicht gerade beneidenswert sein, sie haben voraussichtlich Schlimmes zu erleben sie werden sich selbst ihr Grab schaufeln. Wir hoffen also, daß die antijapanische Einheitsfront in China trotz alledem aufrechterhalten bleibt und daß es anstatt des Monopols einer einzigen Clique die Zusammenarbeit aller Menschen geben wird, damit die Sache des Widerstands gegen die japanische Aggression bis zum Sieg geführt wird; das ist die einzige gute Politik, jede andere Politik ist schlecht. Das ist der aufrichtige Rat, den wir Kommunisten euch geben; sagt später nicht, wir hätten euch nicht gewarnt.

Es gibt ein altes chinesisches Sprichwort: "Ist Reis vorhanden, dann können alle mitessen." Daran ist viel Wahres. Da alle am Kampf gegen den Feind teilnehmen, müssen auch alle an den vorhandenen Nahrungsmitteln, an den zu erledigenden Angelegenheiten, an den gebotenen Bildungsmöglichkeiten teilhaben. Solche großtuerischen Allüren wie "Ich will alles für mich allein" oder "Mir darf niemand etwas anhaben" sind nichts als alte Tricks der Feudalherren, die in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts letzten Endes bei niemandem mehr verfangen können.

Wir Kommunisten stoßen keinen einzigen weg, der revolutionär gesinnt ist; wir werden an der Einheitsfront mit allen Klassen und Schichten, allen politischen Parteien und Organisationen sowie allen Einzelpersonen, die gewillt sind, bis zum Schluß am Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression teilzunehmen, festhalten und mit ihnen eine lange Zeit hindurch zusammenarbeiten. Sollten aber gewisse Leute versuchen, die Kommunistische Partei wegzustoßen, dann wird nichts dabei herauskommen; sollten sie die Einheitsfront sprengen wollen, wird daraus ebenfalls nichts. China muß den Widerstandskrieg fortführen, weiter geeint bleiben und vorwärtsmarschieren; wer kapitulieren, spalten, rückwärts schreiten will, dem werden wir das nicht gestatten.

VIII. ZURÜCKWEISUNG DER "LINKEN" PHRASENDRESCHEREI

Wenn man nun den kapitalistischen Weg der Diktatur der Bourgeoisie nicht beschreiten kann, ist es dann möglich, den sozialistischen Weg der Diktatur des Proletariats einzuschlagen?

Auch das ist unmöglich.

Ohne Frage, die Revolution befindet sich gegenwärtig in ihrer ersten Phase, sie wird später in ihre zweite Phase übergehen, sich zum Sozialismus hin entwickeln. Und für China wird erst dann ein wahrhaft glückliches Zeitalter anbrechen, wenn es in die Ära des Sozialismus eintritt. Jetzt aber ist der Zeitpunkt für die Verwirklichung des Sozialismus noch nicht gekommen. Die gegenwärtige Aufgabe der Revolution in China besteht darin, den Imperialismus und den Feudalismus zu bekämpfen; solange diese Aufgabe unvollendet bleibt, kann vom Sozialismus nicht gesprochen werden. Die chinesische Revolution muß notwendigerweise zwei Phasen durchlaufen, von denen die erste die Phase der Neuen Demokratie ist, der dann erst als zweite die Phase des Sozialismus folgt. Mehr noch, die erste Phase wird eine ziemlich lange Zeit beanspruchen, dieser Schritt kann durchaus nicht über Nacht getan werden. Wir sind keine Utopisten, wir dürfen uns nicht von den gegebenen realen Bedingungen loslösen.

Es gibt böswillige Propagandisten, die diese beiden verschiedenen Stadien der Revolution absichtlich durcheinanderbringen. Sie treten für die sogenannte Theorie der einmaligen Revolution ein, um mit ihr zu beweisen, daß alle Arten der Revolution in den Drei Volksprinzipien untergebracht werden könnten, der Kommunismus folglich seine Existenzberechtigung verloren hätte. Sie benutzen diese "Theorie" für ihren wütenden Kampf gegen den Kommunismus und die Kommunistische Partei, gegen die Achte Route-Armee und die Neue Vierte Armee, gegen das Grenzgebiet Schensi-Kansu-Ningsia. Sie verfolgen damit den Zweck, jegliche Revolution mit der Wurzel zu vertilgen, eine gründliche Durchführung der bürgerlich-demokratischen Revolution und des Widerstandskriegs gegen Japan zu bekämpfen, um die öffentliche Meinung für eine Kapitulation vor den japanischen Aggressoren vorzubereiten. Diese Situation wird vom japanischen Imperialismus planmäßig gefördert. Denn nach der Besetzung von Wuhan kam den japanischen Imperialisten zum Bewußtsein, daß sie mit bloßer Waffengewalt China nicht unterjochen könnten, und sie ergriffen Zuflucht zu einer politischen Offensive und zu wirtschaftlichen Verlockungen. Was die politische Offensive betrifft, so besteht sie darin, schwankende Elemente im antijapanischen Lager in Versuchung zu führen, die Einheitsfront zu spalten, die Zusammenarbeit zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei zu unterwühlen. Bei den wirtschaftlichen Verlockungen handelt es sich um die "Gründung von gemeinsamen Unternehmungen". In Zentral- und Südchina räumen die japanischen Aggressoren den chinesischen Kapitalisten einen Anteil von 5I Prozent an den Investitionen ein und nehmen die restlichen 49 Prozent für das japanische Kapital in Anspruch; in Nordchina gestatten sie den chinesischen Kapitalisten, 49 Prozent des Kapitals zu investieren, während sie dem japanischen Kapital 51 Prozent vorbehalten. Überdies haben die japanischen Eindringlinge versprochen, die früheren Aktiva der chinesischen Kapitalisten in Form von Kapitalanteilen an den Investitionen zurückzuerstatten. Bei der Aussicht auf solche Vorteile lassen einige durch und durch gewissenlose Kapitalisten jegliche etwaigen moralischen Bedenken fallen, ihnen juckt es in den Fingern zuzugreifen. Ein Teil der Kapitalisten - jene, deren Vertreter Wang Djing-we ist - haben bereits kapituliert. Ein anderer Teil, der sich innerhalb der antijapanischen Frontlinien verborgen hält, denkt auch daran, überzulaufen. Diese Leute sind aber Halunken mit einem Hasenherz, sie haben Angst, die Kommunistische Partei könnte sich ihnen in den Weg stellen, und fürchten noch mehr, daß das einfache Volk sie als Landesverräter verfluchen würde. Sie steckten also die Köpfe zusammen und beschlossen, die Kreise der Kulturschaffenden und die öffentliche Meinung dafür vorzubereiten. Nachdem sie ihre Politik festgelegt hatten, verloren sie keine Minute, um schleunigst ein paar Metaphysik-Gaukler9 und dazu noch einige Trotzkisten anzuheuern, die ihre Federhalter wie Lanzen zückten, einen Heidenspektakel machten und sich wie Tollhäusler gebärdeten. Daher stammen alle jene Mätzchen, die dazu dienen, Leute zu betrügen, welche nicht wissen, was ringsum in der Welt vorgeht: die "Theorie der einmaligen Revolution", das Geschwätz darüber, daß der Kommunismus den nationalen Verhältnissen Chinas nicht entspräche, daß die Kommunistische Partei keine Existenzberechtigung in China hätte, daß die Achte Route-Armee und die Neue Vierte Armee den Widerstandskrieg sabotierten und nur umherzögen, ohne zu kämpfen, daß das Grenzgebiet Schensi-Kansu-Ningsia ein feudales Separatregime darstelle, daß die Kommunistische Partei ungehorsam, einheitsfeindlich, intrigant und aufrührerisch wäre - all das nur zu dem Zweck, den Kapitalisten einen glaubwürdigen Grund zu verschaffen, damit sie im günstigen Augenblick ihre 49 oder 51 Prozent ergattern und die Interessen der Nation in Bausch und Bogen an den Feind verschachern können. Das ist der Diebestrick "die Balken und Pfeiler durch wurmstichiges Bauholz ersetzen", der zur ideologischen Vorbereitung der Kapitulation, zur entsprechenden Präparierung der öffentlichen Meinung dient. Diese Herrschaften, die offenbar allen Ernstes die "Theorie der einmaligen Revolution" aufstellen, um den Kommunismus und die Kommunistische Partei zu bekämpfen, haben also im Grunde genommen nichts anderes im Sinn als jene 49 oder 51 Prozent. Und welche raffinierte Berechnung müssen sie dabei angestellt haben! Was man die "Theorie der einmaligen Revolution" nennt, ist lediglich die Theorie der Nicht-Revolution - das ist das Wesen der Sache.

Es gibt aber noch andere Leute, die anscheinend keine bösen Absichten haben, aber sich dennoch durch die "Theorie der einmaligen Revolution", durch die rein subjektive Vorstellung, es könnten "die politische Revolution und die soziale Revolution auf einen Schlag vollendet werden", irreführen lassen; sie begreifen nicht, daß sich die Revolution in Stadien teilt, daß man nur von einer Revolution zur nächsten Revolution fortschreiten kann, daß nichts "auf einen Schlag vollendet" wird. Diese Einstellung ist gleichfalls sehr schädlich, weil sie die Stadien der Revolution durcheinanderbringt und die Anstrengungen zur Durchführung der auf der Tagesordnung stehenden Aufgaben schwächt. Richtig ist es zu sagen, daß von den zwei Stadien der Revolution das erste die Voraussetzungen für das zweite schafft und das zweite unmittelbar auf das erste folgen muß, ohne daß sich ein Stadium der bürgerlichen Diktatur dazwischenschalten darf; das ist die marxistische Theorie von der Entwicklung der Revolution. Wenn man aber sagt, die demokratische Revolution habe nicht ihre bestimmten eigenen Aufgaben, habe keinen bestimmten eigenen Zeitraum, sondern man könne andere Aufgaben, die in Wirklichkeit nur in einem anderen Zeitraum auszuführen sind - beispielsweise die sozialistischen Aufgaben -, dadurch bereits erfüllen, daß man sie den demokratischen Aufgaben einverleibt, und wenn man dann das alles "Vollendung auf einen Schlag" nennt, so ist das eine Utopie, die von wahren Revolutionären nicht akzeptiert wird.

IX. ZURÜCKWEISUNG DER ULTRAKONSERVATIVEN

Da treten nun die bürgerlichen Ultrakonservativen hervor und sagen: Schön, wenn ihr Kommunisten die sozialistische Gesellschaftsordnung auf ein späteres Stadium verschiebt und wenn ihr erklärt: "Die Drei Volksprinzipien sind für das heutige China unerläßlich, und unsere Partei ist bereit, für ihre restlose Verwirklichung zu kämpfen"10, na, dann zieht doch den Kommunismus vorläufig zurück. Diese Argumentation ist unter dem Aushängeschild "Eine einzige Lehre" in ein wildes Geschrei ausgeartet. Dem Wesen nach ist das ein Geschrei der Ultrakonservativen nach dem bürgerlichen Despotismus. Aber aus Höflichkeitsgründen kann man es auch als einen Mangel an jeglichem gesunden Menschenverstand bezeichnen.

Kommunismus bedeutet das geschlossene System der Ideologie des Proletariats und zugleich auch ein neues Gesellschaftssystem. Diese Ideologie und diese Gesellschaftsordnung unterscheiden sich von jeder anderen Ideologie und Gesellschaftsordnung, sie sind das vollkommenste, fortschrittlichste, revolutionärste und vernünftigste ideologische beziehungsweise soziale System in der ganzen Menschheitsgeschichte. Die Ideologie und die Gesellschaftsordnung des Feudalismus sind bereits ins historische Museum gewandert. Die Ideologie und die Gesellschaftsordnung des Kapitalismus befinden sich in einem Teil der Welt - in der Sowjetunion - auch schon im Museum, und wo das noch nicht der Fall ist, gleichen sie "einem, der in den letzten Zügen liegt, der niedersinkt und jeden Augenblick das Leben aushauchen kann, - wie die Sonne hinter den Westbergen", und sie kommen auch bald ins Museum. Allein die kommunistische Ideologie und Gesellschaftsordnung sind voller Jugendfrische und Lebenskraft, sie gleichen einer allmächtigen Naturgewalt, die mit unwiderstehlicher Kraft über das ganze Erdenrund hinwegfegt. Seitdem der wissenschaftliche Kommunismus in China Eingang gefunden hat, ist der Gesichtskreis der Menschen weiter geworden, und das Antlitz der chinesischen Revolution hat sich geändert. Ohne sich vom Kommunismus leiten zu lassen, kann die demokratische Revolution in China unmöglich Erfolg haben, geschweige denn das weitere Stadium der Revolution. Das ist denn auch der Grund, warum die Ultrakonservativen der Bourgeoisie ein solches Geschrei erheben und verlangen, daß der Kommunismus "zurückgezogen" werde. Doch in der Tat darf er nicht "zurückgezogen" werden, denn dann wäre China der Unterjochung preisgegeben. In der heutigen Welt ist der Kommunismus die einzige Rettung, und das gilt natürlich genauso für China.

Jedermann weiß, daß die Kommunistische Partei hinsichtlich des Gesellschaftssystems, für das sie eintritt, ein Programm für die unmittelbare Gegenwart und eins für die Zukunft hat, ein Minimal- und ein Maximalprogramm. Für die Gegenwart die Neue Demokratie und für die Zukunft den Sozialismus; diese Programme sind zwei Bestandteile eines organischen Ganzen und lassen sich von der in sich geschlossenen kommunistischen Ideologie leiten. Ist es daher nicht in höchstem Grade absurd, mit Riesengebrüll eine "Zurückziehung" des Kommunismus zu fordern, mit der Begründung, das Minimalprogramm der Kommunistischen Partei und die politischen Leitsätze der Drei Volksprinzipien seien einander in ihren Grundzügen gleich? Für die Kommunisten ist es ja gerade wegen dieser Übereinstimmung in den Grundzügen möglich anzuerkennen, daß "die Drei Volksprinzipien als politische Basis für die antijapanische Einheitsfront" dienen können, sowie zu erklären: "Die Drei Volksprinzipien sind für das heutige China unerläßlich, und unsere Partei ist bereit, für ihre restlose Verwirklichung zu kämpfen." Andernfalls bestünde diese Möglichkeit nicht. Hier haben wir eine Einheitsfront zwischen dem Kommunismus und den Drei Volksprinzipien im Stadium der demokratischen Revolution, eine ebensolche Einheitsfront, wie sie Sun Yat-sen im Sinn hatte, als er sagte: "Der Kommunismus ist ein guter Freund der Drei Volksprinzipien."11 Den Kommunismus verleugnen bedeutet in Wirklichkeit die Einheitsfront verleugnen. Gerade weil die Ultrakonservativen ihrer Doktrin von "einer einzigen Partei" gehorchen, weil sie die Einheitsfront ablehnen, haben sie ihre absurden Argumente fabriziert, mit denen sie dem Kommunismus die Anerkennung verweigern.

Mehr noch, das mit der "einzigen Lehre" ist widersinnig. Solange Klassen bestehen, wird es ebenso viele Lehren geben wie Klassen, und sogar die verschiedenen Gruppen ein und derselben Klasse werden jede ihre eigene Lehre haben. Nun, da hat die Klasse der Feudalherren ihre feudale Lehre, die Bourgeoisie die kapitalistische Lehre, die Buddhisten haben den Buddhismus, die Christen das Christentum, die Bauern ihren Polytheismus, und in den letzten Jahren sind Leute aufgetreten, die den Kemalismus, den Faschismus, den Vitalismus12 und die "Lehre von der Verteilung nach der Arbeitsleistung"13 predigen; warum darf dann das Proletariat nicht seine Lehre haben, den Kommunismus? Wenn es schon unzählige "Ismen" gibt, warum schreit man da, kaum erblickt man den Kommunismus, er müsse "zurückgezogen" werden? Offen gesagt: Aus dem "Zurückziehen" wird nichts; laßt uns lieber miteinander wetteifern. Wird dabei der Kommunismus unterliegen, dann werden wir Kommunisten zugeben, daß wir Pech gehabt haben. Ist dem jedoch nicht so, dann sollte das dem Prinzip der Demokratie feindliche Gehabe mit "einer einzigen Lehre" lieber "zurückgezogen" werden, und zwar schleunigst!

Um Mißverständnisse zu vermeiden und den Ultrakonservativen ( Gelegenheit zu geben, ihren Horizont zu erweitern, muß man klarstellen, worin die Drei Volksprinzipien und der Kommunismus miteinander übereinstimmen und worin nicht.

Wenn man die zwei Lehren einander gegenüberstellt, sieht man teils Ähnlichkeiten, teils Verschiedenheiten.

Erstens, die Ähnlichkeiten. Es sind dies die grundlegenden politischen Programme der beiden Lehren für das Stadium der bürgerlichdemokratischen Revolution in China. Die drei politischen Leitsätze der von Sun Yat-sen im Jahre 1924 neugedeuteten, revolutionären Drei Volksprinzipien - Nationalismus, Demokratie und Volkswohl - sind in den Grundzügen die gleichen wie die des kommunistischen Programms für das Stadium der demokratischen Revolution in China. Wegen dieser Ähnlichkeiten und wegen der Durchführung der Drei Volksprinzipien ist es zur Einheitsfront zwischen den beiden Lehren und den beiden Parteien gekommen. Es wäre ein Fehler, diese Seite zu ignorieren.

Zweitens, die Verschiedenheiten:

1. Die Programme für das Stadium der demokratischen Revolution sind zum Teil voneinander verschieden. Das kommunistische Programm sieht für den gesamten Verlauf dieser Revolution die konsequente Verwirklichung der Volksmacht, die Einführung des Achtstundentags und die vollständige Durchführung der Agrarrevolution vor, während es das in den Drei Volksprinzipien nicht gibt. Wenn den Drei Volksprinzipien diese Punkte nicht hinzugefügt werden und nicht die Bereitschaft besteht, sie zu erfüllen, gleichen die beiden demokratischen Programme einander nur in den Grundzügen, können jedoch nicht als völlig gleiche Programme bezeichnet werden.

2. Eine Verschiedenheit besteht auch darin, daß in dem einen Programm ein sozialistisches Stadium vorgesehen ist, in dem anderen nicht. Für den Kommunismus gibt es außer dem Stadium der demokratischen Revolution auch ein Stadium der sozialistischen Revolution, folglich außer einem Minimalprogramm auch ein Maximalprogramm, d. h. ein Programm zur Errichtung der sozialistischen und kommunistischen Gesellschaftsordnung. Für die Drei Volksprinzipien gibt es hingegen nur das Stadium der demokratischen Revolution und kein Stadium der sozialistischen Revolution, folglich enthalten sie nur ein Minimalprogramm und kein auf die Errichtung der sozialistischen und kommunistischen Gesellschaftsordnung abzielendes Maximalprogramm.

3. Die Weltanschauungen sind verschieden. Die Weltanschauung des Kommunismus ist der dialektische und historische Materialismus, während die den Drei Volksprinzipien zugrunde liegende Weltanschauung eine sogenannte Geschichtsauffassung vom Gesichtspunkt der Volkswohlfahrt - also ihrem Wesen nach dualistisch oder idealistisch - ist, so daß beide Weltanschauungen einander entgegengesetzt sind.

4. Eine Verschiedenheit hinsichtlich der revolutionären Konsequenz. Bei den Kommunisten stimmen Theorie und Praxis miteinander überein, daher zeichnen sich die Kommunisten durch eine revolutionäre Konsequenz aus. Bei den Anhängern der Drei Volksprinzipien - mit Ausnahme jener Menschen, die der Revolution und der Wahrheit treu ergeben sind - gehen jedoch Theorie und Praxis auseinander, besteht ein Widerspruch zwischen Worten und Taten, d. h., es fehlt diesen Leuten revolutionäre Konsequenz.

Das sind also die Verschiedenheiten zwischen den beiden Lehren. Wegen dieser Verschiedenheiten unterscheiden sich eben die Kommunisten von den Anhängern der Drei Volksprinzipien. Diesen Unterschied ignorieren, nur die eine Seite, die Einheit, sehen und nicht auch die andere Seite, die Widersprüche, das wäre zweifellos ein schwerer Fehler.

Ist das klar, so sieht man auch, was die bürgerlichen Ultrakonservativen mit ihrer Forderung, den Kommunismus "zurückzuziehen", im Sinne haben. Erkennt man nicht, daß es hierbei um einen Despotismus der Bourgeoisie geht, dann ist man ein kompletter Ignorant.