Mao Ausgewählte Werke Band III

Mao Tse-tung


Mao Tse-tung:

REDE VOR DER VOLKSVERSAMMLUNG DES GRENZGEBIETS SCHENSI-KANSU-NINGSIA

 (21. Novemberl 1941)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band III, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1969, S.29-33


Sehr geehrte Delegierte der Volksversammlung! Liebe Genossen! Die heute zusammengetretene Volksversammlung des Grenzgebiets ist von großer Bedeutung. Vor der Volksversammlung steht nur ein Ziel: die Zerschlagung des japanischen Imperialismus und der Aufbau eines neudemokratischen China oder, was dasselbe ist, eines China der revolutionären Drei Volksprinzipien. Für das heutige China kann es nur dieses Ziel geben und kein anderes. Denn unser Hauptfeind ist derzeit nicht der innere Feind, sondern der japanische und der deutschitalienische Faschismus. Während jetzt die sowjetische Rote Armee für die Geschicke der Sowjetunion und der gesamten Menschheit ficht, stehen wir im Kampf gegen den japanischen Imperialismus. Der japanische Imperialismus setzt seine auf die Unterjochung Chinas gerichtete Aggression fort. Die Kommunistische Partei Chinas tritt für den Zusammenschluß aller antijapanischen Kräfte des Landes zur Zerschlagung des japanischen Imperialismus ein, befürwortet die Zusammenarbeit mit allen antijapanischen Parteien und Gruppen, Klassen und Nationalitäten dafür, daß sich alle, mit Ausnahme der Landesverräter, zum gemeinsamen Kampf vereinigen. Dies war stets und bleibt die Position der Kommunistischen Partei Chinas. Der jetzt mehr als vier Jahre währende heroische Widerstandskrieg des chinesischen Volkes gegen die japanische Aggression wird dank der Zusammenarbeit zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei, dank der Zusammenarbeit aller Klassen, aller Parteien und Gruppen, aller Nationalitäten durchgehalten. Doch wir haben noch nicht gesiegt. Nur wenn man den Kampf fortführt und die revolutionären Drei Volksprinzipien in die Tat umsetzt, kann der Sieg errungen werden.
Warum müssen wir die revolutionären Drei Volksprinzipien in die Tat umsetzen? Weil die revolutionären Drei Volksprinzipien Dr. Sun Yat-sens bis auf den heutigen Tag noch nicht in ganz China zur Wirklichkeit geworden sind. Warum verlangen wir heute nicht die Verwirklichung des Sozialismus? Gewiß ist der Sozialismus eine bessere Ordnung, eine Ordnung, die in der Sowjetunion schon lange errichtet ist; aber im gegenwärtigen China sind die Voraussetzungen für ihre Errichtung noch nicht gegeben. Das, was im Grenzgebiet Schensi-Kansu-Ningsia durchgeführt wird, sind die revolutionären Drei Volksprinzipien. Bei der Lösung irgendwelcher praktischen Fragen sind wir niemals über den Rahmen der revolutionären Drei Volksprinzipien hinausgegangen. In der gegenwärtigen Lage bedeutet der Nationalismus – also eins der revolutionären Drei Volksprinzipien – , daß man den japanischen Imperialismus niederschlagen muß; und unter den Prinzipien der Demokratie und des Volkswohls ist zu verstehen, daß man im Interesse des gesamten gegen die japanischen Aggressoren kämpfenden Volkes und nicht im Interesse irgendeiner Gruppe von Menschen wirken muß. Unser ganzes Volk muß die persönlichen Freiheitsrechte, das Recht auf Teilnahme am politischen Leben und das Recht auf Schutz des Eigentums genießen. Im ganzen Land muß dem Volk die Möglichkeit der Meinungsäußerung geboten werden, jedem muß Kleidung, Nahrung, Arbeit und Schulbildung gesichert sein, kurz, jedem muß der gebührende Platz in der Gesellschaft gegeben werden. Die chinesische Gesellschaft ist an beiden Enden dünn und in der Mitte dick. Das Proletariat an dem einen Ende und die Grundherrenklasse und Großbourgeoisie an dem anderen Ende machen nur eine Minderheit aus; die Hauptmasse des Volkes dagegen besteht aus der Bauernschaft, dem städtischen Kleinbürgertum und anderen Zwischenklassen. Keine Partei ist beim besten Willen imstande, mit den Staatsangelegenheiten fertig zu werden, wenn sie in ihrer Politik die Interessen dieser Klassen nicht berücksichtigt, wenn die Menschen dieser Klassen nicht den gebührenden Platz in der Gesellschaft erhalten, wenn sie nicht das Recht der Meinungsäußerung besitzen. Sämtliche von der Kommunistischen Partei aufgestellten politischen Richtlinien dienen dem Zusammenschluß des ganzen gegen Japan kämpfenden Volkes, berücksichtigen alle gegen Japan kämpfenden Klassen und tragen insbesondere Sorge für die Bauernschaft, das städtische Kleinbürgertum und die anderen Zwischenklassen. Die von der Kommunistischen Partei vorgeschlagene Politik, die darauf abzielt, daß alle Bevölkerungsschichten die Möglichkeit der Meinungsäußerung erhalten und ihnen Arbeit und Nahrung gewährleistet wird, ist die Politik der wahren revolutionären Drei Volksprinzipien. Auf dem Gebiet der Agrarverhältnisse setzen wir einerseits die Pacht- und Darlehenszinsen herab, damit sich die Bauern ernähren können, und sorgen andererseits für die Bezahlung der reduzierten Pacht- und Darlehenszinsen, damit auch die Grundherren leben können. Was die Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital betrifft, so unterstützen wir einerseits die Arbeiter, so daß sie Arbeit haben und sich ernähren können, führen jedoch andererseits eine Politik der Förderung der Industrie und des Handels durch, damit auch die Unternehmer gewisse Profite erzielen können. Das alles geschieht, um das ganze Volk für den gemeinsamen Kampf gegen die japanischen Eindringlinge zusammenzuschließen. Eine solche Politik bezeichnen wir als die neudemokratische Politik. Diese Politik entspricht tatsächlich den Verhältnissen des heutigen China, und wir hoffen, daß sie nicht nur im Grenzgebiet Schensi-Kansu-Ningsia, nicht nur in allen antijapanischen Stützpunktgebieten hinter den feindlichen Linien, sondern in ganz China durchgeführt werden wird.
Bei der Durchführung dieser Politik haben wir Erfolge erzielt und die Billigung des ganzen Volkes gefunden. Es gibt aber auch Mängel. Ein Teil der Kommunisten versteht es noch nicht, die demokratische Zusammenarbeit mit Menschen zu verwirklichen, die nicht der Kommunistischen Partei angehören, sie weisen noch einen engstirnigen Arbeitsstil der „Politik der verschlossenen Tür“ oder des Sektierertums auf. Sie begreifen noch nicht das grundlegende Prinzip, daß die Kommunisten die Pflicht haben, mit jenen Nichtkommunisten zusammenzuarbeiten, die gegen die japanische Aggression kämpfen, aber nicht das Recht besitzen, sie von sich abzustoßen. Dieses Prinzip besagt eben, daß die Kommunisten den Volksmassen aufmerksam Gehör zu schenken haben, mit ihnen verbunden sein müssen und sich von ihnen nicht loslösen dürfen. Im „Regierungsprogramm des Grenzgebiets Schensi-Kansu-Ningsia“ gibt es einen Artikel, der festlegt, daß die Kommunisten die demokratische Zusammenarbeit mit den Nichtkommunisten verwirklichen müssen, nicht eigenmächtig handeln und nicht alles an sich reißen und von sich aus bestimmen dürfen. Dieser Artikel wendet sich gerade an jene Genossen, die die Politik der Partei noch nicht begriffen haben. Die Kommunisten müssen die Ansichten der außerhalb der Partei stehenden Menschen aufmerksam anhören, müssen ihnen Gelegenheit geben, sich auszusprechen. Wenn das, was die anderen sagen, richtig ist, dann müssen wir es begrüßen und von den Vorzügen der anderen lernen; auch dann, wenn das, was die anderen sagen, unrichtig ist, müssen wir sie ausreden lassen und ihnen danach ihren Irrtum geduldig auseinandersetzen. Ein Kommunist darf niemals von sich selbst eingenommen sein und hochmütig auf andere herabsehen, in dem Wahn, daß bei ihm alles gut, bei den anderen alles schlecht sei; er darf sich niemals in seinen vier Wänden abkapseln, darf nicht prahlen und sich selbst rühmen, darf nicht über andere dominieren. Mit Ausnahme der reaktionären Ultrakonservativen, die mit den japanischen Eindringlingen und den Landesverrätern unter einer Decke stecken, den Widerstandskrieg und den Zusammenschluß untergraben und denen deshalb natürlich das Mitspracherecht nicht gewährt werden darf, genießen alle übrigen die Freiheit der Meinungsäußerung, und es schadet nichts, wenn ihre Äußerungen auch falsch sind. Die Staatsangelegenheiten sind die allgemeine Sache des ganzen Landes und keine Privatangelegenheit einer Partei oder einer Gruppe. Deshalb sind die Kommunisten verpflichtet, die demokratische Zusammenarbeit mit den Nichtkommunisten zu verwirklichen, und haben nicht das Recht, die Nichtkommunisten zurückzustoßen und alles in ihren Händen zu monopolisieren. Die Kommunistische Partei ist eine Partei, die für die Interessen der Nation, für die Interessen des Volkes arbeitet, sie hat überhaupt keine eigensüchtigen Interessen. Sie muß unter der Kontrolle des Volkes stehen und darf keinesfalls gegen seinen Willen verstoßen. Ihre Mitglieder müssen stets unter den Volksmassen sein und dürfen unter keinen Umständen über den Massen stehen. Sehr geehrte Delegierte der Volksversammlung! Liebe Genossen! Dieses Prinzip der Kommunistischen Partei – das Prinzip der demokratischen Zusammenarbeit mit Menschen, die nicht der Kommunistischen Partei angehören – steht unverrückbar fest, wird stets unabänderlich in Geltung bleiben. Solange es in der Gesellschaft eine kommunistische Partei gibt, werden immer jene, die der Partei angehören, die Minderheit und die Nichtparteimitglieder die Mehrheit bilden. Deshalb müssen die Mitglieder unserer Partei stets mit den Nichtparteimitgliedern zusammenarbeiten, und jetzt, in der Volksversammlung, müssen sie eine solche Zusammenarbeit gut in Gang bringen. Ich glaube, wenn sich die kommunistischen Delegierten von dieser unserer Politik leiten lassen, werden sie in der Volksversammlung gut gestählt werden, ihre Politik der verschlossenen Tür und ihr Sektierertum überwinden. Wir sind keine überhebliche kleine Sekte; wir müssen es unbedingt lernen, für die demokratische Zusammenarbeit mit den Nichtparteimitgliedern Tür und Tor offen zu halten; wir müssen es unbedingt lernen, uns mit anderen zu beraten. Möglicherweise werden sich auch jetzt Kommunisten finden, die erklären: Wenn man mit anderen zusammenarbeiten muß, dann machen wir nicht mit. Ich bin aber überzeugt, daß es nur sehr wenige solche Menschen gibt. Ich versichere Ihnen, daß die überwiegende Mehrheit der Mitglieder unserer Partei unbedingt die Linie des Zentralkomitees der Partei befolgen wird. Gleichzeitig wende ich mich an alle außerhalb der Partei stehenden Genossen mit der Bitte, sich über unsere Haltung klarzuwerden und zu verstehen, daß die Kommunistische Partei durchaus keine kleine Sekte, kein kleines Grüppchen ist, das nur eigensüchtige Interessen verfolgt. Nein, die Kommunistische Partei strebt von ganzem Herzen danach, die Angelegenheiten des Staates in Ordnung zu bringen. Aber wir haben noch viele Mängel. Wir fürchten uns nicht, über die eigenen Mängel zu sprechen, wir werden sie unbedingt korrigieren. Wir werden diese Mängel ausmerzen, indem wir die innerparteiliche Erziehungsarbeit verstärken sowie die demokratische Zusammenarbeit mit den Nichtkommunisten verwirklichen. Nur wenn wir die Sache zugleich von der inneren und der äußeren Seite in Angriff nehmen, werden wir imstande sein, unsere Mängel zu beseitigen und die Angelegenheiten des Staates wirklich in Ordnung zu bringen.
Sehr geehrte Delegierte der Volksversammlung! Sie haben sich die Mühe gemacht, zu dieser Tagung hierherzukommen. Ich freue mich, diese bedeutungsvolle Tagung begrüßen und ihr Erfolg wünschen zu können.

Mao Ausgewählte Werke Band III

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