Mao Werke


Mao Tse-tung:

ÜBER DIE BERICHTIGUNG FALSCHER ANSICHTEN IN DER PARTEI*

(Dezember 1929)


Diese Version aus: Mao Tse-Tung, Ausgewählte Werke Band I, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1968, S.119-132)


 |119| In der Organisation der Kommunistischen Partei im 4. Korps der Roten Armee gibt es verschiedene unproletarische Ansichten, was die Durchführung der richtigen Parteilinie sehr behindert. Wenn diese Ansichten nicht gründlich berichtigt werden, dann ist das 4. Korps der Roten Armee nicht imstande, die Aufgaben zu erfüllen, die ihm der große revolutionäre Kampf in China stellt. Die verschiedenen falschen Ansichten in der Parteiorganisation des 4. Korps rühren natürlich von der Tatsache her, daß die organisatorische Basis der Partei größtenteils aus Bauern und Leuten anderer kleinbürgerlicher Herkunft besteht; aber das Fehlen eines einmütigen und entschlossenen Kampfes der Parteileitungen gegen diese falschen Ansichten und der Erziehung der Parteimitglieder im Sinne der richtigen Parteilinie ist ebenfalls eine wichtige Ursache für das Bestehen und die Entwicklung solcher falschen Ansichten. Vom Geist des Septemberbriefs des Zentralkomitees geleitet, weist dieser Parteitag hiermit auf die verschiedenen Äußerungen unproletarischer Ansichten in der Parteiorganisation des 4. Korps, auf die Ursachen und die Methoden der Berichtigung solcher Ansichten hin und ruft die Genossen auf, sie restlos zu beseitigen.
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 ÜBER DEN REIN MILITÄRISCHEN GESICHTSPUNKT

 Unter einem Teil der Genossen in der Roten Armee ist ein rein militärischer Gesichtspunkt ungemein verbreitet. Er äußert sich folgendermaßen:
1. Sie betrachten die militärische und die politische Tätigkeit als einander entgegengesetzt und erkennen nicht an, daß die militärische Tätigkeit nur eines der Mittel zur Erfüllung politischer Aufgaben ist. Manche versteigen sich zu der Behauptung: "Wenn militärisch alles gut steht, steht selbstverständlich auch politisch alles gut; wenn es aber militärisch schlecht steht, kann es auch politisch nicht gut stehen." Damit wird noch ein Schritt weitergegangen und das Militärwesen der Politik gegenüber als führend angesehen.
2. Sie meinen, die Aufgabe der Roten Armee sei der der weißen Armee ähnlich und bestünde lediglich im bloßen Kriegführen; sie begreifen nicht, daß die chinesische Rote Armee eine bewaffnete Organisation ist, die politische Aufgaben der Revolution ausführt. Besonders jetzt darf sie sich keinesfalls auf die reine Kriegführung beschränken; neben den Kriegsoperationen zur Vernichtung der militärischen Kräfte des Feindes sind ihr auch andere wichtige Aufgaben übertragen, nämlich: unter den Massen Propaganda zu treiben, sie zu organisieren und zu bewaffnen, ihnen bei der Errichtung der revolutionären Macht und bei der Gründung von Organisationen der Kommunistischen Partei zu helfen. Die Rote Armee führt nicht Krieg um des Krieges willen, sondern um unter den Massen eine Propaganda zu entfalten, sie zu organisieren und zu bewaffnen, ihnen bei der Errichtung der revolutionären Macht zu helfen; losgelöst von diesen Zielen, verliert der Krieg seinen Sinn und die Rote Armee ihre Existenzberechtigung.
3. Auf organisatorischem Gebiet unterstellen sie deshalb die Organe der politischen Arbeit in der Roten Armee den Militärorganen
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4. Gleichzeitig übersehen sie bei der Propagandaarbeit die Bedeutung der Propagandatrupps. Bei der Organisierung der Massen vernachlässigen sie die Bildung von Soldatenkomitees in der Armee sowie die Vereinigung der örtlichen Arbeiter- und Bauernmassen; infolgedessen wird die Propaganda- und Organisationsarbeit so gut wie aufgegeben.
5. Im Falle eines Sieges werden sie überheblich, im Falle eines Mißerfolges sind sie niedergeschlagen.
6. Ressortgeist. Sie gehen an alles nur im Interesse des 4. Korps heran und begreifen nicht, daß eine der wichtigen Aufgaben der Roten Armee darin besteht, die örtlichen Massen zu bewaffnen; das ist Gruppenwesen in erweiterter Form.
7. Abgekapselt in dem begrenzten Milieu des 4. Korps, glauben einige wenige Genossen, es gäbe außer ihnen selbst überhaupt keine anderen revolutionären Kräfte. Infolgedessen findet unter ihnen die Idee, ihre Kräfte zu bewahren und Kampfhandlungen auszuweichen, ungemein starke Verbreitung. Das sind Überreste des Opportunismus.
8. Einige Genossen berücksichtigen nicht die subjektiven und objektiven Bedingungen, sind voller revolutionärer Fiebrigkeit; sie wollen keine mühselige, umsichtige Kleinarbeit unter den Massen leisten, schwelgen in Illusionen und wollen nur große Taten vollbringen. Das sind Überreste des Putschismus.[1]
Ursachen des rein militärischen Gesichtspunktes:
1. Niedriges politisches Niveau. Infolgedessen erkennt man nicht die Rolle der politischen Führung in der Armee sowie den grundlegenden Unterschied zwischen der Roten Armee und den weißen Armeen.
2. Söldnermentalität. Da nach jedem Gefecht sehr viele Gefangene in die Rote Armee aufgenommen wurden, die eine ausgesprochene Söldnermentalität mitbrachten, ergab sich in den unteren Einheiten die Grundlage für einen rein militärischen Gesichtspunkt.
3. Aus diesen beiden Ursachen ergibt sich die dritte, nämlich: übermäßiger Glaube an die militärischen Kräfte und kein Vertrauen zur Kraft der Volksmassen.
|122|  4. Daß die Partei der militärischen Arbeit keine intensive Aufmerksamkeit zuwandte und darüber nicht sorgfältig diskutierte, ist ebenfalls eine Ursache für die Herausbildung des rein militärischen Gesichtspunktes bei einem Teil der Genossen.
Methoden der Berichtigung:
1. Durch Erziehungsarbeit muß man das politische Niveau in der Partei heben, die theoretischen Wurzeln des rein militärischen Gesichtspunktes ausrotten, den grundlegenden Unterschied zwischen der Roten Armee und den weißen Armeen klarstellen. Gleichzeitig sind auch die Überreste von Opportunismus und Putschismus zu beseitigen und ist dem Ressortgeist des 4. Korps ein Ende zu machen.
2. Die politische Ausbildung der Offiziere und Mannschaften, besonders die Schulung ehemaliger Gefangener, muß intensiviert werden. Gleichzeitig müssen die örtlichen Machtorgane nach Möglichkeit kampferfahrene Arbeiter und Bauern auswählen und in die Rote Armee schicken, damit der rein militärische Gesichtspunkt organisatorisch geschwächt wird, bis er mit Stumpf und Stiel ausgerottet ist.
3. Die örtlichen Parteiorganisationen sind zur Kritik an den Parteiorganisationen der Roten Armee und die Machtorgane der Volksmassen zur Kritik an der Roten Armee aufzurufen, um auf die Parteiorganisationen sowie auf die Offiziere und Mannschaften der Roten Armee einzuwirken.
4. Die Partei muß der militärischen Arbeit intensive Aufmerksamkeit schenken und über sie sorgfältig diskutieren. Jede Tätigkeit wird erst von den Massen durchgeführt, nachdem sie von der Parteiorganisation diskutiert und beschlossen worden ist.
5. Es sind Regeln und Vorschriften auszuarbeiten, die die Aufgaben der Roten Armee, die Beziehungen zwischen ihren militärischen und politischen Organen, die Beziehungen zwischen der Roten Armee und den Volksmassen, die Befugnisse der Soldatenkomitees und deren Beziehungen zu den militärischen und politischen Organen klar festlegen.

 ÜBER DIE EXTREME DEMOKRATISIERUNG

 Nach Eingang der Anweisungen des Zentralkomitees sind Erscheinungen der extremen Demokratisierung im 4. Korps der Roten Armee bedeutend seltener geworden. Zum Beispiel können die Beschlüsse der Partei leichter durchgeführt werden; niemand erhebt mehr die falschen Forderungen: in der Roten Armee wäre ein sogenannter "demokratischer Zentralismus von unten nach oben" durchzuführen, oder man müßte "zunächst unten diskutieren und dann oben Beschlüsse fassen" usw. Tatsächlich aber ist der Rückgang dieser Erscheinungen nur vorübergehend und oberflächlich und bedeutet keineswegs die Ausmerzung solcher Ansichten. Das heißt, daß die extreme Demokratisierung noch tief in den Köpfen vieler Genossen verwurzelt ist. Ein Beweis dafür ist, daß sich z. B. auf verschiedene Weise ein Widerstreben bei der Durchführung von Beschlüssen der Partei zeigt.
Methoden der Berichtigung:
1. Die Wurzeln der extremen Demokratisierung müssen von der Theorie her beseitigt werden. Vor allen Dingen muß man auf die Gefahr der extremen Demokratisierung hinweisen, nämlich darauf, daß diese die Parteiorganisation schädigt oder sogar völlig zerstört und die Kampfkraft der Partei schwächt oder sogar völlig untergräbt, so daß die Partei nicht mehr imstande ist, ihre Kampfaufgaben zu erfüllen, wodurch eine Niederlage der Revolution herbeigeführt wird. Ferner muß man feststellen, daß die Wurzeln der extremen Demokratisierung in der kleinbürgerlichen individualistischen Undiszipliniertheit zu suchen sind. Wenn diese Haltung in die Partei hineingetragen wird, so entwickelt sie sich politisch und organisatorisch zu ultrademokratischen Ansichten. Solche Ansichten sind mit den Kampfaufgaben des Proletariats von Grund aus unvereinbar.
2. In organisatorischer Hinsicht ist ein demokratisches Leben unter zentralisierter Führung zu gewährleisten. Dabei sind folgende Linien einzuhalten:
(1) Die Parteileitungen müssen eine korrekte richtungweisende Linie festlegen, sie müssen für jedes Problem eine Lösung finden, um so zu führenden Zentren zu werden.
(2) Die Parteileitungen auf höherer Ebene müssen sich mit der Lage in den Parteileitungen auf den unteren Ebenen und mit dem Leben der Massen vertraut machen, um auf diese Weise die objektive Grundlage für eine richtige Führung zu erhalten.
(3) Die Parteileitungen aller Stufen dürfen bei der Lösung der Probleme keine unüberlegten Entscheidungen treffen. Ist ein Beschluß einmal gefaßt, muß er strikt durchgeführt werden.
|124| (4) Alle wichtigen Beschlüsse der oberen Parteileitungen sind den unteren Leitungen und der Masse der Parteimitglieder rasch zur Kenntnis zu bringen. Die Methode besteht darin, daß man Aktivistenversammlungen, Versammlungen der Parteizellen oder sogar (falls es die Umstände erlauben) Parteiversammlungen der Kolonne einberuft, zu denen von oben Referenten entsandt werden.
(5) Die unteren Parteileitungen und die Parteimitglieder müssen die Anweisungen der oberen Leitungen in allen Einzelheiten diskutieren, um ihren Sinn voll und ganz zu verstehen und die Methoden ihrer Durchführung zu bestimmen.

 ÜBER MISSACHTUNG DER ORGANISATIONSDISZIPLIN

 Die Mißachtung der organisatorischen Disziplin in der Parteiorganisation des 4. Korps äußert sich folgendermaßen:
A. Die Minderheit fügt sich nicht der Mehrheit. Wird beispielsweise ein Antrag der Minderheit abgelehnt, führt diese den Beschluß der Parteiorganisation nicht ehrlich durch.
Methoden der Berichtigung:
1. In den Versammlungen sollen alle Anwesenden ermutigt werden, ihre Meinung voll auszusprechen. Bei allen strittigen Fragen muß man ohne Kompromiß und Oberflächlichkeit klarstellen, was richtig und was falsch ist. Um eine klare Schlußfolgerung zu erreichen, muß eine Frage, wenn sie auf einer Versammlung nicht gelöst werden kann, auf einer zweiten diskutiert werden, vorausgesetzt, daß die Arbeit dadurch nicht behindert wird.
2. Zur Parteidisziplin gehört auch, daß sich die Minderheit der Mehrheit fügt. Wird die Ansicht der Minderheit abgelehnt, muß diese den von der Mehrheit angenommenen Beschluß unterstützen. Nötigenfalls kann sie die Angelegenheit in der nächsten Versammlung erneut zur Sprache bringen; abgesehen davon sind aber alle dem gefaßten Beschluß zuwiderlaufenden Handlungen unzulässig.
B. Eine Kritik, bei der die organisatorische Disziplin mißachtet wird.
1. Die innerparteiliche Kritik ist eine Waffe zur Festigung der Parteiorganisation und zur Stärkung der Kampffähigkeit der Partei. In der Parteiorganisation der Roten Armee trägt die Kritik jedoch
|125| manchmal nicht diesen Charakter, sondern verwandelt sich in persönliche Angriffe. Das Ergebnis ist, daß nicht nur einzelne Menschen, sondern auch die Parteiorganisation Schaden erleidet. Darin äußert sich ein kleinbürgerlicher Individua1ismus. Die Methode der Berichtigung dieses Fehlers: Man muß den Parteimitgliedern begreiflich machen, daß die Kritik den Zweck hat, die Kampffähigkeit der Partei zu steigern, um den Sieg im Klassenkampf zu erringen, und nicht als Werkzeug für persönliche Angriffe benutzt werden darf.
2. Viele Parteimitglieder üben Kritik nicht innerhalb, sondern außerhalb der Partei. Das erklärt sich dadurch, daß die Parteimitglieder im allgemeinen noch nicht die Bedeutung der Parteiorganisation (der Versammlungen usw.) begriffen haben und keinen Unterschied zwischen einer Kritik innerhalb und einer solchen außerhalb der Organisation sehen. Die Methode der Berichtigung besteht darin, die Parteimitglieder dazu zu erziehen, daß sie die Wichtigkeit der Parteiorganisation erkennen und ihre Kritik an Parteikomitees oder an einzelnen Genossen auf Parteiversammlungen vorbringen.

 ÜBER ABSOLUTE GLEICHMACHEREI

 Absolute Gleichmacherei war in der Roten Armee eine Zeitlang in einem ernsten Ausmaß verbreitet. So war man beispielsweise bei der Auszahlung von Taschengeld an verwundete Soldaten dagegen, zwischen Leicht- und Schwerverwundeten einen Unterschied zu machen, und forderte den gleichen Betrag für alle. Wenn ein Offizier ritt, so wollte man nicht einsehen, daß das zur Erfüllung seiner Dienstpflichten nötig war, sondern sah darin eine Erscheinungsform der Ungleichheit. Bei der Verteilung forderte man extreme Gleichmacherei, ohne Sonderfälle, wo mehr zugeteilt werden mußte, zu berücksichtigen. Auch wurde gefordert, daß alle die gleiche Menge Reis auf dem Rücken trugen, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob es sich um einen Erwachsenen oder um ein Kind handelte, ob einer stärker oder schwächer war. Bei der Unterbringung der Truppen wurde gefordert, daß allen der gleiche Raum zugeteilt wurde, und hatte der Stab einen etwas größeren Raum, begann man zu schimpfen. Im Dienst forderte man gleiche Aufgaben für alle und verweigerte jede Extraarbeit. Wenn für zwei Verwundete nur eine Tragbahre vorhanden war, kam es sogar vor, daß man lieber keinen als nur einen
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Wie die extreme Demokratisierung auf politischem Gebiet, ist auch die absolute Gleichmacherei Produkt der handwerklichen und kleinbäuerlichen Wirtschaft; der einzige Unterschied besteht darin, daß sich die absolute Gleichmacherei im materiellen Leben äußert, während die extreme Demokratisierung im politischen Leben auftritt.
Methoden der Berichtigung: Man muß darauf hinweisen, daß absolute Gleichmacherei nicht nur in der Periode, da der Kapitalismus noch nicht vernichtet ist, eine reine Illusion der Bauern und Kleineigentümer ist; selbst im Sozialismus werden die materiellen Güter nach dem Prinzip "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung" und je nach den Erfordernissen der Arbeit verteilt und kann es keinesfalls eine sogenannte absolute Gleichheit geben. Die materiellen Güter müssen im großen und ganzen zu gleichen Teilen unter den Angehörigen der Roten Armee verteilt werden, zum Beispiel gleicher Sold für Offiziere und Soldaten, weil das in der gegenwärtigen Kampflage erforderlich ist. Eine absolute Gleichmacherei ohne jeden triftigen Grund ist jedoch zu bekämpfen, weil sie für den Kampf nicht erforderlich ist, sondern im Gegenteil den Kampf behindert.

 ÜBER DEN SUBJEKTIVISMUS

 Gewisse Parteimitglieder sind stark mit Subjektivismus behaftet. Das wirkt sich auf die Analyse der politischen Lage und auf die Leitung der Arbeit äußerst ungünstig aus. Eine subjektivistische Analyse der politischen Lage und Subjektivismus in der Leitung der Arbeit führen unvermeidlich entweder zu Opportunismus oder zu Putschismus. Subjektivistische Kritik, unbegründeter Klatsch und gegenseitiger Argwohn in der Partei führen oft zu prinzipienlosen Zwistigkeiten und zum Zerfall der Parteiorganisationen.
Was die innerparteiliche Kritik betrifft, ist noch ein weiterer Punkt zu erwähnen, nämlich: Einige Genossen richten, wenn sie Kritik üben, ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Hauptsache, sondern nur auf die Nebenumstände. Sie begreifen nicht, daß es Hauptaufgabe der Kritik ist, auf politische und organisatorische Fehler hinzuweisen. Persönliche Mängel sollen, wenn sie nicht mit politischen oder orga-
|127| nisatorischen Fehlern verbunden sind, nicht allzuviel getadelt werden, damit die Genossen nicht in Verlegenheit geraten. Mehr noch, wenn sich eine solche Kritik entfaltet, dann wird sich die Aufmerksamkeit in der Partei aussch1ieß1ich auf kleine Mängel konzentrieren, die Menschen werden ängstlich und übervorsichtig werden und die politischen Aufgaben der Partei vergessen; darin liegt eine große Gefahr.
Methoden der Berichtigung: Die Hauptsache ist, die Parteimitglieder so zu erziehen, daß ihr Denken und das innerparteiliche Leben von einem politischen und wissenschaftlichen Geist durchdrungen sind. Um dieses Ziel zu erreichen, muß man: I. die Parteimitglieder lehren, mit der marxistisch-leninistischen Methode die politische Lage zu analysieren und die Klassenkräfte einzuschätzen, statt sich subjektivistischer Analysen und Einschätzungen zu bedienen; 2. die Aufmerksamkeit der Parteimitglieder auf sozial-ökonomische Untersuchungen und Forschungen 1enken, damit sie davon ausgehend die Kampftaktik und die Arbeitsmethoden festlegen können; die Genossen zur Erkenntnis bringen, daß sie ohne das Studium der praktischen Umstände in den Abgrund der Phantasterei und des blinden Draufgängertums stürzen werden; ;. sich bei der innerparteilichen Kritik vor Subjektivismus, Willkür und Vulgarisierung der Kritik hüten; jede Meinungsäußerung muß auf Tatsachen beruhen, die Kritik muß den politischen Aspekt betonen.

 ÜBER DEN INDIVIDUALISMUS

 Individualistische Tendenzen in den Parteiorganisationen der Roten Armee zeigen sich in folgendem:
1. Rachsucht. Wird ein Parteimitglied innerhalb der Partei von einem Genossen, der ein Soldat ist, kritisiert, sucht es außerhalb der Partei Gelegenheit, sich an ihm zu rächen; Schläge und Schimpfworte sind eines der Mittel der Rache. Vergeltung wird auch innerhalb der Partei gesucht. "Hast du mich in dieser Versammlung kritisiert, so werde ich in der nächsten Versammlung ebenfalls einen Anlaß finden, um an dir etwas auszusetzen und mich zu rächen." Eine derartige Rachsucht entsteht ausschließlich durch persönliche Erwägungen, sie erkennt weder die Klasseninteressen noch die Interessen der Gesamtpartei an. Sie ist nicht gegen die feindlichen Klassen, sondern gegen
|128| Einzelpersonen in den eigenen Reihen gerichtet. Wie ein Ätzmittel zerfrißt sie die Organisation und schwächt ihre Kampffähigkeit.
2. Gruppenwesen. Wenn man sich nur um die Interessen der eigenen kleinen Gruppe kümmert und die allgemeinen Interessen vernachlässigt, so birgt das, auch wenn es, oberflächlich gesehen, nicht im Interesse einer Einzelperson geschieht, in Wirklichkeit doch einen äußerst engstirnigen Individualismus in sich und wirkt ebenso sehr zersetzend und zentrifugal. Seit jeher hat in der Roten Armee der Gruppengeist üppige Blüten getrieben; durch Kritik hat sich die Lage jetzt zwar etwas gebessert, aber Überreste dieser Mentalität bestehen noch, und zu ihrer Überwindung sind weitere Anstrengungen erforderlich.
3. Söldnermentalität. Es gibt Genossen, die nicht begreifen, daß die Partei und die Rote Armee, denen sie angehören, Werkzeuge zur Durchführung der Aufgaben der Revolution sind. Sie erkennen nicht, daß sie selber berufen sind, die Revolution durchzuführen, und glauben, daß sie ausschließlich vor ihren Vorgesetzten, nicht aber vor der Revolution die Verantwortung tragen. Diese passive Söldnermentalität in bezug auf die Revolution ist ebenfalls eine Erscheinungsform des Individualismus. Aus ihr erklärt sich, warum wir nicht sehr viel Aktivisten haben, die vorbehaltlos der Revolution dienen: Wenn wir die Söldnermentalität nicht liquidieren, wird die Zahl der Aktivisten nicht wachsen, und die ganze Schwere der Aufgaben der Revolution wird nach wie vor auf den Schultern weniger ruhen. Das würde sich sehr ungünstig auf den Kampf auswirken.
4. Genußsucht. In der Roten Armee gibt es auch nicht wenige, bei denen der Individualismus als Genußsucht in Erscheinung tritt. Sie hoffen stets, daß ihre Einheiten in Großstädte einmarschieren werden. Sie wollen dorthin nicht der Arbeit, sondern der Vergnügungen wegen gehen. Die Arbeit in den roten Gebieten, wo die Lebensbedingungen schwer sind, sagt ihnen gar nicht zu.
5. Passivität und Lässigkeit. Geht etwas nicht nach Wunsch, wird man passiv und weigert sich, zu arbeiten. Die Ursache dafür ist im wesentlichen mangelnde Erziehungsarbeit, aber manchmal liegt es auch an der ungeeigneten Art, in der die führenden Funktionäre Probleme behandeln, die Arbeit verteilen oder die Disziplin durchsetzen.
6. Das Verlangen, aus der Armee auszuscheiden. Mit jedem Tag wächst die Zahl von Angehörigen der Roten Armee, die um Zuweisung einer zivilen Tätigkeit bitten. Das ist nicht immer auf
|129| Ursachen rein persönlicher Natur zurückzuführen, sondern erklärt sich auch daraus, daß (1) die materiellen Lebensbedingungen in der Roten Armee zu schlecht sind, (2) man im langwierigen Kampf ermüdet ist, (3) die Führer in ungeeigneter Weise an die Behandlung der Probleme, an die Verteilung der Arbeit oder an die Durchsetzung der Disziplin herangehen.
Methoden der Berichtigung:
Vor allem ist die Erziehungsarbeit zu intensivieren, um von der Ideologie her den Individualismus zu überwinden. Dann muß bei der Behandlung der Probleme, bei der Verteilung der Arbeit und beim Durchsetzen der Disziplin richtig vorgegangen werden. Zugleich müssen Maßnahmen zur Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen der Roten Armee getroffen werden; jede Gelegenheit ist zu nutzen, damit sich die Truppen ausruhen und konsolidieren können, so daß sich ihre materiellen Bedingungen verbessern. Der Individualismus, wie er in der Partei in Erscheinung tritt, hat seinen gesellschaftlichen Ursprung in der kleinbürgerlichen und bürgerlichen Ideologie. Das muß bei unserer Erziehungsarbeit klargestellt werden.

 ÜBER DIE MENTALITÄT UMHERSCHWEIFENDER REBELLENHAUFEN

 Da es in der Roten Armee eine große Zahl vagabundierender Elemente gibt und im ganzen Land, besonders in den südlichen Provinzen, große Massen solcher Elemente umherziehen, ist in der Roten Armee die politische Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen entstanden.
Diese Mentalität äußert sich folgendermaßen:
(1) Man ist nicht gewillt, durch mühselige Arbeit Stützpunktgebiete zu schaffen und die politische Macht der Volksmassen zu errichten, um dadurch unseren politischen Einfluß auszudehnen, sondern gedenkt, diesen nur mit den Methoden beweglicher Partisanenoperationen zu erweitern. (2) Bei der Erweiterung der Roten Armee folgt man der Linie der "Rekrutierung von Roß und Reiter" und der "Anwerbung von Überläufern und Aufnahme von Meuterern", anstatt sich an die Linie einer Erweiterung der regulären Roten Armee über die Erweiterung der örtlichen Roten Garde und der örtlichen Einheiten der Roten Armee zu halten. (3) Man bringt nicht die Geduld auf, gemeinsam mit den Massen den schweren Kampf zu führen,
|130| sondern wünscht in große Städte zu kommen, um dort zu schmausen und zu zechen.
Alle diese Erscheinungsformen der Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen hindern die Rote Armee im höchsten Maße an der Durchführung ihrer richtigen Aufgaben, und deshalb ist die Ausmerzung dieser Mentalität eines der Hauptziele des ideologischen Kampfes innerhalb der Parteiorganisation der Roten Armee. Man muß begreifen, daß die Mentalität solcher aus der Geschichte bekannten im Lande umherziehenden Rebellen wie Huang Tschao [2] oder Li Tschuang [3] in der gegenwärtigen Situation unzulässig ist.
Methoden der Berichtigung:
1. Die Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen durch verstärkte Erziehungsarbeit und durch Kritik falscher Ansichten liquidieren.
2. Unter jenen Truppen, die den Stamm der Roten Armee bilden, sowie unter jenen Gefangenen, die kürzlich in die Rote Armee aufgenommen wurden, die Erziehungsarbeit zur Überwindung der Landstreichermentalität verstärken.
3. Kampferfahrene Aktivisten aus den Reihen der Arbeiter und Bauern in die Rote Armee eingliedern, um deren klassenmäßige Zusammensetzung zu ändern.
4. Aus den Massen der kämpfenden Arbeiter und Bauern neue Truppeneinheiten der Roten Armee aufstellen.

 ÜBER DIE ÜBERRESTE DES PUTSCHISMUS

 In der Parteiorganisation der Roten Armee wurde zwar ein Kampf gegen den Putschismus geführt, aber noch nicht in ausreichendem Maße. Deshalb gibt es in der Roten Armee noch Überreste von putschistischen Ansichten. Sie äußern sich: (1) in Operationen, die blindlings, ohne Berücksichtigung der subjektiven und objektiven Bedingungen durchgeführt werden; (2) in der unzulänglichen und unentschlossenen Durchführung unserer Politik in bezug auf die Städte;(3) in der Lockerung der militärischen Disziplin, vor allem im Augenblick militärischer Niederlagen;(4.) in dem von einigen Einheiten noch zuweilen praktizierten Niederbrennen von Häusern;(5) im Erschießen von Deserteuren und in Körperstrafen, worin sich ebenfalls Züge des Putschismus zeigen. Seinem gesellschaftlichen
|131| Ursprung nach ist der Putschismus eine Verschmelzung der Ideologie des Lumpenproletariats mit der des Kleinbürgertums.
Methoden der Berichtigung:
1. Den Putschismus von der Ideologie her beseitigen.
2. Putschistische Aktionen durch Vorschriften und politische Richtlinien korrigieren. 

ANMERKUNGEN:

  *Die vorliegende Schrift ist ein Resolutionsentwurf, den Genosse Mao Tse-tung für den 9. Parteitag des 4. Korps der Roten Armee ausgearbeitet hat. Die Armee des chinesischen Volkes hat bei ihrem Aufbau einen schwierigen Weg zurückgelegt. Die chinesische Rote Armee (in der Periode des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression Achte Route-Armee und Neue Vierte Armee, heute Volksbefreiungsarmee genannt) wurde am 1. August 1927 während des Nantschang-Aufstandes gegründet. Im Dezember 1929 waren seither mehr als zwei Jahre vergangen. Während dieser zeit hatten die Parteiorganisationen der Roten Armee im Kampf gegen verschiedene falsche Ansichten vieles gelernt und ziemlich reiche Erfahrungen gesammelt. In der von Genossen Mao Tse-tung ausgearbeiteten Resolution sind diese Erfahrungen zusammengefaßt. Diese Resolution trug dazu bei, die Rote Armee völlig auf eine marxistisch-leninistische Grundlage zu stellen und den Einfluß aller Armeen alten Typs zu beseitigen. Die Resolution wurde nicht nur in dem 4. Korps, sondern nach und nach auch in den anderen Einheiten der Roten Armee in die Tat umgesetzt; dadurch verwandelte sich die gesamte chinesische Rote Armee in jeder Hinsicht in eine wahre Volksarmee. In mehr als 20 Jahren erfuhr sowohl die Parteiarbeit als auch die politische Arbeit in den Einheiten der bewaffneten Kräfte des chinesischen Volkes eine breite Entfaltung, wobei viel Neues geschaffen wurde, so daß diese Arbeit heute ein völlig neues Gepräge hat, aber die Grundlinie bleibt dieselbe, wie sie in dieser Resolution festgelegt wurde.

1) Nach der Niederlage der Revolution im Jahre 1927 traten in der Kommunistischen Partei Chinas für kurze Zeit "links"putschistische Tendenzen in Erscheinung. Die Anhänger des Putschismus waren der Meinung, daß die chinesische Revolution ihrem Charakter nach eine "permanente Revolution" und die revolutionäre Situation in China ein "ununterbrochener Aufschwung" sei. Deshalb lehnten sie es ab, einen geordneten Rückzug zu organisieren, und fälschlicherweise versuchten sie, mit der Methode des Kommandierens - nur auf wenige Mitglieder der Partei und auf einen unbedeutenden Teil der Massen gestützt - im ganzen Land eine Reihe lokaler Aufstände zu organisieren, die nicht die geringste Aussicht auf Erfolg hatten. Ende 19z7 waren solche putschistischen Aktionen weit verbreitet, aber Anfang 19z8 hörten sie allmählich auf. Bei einzelnen Parteimitgliedern blieben jedoch derartige Stimmungen erhalten. Putschismus ist Abenteurertum.

2) Huang Tschao, aus Yüandjü, Bezirk Tsaodschou (heute Kreis Hodsö, Provinz Schantung), gebürtig, war Führer eines Bauernaufstands gegen Ende der Tang-Dynastie (618-907). Im Jahre 87f sammelte Huang Tschao das Volk um sich und schloß sich dem Aufstand unter Führung Wang Hsiän-dschis an. Nachdem Wang Hsiän-dschi getötet worden war, vereinigte Huang Tschao die Reste von dessen Truppen mit seinen eigenen Streitkräften und ließ sich zum "großen Feldherrn, der den Himmel stürmt", ausrufen. Zweimal zog er mit seinen aufständischen Truppen weit über die Grenzen der Provinz Schantung hinaus. Im ersten Feldzug wandte sich Huang Tschao aus seiner Heimatprovinz erst nach Honan, dann nach Anhui und Hupeh, von wo er nach Schantung zurückkehrte. Der zweite Feldzug brachte ihn von Schantung über Honan nach Kiangsi, von wo er durch Osttschekiang in die Provinzen Fukien und Kuangtung einrückte; von da aus ging er über Kuangsi und Hunan nach der Provinz Hupeh weiter, von wo er sich dann ostwärts, nach den Provinzen Anhui, Tschekiang usw. wandte. Danach überquerte er den Huai-Fluß, rückte in Honan ein, besetzte die Stadt Loyang, erstürmte den Paß von Tungguan und nahm schließlich die Stadt Tschang-an (das heutige Sian, Provinz Schensi) ein. Nach der Eroberung der Stadt Tschang-an gründete er den Staat Tji und ließ sich zum Kaiser ausrufen. Später mußte Huang Tschao infolge innerer Zwistigkeiten (sein Feldherr Dschu Wen ergab sich dem Tang-Kaiser) und infolge der Angriffe der Truppen Li Kö-yungs, des Führers des Schatuo-Stammes, Tschang-an aufgeben; über Honan kehrte er nach Schantung zurück. Nach seiner Niederlage machte Huang Tschao seinem Leben durch Selbstmord ein Ende. Der Krieg, der Huang Tschao zehn Jahre lang führte, ist einer der bekanntesten Bauernkriege in der Geschichte Chinas. In den offiziellen Chroniken der alten herrschenden Klassen heißt es von Huang Tschao, daß damals "alle Menschen, die unter den drückenden Abgaben litten, ihm zuströmten". Huang Tschao beschränkte sich jedoch auf eine bewegliche Kriegführung und schuf keine mehr oder minder festen Stützpunktgebiete. Seine Aufständischen wurden daher als "umherschweifende Rebellen" bezeichnet.

3) Li Tschuang, auch Li Dsi-tscheng genannt, der aus dem Kreis Midschi, Provinz Schensi, stammte, war Führer eines Bauernaufstands gegen Ende der Ming-Dynastie (1363-l644). Im Jahre l628 ging eine Welle von Bauernaufständen durch Nordschensi, Li Dsi-tscheng schloß sich den Aufständischen unter Gao Ying-hsiang an, zog von Schensi über Honan nach Anhui und kehrte von dort nach Schensi zurück. Gac Ying-hsiang starb 1636, und Li Dsi-tscheng wurde dann unter dem Namen Tschuang zum König ausgerufen. Eine wichtige Losung, mit der sich Li Dsi-tscheng an das Volk wandte, war: "Wer für König Tschuang ist, leistet keine Abgaben." Li Dsi-tscheng hielt in seiner Armee eine strenge Disziplin aufrecht. Sein Motto war: "Wer einen Mann tötet, wird wie der Mörder meines eigenen Vaters behandelt. Wird eine Frau vergewaltigt, so ist, das, als hätte man meine Mutter vergewaltigt." Li Dsi-tscheng hatte daher sehr viele Anhänger, und seine Bewegung bildete die Hauptströmung der Bauernaufstände der damaligen Zeit. Aber auch er schuf keine mehr oder minder festen Stützpunktgebiete und zog unstet von Ort zu Ort. Nachdem er zurr König ausgerufen worden war, führte er seine Truppen in die Provinz Szetschuan, wandte sich von dort nach Südschensi, durchquerte sodann Hupeh und rückte abernah in Honan ein. Bald darauf besetzte er die Stadt Hsiangyang in der Provinz Hupel und kehrte über Honan erneut nach Schensi zurück, wo er Sian einnahm. Im Jahre l644 durchzog er die Provinz Schansi und eroberte Peking, wurde aber bald darauf von den vereinten Kräften Wu San-guis, eines Feldherrn der Ming-Dynastie, und dei Tjing-Truppen geschlagen.

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