Mao AW Band IV

Mao Werke


Mao Tse-tung: 

ÜBER DEN KURS DER KAMPFHANDLUNGEN - BEI DER PEIPING-TIENTSIN-OPERATION 1 *

(11. Dezember 1948)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band IV, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969, S. 309-314


1. Die feindlichen Streitkräfte in Dschangdjiakou, Hsinbaoan und Huailai und im ganzen Raum von Peiping-Tientsin-Tanggu-Tangschan weisen - mit Ausnahme einiger weniger Einheiten, wie zum Beispiel gewisser Divisionen des 35., 62. und 94. Korps, die, gestützt auf ihre Befestigungsanlagen, in der Defensive immer noch eine ziemlich starke Kampfkraft zeigen - einen geringen Offensivgeist auf; sie gleichen, besonders seit Eurem Vorrücken in den Raum südlich der Großen Mauer, Vögeln, die schon das bloße Anspannen der Bogensehne in Schrecken versetzt. Man darf auf keinen Fall die Kampfkraft des Feindes überschätzen. Einige unserer Genossen haben dadurch Schaden gelitten, daß sie die Kampfkraft des Feindes überschätzten. Als sie aber kritisiert wurden, sahen sie das ein. Gegenwärtig sind die feindlichen Truppenteile in Dschangdjiakou und Hsinbaoan tatsächlich eingekreist, und es wird ihnen im allgemeinen schwerfallen, aus der Umzingelung durchzubrechen und zu entkommen. Ungefähr die Hälfte des 16. Korps wurde rasch vernichtet. Das 104. Korps des Feindes in Huailai ist in aller Eile nach Süden geflohen und wird wahrscheinlich heute oder morgen vernichtet werden. Nachdem das geschehen ist, bereitet Euch darauf vor, mit der 4. Kolonne von Südwesten2 nach Nordosten vorzustoßen, um die Verbindung zwischen Nankou und Peiping abzuschneiden. Wir nehmen an, daß sich das nicht leicht verwirklichen läßt; denn entweder werden sich das 94. Korps und der Rest des 16. Korps schnell nach Peiping zurückziehen, oder das 94., 16. und 92. Korps werden sich im Raum von Nankou-Tschangping-Schahodschen massieren, um zu einer gemeinsamen Verteidigung überzugehen. Diese Bewegung unserer 4. Kolonne wird jedoch die nordwestlichen und nördlichen Vororte von Peiping direkt bedrohen und die dortigen Truppen des Feindes binden, so daß sie sich nicht zu rühren wagen werden. Sollten sie trotzdem weiter nach Westen ziehen, um das 35. Korps zu verstärken, könnte man entweder unmittelbar ihren Rückzugsweg abschneiden oder einen direkten Angriff auf Peiping führen; darum werden sie es wahrscheinlich nicht wagen, sich weiter westwärts zu bewegen. Unsere unter dem Befehl von Yang Dö-dschi, Luo Jui-tjing und Geng Biao stehende Nordchina-Armee hat mit neun Divisionen die drei Divisionen des 35. Korps des Feindes eingekreist; das bedeutet absolute Überlegenheit. Dies Kommando hat vorgeschlagen, diese feindlichen Divisionen baldigst zu vernichten, aber wir möchten das Kommando bitten, augenblicklich nicht anzugreifen, um den in Peiping und Tientsin befindlichen Feind anzulocken und ihm somit zu erschweren, sich für eine Flucht übers Meer zu entscheiden. Diesmal hat diese Armee zwei Kolonnen eingesetzt, um das 35. Korps des Feindes einzukreisen, und eine weitere Kolonne, um das 104. Korps aufzuhalten, und hat diese beiden feindlichen Verbände zurückgeschlagen.

2. Wir sind jetzt einverstanden, daß Ihr die 5. Kolonne sofort in die Nähe von Nankou entsendet, um die feindlichen Truppenteile in Peiping, Nankou und Huaijou vom Nordosten her zu bedrohen. Diese Kolonne wird dort bleiben, damit später (in ungefähr zehn oder fünfzehn Tagen, d. h., wenn die von Yang Dö-dschi, Luo Jui-tjing und Geng Biao kommandierte Nordchina-Armee das 35. Korps vernichtet hat) Eure 4. Kolonne zum Einsatz im Osten freigestellt werden kann. Erteilt daher bitte der 5. Kolonne den Befehl, heute den Marsch nach Westen fortzusetzen.

3. Die 3. Kolonne soll unter keinen Umständen nach Nankou vorrücken, sondern gemäß unserem Telegramm vom 9. in die Gegend östlich von Peiping und südlich von Tunghsiän ziehen, um Peiping vom Osten her zu bedrohen und gemeinsam mit der 4., 11. und 5. Kolonne einen Einkreisungsring um Peiping zu bilden.

4. Aber unser wirkliches Ziel besteht darin, zuerst nicht Peiping, sondern Tientsin, Tanggu, Lutai und Tangschan einzukreisen.

5. Wir nehmen an, daß Eure 10., 9., 6. und 8. Kolonne, Eure tlrtilleriekolonne und Eure 7. Kolonne um den 15. Dezember im Raum von Yütiän, mit diesem Ort als Mittelpunkt, versammelt sein werden. Wir schlagen vor, daß Ihr in den Tagen vom 20. bis zum 25. Dezember mit sechs Kolonnen - der 3. (die von den östlichen Vororten Peipings nach Osten marschieren soll) sowie der 6., 7., 8., 9. und 10. Kolonne die feindlichen Truppenteile in Tientsin, Tanggu, Lutai und Tangschan blitzschnell einkreist, wenn die Lage des Feindes in diesen Punkten im großen und ganzen noch die gleiche bleibt wie jetzt. Die Methode besteht darin, zwei Kolonnen in dem Raum um Wutjing, d. h. in den Orten Langfang, Hohsiwu und Yangtsun, aufzustellen und fünf Kolonnen als Keile zwischen die Orte Tientsin, Tanggu, Lutai, Tangschan und Guyä zu treiben, um so die Verbindung zwischen den einzelnen feindlichen Truppenteilen abzuschneiden. Jede dieser Kolonnen soll zu beiden Seiten des Keils so ihre Stellungen anlegen, daß sie den Feind aufhält, damit er nicht entrinnen kann. Dann können sie ausruhen, sich konsolidieren und ausbilden; nachdem sie sich von den Strapazen erholt haben, sollen sie einige kleinere Truppenteile des Feindes angreifen und vernichten. In der Zwischenzeit soll sich die 4. Kolonne von Nordwesten in den Raum östlich von Peiping begeben. Bevor die 4. Kolonne vorrückt, soll die von Yang Dö-dschi, Luo Jui-tjing und Geng Biao kommandierte Nordchina-Armee den Feind in Hsinbaoan vernichten. Im Osten aber soll den Umständen entsprechend jede Anstrengung gemacht werden, zuerst den Feind in Tanggu zu vernichten und so diesen Seehafen unter Kontrolle zu bringen. Wenn diese zwei Punkte - Tanggu (am wichtigsten) und Hsinbaoan - erobert sind, werdet Ihr die Initiative auf dem ganzen Schachbrett in den Händen haben. Die obigen Dispositionen werden in der Tat bedeuten, daß die Truppen des Feindes in Dschangdjiakou, Hsinbaoan, Nankou, Peiping, Huaijou, Schunyi, Tunghsiän, Wanping (Dschuohsiän und Lianghsiang sind bereits von uns eingenommen), Fengtai, Tientsin, Tanggu, Lutai, Tangschan und Kaiping vollständig eingeschlossen sind.

6. Diese Methode ist im allgemeinen die gleiche wie jene, die Ihr zur Zeit der Kämpfe auf der Linie Yihsiän, Djindschou, Djinhsi, Hsingtscheng, Suidschung, Schanhaiguan und Luanhsiän angewandt habt 3

7. In den nächsten zwei Wochen, von heute an gerechnet (vom 11. bis 25. Dezember), besteht das Grundprinzip darin, den Feind einzukreisen ohne ihn anzugreifen (wie z. B. bei Dschangdjiakou und Hsinbaoan) und, in einigen Fällen, ihn abzuschneiden ohne ihn einzukreisen (d. h, nur eine strategische Einkreisung vorzunehmen, die Verbindungen zwischen den einzelnen feindlichen Truppenteilen abzuschneiden, ohne operative Einkreisungen durchzuführen, wie beispielsweise bei Peiping, Tientsin und Tungdschou), um nach Abschluß unserer Aufstellung die feindlichen Truppenteile einzeln zu vernichten. Ihr sollt besonders darauf achten, daß Ihr die feindlichen Truppenteile in Dschangdjiakou, Hsinbaoan und Nankou nicht vernichtet, denn das würde alle feindlichen Truppenteile östlich von Nankou zwingen, sich sofort zu einer hastigen Flucht zu entschließen. Es ist dringend erforderlich, diesen Punkt zu verstehen.

8. Um Tschiang Kai-schek davon abzuhalten, daß er schnell entschlossen seine Truppen aus dem Gebiet Peiping-Tientsin übers Meer nach dem Süden befördert, werden wir Liu Bo-tscheng, Deng Hsiao-ping, Tschen Yi und Su Yü befehlen, nach der Vernichtung von Huang Wes Armee den übriggebliebenen Teil der Armeen von Tjiu Tjing-tjüan, Li Mi und Sun Yüan-liang, die von Du Yü-ming kommandiert werden (ungefähr die Hälfte davon wurde bereits vernichtet), nicht anzutasten und im Laufe von zwei Wochen keine Maßnahmen zu ihrer endgültigen Vernichtung zu treffen.

9. Um die Flucht des Feindes nach Tsingtao zu verhindern, werden wir unseren Truppen in Schantung befehlen, gewisse Kräfte zu konzentrieren, damit sie den Abschnitt des Gelben Flusses in der Nähe von Tsinan unter Kontrolle nehmen, und entlang der Tsingtao-Tsinan-Eisenbahn entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

10. Die Möglichkeit, daß der Feind in die Richtungen Hsüdschou, Dschengdschou, Sian oder Suiyüan entfliehen wird, ist ausgeschlossen oder beinahe ausgeschlossen.

11. Die einzige oder hauptsächlichste Sorge ist, daß der Feind übers Meer entrinnen wird. Daher soll in den nächsten zwei Wochen im allgemeinen die Methode angewandt werden, den Feind einzukreisen, ohne ihn anzugreifen, oder ihn abzuschneiden, ohne ihn einzukreisen.

12. Dieser Plan ist etwas völlig Unerwartetes für den Feind, und es wird ihm sehr schwerfallen, ihn vor dem endgültigen Abschluß Eurer Aufstellung zu erraten. Im Augenblick rechnet der Feind wahrscheinlich mit Eurem Angriff auf Peiping.

13. Immer unterschätzt der Feind die Aktivität unserer Armee und immer überschätzt er seine eigenen Kräfte, obwohl er zugleich auch ein aufgeschreckter Vogel ist. Die Feindtruppen von Peiping-Tientsin werden nie erwarten, daß Ihr die obenerwähnten Truppenbewegungen vor dem 25. Dezember vollenden könnt.

14. Um diesen Aufmarsch vor dem 25. Dezember vollenden zu können, sollt Ihr Eure Truppen dazu ermuntern, in den nächsten zwei Wochen keine Strapazen zu scheuen, keine Angst vor Verlusten zu haben und weder Hunger noch Kälte zu fürchten; nachdem diese Aufstellung beendet ist, können die Truppen ausruhen, sich konsolidieren und ausbilden, um dann völlig vorbereitet zum Angriff überzugehen.

15. Die Reihenfolge der Angriffe ist ungefähr folgende: erstens auf den Raum von Tanggu und Lutai; zweitens auf Hsinbaoan; drittens auf den Raum Tangschan; viertens auf den Raum Tientsin und den Raum Dschangdjiakou und schließlich auf den Raum Peiping.

16. Was ist Eure Meinung zu diesem Plan? Was sind seine Schwächen? Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten bei seiner Ausführung? Bitte überlegt Euch das alles und berichtet uns darüber telegraphisch.

ANMERKUNGEN

* Ein von Genossen Mao Tse-tung abgefaßtes Telegramm des Revolutionären Militärausschusses beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas an Lin Biao, Luo Jung-huan und andere Genossen. Die Peiping-Tientsin-Operation war die letzte der drei größten Operationen, die im Befreiungskrieg des chinesischen Volkes von entscheidender Bedeutung waren. In dieser Operation vernichteten bzw. reorganisierten wir mehr als 520000 Mann der Kuomintang-Truppen, befreiten solche wichtigen Städte wie Peiping, Tientsin, Dschangdjiakou und beendeten im wesentlichen die Kriegsoperationen zur Befreiung von Nordchina. Der hier von Genossen Mao Tse-tung vorgezeichnete Operationskurs wurde in der Praxis voll und ganz verwirklicht.

1. Die Peiping-Tientsin-Operation, die unter dem Kommando von Lin Biao, Luo Jung-huan, Niä Jung-dschen und anderen Genossen von der Nordost-Feldarmee und zwei Nordchina-Armeen gemeinsam durchgeführt wurde, begann Anfang Dezember 1948, gleich nach dem siegreichen Abschluß der Westliaoning-Schenyang-Operation im Nordosten. Nachdem die Nordost-Feldarmee ihre Aufgabe der Befreiung des ganzen Nordostens siegreich erfüllt hatte, rückte sie sofort, die Anweisungen des Genossen Mao Tse-tung befolgend, in das Gebiet südlich der Großen Mauer vor, um gemeinsam mit den Nordchina-Armeen der Volksbefreiungsarmee die Kuomintang-Truppen in Nordchina einzukreisen und zu vernichten. Über den Sieg der Volksbefreiungsarmee im Nordosten aufs äußerste bestürzt, zog sich die mehr als 600000 Mann zählende Kuomintang-Armee unter dem Kommando von Fu Dsuo-yi, Oberbefehlshaber des Oberkommandos der Kuomintang zur "Banditenausrottung" in Nordchina, in Eile zusammen, um nach Süden übers Meer oder nach Westen in die Provinz Suiyüan zu flüchten. Unsere Armee isolierte mit blitzschnellen Aktionen die feindlichen Kräfte voneinander und kreiste sie einzeln in fünf Stützpunkten - Peiping, Tientsin, Dschangdjiakou, Hsinbaoan und Tanggu - ein; somit wurde ihnen der Fluchtweg südwärts und westwärts abgeschnitten. Am 22. Dezember wurden die in Hsinbaoan eingeschlossenen feindlichen Truppen - der Korpsstab und zwei Divisionen des; 5. Korps, das die Hauptkräfte des Feindes bildete- vernichtet. Am 14. Dezember wurde die Stadt Dschangdjiakou eingenommen und die sie verteidigenden feindlichen Kräfte - ein Korpsstab und sieben Divisionen der 11. Armee mit insgesamt mehr als 54000 Mann - restlos vernichtet. Am 14. Januar 1949 begannen unsere Truppen, die Tientsin eingekreist hatten, einen Generalangriff auf die Stadt, nachdem sich der Kommandeur der Tientsin verteidigenden feindlichen Kräfte, Tschen Tschang-djiä, geweigert hatte, die Waffen zu strecken. Nach 29 Stunden heftiger Kämpfe wurden die gesamten feindlichen Verteidigungskräfte von über 130000 Mann vernichtet, Tschen Tschang-djiä wurde gefangengenommen und die Stadt befreit. Zu dieser Zeit gerieten die mehr als 200000 Mann zählenden Truppen des Feindes, die Peiping verteidigten und von unseren Truppen lückenlos eingekreist wurden, in eine völlig ausweglose Lage. Infolge unserer Anstrengungen zur Gewinnung feindlicher Kräfte akzeptierten die Peiping verteidigenden feindlichen Truppen unter Führung von General Fu Dsuo-yi ihre friedliche Reorganisierung. Am 31. Januar marschierten unsere Truppen in Peiping ein, und die Stadt wurde friedlich befreit. Die gesamte Peiping-Tientsin-Operation kam damit zu einem siegreichen Ende. Im Verlauf dieser Operation wurden mit Ausnahme der Tanggu verteidigenden feindlichen Einheiten von über 50000 Mann, die übers Meer flüchteten, die Kuomintang-Truppen in der Stärke von mehr als 520000 Mann von der Volksbefreiungsarmee vernichtet bzw. reorganisiert. Im September 1949 meldeten die Kuomintang-Truppen in Suiyüan telegraphisch, daß sie sich erhoben hätten und zur Reorganisierung bereit wären.

2. Gemeint ist das Gebiet südwestlich von Nankou.

3. Als die Nordost-Feldarmee im September 1948 längs der Peiping-Liaoning-Eisenbahn operierte, mit dem Ziel, die auf dieser Linie postierten feindlichen Truppen in Yihsiän, Djindschou, Djinhsi, Hsingtscheng, Suidschung, Schanhaiguan, Luanhsiän und Tschangli an ihrer Massierung zu hindern, wandte sie die Methode an, zuerst mit einem Teil ihrer Truppen die feindlichen Einheiten an diesen Punkten einzukreisen und voneinander zu trennen, um sie dann einzeln zu vernichten.

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