Mao Werke


Mao Tse-tung:

UNSERE WIRTSCHAFTSPOLITIK*

(23.Januar 1934)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band I, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1968, S.161-167)


   |161| Nur die unverschämtesten Militärmachthaber der Kuomintang, die in ihrem Herrschaftsbereich das Volk ins Elend gestürzt und die Wirtschaft an den Rand des Ruins gebracht haben, sind fähig, tagaus, tagein die Verleumdung zu verbreiten, in den roten Gebieten herrsche völliger Verfall. Die Imperialisten und die Kuomintang setzen sich das Ziel, die roten Gebiete zu zerstören, den sich in diesen Gebieten entfaltenden wirtschaftlichen Aufbau zu hintertreiben und den Wohlstand der viele Millionen zählenden Massen der Arbeiter und Bauern, die ihre Befreiung erkämpft haben, zu zerstören. Deshalb haben sie nicht nur Streitkräfte zur Durchführung von militärischen "Einkreisungs- und Ausrottungsfeldzügen" organisiert, sondern betreiben auch eine unbarmherzige Politik der Wirtschaftsblockade. Unter unserer Führung haben jedoch die breiten Volksmassen und die Rote Armee nicht nur mehrmals diese "Feldzüge" des Feindes zerschlagen, sondern tun auch beim wirtschaftlichen Aufbau alles Mögliche und Notwendige, um seine heimtückische Wirtschaftsblockade zu durchkreuzen. Auch in dieser Richtung schreiten wir unentwegt von Erfolg zu Erfolg.
Die Prinzipien unserer Wirtschaftspolitik sind folgende: alles tun, was auf dem Gebiet des wirtschaftlichen Aufbaus möglich und notwendig ist, und die ökonomischen Hilfsquellen konzentrieren, um die Front zu versorgen; gleichzeitig die Lebensbedingungen der Volksmassen so weit wie möglich verbessern, das Bündnis der Arbeiter und Bauern auf wirtschaftlichem Gebiet festigen, die Führung der Bauernschaft durch das Proletariat sicherstellen und danach streben, daß der staatliche Sektor der Volkswirtschaft die führende Stellung
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Im Mittelpunkt unseres wirtschaftlichen Aufbaus steht: Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion, Entwicklung der Industrieproduktion, Entwicklung des Außenhandels und Entwicklung der Genossenschaften.
Die Landwirtschaft der roten Gebiete ist gegenwärtig offensichtlich im Aufstieg begriffen. Die landwirtschaftliche Produktion ist 1933 im Gebiet Südkiangsi-Westfukien im Vergleich zu 1932 um 15 Prozent und im Grenzgebiet Fukien-Tschekiang-Kiangsi um 20 Prozent gestiegen. Eine gute Ernte wurde im Grenzgebiet Szetschuan-Schensi eingebracht. In den ersten ein bis zwei Jahren nach der Schaffung der roten Gebiete war oft ein gewisses Absinken der landwirtschaftlichen Produktion zu beobachten. [1] Als wir aber nach der Bodenaufteilung die Eigentumsrechte der Bauern am Grund und Boden festgelegt hatten und zudem die Produktion förderten, wuchs der Arbeitsenthusiasmus der Bauernmassen und erholte sich die Produktion. Gegenwärtig ist der vorrevolutionäre Stand der landwirtschaftlichen Produktion in manchen Gebieten nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen worden. In einigen Gegenden werden nicht nur die Ländereien, die während der revolutionären Erhebungen verödet waren, wieder bestellt, sondern auch neue Ländereien wurden urbar gemacht. In vielen Gegenden wurden im Dorf zur Regelung des Einsatzes der Arbeitskräfte Gruppen der gegenseitigen Arbeitshilfe und Feldbestellungsgruppen [2] organisiert; zur Überwindung der Schwierigkeiten, die sich aus dem Mangel an Zugvieh ergaben, wurden Genossenschaften zur gemeinsamen Nutzung von Zugvieh gegründet. Gleichzeitig schalteten sich die breiten Massen der Frauen in die Produktionsarbeit ein. In der Zeit der Kuomintang-Herrschaft wäre eine solche Lage völlig unmöglich gewesen. Damals gehörte der Boden den Grundherren, und die Bauern waren weder gewillt noch imstande, die Fruchtbarkeit des Bodens mit eigenen Kräften zu steigern. Erst als wir den Boden unter den Bauern aufgeteilt und ihre Produktionstätigkeit anzuspornen und zu fördern begonnen hatten, legten die Bauernmassen einen Arbeitsenthusiasmus an den Tag, und es wurden große Siege in der Produktion möglich. Hier muß darauf hingewiesen werden, daß unter den gegenwärtigen Bedingungen die landwirtschaftliche Produktion den ersten Platz in unserem wirtschaftlichen Aufbau einnimmt; sie soll nicht nur das wichtigste Problem, das Ernährungsproblem, lösen, sondern auch das Problem der Rohstoffe
|163| für die Produktion solcher Massenbedarfsgüter wie Kleidung, Zucker, Papier usw., das heißt, sie soll das Problem der Versorgung mit Baumwolle, Flachs, Zuckerrohr, Bambus usw. lösen. Wichtige Bestandteile der Landwirtschaft sind auch die Forstpflege und die Vergrößerung des Viehbestands. Auf der Grundlage der bäuerlichen Kleinwirtschaft ist es nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, entsprechende Produktionspläne für gewisse wichtige Arten landwirtschaftlichen Erzeugnisse auszuarbeiten und die Bauern zum Kampf für die Verwirklichung dieser Pläne zu mobilisieren. Dieser Aufgabe müssen wir noch mehr Beachtung schenken und noch mehr Kraft widmen. Wir müssen die Bauern tatkräftig dazu anleiten, daß sie mit den schwierigen Problemen fertig werden, die bei der Schaffung der notwendigen Bedingungen für die landwirtschaftliche Produktion auftreten, z. B. mit den Problemen der Arbeitskräfte, des Zugviehs, der Düngemittel, des Saatguts und der Bewässerung. In dieser Hinsicht besteht unsere grundlegendste Aufgabe auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Produktion darin, den Einsatz von Arbeitskräften auf organisiertem Wege zu regeln und die Frauen zur Teilnahme an der landwirtschaftlichen Produktion zu ermutigen. Die Organisierung von Gruppen der gegenseitigen Arbeitshilfe und von Feldbestellungsgruppen, die Anspornung und Mobilisierung der gesamten Dorfbevölkerung in den Zeiten der wichtigsten Feldarbeiten, wie der Frühjahrs- und der Sommerbestellung - das sind die zur Lösung des Arbeitskräfteproblems notwendigen Maßnahmen. Ein nicht kleiner Teil der Bauern (rund 25 Prozent) leidet Mangel an Zugvieh, was ebenfalls ein sehr ernstes Problem darstellt. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit darauf richten, Genossenschaften zur gemeinsamen Nutzung von Zugvieh zu bilden und die Bauern, die solches nicht besitzen, anzuregen, aus freien Stücken auf gemeinsame Kosten Zugvieh zu kaufen. Maximale Beachtung muß auch dem Bewässerungsproblem geschenkt werden, das für die Landwirtschaft von lebenswichtiger Bedeutung ist. Gegenwärtig kann die Frage einer staatlichen bzw. kollektiven Landwirtschaft selbstverständlich noch nicht gestellt werden; um aber die Entwicklung der Landwirtschaft zu fördern, ist es dringend erforderlich, überall kleine Versuchsstationen zu gründen und landwirtschaftliche Forschungsinstitute einzurichten sowie Ausstellungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu veranstalten.
Die vom Feind durchgeführte Blockade brachte Schwierigkeiten für die Ausfuhr unserer Waren. Infolgedessen sind viele Zweige der
|164| Handwerksproduktion in den roten Gebieten verkümmert, besonders solche wie die Tabak- und Papiererzeugung. Aber diese Schwierigkeiten mit der Ausfuhr sind nicht ganz unüberwindlich. Infolge der Bedürfnisse der breiten Volksmassen haben wir einen eigenen umfangreichen Markt. Wir müssen die handwerkliche Produktion und gewisse Industriezweige planmäßig wiederherstellen und entwickeln, vor allem zur Befriedigung des eigenen Bedarfs und dann auch für die Ausfuhr. Im Laufe der letzten zwei Jahre, besonders seit der ersten Hälfte des Jahres 1933, begann bereits die Wiederbelebung vieler Zweige der Handwerksproduktion und einzelner Industriezweige, weil wir anfingen, ihnen unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden, und weil sich die Produktionsgenossenschaften der Massen allmählich entwickelten. Es handelt sich dabei vor allem um die Tabak- und Papiererzeugung, die Wolframerzförderung, die Kampfererzeugung, um die Herstellung von Ackergeräten und von Düngemitteln (Kalk u.a.). Überdies darf man in der gegenwärtigen Lage auch die eigene Produktion von Geweben, Medikamenten und Zucker nicht vernachlässigen. Im Grenzgebiet Fukien-Tschekiang-Kiangsi waren in der Vergangenheit manche Industriezweige wie die Papier-, Webwaren und Zuckerfabrikation niemals vorhanden. Gegenwärtig aber werden sie entwickelt, und diese Entwicklung zeitigt schon gute Ergebnisse. Um den Mangel an Kochsalz zu beheben, gewinnt man es dort aus salzhaltiger Erde. Um die Industrie in Gang zu halten, bedarf es einer entsprechenden Planung. Auf der Grundlage der zersplitterten Handwerksindustrie ist aber eine umfassende und genaue Planung selbstverständlich unmöglich. Doch für gewisse wichtige Betriebe, vor allem für jene, die sich in staatlichem oder genossenschaftlichem Besitz befinden, ist ein ziemlich genauer Produktionsplan unbedingt notwendig. Jeder unserer staatlichen oder genossenschaftlichen Industriebetriebe muß gleich bei Beginn seiner Tätigkeit auf eine genaue Einschätzung der Rohstoffquellen und der Absatzmöglichkeiten sowohl in den Gebieten des Feindes als auch in unseren Gebieten Wert legen.
Gegenwärtig ist es besonders notwendig, daß wir den Außenhandel der Bevölkerung planmäßig organisieren und daß der Staat den notwendigen Handel mit gewissen Waren, wie die Einfuhr von Kochsalz und Baumwollstoffen, die Ausfuhr von Getreide und Wolframerz sowie die Regelung der Getreideversorgung innerhalb unserer Gebiete, unmittelbar in seine Hände nimmt. Im Zentralen Gebiet wurde diese Arbeit im Frühjahr 1933, im Grenzgebiet FukienTschekiang-Kiangsi schon früher in Angriff genommen. Durch die
|165| Bildung des Außenhandelsamtes und anderer Institutionen wurden in dieser Richtung bereits die ersten Erfolge erzielt.
Heute besteht unsere Volkswirtschaft aus drei Sektoren: dem staatlichen, dem genossenschaftlichen und dem privaten Sektor.
Die staatlichen Betriebe beschränken sich gegenwärtig auf das, was möglich und notwendig ist. Sowohl die staatliche Industrie als auch der staatliche Handel haben bereits begonnen, sich zu entwickeln, und ihnen eröffnen sich unbegrenzte Perspektiven.
Was die Privatwirtschaft betrifft, behindern wir ihre Tätigkeit nicht, sondern spornen sie an und fördern sie, solange die Privatunternehmer die von der Regierung erlassenen Gesetze nicht überschreiten. Denn die Entwicklung der Privatwirtschaft ist heute im Interesse des Staates und des Volkes notwendig. Gegenwärtig hat die Privatwirtschaft selbstverständlich das absolute Übergewicht und wird ein solches Übergewicht unvermeidlich noch ziemlich lange besitzen. Die Privatwirtschaft in den roten Gebieten besteht gegenwärtig in der Form von kleinen Unternehmen.
Der genossenschaftliche Sektor ist in rascher Entwicklung begriffen. Nach statistischen Angaben gab es in den 17 Kreisen der Provinzen Kiangsi und Fukien im September 1933 insgesamt 1423 verschiedene Genossenschaften mit einem Anteilkapital von mehr als 300000 Yüan. Am stärksten haben sich die Konsum- und Getreidegenossenschaften entwickelt, ihnen folgen die Produktionsgenossenschaften. Die Kreditgenossenschaften haben ihre Tätigkeit eben erst aufgenommen. Im Verlauf ihrer gemeinsamen Tätigkeit wird sich die genossenschaftliche und staatliche Wirtschaft mit der Zeit zu einer gewaltigen wirtschaftlichen Kraft entwickeln, sie wird allmählich das Übergewicht über die Privatwirtschaft erlangen und dieser gegenüber die führende Stellung einnehmen. Deshalb ist es notwendig, gleichzeitig mit der Förderung der Entwicklung der Privatwirtschaft die staatliche Wirtschaft so weit wie möglich zu entwickeln und die genossenschaftliche Wirtschaft in großem Maßstab zu erweitern.
Um die staatliche Wirtschaft zu entwickeln und der genossenschaftlichen Wirtschaft zu helfen, haben wir mit Unterstützung der Volksmassen eine Anleihe für den wirtschaftlichen Aufbau in Höhe von drei Millionen Yüan aufgelegt. Sich in solcher Weise auf die Kraft der Massen zu stützen, ist gegenwärtig der einzig mögliche Weg zur Finanzierung des wirtschaftlichen Aufbaus.
Die Vergrößerung unserer finanziellen Einnahmen durch die Entwicklung der Volkswirtschaft, das ist der Hauptkurs unserer
|166| Finanzpolitik, der im Grenzgebiet Fukien-Tschekiang-Kiangsi bereits augenfällige Ergebnisse gezeitigt hat und auch im Zentralen Gebiet Früchte zu tragen beginnt. Die entschlossene Verwirklichung dieses Kurses ist die Pflicht unserer Finanz- und Wirtschaftsorgane. Im Zusammenhang damit muß höchst aufmerksam darauf geachtet werden, daß die Staatsbank bei der Herausgabe von Banknoten grundsätzlich von den Bedürfnissen der Entwicklung der Volkswirtschaft ausgeht, die rein finanziellen Bedürfnisse aber auf den zweiten Platz verweist.
Bei den Budgetausgaben muß man das Prinzip der Sparsamkeit einhalten. Alle Mitarbeiter der Regierungsinstitutionen müssen begreifen, daß Korruption und Verschwendung schwerste Verbrechen sind. Im Kampf gegen Korruption und Verschwendung sind bereits einige Erfolge erzielt worden, doch man muß weiterhin energisch dagegen vorgehen. Unser Rechnungswesen ist von dem Prinzip geleitet, daß jeder Groschen gespart werden muß für den Krieg und die Revolution, für unseren Wirtschaftsaufbau. Unsere Methoden der Verwendung der Staatseinnahmen müssen sich streng von den Kuomintang-Methoden unterscheiden.
In dem Augenblick, da das ganze Land in eine wirtschaftliche Katastrophe gestürzt ist, da Hunderte Millionen von Menschen unter Hunger und Kälte leiden, hat unsere Volksregierung um des revolutionären Krieges willen, im Interesse der Nation, ungeachtet aller Schwierigkeiten den wirtschaftlichen Aufbau ernsthaft in Angriff genommen. Es ist völlig klar, daß nur unser Sieg über den Imperialismus und über die Kuomintang, nur unsere planmäßige und organisierte Arbeit am wirtschaftlichen Aufbau das ganze chinesische Volk aus der beispiellosen Katastrophe retten kann.

 

ANMERKUNGEN

* Referat des Genossen Mao Tse-tung auf dem 2. Landeskongreß der Arbeiter und Bauerndeputierten, der im Januar 1934 in der Stadt Juidjin, Provinz Kiangsi, stattfand.

1) Im Laufe der ersten ein bis zwei Jahre nach der Schaffung roter Gebiete war nicht selten ein gewisses Absinken der landwirtschaftlichen Produktion zu beobachten, das sich hauptsächlich daraus erklärte, daß in der Zeit der Bodenaufteilung die Eigentumsrechte der Bauern am Grund und Boden noch nicht festgelegt worden waren und sich die neue ökonomische Ordnung noch nicht eingespielt hatte; das führte zeitweilig zu einem gewissen Absinken der Produktionsaktivität der Bauern.

2) Gruppen der gegenseitigen Arbeitshilfe und Feldbestellungsgruppen waren Organisationen einer gegenseitigen Arbeitshilfe, die in den roten Gebieten von den
|167| Bauern auf der Grundlage der individuellen Wirtschaft für die Regelung des Einsatzes ihrer Arbeitskräfte zur Förderung der Produktion gebildet wurden. Der Beitritt zu diesen Gruppen war freiwillig und an die Bedingung des gegenseitigen Nutzens geknüpft: Jede Leistung wurde mit gleicher Gegenleistung vergolten, und alle Differenzen mußten vergütet werden. Die Gruppen dienten nicht nur der gegenseitigen Hilfe unter ihren Mitgliedern, sondern ließen auch den Familien der Rotarmisten eine Vorzugsbehandlung zuteil werden und halfen alleinstehenden alten Leuten mit Arbeitsleistungen aus (ohne dafür, außer Mahlzeiten während der betreffenden Arbeit, ein Entgelt zu fordern). Da sich diese Organisationen als sehr wirkungsvoll für die Hebung der Produktion erwiesen und die von ihnen angewandten Methoden vernünftig waren, erfreuten sie sich einer enthusiastischen Unterstützung seitens der Massen. Darüber hat Genosse Mao Tse-tung in seinen Arbeiten Untersuchung in der Gemeinde Tschanggang" und "Untersuchung in der Gemeinde Tsaihsi" berichtet.

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