Mao AW Band IV

Mao Werke


Mao Tse-tung:

ZUR ERKLÄRUNG EINES SPRECHERS TSCHIANG KAI-SCHEKS*

 (16. August 1945)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band IV, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969, S. 39-44


Ein Sprecher Tschiang Kai-scheks erklärte am Nachmittag des 15. August auf einer Pressekonferenz in Tschungking folgendes zur angeblichen Verletzung des Befehls von Generalissimus Tschiang Kai-schek an Oberkommandierenden Tschu Teh durch die Kommunistische Partei: "Die Befehle des Generalissimus müssen befolgt werden" und "Wer ihnen zuwiderhandelt, ist ein Feind des Volkes". Ein Korrespondent der Hsinhua-Nachrichtenagentur stellt fest: Das ist ein von Tschiang Kai-schek in aller Öffentlichkeit gegebenes Signal zum allgemeinen Bürgerkrieg. Am 11. August erließ Tschiang Kai-schek einen Befehl, der dem Verrat an der Nation gleichkommt; er verbot darin der Achten Route-Armee, der Neuen Vierten Armee und allen anderen Volksstreitkräften, im entscheidenden Augenblick der endgültigen Zerschlagung der japanischen Eindringlinge gegen die Japaner und die Marionettentruppen zu kämpfen. Dieser Befehl konnte und durfte natürlich auf keinen Fall akzeptiert werden. Kurz darauf ließ Tschiang Kai-schek durch seinen Sprecher die Streitkräfte des chinesischen Volkes zum "Volksfeind" erklären. Somit zeigt es sich, daß Tschiang Kai-schek dem chinesischen Volk den Bürgerkrieg erklärt hat. Das Bürgerkriegskomplott Tschiang Kai-scheks hat selbstverständlich nicht erst mit seinem Befehl vom 11. August begonnen; es ist sein Plan, den er während der acht Jahre des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression unausgesetzt verfolgte. In diesen acht Jahren hat Tschiang Kai-schek drei großangelegte antikommunistische Kampagnen - 1940, 1941 und 1943 - gestartet,l wobei er jedesmal versuchte, sie zu einem Bürgerkrieg im Landesmaßstab auszuweiten, der nur dank der Opposition des chinesischen Volkes und dank der Opposition von Persönlichkeiten in den Alliierten Staaten nicht ausgebrochen ist, sehr zum Mißvergnügen Tschiang Kai-scheks. Dieser sah sich daher gezwungen, den Bürgerkrieg im Landesmaßstab bis zur Beendigung des Widerstandskriegs aufzuschieben, und so kam es zum Befehl vom 11. August und zur Erklärung vom 15. August. Um einen Bürgerkrieg zu entfesseln, hat Tschiang Kai-schek schon mancherlei Ausdrücke erfunden wie: "fremde Partei", "Verräterpartei", "Verräterarmee", "Meutererarmee", "Verrätergebiete", "Banditengebiete", "Nichtbefolgung von militärischen Befehlen und Regierungsanordnungen", "feudaler Separatismus", "Sabotage des Widerstandskriegs", "Gefährdung des Staates"; und er gab vor, daß es in der Vergangenheit in China angeblich keinen "Bürgerkrieg" gegeben hätte, sondern nur "Kommunistenausrottung", daß es auch in Zukunft keinen "Bürgerkrieg" geben würde usw. usf. Diesmal macht er einen kleinen Unterschied, indem er einen neuen Terminus hinzufügt: "Volksfeind". Man wird aber bald merken, daß dies eine alberne Erfindung ist. Man braucht nämlich in China das Wort "Volksfeind" nur auszusprechen, und jedermann weiß, wer gemeint ist. Es gibt in China eine Person, die die Drei Volksprinzipien Sun Yat-sens und die Große Revolution von 1927 verraten hat. Diese Person hat das chinesische Volk in das Blutbad eines zehnjährigen Bürgerkriegs gestürzt, wodurch der japanische Imperialismus eingeladen wurde, China zu überfallen. Vor Angst ganz von Sinnen, gab dann diese Person Fersengeld und floh an der Spitze eines Haufens von Leuten von Heilungkiang bis in die Provinz Kueitschou. Sie sah mit verschränkten Armen zu und wartete auf den Sieg. Und jetzt, da der Sieg wirklich gekommen ist, fordert diese Person die Volksstreitkräfte auf, "bis auf weitere Anordnungen in ihren Stellungen zu verharren", den Feinden und den Landesverrätern aber befiehlt sie, "die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten", damit sie auf hohem Roß als Triumphator nach Nanking zurückkehren könne. Man braucht diese Tatsachen nur in Erinnerung zu rufen, und das chinesische Volk weiß sogleich, daß die betreffende Person Tschiang Kai-schek ist. Gibt es nach all dem, was er getan hat, noch einen Disput darüber, ob Tschiang Kai-schek ein Volksfeind ist? Ja, es gibt einen solchen Disput. Das Volk sagt, daß er es ist. Der Volksfeind sagt, er wäre es nicht. Nur diesen Disput gibt es. Unter den Volksmassen selbst ist das immer weniger ein Gegenstand des Disputs. Jetzt dreht es sich darum, daß dieser Volksfeind einen Bürgerkrieg vom Zaun brechen will. Was soll da das Volk tun? Der Hsinhua-Korrespondent erklärt, daß die Kommunistische Partei Chinas in bezug auf die Auslösung eines Bürgerkriegs durch Tschiang Kai-schek einen klaren und konsequenten Kurs verfolgt, nämlich: sich einem Bürgerkrieg widersetzen. Schon vor langer Zeit, als der japanische Imperialismus seine Invasion in China begann, verlangte die Kommunistische Partei Chinas die Einstellung des Bürgerkriegs und die Vereinigung zum Kampf gegen den äußeren Feind. Und in den Jahren 1936/37 erzwang sie nach erstaunlich gewaltigen Anstrengungen die Annahme ihres Vorschlags durch Tschiang Kai-schek und machte so den Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression zur Tatsache. In den acht Jahren dieses Krieges rief die Kommunistische Partei Chinas unermüdlich das Volk auf, die Bürgerkriegsgefahr abzuwenden. Seit dem Vorjahr machte die Kommunistische Partei das Volk immer wieder auf die Riesenverschwörung Tschiang Kai-scheks aufmerksam, die darin bestand, sogleich nach Beendigung des Widerstandskriegs einen Bürgerkrieg im Landesmaßstab zu entfesseln. Die Kommunistische Partei würde - ebenso wie das ganze chinesische Volk und die um den Frieden in China besorgten Menschen in der ganzen Welt einen neuen Bürgerkrieg als Katastrophe betrachten. Die Kommunistische Partei ist jedoch der Ansicht, daß der Bürgerkrieg immer noch verhindert werden kann und daß er verhindert werden muß. Gerade um ihn zu verhindern, hat sie die Bildung einer Koalitionsregierung vorgeschlagen. Tschiang Kai-schek hat jetzt diesen Vorschlag zurückgewiesen, und der Bürgerkrieg kann jeden Augenblick ausbrechen. Es gibt aber durchaus ein Mittel, Tschiang Kai-schek Einhalt zu gebieten. Man muß sich bemühen, entschlossen und schnell die demokratischen Kräfte des Volkes zu stärken, das Volk muß die vom Feind besetzten Großstädte befreien und die feindlichen und Marionettentruppen entwaffnen; und wenn ein Autokrat und Volksverräter es wagen sollte, das Volk anzugreifen, muß man zur Selbstverteidigung schreiten und entschieden zurückschlagen, damit die Tricks des Bürgerkriegstreibers zunichte werden. Das ist das Mittel, und zwar das einzige. Der Hsinhua-Korrespondent ruft das ganze Land und die ganze Welt auf, gegen eine beispiellos heuchlerische und unverschämte Lüge Stellung zu nehmen. Dieser Lüge zufolge könnte nämlich umgekehrt ein Bürgerkrieg in China dadurch vermieden werden, daß Tschiang Kai-schek dem chinesischen Volk verbietet, die vom Feind besetzten Großstädte zu befreien, die feindlichen und Marionettentruppen zu entwaffnen und die Demokratie aufzurichten, und daß er selbst in diese Großstädte einrückt, um das Regime des Feindes und der Marionetten zu "beerben" (nicht etwa zu zerschmettern). Der Hsinhua-Korrespondent betont, daß dies eine Lüge ist, die nicht nur offensichtlich den nationalen und demokratischen Interessen des chinesischen Volkes zuwiderläuft, sondern auch allen Tatsachen der jüngsten chinesischen Geschichte direkt ins Gesicht schlägt. Man muß doch stets im Gedächtnis behalten: Tschiang Kai-schek hat den zehnjährigen Bürgerkrieg 1927-1937 nicht deshalb geführt, weil sich die Großstädte in den Händen der Kommunistischen Partei und nicht in den Händen Tschiang Kai-scheks befunden hätten; ganz im Gegenteil, gerade weil sich seit 1927 die Großstädte bis zum heutigen Tag nicht in den Händen der Kommunistischen Partei befinden, sondern in den Händen Tschiang Kai-scheks bzw. der Japaner und Landesverräter, denen Tschiang Kai-schek sie überlassen hat, ist der Bürgerkrieg zehn Jahre lang im Landesmaßstab geführt worden und dauert in lokalem Maßstab bis heute an. Man muß stets im Gedächtnis behalten: Daß dem zehnjährigen Bürgerkrieg ein Ende bereitet und den während des Widerstandskriegs unternommenen drei antikommunistischen Kampagnen sowie unzähligen anderen Kriegsprovokationen (einschließlich des jüngsten Überfalls Tschiang Kai-scheks auf den Südteil des Grenzgebiets Schensi-Kansu-Ningsia2) Einhalt geboten wurde, ist keineswegs einer Stärke Tschiang Kai-scheks zuzuschreiben, sondern, ganz im Gegenteil, dem Umstand, daß die Kräfte Tschiang Kai-scheks relativ nicht stark genug, die der Kommunistischen Partei und des Volkes jedoch relativ stark sind. Der zehnjährige Bürgerkrieg ist nicht deshalb zum Stillstand gekommen, weil dazu alle Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im ganzen Land, die den Frieden erhofften und den Krieg fürchteten, aufgerufen hatten (wie dies zum Beispiel in den Appellen der ehemaligen "Großen Liga für die Einstellung des Bürgerkriegs"3 und ähnlicher Gruppierungen geschehen ist), sondern weil dies die Kommunistische Partei Chinas sowie die Nordostarmee unter Dschang Hsüä-liang und die Nordwestarmee unter Yang Hu-tscheng mit Waffengewalt gefordert hatten. Die drei antikommunistischen Kampagnen und die unzähligen anderen Kriegsprovokationen sind nicht etwa wegen einer grenzenlosen Nachgiebigkeit und Gefügigkeit der Kommunistischen Partei zurückgeschlagen worden, sondern deswegen, weil die Kommunistische Partei die ernste und gerechte Haltung der Selbstverteidigung eingenommen hat: "Wir greifen nicht an, wenn wir nicht angegriffen werden; wer uns angreift, hat aber unbedingt mit unserem Gegenangriff zu rechnen."4 Hätte die Kommunistische Partei nicht im mindesten Stärke und Rückgrat besessen, hätte sie nicht einen konsequenten Kampf für die nationalen und Volksinteressen geführt, wie wäre es dann zur Beendigung des zehnjährigen Bürgerkriegs gekommen? Wie hätte man dann in den Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression eintreten können? Und wenn man sogar in den Widerstandskrieg eingetreten wäre, wie hätte man ihn dann bis zu dem Sieg, den wir heute errungen haben, durchhalten können? Wie hätten dann Tschiang Kai-schek und seinesgleichen heute immer noch unversehrt am Leben bleiben und von ihrem so weit von der Front entfernten Bergschlupfwinkel aus Befehle erteilen und Erklärungen abgeben können? Die Kommunistische Partei Chinas ist entschieden gegen den Bürgerkrieg. "Den Friedenszustand im Innern herstellen" und "provisorische Regierungen bilden, in denen alle demokratischen Elemente der Bevölkerung breit vertreten sind und die sich verpflichten, so rasch wie möglich freie Wahlen abzuhalten, aus denen dem Volkswillen entsprechende Regierungen hervorgehen sollen" - das haben die Sowjetunion, die USA und Großbritannien in der Krim proklamiert 5 Die Kommunistische Partei Chinas besteht gerade auf dieser Forderung, die nichts anderes ist als eben die Forderung nach einer "Koalitionsregierung". Wird diese Forderung verwirklicht, dann kann der Bürgerkrieg verhindert werden. Allerdings unter einer Bedingung: Man muß stark sein. Wenn sich das ganze Volk zusammenschließt und seine Stärke vergrößert, dann kann es den Bürgerkrieg verhindern.

ANMERKUNGEN

* Ein von Genossen Mao Tse-tung für die Hsinhua-Nachrichtenagentur verfaßter Kommentar.

1. Über den Verlauf der drei großangelegten antikommunistischen Kampagnen, die Tschiang Kai-schek entfesselte, siehe "'Ciber das elfte Plenum des Zentralexekutivkomitees der Kuomintang und die zweite Tagung des Politischen Nationalrats (3. Einberufung)", Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. III, S. 157 ff.

2. Bezieht sich auf den Überfall, den die Kuomintang-Truppen im Juli 1945 auf Tschunhua, Hsünyi und Yaohsiän im Bezirk Guandschung des Grenzgebiets Schensi-Kansu-Ningsia unternahmen. Siehe Anmerkung 6 zur Schrift "Die Lage nach dem Sieg im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression und unser Kurs", vorliegender Band, S. 51.

3. Die "Große Liga für die Einstellung des Bürgerkriegs" wurde im August 1932 in Schanghai gegründet und rekrutierte sich hauptsächlich aus Angehörigen der Bourgeoisie. Sie gab eine Erklärung heraus, in der "die Einstellung des Bürgerkriegs und die Vereinigung zum Widerstand gegen die äußere Aggression" gefordert wurden.

4. Siehe "Gespräch mit Korrespondenten der Zentralen Nachrichtenagentur sowie der Zeitungen Saodang Bao und Hsinmin Bao", Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. II, S. 311 ff.

5. Zitiert aus dem Kommuniqué der Krim(Jalta)-Konferenz der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens vom 11. Februar 1945

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