Mao Werke


Mao Tse-tung:

DIE CHINESISCHE REVOLUTION UND DIE KOMMUNISTISCHE PARTEI CHINAS*

 

* Die Schrift "Die chinesische Revolution und die Kommunistische Partei Chinas" ist ein Lehrbuch, das von Genossen Mao Tse-tung zusammen mit einigen anderen Genossen in Yenan Ende 1939 ausgearbeitet wurde. Das 1. Kapitel "Die chinesische Gesellschaft" wurde von diesen Genossen entworfen und dann von Genossen Mao Tse-tung überarbeitet. Das 2. Kapitel "Die chinesische Revolution" schrieb Genosse Mao Tse-tung persönlich. Ein 3. Kapitel, das unter dem Titel "Der Parteiaufbau vorgesehen war, fiel aus, da die Genossen, die damit beauftragt waren, es nicht beendeten. Doch auch die beiden vorhandenen Kapitel, insbesondere das zweite, spielten eine gewaltige erzieherische Rolle in der Kommunistischen Partei Chinas und unter dem chinesischen Volk. Die Ansichten über die neue Demokratie, die Genosse Mao Tse-tung im 2. Kapitel dieser Arbeit äußert, hat er in der Schrift "Über die Neue Demokratie", die er im Januar 1940 geschrieben hat, bedeutend weiterentwickelt.

 

(Dezember 1933)

 

KAPITEL l

 

DIE CHINESISCHE GESELLSCHAFT

1. DIE CHINESISCHE NATION

Unser China ist eins der größten Länder der Welt, sein Territorium ist fast ebensogroß wie das von ganz Europa. Über dieses riesige Gebiet erstrecken sich weite Flächen fruchtbaren Bodens, die uns Nahrung und Kleidung geben; große und kleine Bergketten mit riesigen Wäldern und reichen Vorkommen an Bodenschätzen ziehen sich kreuz und quer durch das ganze Land; zahlreiche Flüsse und Seen begünstigen Schiffahrt und Bewässerung; die lange Meeresküste erleichtert uns den Verkehr mit überseeischen Nationen. Seit uralten Zeiten haben die Vorfahren unserer chinesischen Nation in diesem riesigen Land gearbeitet, gelebt und sich vermehrt.

Die Staatsgrenze Chinas ist gegenwärtig folgende: Im Nordosten, Nordwesten und zum Teil im Westen grenzt China an die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, im Norden an die Mongolische Volksrepublik, im Südwesten und zum Teil im Westen an Afghanistan, Indien, Bhutan und Nepal, im Süden an Burma und Vietnam; im Osten grenzt China an Korea und hat Japan und die Philippinen zu Nachbarn. Eine solche geographische Lage schafft für die Revolution des chinesischen Volkes sowohl günstige als auch ungünstige äußere Bedingungen. Zu den günstigen Bedingungen zählt, daß China an die Sowjetunion grenzt, während die wichtigsten imperialistischen Staaten Europas und Amerikas ziemlich weit von uns entfernt liegen, und daß viele der uns umgebenden Länder Kolonien oder Halbkolonien sind. Ungünstig dagegen ist, daß der japanische Imperialismus unter Ausnutzung seiner geographischen Nähe zu China ständig die Existenz aller Nationalitäten Chinas sowie die Revolution des chinesischen Volkes bedroht.

Die Bevölkerung unseres Landes zählt gegenwärtig 450 Millionen Menschen, das heißt fast ein Viertel der Bevölkerung des gesamten Erdballs. Über 90 Prozent von ihnen gehören zur Nationalität der Han. Außerdem leben in China noch Dutzende nationale Minderheiten, darunter Mongolen, Hui, Tibeter, Uiguren, Miao, Yi, Dschuang, Dschungdjia und Koreaner. Der Stand ihrer kulturellen Entwicklung ist unterschiedlich, jede dieser Nationalitäten hat ihre eigene lange Geschichte. China ist also ein Land mit einer riesigen Bevölkerung, die sich aus vielen Nationalitäten zusammensetzt.

Im Verlauf ihrer Entwicklung durchlebte die chinesische Nation (hier beziehen wir uns hauptsächlich auf die Entwicklung der Han-Nationalität) ebenso wie viele andere Nationen der Welt eine Zehntausende von Jahren währende Periode der klassenlosen Urgesellschaft. Seit dem Zerfall der Urgesellschaft und ihrem Übergang zur Klassengesellschaft sind - über die Sklavenhaltergesellschaft und Feudalgesellschaft - bis zum heutigen Tag rund 4000 Jahre vergangen. In der Geschichte der Zivilisation der chinesischen Nation war China von alters her durch seine hochentwickelte Landwirtschaft und handwerkliche Produktion berühmt. Es brachte viele bedeutende Denker, Wissenschaftler, Erfinder, Politiker, Strategen, Schriftsteller und Künstler hervor, und wir verfügen über einen reichen Bestand an klassischen Büchern. Schon vor sehr langer Zeit wurde in China der Kompaß1, vor 1800 Jahren das Verfahren für die Herstellung von Papier2, vor 1300 Jahren der Holztafeldruck3, vor 800 Jahren der Druck mit beweglichen Lettern4 erfunden. Auch das Schießpulver wandten die Chinesen vor den Europäern an5. China ist also eins der Länder der Welt mit ältester Zivilisation, es hat eine schriftlich belegte Geschichte von fast 4000 Jahren.

Die chinesische Nation ist der ganzen Welt nicht nur durch ihren Fleiß und ihre Ausdauer bekannt, sondern zugleich als eine Nation, die die Freiheit zutiefst liebt und reiche revolutionäre Traditionen besitzt. Die Geschichte der Han zeugt beispielsweise davon, daß das chinesische Volk sich niemals der Herrschaft finsterer Kräfte unterworfen, sondern jedesmal auf revolutionärem Weg eine solche Herrschaft gestürzt oder umgestaltet hat. Jahrtausende hindurch ist die Geschichte der Han durch Hunderte von großen und kleinen Bauernaufständen gegen die finstere Herrschaft der Grundherren und der Aristokratie gekennzeichnet. Und in den meisten Fällen lösten die Dynastien erst infolge dieser Bauernaufstände einander ab. Alle Nationalitäten Chinas widersetzten sich einer fremdländischen nationalen Unterdrückung; sie alle waren stets bestrebt, sich durch Widerstand davon zu befreien. Sie traten für die Vereinigung auf der Grundlage der Gleichheit ein, nicht aber für die gegenseitige Unterdrückung. Die chinesische Nation hat im Verlauf der Jahrtausende ihrer Geschichte viele nationale Helden und revolutionäre Führer hervorgebracht. Das chinesische Volk ist also auch eine Nation mit ruhmreichen revolutionären Traditionen und einem hervorragenden historischen Erbe.

2. DIE FEUDALGESELLSCHAFT DER ALTEN ZEIT

Obwohl China das Land einer großen Nation mit riesigem Territorium, einer zahlreichen Bevölkerung, einer langen Geschichte, reichen revolutionären Traditionen und einem hervorragenden historischen Erbe ist, gerieten seine Wirtschaft, Politik und Kultur nach dem Übergang von der Sklavenhalter- zur Feudalgesellschaft für eine lange Periode in einen Zustand, in dem ihre Entwicklung sehr langsam vor sich ging. Die Periode des Feudalsystems, die zur Zeit der Dynastien Dschou und Tjin begann, zog sich über etwa dreitausend Jahre hin.

Die wirtschaftliche und politische Ordnung Chinas in der Epoche des Feudalismus hat folgende Hauptmerkmale:

(1) Es herrschte eine selbstgenügsame Naturalwirtschaft vor. Die Bauern erzeugten nicht nur landwirtschaftliche Produkte für den eigenen Bedarf, sondern sie stellten auch den größeren Teil der von ihnen benötigten handwerklichen Erzeugnisse selbst her. Was die Grundherren und die Aristokratie als Pachtzins für den Boden aus den Bauern erpreßten, war ebenfalls hauptsächlich für die persönliche Verwendung und nicht für den Austausch bestimmt. Obwohl sich der Warenaustausch zu jenen Zeiten bereits entwickelte, spielte er in der Gesamtwirtschaft keine entscheidende Rolle.

(2) Die herrschende Klasse der Feudalgesellschaft - die Grundherren, die Aristokratie und der Kaiser - besaß den überwiegenden Teil des Grund und Bodens, während die Bauern entweder sehr wenig oder überhaupt kein Land hatten. Die Bauern bestellten mit ihren eigenen Geräten die Felder der Grundherren, der Aristokratie und des kaiserlichen Hofes und lieferten für deren Verwendung 40, 50, 60, 70, sogar 80 Prozent ihrer Ernte oder noch mehr ab. Solche Bauern waren in Wirklichkeit noch Leibeigene.

(3) Abgesehen davon, daß die Grundherren, die Aristokratie und der kaiserliche Hof von dem den Bauern erpreßten Pachtzins lebten, zwang der Staat der Grundherrenklasse die Bauern noch zu Abgaben, Steuern und unentgeltlichem Frondienst für den Unterhalt einer riesigen Meute von Staatsbeamten sowie einer Armee, die hauptsächlich zur Unterdrückung der Bauern eingesetzt wurde.

(4) Der Machtapparat, der dieses System der feudalen Ausbeutung schützte, war der Feudalstaat der Grundherrenklasse. War während einer gewissen Periode vor der Tjin-Dynastie China ein Feudalstaat gewesen, wo die Lehnsmänner Teilfürstentümer beherrschten, in denen sie nach Belieben schalten und walten konnten, so wurde nach der Vereinigung Chinas durch den Kaiser Schihuangdi der Tjin-Dynastie ein absolutistischer Feudalstaat mit zentralisierter Macht errichtet, wobei jedoch in gewissem Grad die feudale Zersplitterung weiter bestehenblieb. Im Feudalstaat besaß der Kaiser die höchste Macht; er setzte in allen Teilen des Landes Beamte für die Verwaltung der Militär-, Gerichts-, Finanz-, Getreide- und anderen Angelegenheiten ein und stützte sich auf die Grundherren und Schenschi (die Vornehmen), die das Fundament des gesamten feudalen Regimes bildeten.

Unter dieser feudalen wirtschaftlichen Ausbeutung und politischen Unterdrückung fristete die chinesische Bauernschaft viele Jahrhunderte lang ein armseliges, elendes Sklavendasein. Durch die Fesseln des Feudalsystems gebunden, hatten die Bauern keine persönliche Freiheit. Der Grundherr hatte das Recht, die Bauern nach Belieben zu beschimpfen, zu prügeln und sogar zu töten, die Bauern besaßen keinerlei politische Rechte. Die äußerste Armut und Rückständigkeit der Bauern infolge der grausamen Ausbeutung und Unterdrückung durch die Grundherrenklasse waren die grundlegende Ursache dafür, daß die chinesische Gesellschaft jahrtausendelang in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht stagnierte.

Der Hauptwiderspruch in der Feudalgesellschaft war der Widerspruch zwischen der Bauernschaft und der Grundherrenklasse.

In dieser Gesellschaft stellten die Bauernschaft und die Handwerker die grundlegenden Klassen dar, die allein materielle und Kulturwerte schufen.

Die grausame wirtschaftliche Ausbeutung und politische Unterdrückung der Bauernschaft durch die Grundherrenklasse trieben die Bauern immer wieder zu Aufständen, die sich gegen die Herrschaft der Grundherrenklasse richteten. Die Hunderte von großen und kleinen Aufständen - angefangen von den Aufständen unter der Führung von Tschen Scheng, Wu Guang, Hsiang Yü und Liu Bang6 zur Zeit der Tün-Dynastie, über die Erhebungen in Hsinschi und Pinglin, die der Tschime, Tungma7 und Huangdjin8 zur Zeit der Han-Dynastie, die Aufstände unter Li Mi und Dou Djiän-dö9 zur Zeit der Sui-Dynastie, unter Wang Hsiän-dschi und Huang Tschao10 in der Tang-Dynastie, mit Sung Düang und Fang La11 an der Spitze zur Zeit der Sung-Dynastie, über den Aufstand von Dschu Yüan-dschang12 zur Zeit der YüanDynastie und Li Dsi-tscheng13 zur Zeit der Ming-Dynastie bis zum Taiping-Tiänguo-Kriegl4 zur Zeit der Tjing-Dynastie - sie alle waren bäuerliche Widerstandsbewegungen, revolutionäre Bauernkriege. Das gigantische Ausmaß dieser Bauernaufstände und -kriege in der chinesischen Geschichte steht in der Welt beispiellos da. In der chinesischen Feudalgesellschaft war nur dieser Klassenkampf der Bauernschaft, waren nur diese Bauernaufstände und -kriege die wahren Triebkräfte der historischen Entwicklung. Denn jeder größere Bauernaufstand oder Bauernkrieg versetzte der jeweiligen Feudalherrschaft einen Schlag und förderte somit in gewissem Grad die Entwicklung der Produktivkräfte der Gesellschaft. Aber da zu jenen Zeiten noch neue Produktivkräfte und neue Produktionsverhältnisse, neue Klassenkräfte und fortgeschrittene politische Parteien fehlten, hatten diese Bauernaufstände und -kriege nicht die richtige Führung, wie sie heute vom Proletariat und von der Kommunistischen Partei ausgeübt wird. Aus diesem Grund endeten damals die Bauernrevolutionen stets mit einer Niederlage und wurden ständig, entweder während ihres Verlaufs oder danach, von den Grundherren und von der Aristokratie als Werkzeug zur Ersetzung einer Dynastie durch eine andere ausgenutzt. Auf diese Weise ergab sich zwar jedesmal nach einem großen revolutionären Kampf der Bauernschaft ein gewisser sozialer Fortschritt, aber die feudalen wirtschaftlichen Verhältnisse und die feudale politische Ordnung blieben im wesentlichen unverändert erhalten.

Erst in den letzten hundert Jahren sind neue Veränderungen eingetreten.

3. DIE MODERNE KOLONIALE, HALBKOLONIALE UND HALBFEUDALE GESELLSCHAFT

Wie oben bereits erklärt wurde, war die chinesische Gesellschaft die vergangenen dreitausend Jahre hindurch eine Feudalgesellschaft. Aber ist gegenwärtig die chinesische Gesellschaft immer noch völlig feudal? Nein, China hat sich bereits verändert. Nach dem Opiumkrieg von 1840 wandelte sich China nach und nach in eine halbkoloniale und halbfeudale Gesellschaft um. Seit den Ereignissen des I8. September 1931, als der japanische Imperialismus bewaffnet in China einfiel, verwandelte sich die chinesische Gesellschaft weiter in eine koloniale, halbkoloniale und halbfeudale Gesellschaft. Wir werden jetzt erklären, wie sich dieser Veränderungsprozeß vollzog.

Wie im z. Abschnitt gezeigt wurde, währte die feudale Gesellschaftsordnung in China etwa dreitausend Jahre lang. Erst Mitte des I9. Jahrhunderts gingen in dieser Gesellschaft durch das Eindringen des ausländischen Kapitalismus wichtige Veränderungen vor sich.

In der Warenwirtschaft, die sich in der chinesischen Feudalgesellschaft entwickelt hatte, waren bereits die ersten Keime des Kapitalismus enthalten. Deswegen hätte sich China auch ohne Einwirkung des ausländischen Kapitalismus allmählich zu einer kapitalistischen Gesellschaft entwickelt. Die Invasion des ausländischen Kapitalismus beschleunigte diesen Prozeß. Der ausländische Kapitalismus hat eine gewaltige Rolle bei der Zersetzung der in China bestehenden sozialökonomischen Ordnung gespielt: Einerseits untergrub er die Grundlagen der selbstgenügsamen Naturalwirtschaft, zerstörte das Handwerk in den Städten und das Heimgewerbe der Bauern, und andererseits förderte er die Entwicklung der Warenwirtschaft in Stadt und Land.

Das alles bewirkte nicht nur den Zerfall der Grundlagen der feudalen Wirtschaft, sondern brachte gleichzeitig bestimmte objektive Voraussetzungen und Möglichkeiten für die Entwicklung der kapitalistischen Produktion in China. Denn die Zerstörung der Naturalwirtschaft eröffnete dem Kapitalismus einen Warenmarkt, während der Ruin einer großen Anzahl von Bauern und Handwerkern für ihn einen Arbeitsmarkt schuf.

Und in der Tat begann - durch den Anstoß, den der ausländische Kapitalismus gegeben hatte, und infolge gewisser Risse in der feudalen ökonomischen Struktur - ein Teil der Kaufleute, der Grundherren und der hohen Beamten schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor sechzig Jahren also, Kapital in modernen Industriebetrieben anzulegen. Zur Jahrhundertwende, das heißt vor vierzig Jahren, hatte der chinesische nationale Kapitalismus bereits den ersten Schritt in seiner Entwicklung getan. Vor zwanzig Jahren, während des ersten imperialistischen Weltkriegs, erfuhr die chinesische nationale Industrie, hauptsächlich die Textil- und die Mühlenindustrie, eine weitere Entwicklung, weil die imperialistischen Staaten Europas und Amerikas mit dem Krieg beschäftigt waren und vorübergehend ihren Druck auf China gelockert hatten.

Der Entstehungs- und Entwicklungsprozeß des nationalen Kapitalismus in China ist zugleich auch der Entstehungs- und Entwicklungsprozeß der chinesischen Bourgeoisie und des chinesischen Proletariats. Wie ein gewisser Teil der Kaufleute, der Grundherren und der hohen Beamten Vorgänger der chinesischen Bourgeoisie waren, so war ein gewisser Teil der Bauern und Handwerker Vorgänger des chinesischen Proletariats. Die chinesische Bourgeoisie und das chinesische Proletariat als zwei besondere Gesellschaftsklassen sind neu entstanden, beide hat es früher in der chinesischen Geschichte nicht gegeben. Sie sind aus dem Schoß der Feudalgesellschaft hervorgegangen und haben sich zu neuen Gesellschaftsklassen entwickelt. Sie sind zwei miteinander verbundene und gleichzeitig antagonistische Klassen; sie sind von Chinas alter (feudaler) Gesellschaft geborene Zwillinge. Aber das chinesische Proletariat entstand und entwickelte sich nicht nur im Zusammenhang mit dem Aufkommen und mit der Entfaltung der chinesischen nationalen Bourgeoisie, sondern auch in Verbindung mit der Entwicklung der von den Imperialisten unmittelbar in China betriebenen Unternehmen. Deshalb ist ein bedeutender Teil des chinesischen Proletariats älter und erfahrener als die chinesische Bourgeoisie, deshalb ist seine gesellschaftliche Kraft größer und seine soziale Basis breiter.

Aber die beschriebenen neuen Wandlungen - die Entstehung und Entwicklung des Kapitalismus - stellen nur die eine Seite der Veränderungen dar, die seit dem Eindringen des Imperialismus in China vor sich gegangen sind. Es gibt auch noch eine andere Seite, die neben den erwähnten Wandlungen existiert und diese Wandlungen hemmt: Der Imperialismus unterdrückt im Komplott mit den feudalen Kräften Chinas die Entwicklung des chinesischen Kapitalismus.

Mit ihrem Eindringen in China verfolgen die imperialistischen Mächte keineswegs das Ziel, das feudale China in ein kapitalistisches zu verwandeln. Im Gegenteil, die imperialistischen Mächte verfolgen das Ziel, China in ihre Halbkolonie und Kolonie zu verwandeln.

Zur Erreichung dieses Ziels wandten und wenden die imperialistischen Mächte weiterhin alle militärischen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Unterdrückungsmittel an, um China nach und nach in eine Halbkolonie und Kolonie zu verwandeln. Es handelt sich um folgende Unterdrückungsmittel:

(1) Sie führten gegen China viele Aggressionskriege, wie beispielsweise den von England angezettelten Opiumkrieg von 1840, den von den vereinten Truppen Englands und Frankreichs entfesselten Krieg von I85715, den Chinesisch-Französischen Krieg von 188416, den Chinesisch-Japanischen Krieg von 1894 und den Krieg, den die verbündeten Streitkräfte der acht Mächte im Jahre 1900 führten17. Nach den militärischen Niederlagen, die sie China beibrachten, bemächtigten sich die imperialistischen Mächte nicht nur vieler Länder, die rings um China lagen und ursprünglich unter seiner Schirmherrschaft gestanden hatten, sondern rissen auch Teile chinesischen Territoriums an sich oder "pachteten" sie von China. Beispielsweise besetzte Japan Taiwan und die Penghu-Inseln und "pachtete" Lüschun; England nahm sich Hongkong; Frankreich "pachtete" die Guangdschou-Bucht. Außer der Abtrennung von Territorien forderten die imperialistischen Mächte von China riesige Kontributionen. Auf diese Weise wurden China - diesem riesigen feudalen Imperium - schwere Schläge versetzt.

(2) Die imperialistischen Mächte zwangen China eine Reihe von ungleichen Verträgen auf. Auf Grund dieser Verträge erwarben sie das Recht, Seestreitkräfte und Landtruppen in China zu stationieren, sowie das Recht der Konsulargerichtsbarkeit18; auch teilten sie ganz China untereinander in Einflußsphären auf.19

(3) Auf Grund der ungleichen Verträge brachten die imperialistischen Mächte alle wichtigen Handelshäfen Chinas unter ihre Kontrolle und verwandelten Teile des Territoriums vieler Handelshäfen in Konzessionen unter ihrer unmittelbaren Verwaltung.20 Sie übten die Kontrolle über Chinas Zollhoheit, Außenhandel und Verkehrswesen (See-, Land-, Binnenwasser- und Luftwege) aus. Dadurch erhielten sie die Möglichkeit, ihre Waren in großen Mengen abzusetzen, China in einen Markt für ihre Industrieerzeugnisse zu verwandeln und gleichzeitig die landwirtschaftliche Produktion Chinas den Bedürfnissen des Imperialismus unterzuordnen.

(4) Daneben unterhielten die imperialistischen Mächte in China viele Betriebe der Leicht- und der Schwerindustrie, um die chinesischen Rohstoffe und billigen Arbeitskräfte an Ort und Stelle zu exportieren; sie übten damit einen direkten wirtschaftlichen Druck auf die chinesische nationale Industrie aus und verhinderten unmittelbar die Entwicklung der Produktivkräfte Chinas.

(5) Indem die imperialistischen Mächte der chinesischen Regierung Anleihen gewährten und in China Banken gründeten, monopolisierten sie den Geldmarkt und die Finanzen Chinas. Dadurch haben sie nicht nur in der Warenkonkurrenz den chinesischen nationalen Kapitalismus zu Boden gedrückt, sondern China auch auf dem Geldmarkt und im Finanzwesen an der Kehle gepackt.

(6) Um sich die Ausbeutung der breiten Massen der Bauern und anderer Schichten des chinesischen Volkes zu erleichtern, haben die imperialistischen Mächte ein Netz der Ausbeutung durch Kompradorentum und Handelswucher über ganz China - von den Handelsstädten bis zu den entlegensten Winkeln - gespannt und die Klassen der Kompradoren und der kommerziellen Wucherer großgezogen, die in ihrem Dienst stehen.

(7) Neben der Kompradorenklasse verwandelten die imperialistischen Mächte auch die feudale Grundherrenklasse in eine Stütze ihrer Herrschaft in China. Sie "verbündeten sich vor allem mit den herrschenden Schichten der früheren sozialen Ordnung - mit den Feudalen und der Handels- und Wucherbourgeoisie - gegen die Mehrheit des Volkes. Überall versucht der Imperialismus die vorkapitalistischen Formen der Ausbeutung (insbesondere auf dem Lande), die die Grundlage für die Existenz seiner reaktionären Bundesgenossen bilden, zu erhalten und zu verewigen."21 ". . . der Imperialismus" ist "mit seiner gesamten finanziellen und militärischen Macht in China die Kraft . . . , die die feudalen Überreste mit ihrem ganzen bürokratisch-militaristischen Überbau stützt, inspiriert, kultiviert und konserviert."22

(8) Um Kriegswirren unter den chinesischen Militärmachthabern zu entfachen und das chinesische Volk niederzuhalten, versorgten die imperialistischen Mächte die reaktionären Regierungen Chinas mit großen Mengen Waffen und Munition und stellten ihnen eine Horde von Militärberatern zur Verfügung.

(9) Neben all diesen Maßnahmen ließen die imperialistischen Mächte auch in ihren Anstrengungen zur geistigen Verdummung des chinesischen Volkes nicht nach. Das ist ihre Aggressionspolitik auf dem Gebiet der Kultur. Diese Aggressionspolitik wird durch die Tätigkeit der Missionare, durch Gründung von Krankenhäusern und Lehranstalten, durch Herausgabe von Zeitungen und durch Gewinnung der chinesischen Jugend für das Studium im Ausland durchgeführt. Das alles wird getan, um gefügige Intellektuellenkader für die Imperialisten heranzubilden und die breiten Massen des chinesischen Volkes zu verdummen.

(10) Nach dem 18. September 1931 verwandelte sich ein bedeutender Teil des Territoriums Chinas, das bereits zur Halbkolonie geworden war, infolge des großangelegten Angriffs des japanischen Imperialismus in eine japanische Kolonie.

Diese eben geschilderten Tatsachen sind die andere Seite der neuen Veränderungen nach der Invasion des Imperialismus in China. Sie zeigen das mit Blut befleckte Bild der Umwandlung des feudalen China in ein halbfeudales, halbkoloniales und koloniales China.

Daraus ist ersichtlich, daß die Aggression der imperialistischen Mächte gegen China einerseits den Zerfall der chinesischen Feudalgesellschaft und die Entstehung von Elementen des Kapitalismus in China förderte und dadurch die feudale in eine halbfeudale Gesellschaft umwandelte; andererseits aber übten die imperialistischen Mächte hier eine grausame Herrschaft aus und verwandelten das unabhängige China in ein halbkoloniales und koloniales Land.

Fassen wir diese beiden Seiten zusammen, dann können wir feststellen, daß diese koloniale, halbkoloniale und halbfeudale chinesische Gesellschaft folgende Merkmale aufweist:

(1) Die Grundlage der selbstgenügsamen Naturalwirtschaft der feudalen Epoche ist zerstört; aber die Grundlage des Systems der feudalen Ausbeutung - die Ausbeutung der Bauern durch die Grundherrenklasse - wird nicht nur weiterhin beibehalten, sondern sie nimmt in Verbindung mit der Ausbeutung durch das Kompradoren- und das Wucherkapital eine eindeutig dominierende Stellung im sozialökonomischen Leben Chinas ein.

(2) Der nationale Kapitalismus hat eine gewisse Entwicklung erfahren und eine ziemlich bedeutende Rolle im politischen und kulturellen Leben Chinas gespielt. Er ist jedoch nicht zur sozialökonomischen Hauptform Chinas geworden. Er ist sehr schwach und zum großen Teil mehr oder minder mit dem ausländischen Imperialismus und dem einheimischen Feudalismus verbunden.

(3) Die absolute Macht des Kaisers und der Aristokratie wurde gestürzt. An ihre Stelle trat zunächst die Herrschaft der Militärmachthaber und hohen Beamten der Grundherrenklasse und dann die gemeinsame Diktatur der Grundherrenklasse und Großbourgeoisie. In den besetzten Gebieten herrschen der japanische Imperialismus und seine Marionetten.

(4) Der Imperialismus kontrolliert nicht nur die lebenswichtigen Finanz- und Wirtschaftsadern Chinas, sondern auch seine politischen und militärischen Kräfte. In den besetzten Gebieten Chinas wird alles vom japanischen Imperialismus beherrscht.

(5) Da China unter der völligen oder teilweisen Herrschaft einer Reihe von imperialistischen Staaten steht, sich seit langer Zeit faktisch im Zustand der Uneinigkeit befindet und schließlich ein ausgedehntes Territorium besitzt, ist seine wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung äußerst ungleichmäßig.

(6) Unter dem Doppeljoch von Imperialismus und Feudalismus und vor allem infolge des großangelegten Angriffs des japanischen Imperialismus sind die breiten Volksmassen Chinas, in erster Linie die Bauern, immer mehr verarmt; viele von ihnen sind sogar ruiniert. Sie leiden unter Hunger und Kälte und haben keinerlei politische Rechte. Die Armut und Unfreiheit des chinesischen Volkes erreicht ein solches Ausmaß, wie es selten in der Welt anzutreffen ist.

Das sind die charakteristischen Züge der kolonialen, halbkolonialen und halbfeudalen Gesellschaft Chinas.

Eine solche Lage ist hauptsächlich durch die Kräfte des japanischen Imperialismus und der anderen imperialistischen Mächte herbeigeführt worden, sie ist das Ergebnis der Koalition des ausländischen Imperialismus mit dem einheimischen Feudalismus.

Der Widerspruch zwischen dem Imperialismus und der chinesischen Nation sowie der Widerspruch zwischen dem Feudalismus und den breiten Volksmassen sind die grundlegenden Widersprüche der chinesischen Gesellschaft in der neueren Zeit. Es gibt natürlich auch andere Widersprüche, so beispielsweise den Widerspruch zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat und die Widersprüche unter den reaktionären herrschenden Klassen. Aber von allen Widersprüchen ist der Widerspruch zwischen dem Imperialismus und der chinesischen Nation der hauptsächliche. Der Kampf dieser Widersprüche und ihre Verschärfung bringen unvermeidlich revolutionäre Bewegungen hervor, die unaufhörlich anwachsen. Die großen chinesischen Revolutionen der neueren und neuesten Zeit entstanden und entwickeln sich auf der Basis dieser grundlegenden Widersprüche.

KAPITEL 2

 

DIE CHINESISCHE REVOLUTION

 

l. DIE REVOLUTIONÄREN BEWEGUNGEN IN DEN LETZTEN HUNDERT JAHREN

Der Prozeß der Umwandlung Chinas in ein halbkoloniales und koloniales Land, der durch den Imperialismus im Bunde mit dem chinesischen Feudalismus hervorgerufen wurde, ist gleichzeitig ein Prozeß des Widerstands des chinesischen Volkes gegen den Imperialismus und seine Handlanger. Der Opiumkrieg, die Taiping-Tiänguo-Bewegung, der Chinesisch-Französische Krieg, der Chinesisch-Japanische Krieg, die Reformbewegung von c898, die Yihotuan-Bewegung, die Revolution von 1911, die Bewegung des 4. Mai, die Bewegung des 30. Mai, der Nordfeldzug, der Agrarrevolutionäre Krieg und schließlich der gegenwärtige Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression alles das zeugt von dem unbeugsamen Widerstandsgeist des chinesischen Volkes, das nicht gewillt ist, sich dem Imperialismus und seinen Lakaien zu unterwerfen.

Dank dem hartnäckigen, unablässigen, heroischen Kampf des chinesischen Volkes während der letzten hundert Jahre konnte der Imperialismus China bis auf den heutigen Tag nicht unterjochen und wird es auch niemals unterjochen können.

Obwohl der japanische Imperialismus jetzt in dem großangelegten Angriff gegen China alle seine Kräfte anspannt, obwohl viele Vertreter der Grundherrenklasse und der Großbourgeoisie, zum Beispiel offene und versteckte Wang Djing-wes, bereits vor dem Feind kapituliert haben oder sich dazu anschicken, wird das heroische chinesische Volk gewiß seinen Kampf fortsetzen. Es wird diesen Kampf unter keinen Umständen einstellen, bevor es nicht den japanischen Imperialismus aus China vertrieben, bevor es nicht die volle Befreiung seines Landes erkämpft hat.

Der national-revolutionäre Kampf des chinesischen Volkes - seit den Zeiten des Opiumkriegs von 1840 - blickt auf eine Geschichte von genau hundert Jahren zurück und dauert seit der Revolution von 1911 schon dreißig Jahre. Dieser revolutionäre Prozeß ist noch nicht abgeschlossen, bei der Lösung der Aufgaben der Revolution sind noch keine bemerkenswerten Ergebnisse erzielt worden; deshalb muß das ganze chinesische Volk - und in erster Linie die Kommunistische Partei Chinas - die Verantwortung auf sich nehmen, einen entschlossenen Kampf zu führen.

Aber gegen wen richtet sich denn schließlich diese Revolution? Was sind eigentlich ihre Aufgaben? Wo sind ihre Triebkräfte? Wie ist ihr Charakter? Was sind die Perspektiven dieser Revolution? Eben diese Fragen werden wir nachstehend erörtern.

2. GEGEN WEN RICHTET SICH DIE CHINESISCHE REVOLUTION?

Aus der im 3. Abschnitt des 1. Kapitels vorgenommenen Analyse wissen wir bereits, daß die gegenwärtige chinesische Gesellschaft eine koloniale, halbkoloniale und halbfeudale Gesellschaft ist. Nur wenn man den Charakter der chinesischen Gesellschaft begriffen hat, kann man die Stoßrichtung, die Aufgaben, die Triebkräfte, den Charakter, die Perspektiven und Wandlungen der chinesischen Revolution klar erkennen. Eine genaue Kenntnis des Charakters der chinesischen Gesellschaft, das heißt der nationalen Verhältnisse Chinas, ist daher die grundlegende Voraussetzung für ein sicheres Verständnis aller Fragen der Revolution.

Da die gegenwärtige chinesische Gesellschaft ihrem Wesen nach eine koloniale, halbkoloniale und halbfeudale Gesellschaft ist, gegen wen richtet sich dann in der Hauptsache die chinesische Revolution im gegenwärtigen Stadium, wer sind ihre Hauptfeinde?

Das sind einzig und allein der Imperialismus und der Feudalismus, das heißt die Bourgeoisie der imperialistischen Staaten und die einheimische Grundherrenklasse. Denn im gegenwärtigen Stadium sind gerade sie und niemand sonst die beiden Hauptkräfte, die die Entwicklung der chinesischen Gesellschaft niederdrücken und hemmen. Zur Unterdrückung des chinesischen Volkes sind die beiden ein Komplott eingegangen, und da die vom Imperialismus ausgeübte nationale Unterdrückung das schwerste Joch ist, stellt der Imperialismus auch den ersten und ärgsten Feind des chinesischen Volkes dar.

Seit Japans bewaffneter Invasion gegen China sind die japanischen Imperialisten sowie alle chinesischen Verräter und Reaktionäre, die mit ihnen im Bunde stehen und offen kapituliert haben oder sich zu kapitulieren anschicken, die Hauptfeinde der chinesischen Revolution.

Die chinesische Bourgeoisie, die ebenfalls unter der imperialistischen Unterdrückung leidet, stand auch einst an der Spitze des revolutionären Kampfes und spielte in der Führung die Hauptrolle, beispielsweise in der Revolution von 1911; sie nahm auch an revolutionären Kämpfen wie dem Nordfeldzug und dem gegenwärtigen Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression teil. Aber die Oberschicht dieser Bourgeoisie, das heißt jene Schicht, deren Vertreter die reaktionäre Kuomintang-Clique ist, stand während der langen Periode 1927-1937 im Komplott mit dem Imperialismus, schloß ein reaktionäres Bündnis mit der Grundherrenklasse und verriet die Freunde, die ihr geholfen hatten - die Kommunistische Partei, das Proletariat, die Bauernschaft und andere Teile des Kleinbürgertums; sie verriet die chinesische Revolution und verursachte so die Niederlage. Deshalb mußten in dieser Periode das revolutionäre Volk und die revolutionäre politische Partei (die Kommunistische Partei) diese Elemente der Bourgeoisie als eins der Ziele ansehen, gegen die sich die Revolution richtete. Während des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression hat ein Teil der großen Grundherren und der Großbourgeoisie - mit Wang Djing-we als Vertreter - bereits Verrat geübt und ist zu Landesverrätern geworden. Deshalb muß das Volk, das gegen die japanischen Eindringlinge kämpft, auch diese Elemente der Großbourgeoisie, die an den nationalen Interessen Verrat geübt haben, als eins der Kampfobjekte der Revolution ansehen.

Wir sehen also, daß die Feinde der chinesischen Revolution außerordentlich stark sind. Feinde der chinesischen Revolution sind nicht nur der mächtige Imperialismus, sondern auch die mächtigen feudalen Kräfte und in bestimmten Perioden überdies die Reaktionäre unter der Bourgeoisie, die mit dem Imperialismus und den feudalen Kräften einen Pakt schließen, um gegen das Volk zu kämpfen. Deshalb ist es falsch, die Stärke der Feinde des revolutionären chinesischen Volkes zu unterschätzen.

Angesichts solcher Feinde nimmt die chinesische Revolution einen langwierigen und erbitterten Charakter an. Da unsere Feinde außerordentlich stark sind, brauchen die Kräfte der Revolution notwendigerweise eine lange Zeit, um sich zu sammeln und so zu stählen, daß sie zu einer Macht werden, die den endgültigen Sieg über den Feind zu erringen vermag. Da der Feind die chinesische Revolution mit außerordentlicher Grausamkeit unterdrückt, werden die Kräfte der Revolution weder ihre Stellungen fest behaupten noch die feindlichen Stellungen erobern können, ohne sich gestählt, ohne ihre Zähigkeit bewiesen zu haben. Es ist daher falsch anzunehmen, man könne die Kräfte der chinesischen Revolution im Nu aus dem Boden stampfen und den revolutionären Kampf in China über Nacht mit einem Sieg beenden.

Angesichts solcher Feinde steht es fest, daß die Hauptmethode der chinesischen Revolution, ihre Hauptform nicht friedlich sein kann, sondern bewaffnet sein muß. Denn unsere Feinde geben dem chinesischen Volk keine Möglichkeit, mit friedlichen Mitteln zu handeln, und das chinesische Volk besitzt keinerlei politische Freiheitsrechte. Stalin sagt: "In China kämpft die bewaffnete Revolution gegen die bewaffnete Konterrevolution. Das ist eine der Besonderheiten und einer der Vorzüge der chinesischen Revolution."23 Diese Feststellung ist völlig richtig. Darum ist es falsch, den bewaffneten Kampf, den revolutionären Krieg, den Partisanenkrieg und die Arbeit in der Armee zu unterschätzen.

Angesichts solcher Feinde taucht auch die Frage der Stützpunktgebiete der Revolution auf. Der mächtige Imperialismus und seine reaktionären Verbündeten in China haben sich nämlich seit langer Zeit in den Schlüsselstädten des Landes festgesetzt; und wenn die Revolutionäre keinen Kompromiß mit dem Imperialismus und seinen Lakaien eingehen, sondern den Kampf standhaft fortsetzen wollen, wenn sie ihre Kräfte zu sammeln und zu stählen beabsichtigen und, solange ihre Kräfte nicht ausreichen, einer Entscheidungsschlacht gegen den starken Feind ausweichen wollen, dann müssen sie die rückständigen Dörfer in fortschrittliche, gefestigte Stützpunktgebiete, in große militärische, politische, ökonomische und kulturelle Bastionen der Revolution verwandeln, von wo aus sie den tückischen Feind, der die Städte für den Angriff auf die ländlichen Gebiete ausnutzt, bekämpfen und in einem langwierigen Kampf Schritt für Schritt den vollständigen Sieg der Revolution erringen. Unter diesen Umständen macht die Ungleichmäßigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas (das Fehlen einer einheitlichen kapitalistischen Wirtschaft), die Größe seines Territoriums (die Kräfte der Revolution haben Spielraum zu manövrieren), das Fehlen der Einheit und die Fülle der verschiedenen Widersprüche im Lager der chinesischen Konterrevolution, die Führung des Kampfes der Bauern, die die Hauptkraft der chinesischen Revolution bilden, durch die politische Partei des Proletariats, die Kommunistische Partei - macht das alles einerseits den Sieg der chinesischen Revolution zunächst in ländlichen Gebieten möglich und bedingt andererseits eine Ungleichmäßigkeit in der Entwicklung der Revolution und läßt den Kampf um ihren vollen Sieg langwierig und schwierig werden. Somit ist es klar, daß der lange revolutionäre Kampf, der in solchen revolutionären Stützpunktgebieten geführt wird, in der Hauptsache ein Partisanenkrieg der Bauern unter Führung der Kommunistischen Partei Chinas ist. Daher ist es falsch, die Notwendigkeit der Einrichtung von ländlichen Gebieten als revolutionäre Stützpunktgebiete nicht zu beachten, eine beharrliche Arbeit unter den Bauern zu vernachlässigen und den Partisanenkrieg in den Wind zu schlagen.

Legt man Nachdruck auf den bewaffneten Kampf, so bedeutet das jedoch keineswegs, daß man auf die übrigen Formen des Kampfes verzichten kann. Im Gegenteil, ohne Verbindung mit verschiedenen anderen Kampfformen kann der bewaffnete Kampf nicht zum Sieg führen. Legt man Nachdruck auf die Arbeit in den ländlichen Stützpunktgebieten, dann bedeutet das keineswegs, daß man die Arbeit in den Städten und den anderen ausgedehnten ländlichen Gebieten, die noch unter der Herrschaft des Feindes stehen, aufgeben darf. Im Gegenteil, ohne die Arbeit in den Städten und in den anderen ländlichen Gebieten werden die ländlichen Stützpunktgebiete isoliert sein und die Revolution wird eine Niederlage erleiden. Außerdem besteht das Endziel der Revolution in der Eroberung der Städte, der Hauptstützpunkte des Feindes; und ohne genügende Arbeit in den Städten ist dieses Ziel nicht zu erreichen.

Hieraus folgt, daß der Sieg der Revolution im Dorf wie auch in der Stadt unmöglich ist, wenn man nicht die Hauptwaffe des Feindes im Kampf gegen das Volk, das heißt die feindliche Armee, vernichtet. Deshalb erlangt neben der Vernichtung der feindlichen Truppen im Gefecht die Arbeit zur Zersetzung der feindlichen Armee eine große Bedeutung.

Hieraus folgt ferner, daß man bei der propagandistischen und organisatorischen Arbeit der Kommunistischen Partei in den lange Zeit vom Feind besetzten Städten und Dörfern, wo Reaktion und Finsternis herrschen, keinen fieberhaften. abenteuerlichen Kurs einschlagen darf, sondern den Kurs "getarnt und effektiv arbeiten, die Kräfte sammeln und auf einen günstigen Zeitpunkt warten" steuern muß. Die Taktik der Parteiorganisationen bei der Führung des Volkes im Kampf gegen den Feind muß darin bestehen, Schritt für Schritt, langsam und sicher voranzukommen, indem wir - nach den Prinzipien: im Recht sein, Vorteil haben, maßhalten - kämpfen und jede Möglichkeit für eine offene, legale Arbeit im Rahmen der Gesetze, Verordnungen und gesellschaftlichen Sitten und Gebräuche ausnutzen; lautes Geschrei und rücksichtsloses Vorgehen können nie zum Erfolg führen.

3. DIE AUFGABEN DER CHINESISCHEN REVOLUTION

Da im gegenwärtigen Stadium der Imperialismus und die feudale Grundherrenklasse die Hauptfeinde der chinesischen Revolution sind, welches sind dann die Aufgaben der Revolution in diesem Stadium?

Ohne Zweifel bestehen die Aufgaben in der Hauptsache darin, Schläge gegen diese beiden Feinde zu führen, das heißt, nach außen hin eine nationale Revolution zur Beseitigung der imperialistischen Unterdrückung und innerhalb des Landes eine demokratische Revolution zur Beseitigung der Unterdrückung durch die feudale Grundherrenklasse zu verwirklichen, wobei die wesentlichste Aufgabe die auf den Sturz des Imperialismus gerichtete nationale Revolution ist.

Diese beiden großen Aufgaben der chinesischen Revolution sind miteinander verbunden. Stürzt man nicht die Herrschaft des Imperialismus, so kann man auch die Herrschaft der feudalen Grundherrenklasse nicht beseitigen, denn der Imperialismus ist ihre wichtigste Stütze. Und wenn man der Bauernschaft nicht hilft, die feudale Grundherrenklasse zu stürzen, wird es nicht gelingen, eine mächtige Armee chinesischer Revolutionäre zu schaffen, um die Herrschaft des Imperialismus zu stürzen, denn die Klasse der feudalen Grundherren ist die soziale Hauptbasis der imperialistischen Herrschaft in China, während die Bauernschaft die Hauptkraft der chinesischen Revolution ist. Folglich unterscheiden sich diese beiden grundlegenden Aufgaben die nationale und die demokratische Revolution - voneinander und bilden zugleich eine Einheit.

Die Aufgabe der nationalen Revolution in China ist heute hauptsächlich der Kampf gegen die japanischen Imperialisten, die in China eingefallen sind; und die Aufgabe der demokratischen Revolution muß gelöst werden, damit der militärische Sieg errungen werden kann; die beiden revolutionären Aufgaben sind also miteinander verknüpft.

Es ist falsch, die nationale Revolution und die demokratische Revolution als zwei völlig verschiedene Stadien der Revolution zu betrachten.

4. DIE TRIEBKRÄFTE DER CHINESISCHEN REVOLUTION

Welches sind nun die Triebkräfte der chinesischen Revolution entsprechend der Analyse und Definition des Charakters der chinesischen Gesellschaft sowie der Kampfobjekte und Aufgaben der chinesischen Revolution im gegenwärtigen Stadium?

Da die chinesische Gesellschaft kolonial, halbkolonial und halbfeudal ist, da sich die chinesische Revolution vor allem gegen die Herrschaft des ausländischen Imperialismus in China und gegen den einheimischen Feudalismus richtet und da ihre Aufgabe der Sturz dieser beiden Unterdrücker ist, fragt es sich: Welche von den verschiedenen Klassen und Schichten der chinesischen Gesellschaft bilden dann die Kräfte, die den Imperialismus und Feudalismus bekämpfen können? Das ist eben die Frage der Triebkräfte der chinesischen Revolution im gegenwärtigen Stadium. Erst wenn man sich über diese Frage klargeworden ist, kann man die Frage der grundlegenden Taktik der chinesischen Revolution richtig lösen.

Welche Klassen gibt es gegenwärtig in der chinesischen Gesellschaft Es gibt die Grundherrenklasse und die Bourgeoisie; die Grundherren und die Oberschicht der Bourgeoisie bilden die herrschenden Klassen der chinesischen Gesellschaft. Daneben gibt es das Proletariat, die Bauernschaft und die verschiedenen Kategorien des Kleinbürgertums außer der Bauernschaft. Diese drei Klassen sind heute in den meisten Gebieten Chinas immer noch die beherrschten Klassen.

Die Haltung und die Stellungnahme einer jeden dieser Klassen zur chinesischen Revolution wird restlos durch ihre sozialökonomische Lage bestimmt. Daher bestimmt der sozialökonomische Charakter Chinas nicht nur die Kampfobjekte und Aufgaben der Revolution, sondern auch ihre Triebkräfte.

Gehen wir nun auf die Analyse der verschiedenen Klassen in der chinesischen Gesellschaft ein.

1. Die Grundherrenklasse

Die Klasse der Grundherren ist die hauptsächliche soziale Basis für die Herrschaft des Imperialismus in China, sie ist die Klasse, die unter Ausnutzung der feudalen Ordnung die Bauernschaft ausbeutet und unterdrückt, die Klasse, die den politischen, ökonomischen und kulturellen Fortschritt der chinesischen Gesellschaft hemmt und keinerlei fortschrittliche Rolle spielt.

Daher sind die Grundherren als Klasse ein Kampfobjekt der Revolution und nicht deren Triebkraft.

Im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression kapitulierte ein Teil der großen Grundherren im Gefolge eines Teils der Großbourgeoisie (der Kapitulanten) vor den japanischen Aggressoren und wurde zu Landesverrätern, während ein anderer Teil der großen Grundherren im Gefolge eines anderen Teils der Großbourgeoisie (der Ultrakonservativen) zwar noch im antijapanischen Lager verbleibt, aber bereits äußerst wankelmütig geworden ist. Doch viele aufgeklärte Schenschi unter den mittleren und kleineren Grundherren, das heißt Grundherren, die in gewissem Maße kapitalistisch gefärbt sind, zeigen noch Aktivität im Kampf gegen die Aggressoren, und mit ihnen haben wir uns noch zum gemeinsamen Kampf gegen Japan zu vereinigen.

2. Die Bourgeoisie

Es gibt einen Unterschied zwischen der Kompradoren-Großbourgeoisie und der nationalen Bourgeoisie.

Die Kompradoren-Großbourgeoisie ist eine Klasse, die unmittelbar im Dienst der Kapitalisten der imperialistischen Länder steht und von diesen gemästet wird; sie ist durch Tausende Fäden mit den feudalen Kräften des Dorfes verbunden. Deshalb war die Kompradoren-Großbourgeoisie in der Geschichte der chinesischen Revolution niemals eine Triebkraft der Revolution, sondern stets ihr Kampfobjekt.

Da aber die verschiedenen Gruppen der Kompradoren-Großbourgeoisie Chinas von verschiedenen imperialistischen Ländern abhängig sind, ist es in Perioden der krassen Verschärfung der Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten, in Perioden, da sich die Revolution vor allem gegen einen bestimmten imperialistischen Staat richtet, möglich, daß sich die mit den Gruppierungen anderer imperialistischer Staaten verbundene Kompradoren-Bourgeoisie in einem gewissen Grad und für eine gewisse Zeitspanne ebenfalls der jeweiligen antiimperialistischen Front anschließt. Sobald aber die Auftraggeber dieser Kompradoren-Bourgeoisie den Kampf gegen die chinesische Revolution aufnehmen, wendet sich diese Bourgeoisie selbst unverzüglich ebenfalls gegen die Revolution.

Im Widerstandskrieg hat die projapanische Großbourgeoisie (die Gruppe der Kapitulanten) entweder bereits kapituliert oder schickt sich gerade dazu an. Die proeuropäische und proamerikanische Großbourgeoisie (die Gruppe der Ultrakonservativen) verbleibt zwar noch im antijapanischen Lager, ist aber auch äußerst wankelmütig. Sie hat zwei Gesichter: Sie leistet einerseits Widerstand gegen die japanischen Eindringlinge, bekämpft anderseits die Kommunisten. Unsere Politik gegenüber den Kapitulanten innerhalb der Großbourgeoisie ist: Wir betrachten sie als Feind und schlagen sie entschlossen nieder. Den Ultrakonservativen aus den Reihen der Großbourgeoisie gegenüber wenden wir jedoch eine revolutionäre Doppelpolitik an, das heißt, einerseits vereinigen wir uns mit ihnen, da sie noch Widerstand gegen Japan leisten und da wir die Widersprüche zwischen ihnen und dem japanischen Imperialismus ausnutzen sollen; andererseits führen wir gegen sie einen entschiedenen Kampf, da sie eine antikommunistische, volksfeindliche Politik der grausamen Unterdrückung betreiben, die den Widerstandskampf und den Zusammenschluß untergräbt. Bekämpft man sie nicht, so wird das den Widerstandskrieg und den Zusammenschluß gefährden.

Die nationale Bourgeoisie ist eine Klasse von zwiespältigem Charakter.

Einerseits wird die nationale Bourgeoisie vom Imperialismus unterdrückt und vom Feudalismus gefesselt; infolgedessen gibt es sowohl zwischen ihr und dem Imperialismus als auch zwischen ihr und dem Feudalismus Widersprüche. In diesem Sinne ist sie eine der Kräfte der Revolution. In der Geschichte der chinesischen Revolution hat die nationale Bourgeoisie eine gewisse Aktivität im Kampf gegen den Imperialismus und gegen die Regierungen der hohen Bürokratie und der Militärmachthaber gezeigt.

Andererseits fehlt es jedoch der nationalen Bourgeoisie infolge ihrer ökonomischen und politischen Schwäche und da sie die ökonomischen Bindungen zum Imperialismus und Feudalismus nicht völlig abgebrochen hat, an Mut, den Kampf gegen den Imperialismus und Feudalismus konsequent zu führen. Dies wird besonders offenkundig, wenn die revolutionären Kräfte der Volksmassen erstarken.

Dieser zwiespältige Charakter der nationalen Bourgeoisie ist dafür ausschlaggebend, daß sie in bestimmten Perioden und bis zu einem gewissen Grad an der Revolution gegen den Imperialismus, gegen die Regierungen der hohen Bürokratie und der Militärmachthaber teilnehmen und zu einer der Kräfte der Revolution werden kann. In anderen Perioden dagegen besteht die Gefahr, daß sie im Fahrwasser der Kompradoren-Großbourgeoisie zum Handlanger der Konterrevolution wird.

Die nationale Bourgeoisie Chinas ist hauptsächlich die mittlere Bourgeoisie. Obwohl sie zwischen 1927 und 1931 (vor den Ereignissen des 18. September 1931) im Gefolge der Klassen der großen Grundherren und der Großbourgeoisie gegen die Revolution kämpfte, war sie im Grunde genommen noch niemals an der Macht, sondern litt unter den Beschränkungen, die ihr durch die reaktionäre Politik der am Ruder befindlichen Klassen, der großen Grundherren und der Großbourgeoisie, auferlegt wurden. In der Periode des Widerstandskampfes gegen die japanische Aggression unterscheidet sich die nationale Bourgeoisie nicht nur von den Kapitulanten innerhalb der Klassen der großen Grundherren und der Großbourgeoisie, sondern auch von den Ultrakonservativen innerhalb der Großbourgeoisie und ist uns bis auf den heutigen Tag ein relativ guter Verbündeter geblieben. Deshalb ist es unbedingt notwendig, der nationalen Bourgeoisie gegenüber eine vorsichtige Politik zu betreiben.

3. Die verschiedenen Kategorien des Kleinbürgertums - außer der Bauernschaft

Zum Kleinbürgertum gehören - außer der Bauernschaft - die breiten Schichten der Intelligenz, der Kleinhändler, der Handwerker sowie der Angehörigen freier Berufe.

Die Stellung dieser Kategorien gleicht in gewissem Grad jener der Mittelbauern. Sie alle werden von dem Imperialismus, dem Feudalismus und der Großbourgeoisie unterdrückt und kommen mit jedem Tag dem Bankrott und Ruin näher.

Deshalb sind diese Teile des Kleinbürgertums eine der Triebkräfte der Revolution, ein zuverlässiger Verbündeter des Proletariats. Sie können ihre Befreiung ebenfalls nur unter Führung des Proletariats erreichen.

Analysieren wir jetzt die verschiedenen Kategorien des Kleinbürgertums - außer der Bauernschaft.

Erstens, die Intelligenz und die studierende Jugend. Die Intelligenz und die studierende Jugend sind keine Klasse oder Schicht. Aber ihrer sozialen Herkunft, ihren Lebensbedingungen und ihrem politischen Standpunkt nach kann die Mehrheit der Intelligenz und der studierenden Jugend im heutigen China zum Kleinbürgertum gezählt werden. In den letzten Jahrzehnten hat sich in China eine zahlenmäßig starke Gruppe der Intelligenz und der studierenden Jugend gebildet. Mit Ausnahme eines Teils der Intelligenz, der dem Imperialismus und der Großbourgeoisie nahesteht, ihnen dient und sich gegen die Volksmassen wendet, werden die Intelligenz und die studierende Jugend im allgemeinen vom Imperialismus, Feudalismus und der Großbourgeoisie unterdrückt und schweben in Gefahr, arbeitslos zu werden bzw. die Studien nicht fortsetzen zu können. Deshalb sind sie sehr revolutionär gesinnt. Sie besitzen größere oder geringere Kenntnisse in den Wissenschaften des Kapitalismus, haben einen scharfen Sinn für Politik und spielen im gegenwärtigen Stadium der chinesischen Revolution häufig die Rolle einer Vorhut und eines Bindeglieds. Die Bewegung unter chinesischen Studenten im Ausland vor der Revolution von 1911, die Bewegung des 4. Mai 1919, die Bewegung des 30. Mai 1925 und die Bewegung des 9. Dezember 1935 sind anschauliche Beispiele dafür. Besonders die zahlreichen ärmeren Intellektuellen sind in der Lage, gemeinsam mit den Arbeitern und Bauern an der Revolution teilzunehmen und sie zu unterstützen. In China fanden die Ideen des Marxismus-Leninismus zuerst unter der Intelligenz und der studierenden Jugend weitgehende Verbreitung und Aufnahme. Ohne Beteiligung der revolutionären Intelligenz können die Kräfte der Revolution nicht erfolgreich organisiert, kann die Arbeit für die Revolution nicht erfolgreich durchgeführt werden. Doch solange sich die Intellektuellen nicht mit dem revolutionären Kampf der Massen identifiziert haben, solange sie nicht entschlossen sind, den Interessen der Massen zu dienen und sich mit ihnen zu verbinden, neigen sie oft zu Subjektivismus und Individualismus, erweisen sich ihre Ideen häufig als inhaltslos und ihre Handlungen als inkonsequent. Daher sind, obwohl die breiten Massen der revolutionären Intellektuellen Chinas die Rolle einer Vorhut und eines Bindeglieds spielen, nicht alle diese Intellektuellen imstande, bis zuletzt revolutionär zu sein. Ein Teil wird in kritischen Augenblicken die Reihen der Revolution verlassen und passiv werden, während ein kleiner Teil sogar zu Feinden der Revolution werden kann. Diese Mängel können die Intellektuellen nur in langwierigen Massenkämpfen überwinden.

Zweitens, die Kleinhändler. In der Regel besitzen sie kleine Läden und beschäftigen überhaupt keine oder nur sehr wenige Handlungsgehilfen. Die Ausbeutung von seiten der Imperialisten, der Großbourgeoisie und der Wucherer führt dazu, daß sie ständig unter der Drohung des Bankrotts leben.

Drittens, die Handwerker. Sie bilden eine große Masse. Sie besitzen eigene Produktionsmittel, dingen entweder überhaupt keine Arbeitskräfte oder haben nur ein bis zwei Lehrlinge oder Gesellen. Die Stellung eines Handwerkers ist der eines Mittelbauern ähnlich.

Viertens, die Angehörigen freier Berufe. Zu dieser Kategorie gehören Vertreter verschiedener Berufe, z. B. die Ärzte. Die Angehörigen der freien Berufe beuten andere Leute nicht oder nur in geringem Maße aus. Ihre Stellung ist jener der Handwerker ähnlich.

Diese genannten Kategorien des Kleinbürgertums umfassen eine riesige Anzahl Menschen, die im allgemeinen imstande sind, an der Revolution teilzunehmen und sie zu unterstützen. Sie sind gute Verbündete der Revolution, deshalb müssen wir sie gewinnen und schützen. Ein Mangel dieser Leute ist, daß manche von ihnen leicht unter den Einfluß der Bourgeoisie geraten; deshalb ist es notwendig, der revolutionären Propaganda- und Organisationsarbeit unter ihnen Beachtung zu schenken.

4. Die Bauernschaft

Die Bauernschaft, die etwa 80 Prozent der Gesamtbevölkerung Chinas ausmacht, ist gegenwärtig die Hauptkraft in der Volkswirtschaft des Landes.

In der Bauernschaft geht ein stürmischer Differenzierungsprozeß vor sich.

Erstens, die Großbauern. Die Großbauern machen etwa fünf Prozent (zusammen mit den Grundherren rund zehn Prozent) der Landbevölkerung aus. Sie werden als ländliche Bourgeoisie bezeichnet. Die meisten chinesischen Großbauern tragen, da sie einen Teil ihres Bodens verpachten, Wucher treiben und Landarbeiter grausam ausbeuten, einen halbfeudalen Charakter. Die Großbauern arbeiten aber in der Regel selbst mit, und in diesem Sinne gehören sie doch zur Bauernschaft. Ihre Produktionstätigkeit wird während einer bestimmten Periode immer noch nützlich bleiben. Die Großbauern können im allgemeinen einen gewissen Beitrag zum Kampf der Bauernmassen gegen den Imperialismus leisten und in dem agrarrevolutionären Kampf gegen die Grundherren Neutralität wahren. Deshalb dürfen wir die Großbauern nicht zu derselben Klasse wie die Grundherren zählen, wir dürfen nicht vorzeitig eine Politik zur Beseitigung des Großbauerntums betreiben.

Zweitens, die Mittelbauern. Die Mittelbauern machen etwa 20 Prozent der Landbevölkerung Chinas aus. Sie befriedigen ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse aus eigener Produktion (wobei sie in ertragreichen Jahren gewisse Produktionsüberschüsse haben können, zuweilen auch in geringem Umfang fremde Arbeitskraft dingen oder geringe Geldsummen als Darlehen gewähren) ; im allgemeinen beuten sie andere nicht aus, werden jedoch selbst von den Imperialisten, der Grundherrenklasse und der Bourgeoisie ausgebeutet. Die Mittelbauern haben durchweg keine politischen Rechte. Ein Teil von ihnen hat nicht genug Land, und nur bei einem gewissen Teil (den wohlhabenden Mittelbauern) gibt es geringe Bodenüberschüsse. Die Mittelbauern können nicht nur an der antiimperialistischen Revolution und an der Agrarrevolution teilnehmen, sondern auch den Sozialismus akzeptieren. Deshalb können die Mittelbauern in ihrer Gesamtheit zum zuverlässigen Verbündeten des Proletariats werden und stellen eine wichtige Triebkraft der Revolution dar. Die zustimmende oder ablehnende Einstellung der Mittelbauern zur Revolution ist ein für Sieg oder Niederlage der Revolution entscheidender Faktor, und das gilt insbesondere für die Periode nach der Agrarrevolution, wenn die Mittelbauern zur Mehrheit der ländlichen Bevölkerung werden.

Drittens, die armen Bauern. In China machen die armen Bauern zusammen mit den Landarbeitern rund 7o Prozent der ländlichen Bevölkerung aus. Die armen Bauern bilden die gewaltige Masse der Bauern, die entweder überhaupt kein oder nicht genügend Land besitzen. Sie sind das ländliche Halbproletariat, die größte Triebkraft der chinesischen Revolution, der natürliche und zuverlässigste Verbündete des Proletariats, die Hauptarmee unter den Kräften der chinesischen Revolution. Die armen Bauern und die Mittelbauern können ihre Befreiung nur unter Führung des Proletariats erlangen, und das Proletariat wiederum kann einzig und allein im festen Bündnis mit den armen Bauern und Mittelbauern die Revolution zum Sieg führen, andernfalls ist der Sieg unmöglich. Wenn wir "Bauernschaft" sagen, meinen wir hauptsächlich die armen Bauern und Mittelbauern.

5. Das Proletariat

Zum chinesischen Proletariat gehören zweieinhalb bis drei Millionen Arbeiter in der modernen Industrie, rund 12 Millionen Lohnarbeiter in der städtischen Kleinindustrie und im Handwerk sowie Handlungsgehilfen in Handelsunternehmen; außerdem gibt es eine große Anzahl ländlicher Proletarier (d. h. Landarbeiter) und anderer Besitzloser in Stadt und Land. Außer den grundlegenden Vorzügen, die dem Proletariat im allgemeinen eigen sind, das heißt, daß es mit der fortgeschrittensten Wirtschaftsform verbunden ist, sich durch einen starken Sinn für Organisation und Disziplin auszeichnet und keine privaten Produktionsmittel besitzt, hat das chinesische Proletariat viele andere hervorstechende Eigenschaften.

Welches sind diese Eigenschaften?

Erstens ist das chinesische Proletariat einer dreifachen Unterdrückung (durch den Imperialismus, die Bourgeoisie und die feudalen Kräfte) ausgesetzt, deren Härte und Grausamkeit man unter anderen Nationen der Welt selten findet; infolgedessen ist es im revolutionären Kampf entschlossener und konsequenter als irgendeine andere Klasse. Im kolonialen und halbkolonialen China fehlt die ökonomische Grundlage für einen Sozialreformismus, wie man ihn in Europa findet; deshalb ist das gesamte Proletariat, mit Ausnahme weniger Streikbrecher, am revolutionärsten.

Zweitens steht das chinesische Proletariat seit dem Augenblick, da es die revolutionäre Bühne betreten hat, unter der Führung seiner eigenen revolutionären Partei - der Kommunistischen Partei Chinas und ist zur bewußtesten aller Klassen der chinesischen Gesellschaft geworden.

Drittens ist das chinesische Proletariat, da es in seiner Mehrheit aus den Reihen der ruinierten Bauern hervorgegangen ist, durch natürliche Bande mit den breiten Massen der Bauernschaft verbunden, was ihm ein enges Bündnis mit der Bauernschaft erleichtert.

Infolgedessen ist das chinesische Proletariat, obwohl es auch seine unvermeidlichen Schwächen hat, zu denen beispielsweise seine relativ geringe zahlenmäßige Stärke (im Vergleich zur Bauernschaft), seine relative Jugend (im Vergleich zum Proletariat der kapitalistischen Länder) und sein relativ niedriges Kulturniveau (im Vergleich zur Bourgeoisie) gehören, schließlich zur wesentlichsten Triebkraft der chinesischen Revolution geworden. Ohne die Führung durch das Proletariat kann die chinesische Revolution zweifellos nicht siegen. Wenden wir uns vergangenen Zeiten zu, dann haben wir das Beispiel der Revolution von 1911 vor uns, die mit einer Fehlgeburt endete, weil das Proletariat noch nicht bewußt an der Revolution teilnahm, weil es damals noch keine Kommunistische Partei gab. Wenden wir uns der jüngeren Vergangenheit zu, dann haben wir das Beispiel der Revolution von 1924 bis 1927 vor uns, die in einer bestimmten Periode große Erfolge erzielte, weil das Proletariat bewußt an der Revolution teilnahm und die Führung innehatte, weil bereits die Kommunistische Partei bestand. Aber da die Großbourgeoisie später ihr Bündnis mit dem Proletariat verriet und das gemeinsame revolutionäre Programm aufgab und da gleichzeitig das chinesische Proletariat und seine Partei damals noch keine reichen revolutionären Erfahrungen besaßen, erlitt diese Revolution ebenso eine Niederlage. Nach Beginn des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression wurde dank der Führung der antijapanischen nationalen Einheitsfront durch das Proletariat und die Kommunistische Partei der Zusammenschluß der ganzen Nation erreicht, der große Widerstandskrieg wurde entfaltet und wird entschlossen weitergeführt.

Das chinesische Proletariat muß begreifen, daß es, obwohl es die Klasse mit höchstem Bewußtsein und höchstem Sinn für Organisation ist, keinen Sieg erringen kann, wenn es sich nur auf seine eigenen Kräfte verläßt. Will es siegen, muß es sich unter den verschiedensten Bedingungen mit allen Klassen und Schichten vereinigen, die sich an der Revolution beteiligen können, und so eine revolutionäre Einheitsfront schaffen. Unter den verschiedenen Klassen der chinesischen Gesellschaft ist die Bauernschaft der feste Verbündete der Arbeiterklasse; das städtische Kleinbürgertum ist ebenfalls ihr zuverlässiger Verbündeter; die nationale Bourgeoisie ist ein Verbündeter in bestimmten Perioden und bis zu einem gewissen Grad. Das ist eins der fundamentalen Gesetze, die durch die Geschichte der chinesischen Revolution der neuesten zeit bereits bestätigt worden sind.

6. Die vagierenden Elemente

Die koloniale und halbkoloniale Lage Chinas hat in den Dörfern und Städten eine gewaltige Menge von Arbeitslosen hervorgebracht. Darunter sind viele, die der Möglichkeit, sich die Existenzmittel auf ehrlichem Weg zu erwerben, beraubt wurden und nun eben ihren Unterhalt auf unehrliche Weise erwerben müssen. Aus diesen Reihen stammen die Banditen, Landstreicher, Bettler, Prostituierten und die vielen berufsmäßigen Nutznießer des Aberglaubens. Diese Gesellschaftsschicht ist unbeständig. Ein Teil dieser Menschen läßt sich leicht durch die reaktionären Kräfte kaufen, während sich ein anderer Teil an der Revolution beteiligen kann. Mehr zur Zerstörung als zum Aufbau neigend, für den ihnen der Sinn fehlt, werden diese Menschen, sobald sie sich an der Revolution beteiligen, zur Quelle der Mentalität umherschweifender Rebellenhaufen und des Anarchismus. Folglich muß man sie umzuerziehen verstehen und vor ihrem Zerstörungsdrang auf der Hut sein.

Das ist unsere Analyse der Triebkräfte der chinesischen Revolution.

5. DER CHARAKTER DER CHINESISCHEN REVOLUTION

Wir haben nun den Charakter der chinesischen Gesellschaft, das heißt die besonderen Verhältnisse Chinas begriffen. Das ist die wesentlichste Voraussetzung für die Lösung aller Fragen der chinesischen Revolution. Wir sind uns ebenfalls über die Kampfobjekte, Aufgaben und Triebkräfte der chinesischen Revolution klargeworden, sie alle sind grundlegende Fragen der chinesischen Revolution im gegenwärtigen Stadium, die sich aus dem besonderen Charakter der chinesischen Gesellschaft, das heißt aus den besonderen Verhältnissen Chinas ergeben. Auf Grund dieser Erkenntnis können wir nun eine andere grundlegende Frage der chinesischen Revolution in ihrem gegenwärtigen Stadium begreifen, nämlich den Charakter der chinesischen Revolution.

Welchen Charakter hat denn die chinesische Revolution im gegenwärtigen Stadium? Ist sie eine bürgerlich-demokratische oder eine proletarisch-sozialistische Revolution? Sie gehört offensichtlich nicht zum letzteren, sondern zum ersteren Typ.

Da die chinesische Gesellschaft immer noch eine koloniale, halbkoloniale und halbfeudale Gesellschaft ist, da die Feinde der chinesischen Revolution in der Hauptsache weiterhin der Imperialismus und die feudalen Kräfte bleiben, da die Aufgaben der chinesischen Revolution die auf den Sturz dieser beiden Hauptfeinde gerichtete nationale und demokratische Revolution sind - wobei an dieser Revolution zeitweilig auch die Bourgeoisie teilnimmt -, ist die Spitze der Revolution, selbst wenn die Großbourgeoisie die Revolution verrät und zu ihrem Feind wird, nicht gegen den Kapitalismus und das kapitalistische Privateigentum schlechthin, sondern gegen den Imperialismus und den Feudalismus gerichtet. Aus all diesen Gründen ist die chinesische Revolution im gegenwärtigen Stadium ihrem Charakter nach keine proletarisch-sozialistische, sondern eine bürgerlich-demokratische Revolution.24

Aber die bürgerlich-demokratische Revolution im heutigen China ist schon nicht mehr eine gewöhnliche bürgerlich-demokratische Revolution alten Typs, da solche Revolutionen bereits der Vergangenheit angehören, sondern eine besondere bürgerlich-demokratische Revolution neuen Typs. Die Revolution dieses Typs entfaltet sich jetzt in China und in allen anderen kolonialen und halbkolonialen Ländern. Wir bezeichnen sie als die neudemokratische Revolution. Diese neudemokratische Revolution ist ein Teil der sozialistischen Revolution des Weltproletariats, sie tritt dem Imperialismus, das heißt dem internationalen Kapitalismus, entschieden entgegen. Politisch stellt diese Revolution die gemeinsame Diktatur mehrerer revolutionärer Klassen dar, die sich gegen die Imperialisten, Landesverräter und Reaktionäre richtet, sie kämpft gegen die Umwandlung der chinesischen Gesellschaft in eine Gesellschaft unter der Diktatur der Bourgeoisie. Ökonomisch besteht diese Revolution darin, daß die großen Kapitalien und Großbetriebe, die den Imperialisten, Landesverrätern und Reaktionären gehören, in die Verwaltung des Staates übergeführt werden, daß der Grund und Boden der Grundherren an die Bauern als Eigentum verteilt wird, während die privatkapitalistischen Betriebe im allgemeinen beibehalten werden und die Großbauernwirtschaft nicht beseitigt wird. Deshalb macht zwar eine solche demokratische Revolution neuen Typs einerseits dem Kapitalismus den Weg frei, andererseits schafft sie aber auch die Voraussetzungen für den Sozialismus. Das gegenwärtige Stadium der Revolution in China ist ein Übergangsstadium zwischen der Beendigung der kolonialen, halbkolonialen und halbfeudalen Gesellschaft und der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft; das ist der Prozeß der neudemokratischen Revolution. Dieser Prozeß, der erst mit dem ersten Weltkrieg und der Oktoberrevolution in Rußland begann, fing in China mit der Bewegung des 4. Mai im Jahre 1919 an. Die neudemokratische Revolution ist eine antiimperialistische, antifeudale Revolution der Volksmassen unter Führung des Proletariats. Nur über diese Revolution kann sich die chinesische Gesellschaft zum Sozialismus weiterentwickeln; einen anderen Weg gibt es nicht.

Eine solche neudemokratische Revolution unterscheidet sich scharf von den demokratischen Revolutionen, wie sie in den Ländern Europas und Amerikas vor sich gegangen sind, da sie nicht die Diktatur der Bourgeoisie, sondern die Diktatur der Einheitsfront aller revolutionären Klassen unter Führung des Proletariats schafft. Die antijapanische demokratische politische Macht, die im Verlauf des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression in den von der Kommunistischen Partei geleiteten antijapanischen Stützpunktgebieten geschaffen wurde, ist die politische Macht der antijapanischen nationalen Einheitsfront. Das ist weder nur die Diktatur der Bourgeoisie noch allein die Diktatur des Proletariats, sondern die gemeinsame Diktatur mehrerer revolutionärer Klassen unter Führung des Proletariats. Zur Teilnahme an der Ausübung dieser Macht ist jeder - welcher Partei oder Gruppe er auch angehören mag - berechtigt, sofern er den Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge unterstützt und für die Demokratie eintritt.

Eine solche neudemokratische Revolution unterscheidet sich auch von der sozialistischen Revolution, denn sie stürzt nur die Herrschaft des Imperialismus, der Landesverräter und Reaktionäre in China und zerstört keinen einzigen jener Bestandteile des Kapitalismus, die noch imstande sind, sich am Kampf gegen Imperialismus und Feudalismus zu beteiligen.

Eine solche neudemokratische Revolution stimmt im wesentlichen mit der Revolution im Sinne der Drei Volksprinzipien überein, für die sich Sun Yat-sen im Jahre I924 eingesetzt hat. Im Manifest des I. Nationalkongresses der Kuomintang von 1924 schrieb Sun Yat-sen:

Das sogenannte demokratische System in den modernen Staaten wird häufig von der Bourgeoisie monopolisiert und verwandelt sich somit in ein Instrument zur Unterdrückung des einfachen Volkes. Aber die Demokratie, wie sie die Kuomintang zu einem ihrer Prinzipien gemacht hat, ist Gemeingut des einfachen Volkes und nicht Privatbesitz einer kleinen Minderheit.

Und weiter:

Unternehmen, ob in chinesischer oder ausländischer Hand, die monopolistischen Charakter tragen oder deren Umfang für eine private Verwaltung zu groß ist, wie Banken, Eisenbahnen und Zivilluftfahrt, sollen vom Staat geführt und verwaltet werden, damit nicht das Privatkapital die Lebenshaltung der Nation kontrolliert; das eben ist das Hauptprinzip der Regulierung des Kapitals.

Und außerdem hat Sun Yat-sen in seinem Testament auf die Grundprinzipien der Innen- und Außenpolitik hingewiesen: "Wir müssen die Volksmassen wecken und uns zum gemeinsamen Kampf mit jenen Nationen der Welt verbünden, die uns als gleichberechtigt behandeln." Das alles zusammengenommen verwandelt die Drei Volksprinzipien der alten Demokratie, die der alten internationalen und inneren Lage entsprachen, in die Drei Volksprinzipien der Neuen Demokratie, die der neuen internationalen und inneren Lage entsprechen. In der Deklaration der Kommunistischen Partei Chinas vom 22. September 1937, in der es heißt: "Die Drei Volksprinzipien sind für das heutige China unerläßlich, und unsere Partei ist bereit, für ihre restlose Verwirklichung zu kämpfen", waren gerade diese Drei Volksprinzipien und nicht irgendwelche anderen Drei Volksprinzipien gemeint. Diese Drei Volksprinzipien sind es, welche die drei politischen Hauptrichtlinien Sun Yat-sens verkörpern: Bündnis mit Rußland, Bündnis mit der Kommunistischen Partei sowie Unterstützung der Bauern und Arbeiter. Unter den neuen internationalen und inneren Bedingungen sind solche Drei Volksprinzipien, die von den drei politischen Hauptrichtlinien losgelöst sind, keine revolutionären Drei Volksprinzipien (wir wollen hier nicht darauf eingehen, daß der Kommunismus und die Drei Volksprinzipien nur im grundlegenden politischen Programm für die demokratische Revolution übereinstimmen und in jeder anderen Hinsicht sich voneinander unterscheiden).

Deshalb darf in der bürgerlich-demokratischen Revolution Chinas - ob es sich nun um ihre Kampffront (die Einheitsfront) oder um ihr staatliches Gefüge handelt - die Rolle des Proletariats, der Bauernschaft und der anderen Schichten des Kleinbürgertums nicht ignoriert werden. Wem es einfallen sollte, das Proletariat, die Bauernschaft und die anderen Schichten des Kleinbürgertums Chinas unbeachtet zu lassen, der wird zweifellos die Geschicke der chinesischen Nation nicht entscheiden und keins der Probleme Chinas lösen können. Die demokratische Republik, die im gegenwärtigen Stadium der chinesischen Revolution geschaffen werden soll, muß eine demokratische Republik sein, in der die Arbeiter, die Bauern und die anderen Schichten des Kleinbürgertums eine bestimmte Stellung einnehmen und eine bestimmte Rolle spielen werden. Mit anderen Worten, sie muß eine demokratische Republik des revolutionären Bündnisses der Arbeiter, der Bauern, des städtischen Kleinbürgertums und aller anderen antiimperialistischen und antifeudalen Elemente sein. Nur unter der Führung des Proletariats kann eine solche Republik völlig verwirklicht werden.

6. DIE PERSPEKTIVEN DER CHINESISCHEN REVOLUTION

Nachdem nun die grundlegenden Fragen, die den Charakter der chinesischen Gesellschaft im gegenwärtigen Stadium sowie die Kampfobjekte, die Aufgaben, die Triebkräfte und den Charakter der chinesischen Revolution betreffen, geklärt sind, ist es leicht, die Perspektiven der Revolution, das heißt die Beziehung zwischen Chinas bürgerlichdemokratischer und proletarisch-sozialistischer Revolution oder zwischen dem gegenwärtigen Stadium und dem künftigen Stadium der chinesischen Revolution zu begreifen.

Da die chinesische bürgerlich-demokratische Revolution im gegenwärtigen Stadium keine gewöhnliche bürgerlich-demokratische Revolution alten Typs, sondern eine besondere demokratische Revolution neuen Typs, nämlich eine neudemokratische Revolution darstellt, da die chinesische Revolution außerdem in der neuen internationalen Lage der dreißiger und vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts, die durch den Aufschwung des Sozialismus und den Niedergang des Kapitalismus gekennzeichnet ist, und in der Periode des zweiten Weltkriegs und der Revolutionen vor sich geht, besteht kein Zweifel darüber, daß die Perspektive der chinesischen Revolution letzten Endes nicht der Kapitalismus, sondern der Sozialismus und Kommunismus ist.

Da das Ziel der chinesischen Revolution im heutigen Stadium der Kampf für die Veränderung des gegenwärtigen kolonialen, halbkolonialen und halbfeudalen Status der chinesischen Gesellschaft, das heißt ein Kampf für die Vollendung der neudemokratischen Revolution ist, kann man sich leicht vorstellen und braucht sich nicht darüber zu wundern, daß sich nach dem Sieg der Revolution die kapitalistische Wirtschaft in der chinesischen Gesellschaft bis zu einem gewissen Grad entwickeln wird, weil der Entwicklung des Kapitalismus Hindernisse aus dem Weg geräumt sein werden. In dem wirtschaftlich rückständigen China wird eine gewisse Entwicklung des Kapitalismus das unvermeidliche Ergebnis des Sieges der demokratischen Revolution sein. Aber das wird nur ein Teil des Resultats der chinesischen Revolution, nicht das Gesamtergebnis sein. Im ganzen genommen wird die chinesische Revolution zum Ergebnis haben, daß sich einerseits die kapitalistischen, andererseits die sozialistischen Faktoren entwickeln werden. Was sind die sozialistischen Faktoren? Das ist das wachsende Gewicht des Proletariats und der Kommunistischen Partei unter den politischen Kräften des Landes; das ist die Führung durch das Proletariat und durch die Kommunistische Partei, die entweder von der Bauernschaft, der Intelligenz und dem städtischen Kleinbürgertum bereits anerkannt wurde oder wahrscheinlich noch anerkannt werden wird; das ist der staatliche Sektor der demokratischen Republik und der genossenschaftliche Sektor der Werktätigen in der Wirtschaft. Das alles sind die sozialistischen Faktoren. Da außerdem die internationale Lage günstig ist, wird es höchst wahrscheinlich sein, daß China letzten Endes in seiner bürgerlich-demokratischen Revolution die kapitalistische Perspektive vermeiden und die sozialistische Perspektive verwirklichen wird.

7. DIE ZWEIFACHE AUFGABE DER CHINESISCHEN REVOLUTION UND DIE KOMMUNISTISCHE PARTEI CHINAS

Wenn wir alles in diesem Kapitel Gesagte zusammenfassen, können wir begreifen, daß die chinesische Revolution als Ganzes eine zweifache Aufgabe enthält. Das heißt, sie umfaßt sowohl die Aufgabe der bürgerlich-demokratischen (der neudemokratischen) Revolution als auch die Aufgabe der proletarisch-sozialistischen Revolution, die Aufgabe der Revolution sowohl im gegenwärtigen als auch im künftigen Stadium. Die Führung bei dieser revolutionären Doppelaufgabe ruht völlig auf den Schultern der Partei des chinesischen Proletariats - der Kommunistischen Partei Chinas; ohne Führung durch die Kommunistische Partei kann keine Revolution von Erfolg sein.

Die chinesische bürgerlich-demokratische (neudemokratische) Revolution zu vollenden und, wenn hierfür alle notwendigen Voraussetzungen gegeben sind, sie in eine sozialistische Revolution umzuwandeln - das ist in ihrem ganzen Umfang die ruhmvolle, große revolutionäre Aufgabe der Kommunistischen Partei Chinas. Jedes Mitglied der Partei muß dafür kämpfen und darf nicht auf halbem Weg stehenbleiben. Manche unreife Parteimitglieder nehmen an, daß sich unsere Aufgaben auf die demokratische Revolution des gegenwärtigen Stadiums beschränken und nicht die künftige sozialistische Revolution einbeziehen, oder sie halten die gegenwärtige Revolution oder die Agrarrevolution schon für die sozialistische Revolution. Man muß mit Nachdruck darauf hinweisen, daß diese Ansichten falsch sind. Jedes Parteimitglied muß wissen, daß die von der Kommunistischen Partei Chinas geführte revolutionäre Bewegung als Ganzes eine revolutionäre Bewegung ist, die sowohl das Stadium der demokratischen Revolution als auch das Stadium der sozialistischen Revolution umfaßt; es handelt sich um zwei ihrem Charakter nach verschiedene revolutionäre Prozesse, wobei der Prozeß der sozialistischen Revolution sich erst dann vollziehen kann, nachdem der Prozeß der demokratischen Revolution abgeschlossen ist. Die demokratische Revolution ist die notwendige Vorbereitung der sozialistischen Revolution, während die sozialistische Revolution die unvermeidliche Entwicklungsrichtung der demokratischen Revolution darstellt. Das Endziel, das alle Kommunisten anstreben, ist die Verwirklichung der sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft. Nur wenn man den Unterschied zwischen der demokratischen und der sozialistischen Revolution begriffen hat und sich gleichzeitig über den zwischen ihnen bestehenden Zusammenhang klargeworden ist, kann man die Revolution in China richtig führen.

Diese zwei großen Revolutionen Chinas - die demokratische und die sozialistische Revolution - bis zur restlosen Vollendung zu führen, dazu ist außer der Kommunistischen Partei Chinas keine andere (weder eine bürgerliche noch eine kleinbürgerliche) Partei imstande. Und die Kommunistische Partei Chinas trägt seit dem Tag ihrer Gründung diese zweifache Aufgabe auf ihren Schultern und führt nun schon volle achtzehn Jahre den schweren Kampf um ihre Erfüllung.

Eine solche Aufgabe ist äußerst ehrenvoll, aber zugleich ungemein schwierig. Ohne eine das ganze Land erfassende, ideologisch, politisch und organisatorisch völlig gefestigte bolschewisierte Partei mit breitem Massencharakter, wie die Kommunistische Partei Chinas es ist, kann diese Aufgabe nicht erfüllt werden. Deshalb ist es die Pflicht eines jeden Parteimitglieds, sich aktiv am Aufbau einer solchen kommunistischen Partei zu beteiligen.

ANMERKUNGEN

1) Nach chinesischen Überlieferungen wurde der Kompaß schon vor sehr langer Zeit erfunden. In dem Buch Lüscbi T'schuntjiu aus der Periode der Streitenden Reiche (3. Jahrhundert v. u. Z.) heißt es: "Der Magnet zieht das Eisen an" woraus man schließen kann, daß die Chinesen bereits damals diese Eigenschaft des Magneten gekannt haben. In Lunheng, einem Werk von Wang Tschung zu Beginn der Herrschaft der östlichen Han-Dynastie (Anfang des 1. Jahrhunderts u. Z.), heißt es, daß sich der Stiel eines Löffels aus Magnet-Erz nach dem Pol richtet. Man kann daraus erkennen, daß bereits zu jener Zeit die Eigenschaft des Magneten, zum Pol zu zeigen, bekannt war. Wie aus Büchern anfangs des 15. Jahrhunderts hervorgeht den Büchern von Dschu Yü und Hsü Djing der Sung-Periode-, wurde der Kompaß bereits zu jener Zeit bei Seefahrten verwendet und war weit verbreitet.

2) In der Periode der östlichen Han-Dynastie erfand der Hofeunuch Tsai Lun eine Methode, aus Holzrinde, Flachsabfällen, Lumpen und Fischernetzen Papier herzustellen. Im Jahre 105 u. Z., dem letzten Jahr der Herrschaft des Kaisers Ho Di, überreichte Tsai Lun seine Erfindung dem Kaiser, und seit dieser Zeit wurde diese Methode zur Herstellung eines Papiers verbreitet, das die Bezeichnung ,.Papier des Fürsten Tsai" erhielt.

3) Der Buchdruck wurde in China während der Sui-Dynastie, etwa im Jahre 600, erfunden.

4) In der Regierungsperiode Tjingli (1041-1048) des Kaisers Jen Dsung aus der Sung-Dynastie erfand Bi Scheng die Methode des Druckens mit beweglichen Lettern.

5) Der Überlieferung nach wurde das Schießpulver in China im 9. Jahrhundert erfunden. Im 11. Jahrhundert wurde in China bei Kampfhandlungen bereits Schießpulver für Kanonen verwandt.

6) Das waren die ersten großen Bauernaufstände in China. Im Jahre 209 v. u. Z., im 1. Jahr der Regierungsperiode des Kaisers Örl Schi während der Tjin-Dynastie, stellten sich Tschen Scheng und Wu Guang, die nach einer Garnison unterwegs waren, im Kreis Tjihsiän (im heutigen Kreis Suhsiän der Provinz Anhui) an die Spitze der mit ihnen marschierenden 900 Soldaten zum Aufstand gegen die Tyrannei der Tjin-Dynastie. Das Beispiel machte in ganz China Schule. Hsiang Yü und sein Onkel Hsiang Liang unternahmen einen bewaffneten Aufstand in Wu (heute Kreis Wuhsiän in der Provinz Kiangsu); Liu Bang erhob sich in Pe (heute Kreis Pehsiän in der Provinz Kiangsu - Der Übers.). Während die Armee unter Hsiang Yü die Hauptkräfte der Armee des Tjin-Reiches vernichtete, besetzte die Armee von Liu Bang als erste das Gebiet von Guandschung (in der heutigen Provinz Schensi) und damit die Hauptstadt des Tjin-Staates. Nun begann der Kampf zwischen Liu Bang und Hsiang Yü, in dessen Verlauf Hsiang Yü eine Niederlage erlitt und sich das Leben nahm. Liu Bang ließ sich zum Kaiser ausrufen und gründete die Han-Dynastie, die die Tjin-Dynastie ablöste.

7) Am Ende der Westlichen Han-Dynastie kam es im Land überall zu Bauernunruhen und zu vereinzelten Bauernaufständen. Im Jahre 8 u. Z. stürzte Wang Mang die Han-Dynastie, machte sich zum Kaiser und verkündete einige Reformen, um die Bauernunruhen abklingen zu lassen. Zu dieser Zeit wütete im Süden eine große Hungersnot. Die Hungernden wählten Wang Kuang und Wang Feng, die beide aus Hsinschi (heute im Kreis Djingschan, Provinz Hupeh) stammten, zu ihren Führern und erhoben sich zum Aufstand. Diese Bauernarmee kämpfte sich bis zur Stadt Nanyang vor und nannte sich "Truppen aus Hsinschi". In Pinglin (im Nordosten des heutigen Kreises Suihsiän der Provinz Hupeh) erhob sich Tschen Mu mit mehr als tausend Mann. Seine Abteilung erhielt die Bezeichnung "Truppen aus Pinglin". "Tschime" (Rote Augenbrauen) und "Tungma" (Kupferne Pferde) waren ebenfalls Armeen aufständischer Bauern zur Zeit von Wang Mang. Die "Tungma" erhoben sich im zentralen Teil der Provinz Hopeh, die "Tschime" im mittleren Teil der Provinz Schantung. Der Führer der "Roten Augenbrauen" war Fan Tschung. Der Name rührte davon her, daß sich alle Teilnehmer des Aufstands die Augenbrauen rot färbten. Das war seinerzeit die größte Armee aufständischer Bauern.

8) Im Jahre 184 u. Z., während der Herrschaft von Ling Di, einem Kaiser der Östlichen Han-Dynastie, brach ein Bauernaufstand unter der Führung von Dschang Djiao aus; als Erkennungszeichen trugen die Aufständischen gelbe Turbane.

9) Am Ende der Sui-Dynastie, Anfang des 7. Jahrhunderts, brachen überall Bauernaufstände aus. Li Mi und Dou Djiän-dö waren Führer der damaligen Aufstände in Honan bzw. Hopeh und befehligten mächtige Armeen.

10) Im Jahre 874 (in der Regierungsperiode des Tang-Kaisers Hsi Dsung) stellte sich Wang Hsiän-dschi an die Spitze eines Aufstands in Schantung. Im folgenden Jahr sammelte Huang Tschao das Volk um sich, um Wang Hsiän-dschi zu unterstützen. Vgl. die Arbeit "Über die Berichtigung falscher Ansichten in der Partei", Anmerkung 2, Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. I, S. 131 f.

11) Sung Djiang und Fang La waren zwei bekannte Führer der Bauernaufstände im Norden und Süden Chinas in der Regierungsperiode Hsüanho des Kaisers Hui Dsung der Sung-Dynastie zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Sung Djiang operierte im Grenzgebiet von Schantung, Hopeh, Honan und Kiangsu, Fang La dagegen im Gebiet der Provinzen Tschekiang und Anhui.

12) Im Jahre 1351, dem 11. Jahr der Regierungsperiode Dschidscheng des Kaisers Schun Di der Yüan-Dynastie, kam es überall zu Volksaufständen. Dschu Yüandschang aus Fengyang in der Provinz Anhui trat in die Armee der Aufständischen ein, die von Guo Dsi-hsing geführt wurde; als Guo Dsi-hsing statt, setzte sich Dschu Yüan-dschang an die Spitze der Aufständischen. Er stürzte schließlich die Herrschaft der mongolischen Dynastie, wurde Kaiser und begründete die Ming-Dynastie.

13) Siehe die Arbeit "Über die Berichtigung falscher Ansichten in der Partei", Anmerkung 3, Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. I, S. 132.

14) Siehe die Arbeit "Über die Taktik im Kampf gegen den japanischen Imperialismus", Anmerkung 33, Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. I, S. 107.

15) Großbritannien und Frankreich führten von 1856 bis 1860 gemeinsam einen Aggressionskrieg gegen China, wobei sie die Unterstützung der USA und des zaristischen Rußland erhielten. Die Regierung der Tjing-Dynastie richtete damals ihre ganze Energie darauf, die Bauernrevolution des Taiping-Tiänguo niederzuschlagen, und betrieb eine Politik des passiven Widerstands gegen die ausländischen Aggressoren. Die vereinten Truppen Englands und Frankreichs besetzten wichtige Großstädte wie Kanton, Tientsin und Peking, plünderten den Yüanmingyüan-Palast in Peking und brannten ihn nieder, zwangen die Tjing-Regierung, den "Vertrag von Tientsin" und den "Vertrag von Peking" zu unterzeichnen. Diese Verträge legten hauptsächlich fest, daß Tientsin, Niudschuang, Dengdschou, Taiwan, Danschui, Tschaodschou, Tjiungdschou, Nanking, Dschendjiang, Djiudjiang und Hankou als Handelshäfen geöffnet werden, und sahen Privilegien für Ausländer für Reisen und Missionstätigkeit im Inneren Chinas sowie für die Binnenschiffahrt vor. Von diesem Zeitpunkt an breiteten sich die ausländischen Aggressionskräfte über alle Küstenprovinzen Chinas aus und drangen tief ins Land ein.

16) In den Jahren 1884/85 machten die französischen Aggressoren bewaffnete Einfälle in Vietnam und auf die chinesischen Gebiete Kuangsi, Fukien, Taiwan und Tschekiang. Die chinesischen Truppen leisteten unter Führung von Feng Dsi-tsai und Liu Yung-fu energisch Widerstand und errangen wiederholt Siege. Obwohl der Krieg siegreich beendet wurde, unterzeichnete die verfaulte Regierung der TjingDynastie gegen jedwede Vernunft den erniedrigenden "Vertrag von Tientsin".

17) lm Jahre 1900 sandten acht imperialistische Mächte-Großbritannien, die USA, Deutschland, Frankreich, Rußland, Japan, Italien und Österreich-Ungarn gemeinsam Truppen zum Angriff auf China, um die Yihotuan-Widerstandsbewegung des chinesischen Volkes gegen die Aggression niederzuschlagen. Das chinesische Volk wehrte sich heldenhaft. Die verbündeten Streitkräfte der acht Mächte eroberten Dagu und besetzten Tientsin und Peking. 1901 schloß die Regierung der Tjing-Dynastie mit den acht imperialistischen Ländern den Vertrag von 1901", der in der Hauptsache vorsah, daß China diesen Ländern die enorme Summe von 450 Millionen Silbertaler als Kriegsentschädigung zahlt und daß die imperialistischen Staaten das widerrechtliche Privileg besitzen, Truppen in Peking und im Gebiet zwischen Peking, Tientsin und Schanhaiguan zu stationieren.

18) Das Recht der konsularischen Gerichtsbarkeit ist eins der in den ungleichen Verträgen vorgesehenen Privilegien, die von den imperialistischen Staaten den alten chinesischen Regierungen aufgezwungen wurden. Erstmalig wurde dieses Recht durch den chinesisch-englischen Vertrag von Humen (1843) und durch den chinesisch-amerikanischen Vertrag von Wanghsia (1844) festgelegt. Dieses Privileg besagte: In China lebende Bürger der Staaten, die das Recht der konsularischen Gerichtsbarkeit genossen, konnten als Angeklagte in einem Zivil- oder Strafprozeß nicht vor ein chinesisches Gericht zitiert, sondern nur vom Konsul ihres eigenen Landes verhört werden.

19) Ende des 19. Jahrhunderts begannen die imperialistischen Staaten, die in China eingedrungen waren, je nach ihrer wirtschaftlichen und militärischen Macht in China bestimmte Gebiete Chinas als ihre Einflußsphären festzulegen. So wurden z. B. das Gebiet am Mittel- und Unterlauf des Yangtse zur Einflußsphäre Großbritanniens, die Provinzen Yünnan, Kuangsi und Kuangtung zur Einflußsphäre Frankreichs, die Provinz Schantung zur Einflußsphäre Deutschlands, die Provinz Fukien zur Einflußsphäre Japans. Die Drei Nordöstlichen Provinzen (Liaoning, Kirin und Heilungkiang [Der Übers.]) wurden zuerst zur Einflußsphäre des zaristischen Rußland; nach dem Russisch-Japanischen Krieg von 1905 wurde ihr südlicher Tei) zur Einflußsphäre Japans.

20) Nachdem die imperialistischen Staaten die Regierung der Tjing-Dynastie gezwungen hatten, gewisse Orte an der Küste und an den Flüssen als offene Handelshäfen anzuerkennen, bemächtigten sie sich mit Gewalt einiger Gebiete an den Orten, die sie für günstig hielten, und verwandelten sie in ihre "Konzessionen". In diesen "Konzessionen" führten sie ihr besonderes Herrschaftssystem ein, ein System, das von dem chinesischen Verwaltungssystem und der chinesischen Gerichtsbarkeit völlig unabhängig war, das heißt ein imperialistisches Kolonialregime. Gleichzeitig hielt der Imperialismus durch derartige "Konzessionen" die Herrschaft der chinesischen Feudal- und Kompradorenklasse direkt oder indirekt unter seiner politischen und wirtschaftlichen Kontrolle. Während der Revolution von 1924-1927 entfalteten die revolutionären Massen unter Führung der Kommunistischen Partei Chinas die Bewegung für die Rückgabe der Konzessionen und nahmen im Januar 1927 von den Engländern die Konzessionen in Hankou und Djiudjiang zurück. Nach dem Verrat Tschiang Kai-scheks an der Revolution bestanden jedoch die Konzessionen der Imperialisten in verschiedenen Teilen Chinas unverändert fort.

21) Zitiert aus den "Thesen über die revolutionäre Bewegung in den Kolonien und Halbkolonien" des VI. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale. 22 Zitiert aus "Die Revolution in China und die Aufgaben der Kommintern", eine

Rede, die J. W. Stalin am 24. Mai 1927 auf der 8. Plenartagung des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale hielt.

22) J. W. Stalin, "Über die Perspektiven der Revolution in China".

23) Siehe W. I. Lenin, "Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907".