(28. Dezember 1936)
aus: Mao Tse-Tung, Ausgewählte Werke Band I, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1968, S.299-309
|299| In Sian nahm Tschiang Kai-schek die Forderung der Generale Dschang Hsüä-liang und Yang Hu-tscheng sowie der Bevölkerung des Nordwestens an, der japanischen Aggression Widerstand entgegenzusetzen, und als einen einleitenden Schritt befahl er seinen den Bürgerkrieg führenden Truppen, sich aus den Provinzen Schensi und Kansu zurückzuziehen. Das ist der Beginn einer Änderung der zehnjährigen falschen Politik Tschiang Kai-scheks.[1] Damit wurde den japanischen Imperialisten und der chinesischen StrafexpeditionsGruppe [2] ein Schlag versetzt, die Intrigen schmiedeten mit der Absicht, den Bürgerkrieg zu dirigieren, eine Spaltung herbeizuführen und Tschiang während der Sian-Ereignisse zu töten. Ihre Enttäuschung ist offenkundig. Die Anzeichen, daß Tschiang sich der Lage bewußt zu werden begann, konnten als ein Symptom für die Bereitwilligkeit der Kuomintang angesehen werden, mit ihrer zehnjährigen falschen Politik Schluß zu machen.
Am 26. Dezember veröffentlichte Tschiang Kai-schek in Loyang eine Erklärung, die sogenannte "Belehrung für Dschang Hsüä-liang und Yang
Hu-tscheng", die so nebelhaft und ausweichend war, daß sie wahrhaftig als eines der interessantesten politischen Dokumente Chinas gelten
kann. Wenn Tschiang tatsächlich eine ernste Lehre aus diesen Ereignissen ziehen und sich um die Erneuerung der Kuomintang bemühen
will, wenn er mit seiner traditionellen falschen Politik der Kompromisse in außenpolitischen Angelegenheiten, des Bürgerkriegs und der
Unterdrückung des Volkes im Lande Schluß machen will, so daß die Kuomintang nicht länger den Wünschen des Volkes zuwiderhandeln
wird, dann hätte er - um seine Aufrichtigkeit zu beweisen - ein würdigeres Schriftstück abfassen sollen, in dem er seine politische
|300| Vergangenheit bitter bereuen und sich bereit erklären würde, künftig einen neuen Kurs einzuschlagen. Die Erklärung vom 26. Dezember
vermag die Forderungen der Volksmassen Chinas nicht zu erfüllen.
In der Erklärung Tschiangs verdient jedoch eine Stelle Anerkennung, nämlich jene, wo es unter anderem heißt: "Das Wort muß gehalten werden, die Tat muß entschlossen sein." Das bedeutet: Obwohl Tschiang Kai-schek in Sian die von Dschang Hsüä-liang und Yang Hu-tscheng gestellten Bedingungen nicht unterzeichnet hat, sei er nichtsdestoweniger bereit, die den Interessen des Staates und der Nation dienenden Forderungen anzunehmen, werde er das Wort nicht deswegen brechen, weil er seine Unterschrift nicht gegeben hat. Wir werden sehen, ob Tschiang nach dem Abzug seiner Truppen sein Wort halten und die Bedingungen, die er angenommen hat, einhalten wird. Diese Bedingungen lauten: 1. Die Kuomintang und die Nationalregierung sind zu reorganisieren, die pro-japanische Gruppe ist zu verjagen, und antijapanische Vertreter sind aufzunehmen; 2. die patriotischen Führer in Schanghai [3] und alle anderen politischen Häftlinge sind freizulassen, das Recht auf Freiheit für das Volk ist zu garantieren; 3. mit der Politik der "Kommunistenausrottung" ist Schluß zu machen, und ein Bündnis mit der Roten Armee gegen die japanische Aggression ist zu schließen; 4. es ist eine Konferenz zur Rettung des Vaterlands einzuberufen, an der Vertreter aller Parteien und Gruppen, aller Bevölkerungskreise und aller Armeen teilnehmen werden und die die Richtlinien für den Widerstand gegen die japanische Aggression zur Rettung des Vaterlands festlegen soll; 5. mit jenen Staaten, die mit dem Widerstand Chinas gegen die japanische Aggression sympathisieren, sind Beziehungen der Zusammenarbeit aufzunehmen; 6. andere konkrete Maßnahmen zur Rettung des Vaterlands sind festzulegen. Um diese Bedingungen zu verwirklichen, bedarf es vor allem der strikten Einhaltung des gegebenen Wortes und auch eines gewissen Mutes. Wir werden Tschiang nach seinen künftigen Handlungen zu beurteilen haben.
In der Erklärung Tschiangs wird aber unter anderem erwähnt, daß die Sian-Ereignisse unter dem Druck der "Reaktionäre" zustande kamen.
Leider erklärte Tschiang nicht, was für Leute gemeint sind, wenn er von "Reaktionären" spricht. Man weiß auch nicht, wie das Wort
"Reaktionäre" in Tschiangs Wörterbuch definiert wird. Aber fest steht, daß die Sian-Ereignisse unter dem Einfluß folgender Kräfte ausgelöst
wurden: 1. die wachsende Empörung gegen die japanische
|301| Aggression unter den Truppen Dschang Hsüä-liangs und Yang Hutschengs sowie unter den revolutionären Volksmassen des
Nordwestens; 2. die wachsende Empörung gegen die japanische Aggression im gesamten Volk; 3. das Anwachsen der Kräfte des linken
Flügels der Kuomintang; 4. die Forderungen nach Widerstand gegen die japanische Aggression zur Rettung des Vaterlands, erhoben von
Gruppen, die in verschiedenen Provinzen über reale Kräfte verfügen; 5. das Eintreten der Kommunistischen Partei für die Schaffung einer
antijapanischen nationalen Einheitsfront; 6. die Erweiterung der Friedensfront in der ganzen Welt. Das sind Tatsachen, die man nicht zu
verheimlichen vermag. Mit den von Tschiang genannten "Reaktionären" ist niemand anders gemeint als eben diese Kräfte; nur ist es so, daß
Tschiang diese Kräfte, die man Revolutionäre nennt, als "Reaktionäre" bezeichnet. In Sian erklärte Tschiang, er wolle ernstlich gegen die
japanische Aggression kämpfen; voraussichtlich wird Tschiang nach seiner Abreise von Sian nicht sofort zu einem neuen massiven Angriff
gegen die revolutionären Kräfte übergehen; denn von der Treue zu seinem gegebenen Wort hängt nicht nur das politische Leben Tschiangs
und seiner Gruppe ab, überdies stehen er und seine Gruppe auf ihrem jetzigen politischen Weg einer zu ihrem Nachteil erstarkten Kraft; der
sogenannten Strafexpeditions-Gruppe, gegenüber, die während der Sian-Ereignisse versucht hat, Tschiang zu töten. Daher raten wir
Tschiang, sein politisches Wörterbuch zu revidieren, das Wort "Reaktionäre" durch das Wort Revolutionäre zu ersetzen. Denn es dürfte wohl
angebracht sein, die Dinge beim rechten Namen zu nennen.
Tschiang sollte beherzigen: Wenn er Sian unversehrt verlassen konnte, verdankte er dies nicht nur den Generalen Dschang Hsüäliang und
Yang Hu-tscheng, den führenden Persönlichkeiten bei den Sian-Ereignissen; eine bedeutende Rolle spielte dabei auch die Vermittlung der
Kommunistischen Partei. Während des Zwischenfalls trat die Kommunistische Partei für eine friedliche Regelung ein und machte alle
möglichen Anstrengungen, um dieses Ziel zu erreichen; sie ging ausschließlich von dem Standpunkt des Fortbestands der Nation aus. Wäre
der Bürgerkrieg ausgeweitet worden, hätten Dschang Hsüä-liang und Yang Hu-tscheng Tschiang lange Zeit in Haft behalten, dann wäre die
weitere Entwicklung der Ereignisse nur den japanischen Imperialisten und der chinesischen Strafexpeditiongruppe zugute gekommen. Es war
die Kommunistische Partei, die
|302| in dieser Situation die Intrigen der japanischen Imperialisten sowie Wang Djing-wes [4] , Ho Ying-tjins [5] und anderer Angehörigen der
chinesischen Strafexpeditions-Gruppe mit aller Entschiedenheit entlarvte und konsequent eine friedliche Regelung des Vorfalls befürwortete.
Wie es der Zufall will, stimmt der Standpunkt der Kommunistischen Partei in dieser Frage mit dem Standpunkt der Generale Dschang
Hsüä-liang und Yang Hu-tscheng sowie solcher Vertreter der Kuomintang wie Sung Dsi-wens [6] überein. Das ist eben der Standpunkt des
ganzen Volkes, weil der gegenwärtige Bürgerkrieg von ihm zutiefst verabscheut wird.
Da Tschiang die Sian-Bedingungen annahm, wurde er bereits freigelassen. Jetzt kommt es darauf an, ob er sein Versprechen "Das Wort muß gehalten werden, die Tat muß entschlossen sein" ohne jegliche Vorbehalte erfüllt, ob er alle Bedingungen für die Rettung des Vaterlands bis aufs i-Tüpfelchen einhält. Im ganzen Land wird ihm das Volk kein weiteres Zögern gestatten und nicht den geringsten Nachlaß gewähren. Sollte er in der Frage des Widerstands gegen die japanische Aggression hin und her schwanken und die Einlösung des gegebenen Versprechens hinausschieben, dann wird ihn die revolutionäre Flut des ganzen Volkes hinwegspülen. Tschiang und seine Gruppe sollten den alten Ausspruch "Wenn ein Mensch sein Wort nicht hält; wozu taugt er noch?" ernsthaft beachten.
Wenn Tschiang den Schmutz der zehnjährigen reaktionären Politik der Kuomintang abwaschen und seine grundlegenden Fehler restlos korrigieren kann, nämlich die Kompromisse in den außenpolitischen Angelegenheiten, den Bürgerkrieg und die Unterdrückung des Volkes, wenn er unverzüglich der Einheitsfront aller Parteien und Gruppen für den einmütigen Widerstand gegen die japanische Aggression beitritt, wenn er tatsächlich sowohl militärisch als auch politisch Maßnahmen zur Rettung des Landes ergreift, dann wird ihn die Kommunistische Partei natürlich unterstützen. Die Kommunistische Partei hat bereits in ihrem Brief an die Kuomintang vom 25. August Tschiang und der Kuomintang eine solche Unterstützung versprochen. [7] Partei Im Lauf von 15 Jahren hat sich das ganze Volk schon davon überzeugt, daß die Kommunistische Partei die Maxime "Das Wort muß gehalten werden, die Tat muß entschlossen sein" befolgt. Den Worten und Taten der Kommunistischen Partei schenkt das ganze Volk fürwahr mehr Glauben als den Worten und Taten irgendeiner anderen Partei im Land.
|330| ANMERKUNGEN
1 Unter dem Einfluß der Roten Armee Chinas und der Bewegung der Volksmassen gegen die japanische Aggression erklärten sich die Nordostarmee der Kuomintang unter dem Kommando Dschang Hsüä-liangs und die 17. Route-Armee der Kuomintang unter dem Kommando Yang Hu-tschengs mit der von der Kommunistischen Partei Chinas vorgeschlagenen antijapanischen nationalen Einheitsfront einverstanden und forderten, daß sich Tschiang Kai-schek mit der Kommunistischen Partei zum Widerstand gegen die japanische Aggression vereinige. Tschiang Kai-schek weigerte sich, diese Forderung anzunehmen, schwamm noch mehr gegen den Strom, indem er die militärische "Kommunistenausrottung" aktiv vorbereitete und unter der Jugend in Sian, die gegen die japanische Aggression auftat, ein Blutbad anrichtete. Daraufhin verhafteten Dschang Hsüä-liang und Yang Hu-tscheng in gemeinsamer Aktion Tschiang Kai-schek. Das waren die bekannten Sian-Ereignisse vom 12. Dezember 1936. Tschiang Kai-schek war gezwungen, die Forderung nach einem Bündnis mit der Kommunistischen Partei zum Widerstand gegen Japan anzunehmen. Danach wurde er freigelassen und kehrte nach Nanking zurück.
2 Gemeint ist eine projapanische Gruppe in der Nankinger Kuomintang-Regierung, die mit Tschiang Kai-schek um die Macht kämpfte und während der Sian-Ereignisse für eine "Strafexpedition" gegen Dschang Hsüä-liang und Yang Hu-tscheng eintrat. An der Spitze dieser Gruppe standen Wang Djing-we und Ho Ying-tjin. Unter Ausnutzung der Sian-Ereignisse bereiteten sie einen Bürgerkrieg großen Maßstabs vor, um so der Offensive der japanischen Eindringlinge den Weg zu ebnen und die Gelegenheit wahrzunehmen, Tschiang Kai-schek selbst die Macht zu entreißen.
3 Es handelt sich um die sieben Führer der patriotischen Bewegung gegen die japanische Aggression in Schanghai: Schen Djün-ju, Dschang Nai-tji, Dsou Tao-fen, Li Gung-pu, Scha Tjiän-li, Schi Liang und Wang Dsao-schi. Sie wurden von der Tschiangkaischek-Regierung im November 1936 verhaftet und erst im Juli 1937 freigelassen.
4 Wang Djing-we war damals Führer der projapanischen Gruppe in der Kuomintang. Er trat seit der Aggression der japanischen Imperialisten im Jahre 1931 stets für Kompromisse mit ihnen ein. Im Dezember 1938 verließ er Tschungking, ging offen auf die Seite der japanischen Eindringlinge über und bildete eine Marionettenregierung in Nanking.
5 Ho Ying-tjin war Kuomintang-Militärmachthaber und ein anderer Führer der projapanischen Gruppe in der Kuomintang. Während der Sian-Ereignisse bereitete er sich aktiv darauf vor, den Bürgerkrieg zu entfesseln, indem er Kuomintang-Truppen zu einem Angriff längs der Lunghai-Eisenbahn gegen die Provinz Schensi einsetzte. Er schmiedete auch Pläne, durch die Bombardierung der Stadt Sian Tschiang Kai-schek zu töten, um seinen Platz einzunehmen.
6 Sung Dsi-wen war ein proamerikanischer Vertreter in der Kuomintang. Infolge der Gegensätze zwischen den beiden imperialistischen Mächten, Japan und den USA, die damals um die Vorherrschaft im Fernen Osten kämpften, setzte er sich im Interesse der USA ebenfalls für eine friedliche Regelung der Sian-Ereignisse ein.
7 Dieser Brief unterzog die reaktionäre Herrschaft der Kuomintang und das 2. Plenum des Zentralexekutivkomitees der Kuomintang einer
berechtigten, scharfen Kritik, gleichzeitig wurde in dem Brief die Politik der Kommunistischen Partei Chinas für die Schaffung einer
antijapanischen nationalen Einheitsfront und ihre Bereitschaft
|304| für die Wiederherstellung ihrer Zusammenarbeit mit der Kuomintang dargelegt. Nachstehend der Hauptteil dieses Briefes:
Mit der "Zentralisierung und Einheit", von der das 2. Plenum des Zentralexekutivkomitees Ihrer Partei sprach, wird in der Tat die Frage
verdreht. Es muß darauf hingewiesen werden, daß der Bürgerkrieg und die Uneinigkeit während der letzten zehn Jahre ausschließlich
verursacht wurden durch die für den Staat verhängnisvolle Politik Ihrer Partei und deren Regierung, die darauf abzielte, sich von dem
Imperialismus abhängig zu machen, sowie insbesondere durch die von Ihnen seit den Ereignissen des 18. September konsequent
betriebene Politik des Nichtwiderstands. Unter der Losung Ihrer Partei und deren Regierung "Bevor man gegen den äußeren Feind
kämpft, muß man im eigenen Land Ordnung schaffen" haben Sie seit vielen Jahren ununterbrochen den Bürgerkrieg gefühlt, haben Sie
unzählige Einkreisungsfeldzüge gegen die Rote Armee unternommen und keine Mühe gescheut, die patriotische und demokratische
Bewegung des ganzen Volkes zu unterdrücken. Sie haben den Nordosten und Norden des Landes preisgegeben, und das Schicksal
dieser Gebiete läßt Sie heute noch kalt. Sie haben vergessen daß der japanische Imperialismus der Erzfeind Chinas ist, haben Ihre
ganze Kraft gegen die Rote Armee und auf den Fraktionskampf innerhalb Ihrer eigenen Partei gerichtet; Sie haben alle Kräfte eingesetzt,
um der Roten Armee den Weg zum Widerstand gegen die japanische Aggression zu verlegen und das Hinterland der Roten Armee im
Widerstandskrieg zu desorganisieren; Sie haben die Forderung des Volkes nach Widerstand gegen die japanische Aggression ignoriert,
haben dem Volk das Recht auf Freiheit geraubt. Die Vaterlandsliebe ist zu einem Verbrechen geworden, und die Gefängnisse überall im
Land sind mit völlig unschuldigen Menschen überfüllt; der Vaterlandsverrat wird jedoch belohnt, und die Landesverräter schwelgen schon
im Vorgeschmack ihres sicheren Aufstiegs in der Regierung. Mit Hilfe dieser falschen Politik nach Zentralisierung und Einheit streben ist
das gleiche wie "auf einem Baum Fische suchen", nämlich es wird genau das Gegenteil dabei herauskommen. Wir erklären Ihnen mit
Nachdruck, meine Herren: Wenn Sie nicht von Grund auf Ihren verderblichen Kurs ändern, wenn Sie nicht Ihren Haß gegen den
japanischen Imperialismus, sondern weiterhin gegen Ihre Landsleute richten, werden Sie, so sehr Sie sich auch bemühen, nicht einmal
den Status quo aufrechterhalten können. Das Gerede über Zentralisierung, Einheit und einen sogenannten "modernen Staat" ist ein um
so größeres Geschwätz. Das ganze Volk braucht eine Zentralisierung und eine Einheit, wie sie die Sache des Widerstands gegen die
japanische Aggression zur Rettung des Vaterlands erfordert, nicht aber eine Zentralisierung und eine Einheit, die lediglich dazu dienen,
vor dem äußeren Feind auf dem Bauch zu kriechen und das eigene Volk zu unterdrücken. Gegenwärtig fordert das gesamte Volk
energisch die Bildung einer Regierung, die wirklich das Vaterland und das Volk zu retten vermag, es fordert die Schaffung einer wahrhaft
demokratischen Republik. Das ganze Volk fordert die Bildung einer solchen demokratischen republikanischen Regierung, die für seine
Interessen eintreten wird. Das Programm einer solchen Regierung muß folgende Hauptpunkte enthalten: Sie muß in der Lage sein,
erstens der ausländischen Invasion Widerstand entgegenzusetzen, zweitens dem Volk demokratische Rechte zu geben und drittens die
Volkswirtschaft zu entwickeln, die Leiden des Volkes zu erleichtern, ja sie überhaupt zu beenden. Wenn man schon von einem "modernen
Staat" spricht, müßte sein Programm von dieser Art sein; eben ein solches Programm braucht im gegenwärtigen Augenblick das
koloniale und halbkoloniale China. Das gesamte Volk kämpft jetzt mit heißem Wunsch und fester Entschlossenheit für
|305| die Verwirklichung dieses Zieles. Die Politik Ihrer Partei und deren Regierung dagegen ist diesen Wünschen des ganzen Volkes
direkt entgegengesetzt. Es ist Ihnen absolut unmöglich, auf diese Weise sein Vertrauen zu gewinnen. Die Kommunistische Partei Chinas
und die Rote Armee Chinas erklären hiermit feierlich: Wir sind für die Schaffung einer allchinesischen einheitlichen demokratischen
Republik; wir sind für die Einberufung eines Parlaments, das auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts gewählt werden soll; wir
unterstützen eine allchinesische Konferenz der Vertreter des ganzen Volkes und aller antijapanischen Streitkräfte für den Widerstand
gegen die japanische Aggression zur Rettung des Vaterlands; wir unterstützen eine allchinesische einheitliche Regierung der
Landesverteidigung. Wir erklären: Sobald eine allchinesische einheitliche demokratische Republik geschaffen wird, werden die toten
Gebiete als Bestandteile in diese Republik eingehen, die Vertreter der Bevölkerung der roten Gebiete werden an dem allchinesischen
Parlament teilnehmen, in den roten Gebieten wird die gleiche demokratische Ordnung eingeführt, wie sie in ganz China errichtet werden
soll. Wir sind der Meinung, daß weder der Rat für Landesverteidigung, dessen Schaffung in den Beschlüssen des 2. Plenums des
Zentralexekutivkomitees Ihrer Partei vorgesehen ist, noch die Nationalversammlung, deren Einberufung gegenwärtig von Ihrer Partei und
deren Regierung vorbereitet wird, die Aufgaben der Zentralisierung und Vereinigung des Landes für den Widerstand gegen die
japanische Aggression zur Rettung des Vaterlands erfüllen kann. Nach dem auf dem 2. Plenum des Zentralexekutivkomitees Ihrer Partei
bestätigten Statut des Rates für Landesverteidigung zu urteilen, wird der Rat nur aus einem kleinen Häuflein von Beamten bestehen, die
in Ihrer Partei und deren Regierung führende Stellungen bekleiden, und seine Aufgaben wären einzig und allein die, als ein beratendes
Organ der Regierung Ihrer Partei zu dienen. Es ist offensichtlich, daß ein solcher Rat nichts zustande bringen und nicht im geringsten das
Vertrauen des Volkes erwerben kann. Urteilt man aber nach dem "Entwurf der Verfassung der Republik China" und nach den ,Gesetzen
zur Organisierung und Wahl der Nationalversammlung", die von der Regierung Ihrer Partei angenommen worden sind, dann kann die
Nationalversammlung, die Sie, meine Herren, einzuberufen beabsichtigen, ebenfalls nichts zustande bringen und nicht das Vertrauen
des Volkes erwerben, weil diese Nationalversammlung nur ein Organ wäre, das von einigen wenigen Beamten Ihrer Partei und deren
Regierung manipuliert wird, zum Anhängsel dieser Beamten oder zu ihrer Fassade würde. Ein solcher Rat für Landesverteidigung und
eine solche Nationalversammlung haben nichts gemein mit dem, was unsere Partei anstrebt - nichts gemein mit einer allchinesischen
Konferenz für den Widerstand gegen die japanische Aggression zur Rettung des Vaterlands (das wäre ein Rat für Landesverteidigung),
nichts gemein mit einer chinesischen demokratischen Republik und deren Parlament. Wir sind der Meinung, daß man in den Rat für
Landesverteidigung, der sich mit der Organisierung des Widerstands gegen die japanische Aggression zur Rettung des Vaterlands
befassen soll, unbedingt Vertreter aller Parteien und Gruppen, aller Bevölkerungskreise und aller bewaffneten Kräfte einbeziehen muß,
um ein Machtorgan zu schaffen, das die Hauptrichtlinie für den Widerstand gegen die japanische Aggression zur Rettung des Vaterlands
tatsächlich festzulegen vermag; eben aus diesem Rat soll sich eine allchinesische einheitliche Regierung der Landesverteidigung
ergeben. Die Nationalversammlung aber muß ihrerseits zum Parlament, zum höchsten Organ der Staatsgewalt der chinesischen
demokratischen Republik werden, gewählt vom ganzen Volk auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts. Nur ein solcher Rat für
Landesverteidigung und ein
|306| solches allchinesisches Parlament werden damit rechnen können, daß das Volk sie begrüßt, unterstutzt und an ihnen teilnimmt, nur
sie werden die feste, unerschütterliche Grundlage für die große Sache der Rettung des Vaterlands und des Volkes schaffen können.
Umgekehrt ist der Sache durch keinerlei schöne Bezeichnungen zu helfen, und man kann keineswegs die Billigung des Volkes gewinnen.
Als bester Beweis hierfür kann die Tatsache dienen, daß alle Konferenzen, die von Ihrer Partei und deren Regierung einberufen wurden,
nur mit einem Fiasko geendet haben. In der Deklaration des 2. Plenums des Zentralexekutivkomitees Ihrer Partei heißt es: "Gefahren und
Hindernisse tauchen für uns nicht unerwartet auf, aber die Schwierigkeiten, denen die Nation entgegensieht, dürfen für uns keinesfalls
Gründe dafür sein, die Erfüllung der Verpflichtungen zu vernachlässigen." Und weiter: ,Was das Überleben unserer Nation betrifft, muß
unsere Partei dafür beharrlich, mit Leib und Seele arbeiten." In der Tat muß Ihre Partei, die auf dem größten Teil des Territoriums Chinas
regiert, die politische Verantwortung für alles, was getan wurde, auf sich nehmen. Angesichts der Tatsache, daß die
Kuomintang-Regierung die Diktatur einer Partei ist, kann sich Ihre Partei dieser Verantwortung auf keinen Fall entziehen. Entgegen dem
Willen des ganzen Volkes, entgegen den Interessen der ganzen Nation betreibt Ihre Partei, insbesondere seit den Ereignissen des 18.
September eine absolut falsche Politik, wodurch fast die Hälfte des Territoriums Chinas verlorengegangen ist, und es wird Ihnen nie und
nimmer gelingen, die Verantwortung dafür auf irgend jemand anderen abzuwälzen. Gemeinsam mit dem ganzen chinesischen Volk sind
wir der Meinung, daß - da die Hälfte des chinesischen Territoriums durch Verschulden Ihrer Partei verlorengegangen ist - Ihre Partei
unweigerlich die Verantwortung für die Zurückeroberung des Territoriums und die Wiederherstellung der Souveränität Chinas trägt.
Zugleich gibt es in Ihrer Partei nicht wenig ehrliche Menschen, die sich darüber klar geworden sind, daß die Unterjochung des Vaterlands
katastrophale Folgen hätte und daß man nicht den Volkswillen vergewaltigen darf, und sie haben nun begonnen, die Richtung zu ändern
und Unzufriedenheit und Empörung über jene Elemente in der Kuomintang zu äußern, deren Tätigkeit eine Katastrophe für die Partei und
den Staat heraufbeschwört. Die Kommunistische Partei Chinas sympathisiert voll und ganz mit dieser Änderung und begrüßt aufs
wärmste die edle Gesinnung und das Erwachen der patriotischen und ehrlichen Mitglieder der Kuomintang, begrüßt die Bereitschaft zum
aufopfernden Kampf und den Mut zur Erneuerung, was sie beides angesichts der Gefahr des Untergangs der Nation bekundet haben. Wir
wissen, daß es im Zentralexekutivkomitee und in den Provinzkomitees Ihrer Partei, in der Zentralregierung und in den
Provinzregierungen, auf dem Bildungssektor, in den Kreisen der Wissenschaftler und Künstler, unter den Journalisten, Unternehmern,
unter den Frauen, in religiösen Kreisen, unter den Medizinern und den Angehörigen der Polizei, in den verschiedenen
Massenorganisationen und erst recht in den Massen der Armee, unter den alten und neuen Mitgliedern der Kuomintang wie auch unter
den Leitern der Kuomintang auf allen Ebenen wirklich viele bewußte und patriotisch gesinnte Menschen gibt; und ihre Zahl wächst von
Tag zu Tag; das ist eine sehr erfreuliche Erscheinung. Die Kommunistische Partei Chinas ist stets bereit, mit diesen Mitgliedern der
Kuomintang zusammenzuarbeiten, eine feste nationale Einheitsfront zu bilden zum Kampf gegen den Erzfeind der chinesischen Nation -
den japanischen Imperialismus. Wir hoffen, daß diese Mitglieder der Kuomintang schnell zur dominierenden Kraft in der Kuomintang
werden und über jene schlimmsten und schamlosesten Mitglieder der Kuomintang die Oberhand ge-
|307| winnen, die die Interessen der Nation ignorieren, faktisch zu Agenten des japanischen Imperialismus, zu projapanischen
Landesverrätern geworden sind - über jene Mitglieder der Kuomintang, die den Namen Dr. Sun Yat-sens mit Schande bedecken. Wir
hoffen, daß sie den Geist der revolutionären Drei Volksprinzipien Dr. Sun Yat-sens wieder erwecken und seine drei politischen
Hauptrichtlinien Bündnis mit Rußland, Bündnis mit der Kommunistischen Partei sowie Unterstützung der Bauern und Arbeiter - erneuern;
wir hoffen, daß sie "beharrlich, mit Leib und Seele arbeiten werden, um die revolutionären Drei Volksprinzipien und die drei politischen
Hauptrichtlinien in die Tat umzusetzen, um das revolutionäre Vermächtnis Dr. Sun Yat-sens zu verwirklichen. Wir hoffen, daß sie
gemeinsam mit den patriotisch gesinnten Führern aller politischen Parteien und Gruppen sowie aller Bevölkerungskreise, gemeinsam mit
den patriotisch gesinnten Volksmassen des ganzen Landes entschlossen die Verantwortung für die Fortsetzung des revolutionären
Werkes Dr. Sun Yat-sens übernehmen werden, entschlossen für die Vertreibung der japanischen Imperialisten und für die Rettung
Chinas vor dem Untergang, für die demokratischen Rechte des ganzen Volkes, für die Entwicklung der Volkswirtschaft Chinas, damit die
überwiegende Mehrheit des Volkes von Not und Elend befreit wird, für die Schaffung der chinesischen demokratischen Republik mit ihrem
demokratischen Parlament und ihrer demokratischen Regierung kämpfen werden. Die Kommunistische Partei Chinas wendet sich an alle
Mitglieder der Kuomintang mit folgender Erklärung: Werden Sie tatsächlich in diesem Sinne handeln, so werden wir Sie entschlossen
unterstützen; wir sind bereit, uns mit Ihnen zu einer festen revolutionären Einheitsfront zusammenzuschließen, wie es die große
Einheitsfront der beiden Parteien zum Kampf gegen die imperialistische und feudale Unterjochung in der Periode der großen
chinesischen Revolution von 1924 bis 1927 war. Denn gegenwärtig ist das der einzig richtige Weg, um das Vaterland vor dem Untergang
zu retten und seine weitere Existenz zu sichern.