Jutta Ditfurth über
Silvio Gesell, die Freiwirtschaftslehre und ihre AnhängerInnen
Auszug aus: Entspannt in die Barbarei
Esoterik, (Öko-) Faschismus und Biozentrismus
Konkret Literatur Verlag
Hamburg
2. Auflage 1997

Peter Bierl verstieß gegen ein Tabu. Der Redakteur der Zeitschrift
ÖkoLinX kündigte für die folgende Ausgabe eine Kritik an Silvio
Gesell und seiner Freiwirtschaftslehre an. (201) Noch vor der Veröffent-
lichung des angekündigten Textes erreichte die verantwortliche Re-
dakteurin und Herausgeberin (202) Schmähpost aus anarchistischen
Kreisen. Ein gewisser Bernd Kramer schrieb: "Ich kenne den guten
Mann [Peter Bierl] gar nicht, aber mit meiner allgemein anerkannten
Ferndiagnostik muß er die Nacht vor dem Verfassen des Artikel-
chens ganz intensiv von Scheiße geträumt haben (...) Mit Verlaub
Madame, ich würde diesen Mann dem freien Arbeitsmarkt wieder
zugänglich machen: Schmeißen Sie ihn raus. - Eigentlich ist es ja
schon ein Unding, daß unser Verlag überhaupt mit dem Adjektiv 'fa-
schistisch' in Verbindung gebracht wird; würde mein Vater noch le-
ben (er war zwei Jahre im KZ) (...) Kennen Sie den Witz: Warum
onaniert ein Taubstummer immer mit der linken Hand? Ganz ein-
fach: Mit der rechten muß er stöhnen (...)" Die ÖkoLinX Redaktion
solle "nicht in den Farbkasten der Druckmaschine kacken, dann
kommt wirklich nur Scheiße dabei heraus". (203)

Absender dieses primitiven Ergusses ist Bernd Kramer, der seinen
Vater, der im KZ war, als Freibrief mißbraucht. Kramer ist der anar-
chistische Verleger des anarchistischen Karin Kramer Verlages in Ber-
lin. Seine Annahme, "daß unser Verlag überhaupt mit dem Adjektiv
'faschistisch' in Verbindung gebracht" wird, eilte den Tatsachen vor-
aus, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte ÖkoLinX seinen Verlag
überhaupt noch nicht erwähnt. Das folgte in der nächsten Aus-
gabe (204) und mußte auch so sein.

1989 erschien in Kramers Verlag eine Jubelschrift über den antise-
mitischen Sozialdarwinisten: "Silvio Gesell. 'Marx' der Anarchis-
ten?" (205) Autor und Herausgeber: der Anarchist Klaus Schmitt. Ei-
ner der Co-Autoren ist der Nationalrevolutionär Günter Bartsch.
Die "nationalrevolutionäre" Strömung der "Neuen" Rechten be-
zieht sich auf den "solidaristischen" Flügel der "Nationalrevolutio-
näre" des NS-Faschisten Otto Strasser. Sie operieren als eine Art
Intellektuellenfraktion der "Neuen" Rechten, versuchen faschisti-
schem Gedankengut in der linken und alternativen Szene Sympa-
thien zu verschaffen und nehmen Themen wie Ökologie, Kultur und
Bewußtsein auf, die sie anschließend nationalistisch bis faschistisch
interpretieren. (206)

"Silvio Gesell. 'Marx' der Anarchisten?" ist eine Jubelschrift für
Gesell, voll antilinker Hetze, sozialdarwinistischer Propaganda und
prokapitalistischer Euphorie.

Aber was ist schon ein Schmähbrief gegen eine Gaspistole?
Bierls Text erscheint, (207) und das Cafe El Locco lädt den Öko-
LinX Autor zu einem Referat über Silvio Gesell im Rahmen des An-
archistischen Bildungsprogramms für Mitte Mai 1994 nach Berlin ein.
Kurz zuvor hatte Klaus Schmitt - im Rahmen desselben Bildungs-
programmes - zwei Abende im Infoladen Bambule ungestört Pro-
paganda für Gesells Ideen machen dürfen. Schmitt hat ohnehin keine
Probleme, seine Ideologie in Berlin zu verbreiten: Als Initiator und
Chefideologe der sogenannten Knochengeldaktion am Prenzlauer
Berg (siehe S. 106 f.) darf er sich auch in der taz verbreiten.

Die Veranstaltung mit Peter Bierl ist gut besucht. Im politisch links
gemischten Publikum befindet sich auch Klaus Schmitt mit einigen
Freunden; sie pöbeln den Referenten an und versuchen, seinen Vor-
trag lautstark zu stören. Bierl erklärt nach seinem Vortrag, daß er ge-
kommen sei, um über eventuelle Kritik an seinem Gesell-Text zu de-
battieren, nicht aber mit Klaus Schmitt über dessen "rassistische und
frauenverachtende Positionen". Die Gesell-Jünger schäumen, aber
drei Viertel der Anwesenden stimmen zu: Toleranz habe dort eine
Grenze, wo menschenverachtende Positionen etabliert werden sol-
len. Schmitt will nicht gehen und nicht aufhören zu stören. Die
Mehrheit gibt nach und wechselt mit dem Referenten den Saal.
Schmitt und einige seiner Anhänger laufen hinterher. Ihm wird ge-
sagt, daß er draußen bleiben solle. Schmitt zieht eine Pistole, fuchtelt
damit herum und richtet sie auf die Umstehenden. Viele erschrecken,
bekommen Angst, andere sind wütend. Nach einigen Minuten läuft
Schmitt davon. (208)

In einigen Berliner anarchistischen Publikationen wie dem A-Ku-
rier oder dem telegraph ist anschließend vom "Meinungsterror" bö-
ser MarxistInnen die Rede. Schmitts Griff zur (Gas-)Pistole wird
verschwiegen oder als Notwehr gerechtfertigt, obwohl ihn niemand
physisch angegriffen hat. Eine inhaltliche Auseinandersetzung findet
nicht statt. So verblöden ganze Szenen. Ich komme später auf die
rechts-anarchistischen Unterstützernetze für Gesell zurück.
 
Gesells Freiwirtschaftslehre
 
Silvio Gesells Hauptwerk, "Die Natürliche Wirtschaftsordnung
durch Freiland und Freigeld" (NWO), erschien 1916 in der ersten
Auflage. Darin setzt er sich vor allem mit Karl Marx auseinander. Ge-
sell hielt "eine ausbeutungsfreie Wirtschaft vollkommen vereinbar
(...) mit dem Privateigentum und der Privatwirtschaft". (209) "Im Ge-
gensatz zu Marx, der den Kapitalismus als eine auf dem Privateigen-
tum an Produktionsmitteln und ausbeuterischer Lohnarbeit beru-
hende und Mehrwert produzierende Warenproduktion erkannt
hatte, sah Gesell zunächst die Zirkulation - hier vor allem die Geld-
ordnung, im weiteren dann auch die Bodenordnung - als Hebel zur
Überwindung des Kapitalismus an. Die 'soziale Frage' galt ihm nicht
als Klassenfrage, sondern als ein Problem der Beseitigung von Zins
und Grundrente als 'arbeitslosem Einkommen': Der Grundbesitz
sollte in Gemeineigentum überführt und sodann verpachtet, das
Pachtgeld an die Mütter nach Zahl ihrer Kinder verteilt werden." (210)
Die Überwindung des Kapitalismus in eine Marktwirtschaft ohne
Zins beruht auf der Illusion, daß es gleichzeitig eine Art zinsgebän-
digten und einen wettbewerbs-entfesselten Kapitalismus geben
könne.

Für Marx steckte die Wurzel der Ausbeutung im Produktionspro-
zeß: Nur menschliche Arbeit schafft durch das Bearbeiten der Na-
tur, der Stoffe der 'sinnlichen Außenwelt' und dem darin von der
Natur gegebenen Reichtum, neue Produkte, neue Werte, zunächst
Gebrauchswerte. Im kapitalistischen Verwertungsprozeß interessiert
jedoch nur der Tauschwert, der sich aus der gesellschaftlich durch-
schnittlichen Arbeitszeit zur Herstellung der Waren ergibt. Der
Lohn der ArbeiterInnen, die die Waren herstellen, liegt allerdings un-
ter dem Tauschwert der erstellten Produkte. Denn der Wert der Ware
Arbeitskraft entspricht - im Durchschnitt - lediglich dem Tausch-
wert der Güter und Dienstleistungen, die der lohnarbeitende
Mensch braucht, um seine Arbeitskraft zu reproduzieren: Nahrung,
Wohnung, Kleidung, Fortpflanzung. Was zur Reproduktion der
Ware Arbeitskraft gehört, hängt immer vom Stand der sozialen Aus-
einandersetzungen und der technologischen und wissenschaftlichen
Entwicklung ab, das bestimmt insbesondere Faktoren wie Gesund-
heit, Bildung, Kultur, nicht lebensnotwendiger Konsum. Die Diffe-
renz zwischen Lohn und dem Wert der hergestellten Waren ist der
Mehrwert, den das Kapital als Profit einbehält und für die Kapitalak-
kumulation einsetzt.

Gesell will das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht auf-
heben, auch Ausbeutung und Profit sind nicht das Problem des mit-
telständischen Unternehmers, der einen Weg sucht, kommende Kri-
sen des Kapitalismus abzuwehren. Gesell und seine modernen
AnhängerInnen wissen sich, wie wir sehen werden, dabei einig mit
dem Kapital und den herrschenden Kreisen.

Auch der Arbeiter ist bei Gesell eine verschwommene Kategorie.
Egal, ob Privateigner an Produktionsmitteln oder lohnabhängig:
"Als Arbeiter (...) gilt jeder, der vom Ertrag seiner Arbeit lebt. Bau-
ern, Handwerker, Lohnarbeiter, Künstler, Geistliche, Soldaten, Of-
fiziere, Könige sind Arbeiter in unserem Sinne. Einen Gegensatz zu
all diesen Arbeitern bilden in unserer Volkswirtschaft einzig und al-
lein die Rentner, denn ihr Einkommen fließt ihnen völlig unabhängig
von jeder Arbeit zu." (211) Mit Rentnern meint Gesell Menschen, die
von Kapitalzinsen leben, Rentiers. Mit den Kaufleuten hat der Kauf-
mann Gesell besonderes Mitgefühl, sind sie doch das wichtigste,
wenn auch verheimlichte Subjekt seiner Ideologie: "Auch diesem
Arbeiter [Kaufmann] müssen sie in Form von Handelsgewinnen ei-
nen Lohn bewilligen, der irgendeinen geeigneten Mann veranlaßt,
sich diesem sorgenreichen Erwerbszweig zu widmen." (212)

Alle so von Gesell definierten "Arbeiter" - vom König bis zum
Offizier und Pfarrer - haben ein Recht auf den "vollen Arbeitser-
trag" ohne Abzug von Zinsen oder Renten. Wer sich Produktions-
mittel privat angeeignet hat, hat Glück gehabt, ohnehin herrscht die
nackte Konkurrenz: "Dem Tüchtigsten der höchste Arbeitsertrag,
über den er frei verfügen kann." (213)

Gesell sieht sich in der Tradition von Pierre-Joseph Proudhon
(1809-1865). Auch der habe das Problem in der Zirkulation gesehen,
weil die Knappheit des Geldes Produktion und Austausch lähmten;
genauer gesagt: die Geldbesitzer sind es, die dieses Tauschmittel
horten, um Zinsen zu kassieren. (214)

Die Illusion der GesellianerInnen, eine "Marktwirtschaft ohne
Kapitalismus", basiert auf drei Säulen: Freiland, Freihandel und Frei-
geld.

Freiland: Das Privateigentum an Boden wird in einem ersten
Schritt vollkommen abgeschafft. Unabhängig von "der Rasse, der
Religion, der Bildung und körperlichen Verfassung", habe jeder
dann das Recht auf völlige Freizügigkeit und dürfe überall so viel Bo-
den pachten, wie er bebauen könne. (215) (Zum rassistischen Konstrukt
"Rasse" siehe S. 42). Dieses Recht auf völlige Freizügigkeit ist strikt
bürgerlich-formal: Verpachtet wird an den Meistbietenden. (216) Silvio
Gesell unterstellt, daß sich das Freiland dank seiner ökonomischen
Vorzüge weltweit ausbreiten wird: Staaten, die sich weigern und
weiter Monopolgewinne ermöglichen, würden die "Arbeitsscheuen
der ganzen Welt ins Land ziehen (...) Alle Bummler, Sonnenbrüder
und Zigeuner würden dorthin ziehen, wo man die Bodenschätze an
das Ausland mit Renten belastet abgibt. (...) Nur keine Monopole,
nur keinen Wucher mit unseren Bodenschätzen, wird es im Freiland-
staat heißen - wir haben genug Bummler, genug Läuse im Pelze." (217)
Diese diskriminierende Wortwahl für Menschen, die sich der Un-
menschlichkeit der Lohnarbeit widersetzen, zeigt den Gesellschen
Sozialdarwinismus und dessen Unterscheidung in "minderwertige"
und "höherwertige" Menschen.

Der Arbeitsertrag aus dem Freiland fungiert als "Höchst- und
Mindestmaß des allgemeinen Arbeitslohnes", das heißt, ist der ange-
botene Lohn geringer, mutieren die Proleten einfach zu Pachtbauern
(= Mindestmaß), mehr Lohn können sie - genauer gesagt: sollen sie,
weil Gesell Klassenkampf und Streik ablehnt - nicht bekommen (=
Höchstmaß). Freiland ist damit die "einzige Stütze bei Lohnver-
handlungen", eine Ausweichmöglichkeit für weiße, europäische
Proletarier im Sinne von Auswanderung. Das "freie Land", das Ge-
sell meint, ist angeblich "herrenloses" Land im Trikont; er vertritt
also implizit ein kolonialistisches Expansionsprogramm. (218)

Gesell beschimpft die USA, die den "Landsleuten" Columbus' die
Immigration verweigern. "Die Rassenpolitik der Amerikaner", sagt
Gesell, könne sich "ja auch einmal gegen die Europäer richten, auch
kann in dieser amerikanischen Rassenpolitik der schwarze Bestand-
teil, können die Neger eines Tages die Oberhand gewinnen". (219) An
anderer Stelle spricht er von "der Empörung (...) bei den schwarzen,
wimmelnden Arbeitermassen überall (...), die zum Krieg führen". (220)
Gesell kein Rassist, wie Schmitt und andere behaupten?

Freiland ist "kein Allheilmittel", (221) sagt Silvio Gesell, kein Mittel
gegen Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit. (222) Weil der Austausch
der Waren durch Geld vermittelt werde, existiere eine "Zwangsnach-
frage nach Geld". (223) "Die Nachfrage nach Geld hängt vom Waren-
strom ab, den die Arbeits- und Besitzteilung erzeugt, und die Größe
dieses Stromes wiederum hängt ab von der Zahl der Arbeiter" (224) und
von deren Qualifikation. Am Ende ist für Gesell "der Lohn zuzüg-
lich Kapitalzins und Bodenrente (...) weiter nichts als das Arbeitser-
zeugnis, das wir als Ware zum Maßstab des Geldpreises erklärt ha-
ben." (225) Ausbeutung, Mehrwert und Profit sind für Gesell nicht von
Interesse. Er läßt die Ursachen aus und schimpft auf Zoll, Zins,
Wucher und behinderten Wettbewerb, wie ein x-beliebiger Kauf-
mann an einem x-beliebigen Stammtisch jener Zeit.

Nur beim Austausch von Waren kommt es zur Ausbeutung, jeder
betrügt jeden. (226) Entweder existiert dann keine Ausbeutung, weil
jeder Betrüger und Betrogener ist, oder Gesell denkt an eine Kon-
zentration von Reichtum bei den schlauen Betrügern und eine Verar-
mung der dummen Betrogenen. Ein Ausleseprozeß aufgrund ange-
borener oder erlernter Fähigkeiten?

Was der Wert der Ware ist, begreift Gesell nicht, er sieht in ihm nur
eine "geheimnisvolle, gespensterhafte Eigenschaft der Waren", (227)
über die er sich mokiert, weil er keinen Begriff von der Struktur der
kapitalistischen Produktionsweise hat. Ihn, den Kaufmann, der alles
aus der Zirkulationssphäre, vom Warentausch her betrachtet, stören
aus seiner Interessenlage heraus, die ihn weitgehend blind macht, vor
allem Zins und böse Wucherer. Die Marxsche Werttheorie, die Aus-
beutung im Produktionsprozeß festmacht, ist sein Feindbild: "Ein
Hirngespinst ist der sogenannte Wert, ein jeder Wirklichkeit bares
Erzeugnis der Einbildung." (228) Gesell kommt mit dem Abstraktions-
grad des Marxschen "Kapital" nicht klar, und so wird der Wert bei
ihm zum "Hirngespinst" und "Wertgespenst". (229) Aber auch Gesell
preist die Vorzüge der Arbeitsteilung, weil sie die Produktion stei-
gert und weniger Arbeitszeit pro Produktionseinheit erfordert. Das
heißt zum Beispiel: (230) Angenommen Produzent A und Produzentin
B stellen bei gleichen Ausgaben für den Lebensunterhalt in derselben
Zeit zehn bzw. hundert Stück einer Ware her. Trotz des höheren Ma-
terialaufwandes und Verschleißes an Werkzeug kann B ihre Produkte
billiger verkaufen, A bleibt auf seinen Waren sitzen oder verkauft un-
ter seinen Produktionskosten. Höhere Arbeitsproduktivität setzt
sich unter Konkurrenzbedingungen durch, weil sie weniger mensch-
liche Arbeitskraft je Wareneinheit bedeutet. Insofern reguliert die
Wertgröße der Waren "in letzter Instanz" die Preise, was nicht be-
deutet, die Wertgröße, das heißt die gesellschaftlich notwendige Ar-
beitszeit, diktiere immer den Preis, sondern dieser schwankt, ent-
sprechend dem "Mehr oder Minder, worin sie [die Wertgröße der
Ware] unter gegebenen Umständen veräußerlich ist". (231) Die Wert-
größe setzt sich als "blindwirkendes Durchschnittsgesetz" durch. (232)

Als Beweis für den vermeintlichen Unsinn der Werttheorie dient
ihm - mensch will es kaum glauben - auch deren Abwesenheit in
den zentralen Arbeitsbüchern der Unternehmer: "Müßte, wenn
diese Lehre wirklich von so 'fundamentaler' Bedeutung ist, nicht in
jedem Hauptbuch gleich auf der ersten Seite hinter den Worten 'Mit
Gott' auch die 'Werttheorie' angegeben sein, zu der der Unterneh-
mer schwört, und die die Richtung für die Geschäftsführung ange-
ben soll?" (233) Gesell kann nicht anders argumentieren, "weil sonst die
Ausbeutung nicht in der Zirkulation verankert und für 'fairen' Wett-
bewerb plädiert werden kann. Spätestens diese Aussage zeigt, daß
Gesell ein Spinner ist und seine Theorie den Ängsten und Illusionen
des Kleinbürgers entspringt." (234)

Kapitalismus ist Zinswirtschaft, sagen die GesellianerInnen.
Schwächt sich die Konjunktur ab, sinken die Gewinne, der Zinssatz
fällt aber nur bis zum "Urzins", das heißt nicht unter seine "natürli-
che" Grenze von 2,5 Prozent. Ist der Zins höher, ziehen es die
Geldbesitzer vor zu horten und bringen auf diese Weise die zirkulie-
rende Geldmenge und das Warenangebot in ein Ungleichgewicht.
Geld kann gehortet werden, weil es nicht verfault. Silvio Gesell for-
mulierte bereits 1891 die Idee des "rostenden Geldes", später "Frei-
oder Schwundgeld" genannt, das nicht mehr gehortet werden kann.
Dieses Geld verliert nach und nach an Wert und muß deshalb ausge-
geben bzw. investiert werden. Damit formulierte der Kaufmann Ge-
sell auch sein Interesse: Absatzsteigerung.

Wirtschaftskrisen entstehen laut Gesell, weil Geld gehortet und
damit Zins erpreßt, also arbeitsloses Einkommen erzielt werden
kann. Die gute Marktwirtschaft (mit schrankenlosem Wettbewerb
und hemmungsloser, sozialdarwinistischer Konkurrenz) verwandelt
sich in den Augen Gesells zum ausbeuterischen bösen Kapitalismus,
es entsteht gutes und böses Kapital. Weil die Gesellsche Freiwirt-
schaftsideologie nichts anderes will als einen guten Kapitalismus, ihn
aber trotzdem - das lag im Trend, selbst Nazis verlangten das - ab-
schaffen wollen mußte, wurde ein Trick gefunden, den Kapitalismus
so eingeschränkt zu definieren, daß mensch ihn abschaffen konnte,
ohne ihn abzuschaffen: "Kapitalismus" ist ein "wirtschaftlicher Zu-
stand, in dem die Nachfrage nach Leihgeld und Sachgut (Realkapital)
das Angebot übertrifft und darum den Zins bedingt." (237) Aus der Ab-
schaffung des Kapitalismus wird nichts als die "Reform" zum eige-
nen kaufmännischen Nutzen. Ausgebeutet und fremdbestimmt ge-
arbeitet, die Natur vernichtet und kolonialisiert wird weiter -
marktwirtschaftlich.

Gegen Karl Heinz Roth, Robert Kurz, Winfried Wolf und andere,
die auch gern riesige Mengen spekulativen Finanzkapitals um die
Welt wandern sehen und diesem bösen Teil des Kapitals gern die
Hauptursache von Crashs und Krisen anlasten, argumentieren Tho-
mas Ebermann und Rainer Trampert, wie sie auch gegen Gesell strei-
ten könnten: " 'Diese Unterscheidung zwischen 'Industrie' und 'Fi-
nanzwelt', zwischen 'produktivem' und 'parasitärem' Kapital ist so
alt wie der Kapitalismus selbst; sie ließ einen Scheinkampf gegen
'Zinssklaverei' und unverantwortliche Spekulanten entstehen.' Ihre
verheerendste Auswirkung hatte sie in der Zeit des Nationalsozialis-
mus, als sie dem Zweck diente, ein 'Volk' darauf abzurichten, sich
'seinen' nationalen Wirtschaftsführern bedingungslos zu unterwer-
fen und Juden als (tatsächlich fiktive) Feinde zu hassen." (238)

Ebermann und Trampert fragen Roth, der das "Finanzkapital als
Hauptakteur des Geschehens", als die "schamloseste, mobilste,
abstrakteste und somit am wenigsten greifbare Form des Kapitals"
ausmacht, ob er begreife, wenn er Verständnis für die "Kapitaleigen-
tümer, die Lohnabhängigen und die Verwalter bzw. Bezieher von so-
zialstaatlichen Transferleistungen" durchschimmern lasse, die "zur
Flucht nach vorn" genötigt seien, "daß er 'schaffendes' Kapital, Staat
und Ausgebeutete zusammenschweißt, um diese Volksgemeinschaft
zur Flucht nach vorn zu treiben gegen den vermeintlichen Peiniger,
dargestellt als nicht greifbares Geld?" (239) "Zwischen verschiedenen
Kapitalformen moralisch unterscheiden zu wollen, war schon immer
falsch. Eine solche Unterscheidung hat zudem keine materielle Basis,
weil 'die gegenseitige Durchdringung von Industrie und Finanzwelt
... perfekt geworden' ist. Der 'schaffende' Kapitalist ist auch immer
Geldbesitzer - er kann es parken oder damit Waren und Menschen
für seine Mehrwertproduktion kaufen -, und die Banken sind Mitei-
gentümer an den Unternehmen. Durchaus nicht der Börsenspeku-
lant, sondern der investierende Arm desselben Kapitalismus regelt
den Austauschprozeß des Menschen mit der Natur so, daß Arbeiter
'selbst von Kindesbeinen an in den Teil einer Teilmaschine' verwan-
delt werden, die 'alle freie körperliche und geistige Tätigkeit ... kon-
fisziert' und 'alle Sinnesorgane ... gleichmäßig verletzt'. Dieser Aus-
tauschprozeß untergräbt, schreibt Marx, 'zugleich die Springquellen
allen Reichtums ... : die Erde und den Arbeiter'." (240)

Auf der einen Seite die "Schaffer", fleißige Arbeiter und produk-
tive Kapitalisten, auf der anderen die "Raffer", Zinswucherer und das
Finanzkapital. Mit seiner Forderung nach "Freiland", "Freigeld"
und der Abschaffung des Zinses griff Gesell "natürlich auf den in Eu-
ropa seit Jahrhunderten bestehenden Widerstand gegen den Wucher
zurück, der sich schon in katholischen Enzykliken widergespiegelt
hatte und Ursache vieler antisemitischer Unruhen gewesen war.
Aber auch er fand seine Nachfolger. Die Brechung der Zinsknecht-
schaft war somit durchaus kein zum ersten Mal von den NS-Faschi-
sten erhobener Programmpunkt, denn sie war schon lange Teil der
völkischen Förderung nach einer Nationalwirtschaft gewesen, die
jenseits von Kapitalismus wie auch Marxismus lag" (241) (George L.
Mosse).

Auch manch wohlmeinender Antifaschist begreift diesen histori-
schen Kontext nicht, wenn er wie beispielsweise Oliver Geden be-
hauptet: "Der bisweilen erhobene Vorwurf, Gesell habe mit seinem
Terminus 'Zinsnehmer' die Juden zu den Schuldigen für das fehler-
hafte Geldsystem machen wollen, geht (...) völlig an der Realität vor-
bei." (242) Geden fällt auf das eine oder andere philosemitische Zitat
Gesells herein, wenn er ausblendet, daß seine zentrale Forderung,
den Kapitalismus von der "Zinsknechtschaft" zu befreien, objektiv
auf Zustimmung durch die mehrheitlich antisemitische deutsche Ge-
sellschaft zielte. Um antisemitische Einstellungen für seine Theorie
zu aktivieren, brauchte Gesell selbst keine antisemitische Propa-
ganda zu betreiben.

Gesell will keine Revolution, allenfalls eine sozialdarwinistische,
sondern eine Evolution, wie wir in der Auseinandersetzung mit Mar-
grit Kennedy zeigen werden. Das Subjekt der Freiwirtschaftslehre ist
der ellenbogenstarke, leistungsbereite, hemmungslos konkurrie-
rende, gesunde Einzelkämpfer. Ein Prachtexemplar im Sinne der
deutschen Rassenhygieniker. Wie Gesell wollten sie "die frühe und
vollständige staatliche 'Ausjätung' sowie die Verhinderung der Fort-
pflanzung 'Minderwertiger' ". (243) Unter Berufung auf Darwin war
der Begriff "Rassenhygiene" 1895 von Alfred Ploetz geprägt worden
und spätestens seit den zwanziger Jahren nicht mehr unabhängig von
der Verherrlichung der "germanischen Rasse" zu denken. Mit dem
rassenhygienischen Raster war es leicht, Mißliebige wie Juden zur
"Parasitenrasse" zu erklären und ihre systematische Ausrottung und
die der "Erbkranken" und "Minderwertigen" vorzubereiten. Im
deutschen Faschismus zog die Rassenhygiene in alle Bereiche der
Gesellschaft ein. (244)

Freiland, Freihandel und Freigeld bilden zusammen die Elemente
einer "natürlichen Wirtschaftsordnung". Sie sei "eine Ordnung, in
der die Menschen den Wettstreit mit der ihnen von der Natur verlie-
henen Ausrüstung auf vollkommener Ebene auszufechten haben, wo
darum dem Tüchtigsten die Führung zufällt, wo jedes Vorrecht auf-
gehoben ist und der Einzelne, dem Eigennutz folgend, geradeaus auf
sein Ziel lossteuert; ohne sich in seiner Tatkraft durch Rücksichten
ankränkeln zu lassen". (245) Der Schwache und Kranke hat keinen Platz
in Gesells sozialdarwinistischer Vorstellungswelt. Die "Fortpflan-
zung der Fehlerhaften" (246) gelte es durch "das große Zuchtwahlrecht,
dieses wichtigste Sieb bei der Auslesetätigkeit der Natur" (247) zu be-
kämpfen. Zu diesem Zweck, allein wegen ihrer besonderen biologi-
schen Funktion im Gesellschen Hochzuchtprogramm, soll die
fruchtbare Frau den Zugriff auf Grundrente und Boden nach Zahl ih-
rer Kinder erhalten, nicht weil, wie Klaus Schmitt schwätzt, Gesell
der "erste Anarcho-Feminist" ist.

Die "Natürliche Wirtschaftsordnung" lasse sich "auch als 'Man-
chestertum' bezeichnen", sagt Gesell, "jene Ordnung, die den wahr-
haft freien Geistern immer als Ziel vorgeschwebt hat - eine Ord-
nung, die von selber, ohne fremdes Zutun steht und nur dem freien
Spiel der Kräfte überlassen zu werden braucht". (248) "Die Manchester-
schule war auf dem richtigen Wege, und auch das, was man von Dar-
win her später in diese Lehre hineintrug, war richtig." (249)

Nur den "Fehler" des Manchesterkapitalismus, Privilegien des
Grund- und Geldbesitzes zu akzeptieren, will Gesell korrigieren.
Nur so sei das Ziel, die Höherzüchtung der Menschheit, garantiert:
"Die Auslese durch den freien, von keinerlei Vorrecht mehr gefälsch-
ten Wettstreit wird in der Natürlichen Wirtschaftsordnung vollstän-
dig von der persönlichen Arbeitsleistung geleitet (...) Denn die Ar-
beit ist die einzige Waffe des gesitteten Menschen in seinem 'Kampfe
ums Dasein' (...) Doch steht es außerhalb jedes Zweifels, daß der
freie Wettbewerb den Tüchtigen begünstigt und seine stärkere Fort-
pflanzung zur Folge hat." (250) Eine solche "Rassenpolitik", schreibt
Gesell, "darf nicht an Staaten, Landesgrenzen, an Staatsgesetze ge-
bunden werden. Rassenpolitik ist ureigene Angelegenheit jedes ein-
zelnen Menschen". Es folgt ein antisemitisches Stereotyp: "Das ein-
zige Volk, das seit Jahrtausenden beharrlich Rassenpolitik treibt, die
Juden, hat überhaupt kein eigenes Land, und kennt die Staatshoheit
nicht." (251)

Die Vorstellung von "freiem" Land verbindet sich mit ganz gegen-
sätzlichen sozialen Utopien: mit der urkommunistischen Idee von
vergesellschaftetem Boden. "Das Land denen, die es bearbeiten!"
lautete eine Parole der portugiesischen Revolution von 1974. Aber
auch mit dem inhaltlich völlig konträren "Befreit das Land!", eine
Forderung in germanisch-völkischen Utopien Ende des 19. und zu
Beginn des 20. Jahrhunderts, welche "deutschen Boden" mit
Mythen belegten, aus kapitalistischer (Zins-)Knechtschaft befreien
und wieder zum freien Träger völkischer Boden- und Rassenkultur
machen wollten.

"Was kann", fragt Gesell, "aus einem Volke werden, wenn von
oben her mit den heiligsten Gefühlen Mißbrauch getrieben wird,
wenn man (...) das natürliche Gefühl völkischer Zusammengehörig-
keit, zu Machtzwecken mißbraucht?" (252) Während bei Gesell die
Produktionsmittel in privater Hand bleiben, soll der Boden verstaat-
licht werden. Um die Bodenverstaatlichung gänzlich willkürlich zu
begründen, muß vom Praktischen über das Völkische bis zum My-
thisch-Biologistischem alles herhalten, um ja jeden Gedanken an eine
Vergesellschaftung der Produktionsmittel, welche wesentliche Vor-
aussetzung wäre, um die patriarchal-kapitalistische Herrschaft zu
vertreiben: die angebliche "Ausführbarkeit (...) durch die Erfahrung
(...) [ist] schon bewiesen", (253) "(...) jeder dem vaterländischen Boden
gegenüber völlig gleichberechtigt (...) jeden mit Stolz erfüllen", (254)
der Boden "eine treue Mutter", (255) und "der gesunde Mensch bean-
sprucht die ganze Erdkugel", (256) die "ein Organ des Menschen" (257)
ist.

Das Freiland "bedeutet (...) Freihandel, Weltfreihandel die spur-
lose Versenkung aller Zollgrenzen", (258) benennt Gesell sein Interesse.
Doch wie frei ist der Boden der FreiwirtschaftlerInnen? Der "Staat
kauft den gesamten Privatgrundbesitz" und "entschädigt die
Grundbesitzer". (259) "Etwas mehr Schwierigkeit" schaffe "die Boden-
verstaatlichung in der Stadt". (260) So oder so: "Die Übergabe des Bo-
dens (...) erfolgt auf dem Weg der öffentlichen Pachtversteigerung
(...) Das Pachtgeld fließt in die Staatskasse und wird restlos in Mo-
natsbeträgen unter die Mütter nach Zahl der Kinder verteilt", (261) die
Mutterrente. Die Verstaatlichung des Bodens sei die Voraussetzung
für Frieden und mache "die heutige Parteipolitik wesenslos". (262) "Po-
litik und Grundrente sind eins. (...) Das Bewußtsein, daß nun jeder
dem vaterländischen Boden gegenüber völlig gleichberechtigt ist" -
sofern er genug Geld für die Pacht hatte -, "wird jeden mit Stolz er-
füllen." (263) Gesell will alles, bloß keine Revolution:. "Ist es nicht im
Gegenteil vielleicht besser (...), wir lassen die Sicherheitsventile un-
seres Kapitalismus wie bisher weiter arbeiten, bis wir die Grundlagen
des echten Bürgerfriedens gefunden haben (...)?" (264) Gesell stützt
also bewußt den blutigen Klassenkampf von oben, die Lohnabhängi-
gen dürfen nicht für ihre Freiheit und Gleichheit kämpfen, denn das
würde schrecklich, auch für den bürgerlichen Kaufmann. Die größte
Bedrohung für den "Bürgerfrieden" und "Völkerfrieden" ist ohne-
hin nicht die Ausbeutung im Arbeitsprozeß, der grenzenlose Akku-
mulationszwang des Kapitals und der Imperialismus, sondern das
Gold. Gesell hat geradezu wahnhafte Phantasien über die Schuld des
Goldes an Kriegen, am Untergang von Rom (265) usw.

In dem Roman "Der abgebaute Staat" betont Gesell die Züchtung
von "Kraft, Gesundheit, Geist, Schönheit" als gesellschaftliches Ziel.
Frauen haben sich dem unterzuordnen, Verhütung ist schlecht, weil
es dann an "menschlichem Auslesematerial" mangelt. Kopfzerbre-
chen bereitet Gesell das "Überbevölkerungsproblem". Einerseits
werde es weniger Geburten geben, weil Frauen länger nach geeigne-
ten Vätern suchten und nur "die Lebensbejahenden" Kinder zur Welt
brächten. Die übrigen Frauen ließen sich sterilisieren und wären
lohnabhängig. Doch nach seiner sozialdarwinistischen Logik stür-
ben diese Frauen aus, und nur die "Lebensbejahenden" pflanzten sich
fort, so daß die "Gefahr einer künftigen Überbevölkerung" zu be-
fürchten sei. (266)

Andreas Müller, Gesells Alter ego in "Der abgebaute Staat", ver-
langt in einer fiktiven Reichstagssitzung nach dem ebenso fiktiven
Wahlsieg der Anhänger der Mutterrente den "Schutz der Rasse" und
die "Förderung der Hochzucht". (267) "Mißehen" seien zu vermeiden,
"deren Produkte nun die Kranken- und Zuchthäuser füllen", Mül-
ler/Gesell klagt über den "Rassenverfall", (268) gegen den er "das
große, freie Zuchtwahlrecht" (269) der Frau empfiehlt. Wie jeder miese
NS-Rassenhygieniker stellt Gesell "statistische Erhebungen (...)
über die Kosten, die die Produkte der Unzucht verursachen", an,
entsetzlich sei, "wieviel wir jährlich ausgeben für das Armenwesen,
die Krankenpflege, die Blinden-, Irren-, Zucht- und Waisenhäuser
(...)." (270) Nach einer "100jährigen Fehlzucht" will er keine "hohlbrü-
stigen Jünglinge, keine bleichsüchtigen Mädchen um uns sehen. Wir
wollen Geist, Gesundheit, Schönheit, Kraft und die Lebensfreude
(...)." (271)

Statt den Staat wie behauptet abzubauen, ersetzen Freiwirtschaft-
ler ihn durch den biologistischen "Mutterbund" der "Naturweiber".
In Gesells Vision vom abgebauten Staat ist der Mutterbund eine Art
biologistisch begründeter Ersatzstaat: zuständig für pädagogische
und soziale Einrichtungen, für die gesamte Infrastruktur, wie Kanal-,
Straßen- und Brückenbau, für Entwässerung und Aufforstung, für
Einwanderungsregelung (!) und Grundrentenerhöhung. (272)

Und es gibt in dieser Zukunft eine Mutterrentenkasse, eine Mut-
terrentenwährung und eine Börse. In dem älteren Buch, "Die Natür-
liche Wirtschaftsordnung", wird der Staat im Geldsektor noch durch
das Reichswährungsamt - "Alleinherrscher, sowohl über die Geld-
herstellung wie über das Geldangebot" (273) -, eine Staatskasse, Steu-
erämter, ein Statistisches Amt usw. repräsentiert. "Privatinitiative er-
setzt restlos den Staat." (274) Staatsabbau? Ausgetauscht wird nur das
Geschlecht. Jetzt sollen die Frauen herrschen, die sind gut, die sind
gerecht, die "weibliche Natur" wird's schon richten.

Ist die "Rückkehr der Frau zur Landwirtschaft (...) nicht die
glücklichste Lösung" der "Frauenfrage"? fragt Silvio Gesell rheto-
risch. (275) Aber nicht jede Frau verkörpert das wahre Leben, die Na-
turgesetze und ist es wert, sich der Hochzucht der Rasse zu widmen.
Es ist "das Naturweib, das wie eine Königin über die Natur ringsum
verfügt", nicht zu vergleichen mit "unseren armseligen Fabrikarbei-
terinnen". (276) Und dieses Naturweib läßt in "bei der Gattenwahl" in
"geschlechtlichen Fragen (...) ihre Neigungen, Wünsche und Triebe"
für "die vererbungsfähigen Vorzüge (...) den Ausschlag geben". (277)
Statt des "wesenlosen politischen Wahlrechts", das die Frauen gerade
(1918) erobert hatten, könnten sie dann das "große Zuchtwahlrecht"
ausüben. (278) So wird aus dem Kampf um politische Rechte für Frauen
wieder einmal der - diesmal freiwirtschaftliche - Ruf nach Scholle,
Wiege und Rassenhygiene.
 
Wer war Silvio Gesell?
 
Gesell wurde am 7. März 1862 in St. Vith in Belgien geboren. Er ab-
solvierte eine kaufmännische Lehre in Malaga und lebte in Argenti-
nien, der Schweiz und in Deutschland. 1887 eröffnete er in Buenos
Aires ein Geschäft für zahnärztliche Artikel. Die argentinische Fi-
nanzkrise von 1890 ließ ihn volkswirtschaftliche Studien anstellen,
autodidaktisch entwickelte er seine monetäre Krisentheorie.

Gesell arbeitete als Kaufmann bzw. bewirtschaftete in der Schweiz
ein Landgut. 1891 erschien eine erste Schrift des Autodidakten ("Die
Reformation im Münzwesen als Brücke zum sozialen Staat"), in der
er erstmals die "Idee des rostenden Geldes" formuliert. Um seine
Ideen zu verwirklichen, beteiligt sich Gesell an dem 1909 gegründe-
ten Physiokratischen Kampfbund. 1914 erwägt er, als Kriegsfreiwilli-
ger ins deutsche Heer einzutreten, zieht sich dann aber auf sein
Schweizer Landgut zurück. (279) 1916 erschien sein Hauptwerk: "Die
Natürliche Wirtschaftsordnung".

Nach dem Ersten Weltkrieg entstehen verschiedene freiwirt-
schaftliche Bünde und Parteien. Der Freiwirtschaftsbund F.F.F e. V.
(FWB), ein Zusammenschluß verschiedener freiwirtschaftlicher
Gruppen, verfügt 1924 über 200 Ortsgruppen mit rund 10 000 bis
15 000 Mitgliedern. (280) Deren ideologische Orientierung reicht von
rechtsextrem und völkisch bis hin zu Sympathien für Bündnisse mit
der ArbeiterInnenbewegung, ohne jedoch Teil dieser Bewegung zu
sein. Anziehend waren die Freiwirte vor allem für inflationsgeschä-
digte Mittelschichtsangehörige, die antikommunistisch eingestellt
waren, nichts mit den SozialdemokratInnen zu tun haben wollten,
aber (noch) nicht reif waren für den offenen Übergang in den Fa-
schismus.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Gesell in der Lebensge-
meinschaft Oranienburg-Eden. Die Siedlung Eden wurde 1893 von
LebensreformerInnen und VegetarierInnen gegründet und war zu
Beginn "keine völkische Siedlung", (281) doch 1916, als Gesells Haupt-
werk "Die Natürliche Wirtschaftsordnung" (282) erschien, war dies
nicht mehr so. "Franz Oppenheimer behauptete sogar noch in den
frühen dreißiger Jahren, daß die Siedlungen alle politischen Schattie-
rungen tolerierten - vom Nationalsozialismus bis hin zum Kommu-
nismus. (283) Dieser Behauptung widersprechen aber alle Zeugnisse.
Die Siedler entwickelten in zunehmendem Maß eine völkische Le-
bensweise" (George L. Mosse). (284)

George L. Mosse, Professor für neue Geschichte an der Madison
University in Jerusalem beschreibt in seinem Standardwerk "Die völ-
kische Revolution" die Bedeutung der Siedlung Eden für den völki-
schen Strang zum NS-Faschismus. (285) Carl Russwurm, der Führer
von Eden, verband die germanischen Grundlagen des Freiheitsbe-
griffs mit Silvio Gesells Freiland- und Freigeld-Theorien. (286) Die
Siedler feierten germanische Rituale, "heidnische" Weihnachten und
Sonnwendfeiern. Von Eden gingen die Gründungen anderer völki-
scher Siedlungen aus, die den "geistigen Adel deutschen Bluts" för-
dern sollten und "die Pflege armanischen Weistums". (287)

" 'Außer vegetarischer Ernährung', heißt es im Programmheft von
Eden 1917, war zum 'natürlichen Leben' in der alternativen Kom-
mune" (288) die rechte Einstellung Bedingung: "1916 wurde anläßlich
der ersten Feier des 'Freiland-Tages' in Eden verkündet: 'Zu sol-
chem Siedeln ist die deutsch-völkische Gesinnung Voraussetzung.
Und dazu befähigt nur deutsches Ariertum.' " (289) In einer Zeitung
zeigt der Verlagsbuchhändler Helmut Haacke unter der Rubrik
"Sippen-Anzeigen" an: "Mein Weib gebar mir heute eine Tochter
von deutschem Blute und lichtem Wesen. Wir nennen sie Adelheid
Ingeborg Helga. Oranienburg-Eden, am 10. im Lenzmond 1919."
Die Anzeige schmückt - vierzehn Jahre vor der Machtübergabe an
die Nazis - ein Hakenkreuz. (290) Silvio Gesell verbrachte - allem
Leugnen seiner heutigen Fans zum Trotz - seinen Lebensabend in
einer völkisch-rassistischen, antisemitischen Kommune, die schon
vor Durchsetzung des NS-Faschismus einige seiner zentralen Ele-
mente zu ihrem Inhalt gemacht hatte.

Wie alle ehemals linken AnhängerInnen völkischer Ideologie be-
haupten auch die AnhängerInnen Silvio Gesells, dessen eugenische
und sozialdarwinistische Positionen würden sich aus "jener Zeit" er-
klären, als wären antisemitische, völkische, eugenische und sozial-
darwinistische Positionen damals etwas "Natürliches" gewesen.
Diese Rechtfertigungen geben erstens Aufschluß über die historische
Unwissenheit oder die Unehrlichkeit derjenigen, die sie gebrauchen.
Zweitens taugen sie nicht, um zu begründen, weshalb heute eineR
Gesells Ideologie propagiert.

Wenige Wochen vor der Geburt jener Haacke-Tochter "von deut-
schem Blute", am 15. Januar 1919, wurden Rosa Luxemburg und Karl
Liebknecht in Berlin von Freikorps ermordet. Die Freikorps hatten
sich vorher der Zustimmung des sozialdemokratischen Reichswehr-
ministers Gustav Noske versichert. An der zum Mord aufrufenden
Hetze der Berliner Zeitungen hatte sich auch der sozialdemokrati-
sche Vorwärts beteiligt. (291) Die polnische Jüdin Rosa Luxemburg,
die nie einen Gesells Ideologie vergleichbaren Dreck geschrieben hat,
hätte in Gesells arischer Siedlung Eden nicht einmal Wohnrecht be-
kommen.

1919 wurde Silvio Gesell für ganze sieben Tage, vom 7. bis zum 13.
April, Volksbeauftragter für Finanzen der Bayerischen Räteregie-
rung. Aus diesen wenigen Tagen wird bis heute der Mythos gebastelt,
Gesell sei ein Anarchist, ein Revolutionär gewesen. Wie wenig dies
der historischen Wahrheit entspricht, werden wir später sehen. 1930
starb Gesell in Berlin.

Der Mythos:
Gesell und die Münchner Räterepublik von 1919

 
Gesells Verwicklung in die Münchner Räterepublik dient seit Jahr-
zehnten zur pauschalen Entlastung von den Vorwürfen des völ-
kischen Biologismus. Alle, die in Silvio Gesell einen halben oder
ganzen Anarchisten sehen wollen, weil er 1919 sieben Tage Volksbe-
auftragter für Finanzen der Bayerischen Räteregierung war, straft
Gesell selbst Lügen. Auch die Legende, Erich Mühsam habe Gesell in
die Räterepublik geholt, ist eine Erfindung von SchönschreiberIn-
nen.

Die erste Phase der bayerischen bzw. Münchner Rätebewegung
dauerte vom Sturz der Monarchie bis zur Ermordung des Minister-
präsidenten Kurt Eisner (USPD) am 21. Februar 1919. Am 7. April
1919 rufen der Münchner Zentralrat, Vertreter der sozialistischen
Parteien und Vertreter der Anarchisten die Erste Räterepublik aus.
Für Silvio Gesell ist die Räterepublik nur eine Übergangsphase in all-
gemeiner Unordnung, sein einziges Interesse ist, sein Konzept aus-
zuprobieren, bis "nach vollzogenem Heilschnitt der Landtag die
Kräfte wiedergewinnen würde, um das Regiment ohne weitere Hilfe
weiterführen zu können". (292)

Gesell beschreibt selbst, wie er an den Sieben-Tage-Job kam: "Im
März vernahm ich in Berlin, daß Herr Niekisch [Nationalrevolutio-
när] (...) in München in der sozialen Bewegung eine Rolle spiele. Ich
schrieb darauf an meinen Freund Dr. Christen, der Herrn Niekisch
persönlich aufsuchte. Es kam darauf die drahtliche Anfrage, ob ich
mich an der Sozialisierungskommission der Regierung Hoffmann
beteiligen würde. Ich bejahte. (...) Als ich mich am 7. abends ins Wit-
telsbacher Palais begab - es war das erste Mal -, um nach Herrn Nie-
kisch zu fragen, wußte ich nicht, daß etwas Besonderes geschehen
sei. Niekisch sagte mir, er habe mich für die Finanzen vorgeschlagen,
und ich nahm die Wahl an. Gleichzeitig teilte er mir mit, daß Lan-
dauer, der meine Bestrebungen kannte und von dessen Anwesenheit
ich erst jetzt etwas erfuhr, die Wahl unterstützte." (293)

Ernst Toller, damals Vorsitzender der Münchner USPD und
Kommandant der Roten Armee, wertete diese Wahl als Ausdruck
von Unwissenheit und Unklarheit. Am 13. April wird diese erste Rä-
teregierung abgesetzt, ein Bündnis unter Führung der KPD ruft die
Zweite Räterepublik aus. (294)

Nach der Niederschlagung der Rätebewegung durch die Frei-
korps Anfang Mai 1919 wird Gesell verhaftet und vor Gericht ge-
stellt. Während andere hingerichtet wurden oder lange Jahre in
Zuchthäusern verschwanden, kam Gesell frei. Auszüge aus seiner
Verteidigungsrede :

"(...) Vielleicht sieht es der Landtag jetzt nach acht Monaten Re-
volution und Putscherei endlich ein, daß er sich zu durchgreifen-
den Taten ermannen muß, (...) Ob dann diese mit Zustimmung
des Landtags gebildete rein proletarische Vollziehungsgewalt sich
Räteregierung oder parlamentarische Regierung nennen wird
(...)?" Mir erscheint es "ziemlich gleichgültig (...), in welchen äu-
ßeren Formen diese Tat sich vollziehen wird, ob in Befehlsform ei-
ner proletarischen Vollziehungsgewalt der demokratischen Regie-
rung oder in Form der sogenannten Räteregierung. Auf diese rein
formalen Unterschiede lege ich keinen Wert. (...) Daß diese Räte-
regierung mich als Finanzmann erwählte, war für mich ein Beweis,
daß es sich nicht oder noch nicht um Bolschewismus oder Kom-
munismus handelte (...) und ich sah die Wahrscheinlichkeit, daß
nach vollzogenem Heilschnitt der Landtag die Kräfte wiederge-
winnen würde, um das Regiment ohne weitere Hilfe weiterführen
zu können. (...) Volksbeauftragter einer Räteregierung zu sein, de-
ren Ziel wahrscheinlich meinen Bestrebungen geradewegs wider-
sprach. (...) Und ist es nicht gerade auch heute das, was Bayern
braucht, einen Finanzminister, der ohne Rücksichten sich sachlich
einstellen kann und, ohne nach links und rechts zu schielen, den
geraden Weg geht? Der Starke ist ja immer am mächtigsten allein.
(...) Ich greife das Kapital nicht mit Gewalt an - mit Streik und Be-
triebshemmung, mit Sabotage. Ich greife es mit der einzigen Waffe
an, die dem Proletariat angeboren ist, mit der Arbeit. (...) Es heißt
hier, sich nicht bequem im Hintergrunde halten und abwarten,
sondern Opfer bringen für die erstrebten Hochziele (...) damit alle
im Volke sich brüderlich geeint fühlen. Denn eine Teilung des Vol-
kes in hohe, mittlere und niedre Schichten bedeutet völkischen
Verfall. Völkisches Empfinden duldet keine Zinsknechtung ande-
rer oder gar die Beteiligung daran. Wer noch etwas rassisches, völ-
kisches Empfinden verspürt, der gehe in sich, tue Buße; der ge-
stehe, daß er und seine Ahnen Verrat begingen am eigenen Volk,
am eigenen Blut.
 
Der wahrhaft völkisch-gesinnte Mensch, der den Klassengeist
haßt und ein schönes Volksleben sehen möchte - wie man es viel-
leicht ahnen kann, aber noch nie erlebt hat, - der verläßt Vater,
Mutter und Standesangehörige, um zu denen zu stoßen, die an der
völkischen Auflösung nur leidend mitwirkten, zum geknechteten,
ausgebeuteten Proletariat. (...) Sie brauchen als Vorspann einen
ungebrochenen Hengst, keinen Parteiklepper, - mich brauchen
Sie! (...) Und nun, da mich das Proletariat aufforderte, sollte ich
mich, mein ganzes Leben verleugnen, sollte ich das Proletariat
verraten? (...) weil ich zureichenden Grund für die Annahme
habe, daß es meinen nun schon zahlreichen und weitverbreiteten
Freunden gelingen wird, die Arbeiterbewegung von den kommu-
nistischen Zielen ab auf die Bahn der vorrechtslosen Freiwirt-
schaft zu lenken. (...) Irgend ein Verrat an Parteibestrebungen lag
hier nicht vor. Niekisch und Landauer, die meine Wahl vorgeschla-
gen, wußten, was sie taten, wußten, daß ich keine Puppe bin. Sie
kannten meine Ziele, die den Kapitalismus, die Zinsknechtschaft
bekämpfen, aber ebensosehr den Kommunismus, die Gemein-
wirtschaft. (...) Die Arbeiter, und gerade die tüchtigeren, streben
nach Freiheit; Zwang und Bevormundung haben sie genug zu ko-
sten bekommen. (...) Was Sie darum an mir einkerkern oder er-
schießen würden, das wäre die Theorie des Zinses. (...) Die Lehre
vom Zins (...) ist das Scheidewasser für edle und unedle Geister,
(...) Heraus aus dem Gerichtssaale mit der Theorie des Zinses!
Hände weg von Silvio Gesell!" (295)
 
Silvio Gesell distanzierte sich weit mehr von allem Linken, als er zu
seiner Verteidigung mußte. Seine Rede ist eine abstoßende Melange
aus völkischem Antikommunismus und Anbiederei an die neuen
Herren. Von seinen Anhängern wird Gesells Teilnahme an der Räte-
regierung als besonders raffinierte antikommunistische Taktik ver-
kauft. Der Individualist würde sich "auch jeder anderen Regierung
mit seiner völlig unpolitischen, seiner reinen Facharbeit zur Verfü-
gung stell[en]".

Gesells Distanzierungen belasteten andere Mitangeklagte. - Rä-
terepublikaner wie der Kommunist Levine oder der Anarchist Erich
Mühsam wurden zum Tode bzw. zu 15 Jahren Haft verurteilt. (296)
 
Die Beziehung zwischen Mühsam und Gesell ist widersprüchlich.
Gustav Landauer und Erich Mühsam standen dem Deutschen Mo-
nistenbund nahe, der einen mystischen, spirituell fundierten Sozialis-
mus mit freier Religiosität und die "wilde Natur" pries. In seinem
Nachruf auf Gesell widerspricht Mühsam dessen Theorien 1930 fun-
damental: "Gesells Freiland-Lehre ist stark anfechtbar, seine Geld-
theorie dagegen scheint berufen, nicht, wie er annahm, das Wirt-
schaftsregulativ der freiheitlichen Gesellschaft zu werden, wohl aber
das Übergangsverfahren vom kapitalistischen Währungssystem zum
geldlosen Kommunismus zu ermöglichen." (297) Und selbst darin hatte
Mühsam unrecht.
 
Der Einfluß von Silvio Gesells Ideen in
bürgerlichen, rechten, rechtsextremen, alternativen,

anarchistischen und esoterischen Zirkeln
 
 
Die Freisoziale Union (FSU)
 
Gesell wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Hauptfigur der
Freiwirtschaftsbewegung, bevor diese - im doppelten Wortsinn -
im aufkommenden Faschismus unterging.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand Gesells Ideologie ihren Weg in
verschiedene "freiwirtschaftliche" Organisationen. Die bekannteste
Nach-NS-Partei, die ideologisch ausdrücklich auf Gesells Ideologie
beruht, wurde die Freisoziale Union (FSU), eine rechtsextreme Partei,
die allen möglichen Gestalten, die später in den Grünen und anderswo
ihre Einflußbereiche entwickelten, als Kaderschmiede diente: Max
Otto Bruker, Georg Otto, Helmut Creutz usw. Die FSU wurde am 9.
September 1950 in Bielefeld mit dem Ziel gegründet, "die Erkennt-
nisse Silvio Gesells durch eine unabhängige politische Organisation zu
verwirklichen", (298) Paragraph 2 der FSU-Satzung vom 18. Juni 1960
lautet: "Die Partei erstrebt die Verwirklichung einer natürlichen Ge-
sellschaftsordnung nach der Lehre ihres Begründers Silvio Gesell (...)"
Es folgen vier neoliberale Grundsätze:

- die "Überwindung aller Absatzstörungen und damit jeder unfrei-
willigen Arbeitslosigkeit";
- "gleiches Anrecht auf den Boden" und dessen Zuteilung an die
"Mütter (...) nach Zahl der von ihnen versorgten Kinder";
- "völlige Gewerbefreiheit und freier Wettbewerb in allen Zweigen
der Wirtschaft":
- "endgültige Sicherung des Friedens durch volle Freizügigkeit der
Menschen und der Güter" und "Aufhebung aller Zölle", "feste Va-
luta" (Weltwährung). (299)

Bis 1958 forderte die FSU die "Wiedervereinigung" und kämpfte
gegen die Westintegration. (300) In den fünfziger Jahren pflegte sie enge
Beziehungen zu Otto Strassers (Ex-NSDAP) Deutsch-Sozialer
Union (DSU). Zu den sie ideologisch verbindenden Punkten gehörte
die nationale Frage. Versuche, Wahlbündnisse etwa in Berlin, Nord-
rhein-Westfalen und auch für die Bundestagswahlen 1953 einzuge-
hen, scheiterten, nicht etwa an ideologischen Gräben, sondern an
nachgeordneten Querelen und der Sorge der FSU-Funktionäre um
ein eigenständiges politisches Profil ihrer Partei. (301)

Ferdinand Böttger trat der FSU 1952 bei, er wurde Organisations-
referent beim FSU-Vorstand und 1969 Generalsekretär, 1981 gab er
dieses Amt aus Gesundheitsgründen auf. (302) Böttger kam aus der So-
zialistischen Reichspartei (SRP), die 1949 von ehemaligen NS-Funk-
tionären gegründet worden war, unter ihnen der Wehrmachtsmajor
Otto Remer. (303) "Nach Mitgliederzahl und organisatorischer Schlag-
kraft wurde die SRP zur größten eindeutigen Nachfolgeorganisation
der NSDAP." (304) 1952 wurde die SRP vom Bundesverfassungsgericht
als verfassungswidrig verboten. Ersatzorganisationen und Neugrün-
dungen wurden untersagt, Abgeordnetenmandate verfielen, das Ver-
mögen der SRP wurde eingezogen. Böttger fand in der FSU seine
neue politische Heimat. Wegen weiterer ehemaliger SRP-Mitglieder
wurde der FSU 1952 die Teilnahme an den Kommunalwahlen in
Wolfsburg untersagt. (305)

In den siebziger Jahren wurde Böttger zusätzlich Landesvorsit-
zender des neofaschistischen Weltbunds zum Schutz des Lebens
(WSL), Hamburg. Er war nicht das einzige führende FSU-Mitglied,
das beim WSL mitarbeitete. Max Otto Bruker und Helmut Momm-
sen vom WSL kandidierten 1969 auf der FSU-Liste für den Bundes-
tag. (306) Die Gesell-Anhänger Felix Binn und Helmut Creutz referier-
ten im rechtsextremen Collegium Humanum des WSL in Vlotho. (307)

Mitglieder der FSU bemühten sich vor der Bundestagswahl 1976
um ein Wahlbündnis mit Namen Arbeitskreis der Wählergemein-
schaften, Unabhängigen Parteien und Bürgerinitiativen (AWUB). (308)
Beim ersten öffentlichen Treffen referierten neben dem Gesellianer
Otto Malig (FSU) auch der Faschist Erwin Schönborn (Kampfbund
deutscher Soldaten), Karl-Heinz Keuken (Ex-NPD, Ex-DVU) (309)
und Martin Pape (Mitglied der nationalrevolutionären Unabhängi-
gen Arbeiter Partei (UAP), 1968 Gründer der Sozial Liberalen Deut-
schen Partei (1978 umbenannt in FAP). (310) Man beschloß, das Bündnis
Arbeitsgemeinschaft 4. Partei zu gründen. Fast vergessen ist heute,
daß es sich bei der Debatte über eine "vierte Partei" im Vorfeld der
Bundestagswahlen 1976 nicht um irgendeine weitere Parlamentspar-
tei handelte, sondern daß diese Diskussionen ausschließlich im rech-
ten bis rechtsextremen Spektrum der bundesdeutschen Gesellschaft
geführt wurden.

Das Protokoll des ersten öffentlichen Treffens der AWUB nennt
weitere Organisationen, mit denen Kontakt gepflegt wurde. Neben
Vertretern der rechtsextremen FSU gehörte dazu auch die Freie
Deutsche Bauernschaft von Thies Christophersen, des Autors der
"Auschwitz-Lüge". Das Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes
(DKEG), ein Zweig des Witikobundes, eine Organisation von Altna-
zis aus dem "Sudetenland", verlieh 1973 den Schillerpreis des deut-
schen Volkes an Konrad Lorenz, Irenäus Eibl-Eibesfeldt hielt die
Laudatio. Vertreten war auch die faschistische Gesellschaft für biolo-
gische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung (GfbAEV),
in deren Wissenschaftlichem Beirat Max Otto Bruker elf Jahre lang
Mitglied war, und, neben vielen anderen, die Sigrid Hunke Gesell-
schaft, deren Namensgeberin Rudolf Bahro heute nahesteht, und die
Bruderschaft Salem, die erwähnte Kinder- und Jugenderziehungs-
einrichtung in Tradition der NS-Pädagogik. (311)
 
Das Interforum Oranienburg Arbeitskreis Franz Oppenheimer
 
GesellianerInnen finden sich in zahlreichen Klein- und Kleinstkrei-
sen, die alle aufzuzählen, zu langweilig wäre. Einer dieser Klüngel sei
als Beispiel genannt: das Interforum Oranienburg e. V. Arbeitskreis
Franz Oppenheimer in Berlin. Was sich in Berlin an politischem
Schwachsinn tummelt, ist auch auf Entfernung kaum auszuhalten.
Das Interforum Oranienburg wurde 1990 gegründet, um die Kon-
zepte und Ideen von Rudolf Steiner, Silvio Gesell und Franz Oppen-
heimer zu verbreiten. Am 28. September 1993 wurde an der Hum-
boldt-Universität der 50. Todestag von Franz Oppenheimer (1864-
1943) gefeiert. Sein Werk stelle die Alternative, einen "Dritten Weg"
zwischen Kapitalismus und Kommunismus vor. Referenten waren
unter anderen die Gesellianer Georg Otto und Tristan Abromeit,
beide Mitglieder der Grünen. Als Schirmherr wirkte Rudolf Bahro.
Im Interforum agiert auch Irmgard Kohlhepp, angeblich früher Mit-
glied der KPD, später Alternative Liste Westberlin, Landesverband
der Grünen. Auf offiziellem Briefpapier des Interforum Oranienburg
wütet ein gewisser Bernhard Heldt in Verteidigung von Klaus
Schmitt herum, beschimpft RedakteurInnen der ÖkoLinX als Stasi-
Spitzel (er ist falsch informiert: Wir hatten unter Breschnew die Lei-
tung des KGB), die ihn schon immer verfolgt hätten. Er geifert über
die Kritik an Gesell und Rudolf Steiner. Heldt sieht "den Faschismus
nicht für den wirklichen Grund und die Ursache einer Problemsicht"
an, "(...) wie er [?] im Antifaschismus zum Ausdruck kommt". Das
ist verständlich, denn Heldt war Gründungsmitglied der Republi-
kaner.
 
 Der Nationalrevolutionär Günter Bartsch
 
Einer der bekanntesten Verehrer Silvio Gesells ist der Nationalrevo-
lutionär Günter Bartsch. Sein Weg führte in wirrem Zickzack durch
eine Reihe von linken Zusammenhängen und esoterischen Sekten zu
den Nationalrevolutionären. Von 1947 bis 1953 war er Mitglied der
KPD in Niedersachsen. 1972 veröffentlichte er das Buch "Anarchis-
mus in Deutschland", in dem Silvio Gesell als "Anarcho-Liberaler"
charakterisiert wird. 1975 schreibt Bartsch "Revolution von
rechts?", worin er sich positiv auf Teile der "Neuen" Rechten sowie
das ehemalige NSDAP-Mitglied Otto Strasser bezieht. Von "Kron-
stadt zum Achbergerlebnis" markiert Bartschs Brücke vom Anar-
chismus zur Anthroposophie. Seine Texte erscheinen in den rechts-
extremen Blättern Wir selbst, Criticon und Junges Forum sowie in
den SPD-nahen Frankfurter Heften. 1989 erscheint Bartschs Biogra-
phie über Otto Strasser im Verlag des Wir-selbst Herausgebers Sieg-
fried Bublies (Ex-NPD, Republikaner), "die von Strasser selbst
stammen könnte". (312) Im selben Jahr gibt Klaus Schmitt "Silvio Ge-
sell. 'Marx' der Anarchisten?" heraus, für das Bartsch den Beitrag
"Silvio Gesell, die Physiokraten und die Anarchisten" verfaßt hat. (313)

Silvio Gesell will "Marktwirtschaft ohne Kapitalismus", (314) plaka-
tiert Bartsch. Als es ob es die gäbe. Was soll das sein, ein Gemüse-
markt, auf dem Naturalien getauscht werden? Wie wir gesehen ha-
ben, bleibt Gesell aller Propaganda zum Trotz beim Kapitalismus
und seinen tragenden Säulen: grenzenloser Kapitalakkumulation
und unbegrenztem Wachstum, schrankenlosem Wettbewerb und
mörderischer Konkurrenz, Ausbeutung und Profit. Marktwirtschaft
sei "eine Art kybernetisches System, das auf Selbststeuerung und
Rückkoppelung beruht", (315) das wolle Gesell aus den Fängen der
Konzerne, Trusts und Preiskartelle befreien. Seine Zinsbefreiung ist
ein Kapitalismus-immanenter Vorschlag. "Der Kapitalismus beruht
aus seiner [Gesells] Sicht nicht auf dem Privateigentum an Produk-
tionsmitteln und auf Lohnarbeit, wie Marx behauptete, sondern auf
Zins und Grundrente, welche arbeitslose Einkommen ermögli-
chen." (316)

"Gesells Hochzucht-Idee hat sicher etwas Befremdendes mit ei-
ner Spur des Sozialdarwinismus." Doch das richte "sich vor allem ge-
gen Ehen mit Alkoholikern", (317) wirbt Bartsch um Verständnis. Daß
Gesell menschliche "Rassen" postuliert, stört Bartsch nicht, er teilt
anscheinend diese Meinung. Gesell sei kein "Faschist, eher ein Femi-
nist", (318) weil er den Frauen zugestehe, sich ihre hochwertigen Zucht-
partner selbst auszusuchen. "Alkoholiker werden 'keine Frauen
mehr finden, die ihre ekelhafte Gesellschaft dulden, darum in der Re-
gel auch keine Nachkommen hinterlassen'." (319) Diese "physiokrati-
sche Eugenik, begründet auf freier Liebeswahl [der Frauen] und
freiem Wettbewerb [der Männer], wird (...) die Ursachen der Dege-
neration beseitigen", (320) sagt Bartsch. Die "natürliche Auslese" soll
die Tüchtigsten nach oben bringen.

Bartsch fälscht Geschichte und verklärt den großen Meister, wo er
kann. So behauptet er beispielsweise, Gesell sei nur gegen den
"Zwangskommunismus, aber nicht gegen den Gemeinschaftskom-
munismus" (321) gewesen. Bei Gesell selbst hört sich das so an: "Sie
kannten meine Ziele, die den Kapitalismus, die Zinsknechtschaft be-
kämpfen, aber ebensosehr den Kommunismus, die Gemeinwirt-
schaft." (322) Unsozial? Nein, denn der "freie Wettstreit ermöglicht es
den Tüchtigen, ein kleines Vermögen zu erwerben, mit dem sie groß-
zügig und sozial umgehen werden". (323)

Gesell wollte, wie seine Anhänger Margrit Kennedy und Werner
Onken betonen, "die soziale Frage in Freiheit lösen um dem Kom-
munismus seine Attraktivität als Alternative zum Kapitalismus zu
nehmen". (324) Eine Revolution ist unnötig, weil erstens Kleinkapitalist
Gesell die Produktionsmittel ohnehin nicht enteignen will und zwei-
tens der freie Mensch ja per Hochzucht hergestellt wird - "wahrhaft
human". Gesell: "Genossenschaften, Gemeinwesen, Vergesellschaf-
tung usw., - sie können die Tatsache nicht verschleiern, daß es sich
im Grunde immer um denselben Schrecken, um den Tod der persön-
lichen Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstverantwortung (...) han-
delt." (325)

Gesell, der Physiokrat, muß zum Anarchisten werden, obwohl er
sich selbst nie so bezeichnet hat. Bartsch: "Akratie und Anarchie
sind synonyme Begriffe." (326) Ein "Akrat" ist nach Gesell ein "Voll-
mensch" im Gegensatz zu den heutigen Teilmenschen. Der "Anar-
chist" Gesell schafft den Staat irgendwie ab und setzt statt dessen
"Faustrecht", Todesstrafe und "Richter Lynch" (327) auf die Tagesord-
nung seiner Zukunftsgesellschaft. "Mit dem Abbau des Staates (...)
stehen sich mit dem Revolver in der Hand alle gleich stark gerüstet
gegenüber und da gleiche Rüstung praktisch Abrüstung bedeutet, so
sind alle gleich stark, denn die natürliche Stärke gilt dem Revolver
nichts." (328)

Statt Gleichheit das Recht des Reaktionsschnelleren, der hier der
Stärkere ist. Logik scheint nicht Gesells Stärke zu sein. "Wer ihn [den
einzelnen] schädigt, wird von seiner Nachbarschaft festgenommen
und verurteilt. Die Ausführung des Urteils, im gegebenen Fall auch
eine Hinrichtung, übernimmt der Geschädigte." (329) Gerechtigkeit?
"In der einen Stadt wird man die Idioten hängen, in der anderen wird
man sie in Kurgärten zu Tode verhätscheln. Jeder nach seiner Facon."
Der Nationalrevolutionär und Gesell-Fanatiker Günter Bartsch mag
den "erste[n] männliche[n] Anarcho-Feminist" (330) Silvio Gesell, der
"Schwächlinge und Feiglinge verachtet", (331) und er spinnt: "Gesell
soll am 11. März 1930 an einer Lungenentzündung gestorben sein.
Aber vielleicht war sein Sarg leer. (...) Er ging in den Untergrund, und
nun kehrt er daraus zurück." (332)
 
Den scheinheiligen Antisemiten Franz Alt (333) hat Margrit Kennedy
auf den Gesell-Trip gebracht. Er will mit ihr und den Freiwirtschaft-
lern zusammenarbeiten, sagt er. Die ÖDP, (334) wie auch die Bündnis-
grünen, verbreiten Gesellsche Ideologie.
 
 
Georg Otto, Helmut Creutz, Bündnis 90/Die Grünen
 
Innerhalb der Grünen gibt es heute keine systematische Auseinan-
dersetzung mit rechten und rechtsextremen Strömungen mehr. Daß
es in der Gründungsphase gelang, Ökofaschisten wie Herbert Gruhl
und Baldur Springmann aus der Partei zu treiben, war der Erfolg der
später von den sogenannten Realos aus der Partei gedrängten Linken.
Auf diese Weise konnte die drohende Besetzung der Ökologie von
rechts und ihre gesellschaftliche Wirkung als modernisierte Blut-
und-Boden-Variante in und mit einer erfolgreichen grünen Partei
vorläufig verhindert werden. Heute tummeln sich ÖkofaschistInnen,
AntisemitInnen, GesellianerInnen und andere rechte Fraktionen
weitgehend unbehelligt in den Grünen. Sie haben unter anderen in
Antje Vollmer, der bündnisgrünen Bundestagsvizepräsidentin und
Vertriebenenkumpanin, eine Repräsentantin gefunden, die viele Po-
sitionen der "Neuen" Rechten vertritt. (335)

In den Grünen, heute Bündnis 90/Die Grünen, tummelten sich die
GesellianerInnen von Beginn an. Am Anfang standen sie im Schatten
der Aufmerksamkeit um Herbert Gruhl, Baldur Springmann und
andere ÖkofaschistInnen. Aber sie ließen sich nicht mit ihnen ver-
treiben.
 
Der bekannteste grüne "Zinsknecht" ist Georg Otto aus Nieder-
sachsen. Oberstudienrat Otto, geboren 1928, nahm vermutlich
1947/1948 Kontakte zur Freiwirtschaftsbewegung auf. Er wurde
Mitglied der rechtsextremen Freisozialen Union (FSU), deren Pro-
grammbereiche Gesundheit und Umweltschutz er mitformulierte.
1969 war er Bundestagskandidat der FSU in Niedersachsen, um
nach der Wahl in die SPD einzutreten, die er 1977 verließ, um die
Grüne Liste Umweltschutz (GLU) in Hildesheim zu gründen. Von
1978 bis 1979 war Otto GLU-Landesvorsitzender in Niedersachsen
und 1979 Europakandidat der Sonstigen Politischen Vereinigung
(SPV/ Die Grünen), wie die Partei Die Grünen vor ihrer Gründung
als Bundespartei im Januar 1980 hieß. Die GLU ist, neben der
Herbert-Gruhl-Gründung Grüne Aktion Zukunft (GAZ) und
der braunen Grüne Liste Schleswig-Holstein (GLSH), einer der
rechten Vorläufer der Grünen. Zeitweise gab es braune Zellen in
Rheinland-Pfalz, Solidaristen in Nordrhein-Westfalen und in Berlin
die Besetzung des grünen Landesverbandes durch den faschisti-
schen Witikobund, der Berliner Landesverband wurde vom damals
linken grünen Bundesvorstand aufgelöst.

Die späteren linken Grünen, MarxistInnen, MarxistInnen-Lenini-
stInnen, AnarchistInnen, Antiautoritäre usw., hatten sich in Bunten
Listen (z. B. Bunte Liste Hamburg), Alternativen Listen (z. B. Alter-
native Liste Westberlin) oder in der Grünen Liste Wählergemein-
schaft (GLW), die später in die Grüne Liste Hessen (GLH) aufging,
organisiert und sich so auf ihr parlamentarisches Experiment vor-
bereitet, das einige, die wie ich aus der linksradikalen antiparlamen-
tarischen Anti-AKW-Bewegung der siebziger Jahre kamen, nach
unseren Erfahrungen im Deutschen Herbst 1977 für notwendig
hielten.

1980 wurde Georg Otto (erfolgloser) Bundestagskandidat der
Grünen, er arbeitete im Liberal-Sozialen Arbeitskreis und im Ar-
beitskreis Dritter Weg mit. Ab 1981 war er fünf Jahre grüner Ratsherr
in Hildesheim und nannte seine Liberalsozialen später in Liberal-
sozialisten um, um sich so - wie er wohl hoffte - erfolgreicher an die
zeitweilige linke Mehrheit in der Partei anzubiedern. (336) OttO ist
Autor diverser Pro-Gesell-Broschüren und -Flugblätter sowie zahl-
loser Briefe in Sachen Gesell und Freiwirtschaft an die Gremien der
Partei.
 
Helmut Creutz, Grüner aus Aachen, ist geschickter in der Selbstdar-
stellung als Georg Otto, und so war ihm mehr Erfolg beschert.
Creutz ist einer der penetrantesten Gesell-Jubler. Wie Otto war er
Mitglied der rechtsextremen FSU.

Creutz tummelte sich in den Kreisen von anders leben - anders
wirtschaften, dem "liberalsozialen" Arbeitskreis Dritter Weg und
war Mitarbeiter der gleichnamigen Zeitschrift; außerdem arbeitete
er mit den LSI (Lebensschutzinformationen), einem Organ des
rechtsextremen Weltbunds zum Schutz des Lebens (WSL) zusammen,
dessen Präsident Max Otto Bruker zweimal war (siehe Kapitel 3).
Creutz trat als Referent im Collegium Humanum, der Bildungsstätte
des WSL, auf (337) und veröffentlicht seine Pro-Gesell-Texte regelmä-
ßig in Brukers Zeitschrift Der Gesundheitsberater und in Contraste
der Monatszeitung für Selbstverwaltung, die bedauerlicherweise re-
gelmäßig offene Seiten für esoterische, "neu"rechte und ökofaschi-
stische AutorInnen und Texte hat.

Lange Jahre gab es in Hamburg und Niedersachsen zähe Versuche
von linken Grünen um Raimund Hoeft, die Partei dazu zu bringen,
den rechten Kreisverband Harburg-Land aufzulösen. Die verant-
wortlichen Gremien und FunktionärInnen, zeitweise verantwortlich
auch Helmut Lippelt, heute bündnisgrüner Bundestagsabgeordne-
ter, ignorierten selbst offenen Antisemitismus. Bei den Grünen in
Harburg-Land beschäftigte man sich, nicht nur im Kreisvorstand
und in einer grünen Frauengruppe, mit Yoshito Otani, einem Gesell-
Propagandisten und knallharten Antisemiten, auf den sich Margrit
Kennedy gern bezieht und für dessen Mitarbeit an ihrem Buch sie
sich artig bedankt. Otani stellt die Vernichtung der Jüdinnen und Ju-
den in KZs und die Gaskammern von Auschwitz in Frage. Er leugnet
die Kriegsschuld der Deutschen und schiebt selbst die Schuld am Er-
sten Weltkrieg "jüdischen Bankhäusern" zu. Otani bezieht sich in
seinem Buch "Untergang eines Mythos" auf die sogenannten "Pro-
tokolle der Weisen von Zion".

Die "Protokolle" sind die berühmteste antisemitische Fälschung
von Texten. Sie gelten als Erfindung des zaristischen Geheimdien-
stes Ochrana. "Es handelt sich um fiktive Gespräche auf einer fikti-
ven jüdischen Geheimkonferenz und deren angeblichen Beschluß,
die jüdische Weltherrschaft 'unter einem König aus dem Haus
Zion' durch Gewalt, Betrug und List zu erringen." Die "Proto-
kolle" erschienen 1903 erstmals in der St. Petersburger Zeitung
Snamja. Sie knüpfen an alte antijudaistische christliche Weltver-
schwörungsmythen an. Die erste deutsche Übersetzung erschien
1920 und hatte bis 1938 22 Auflagen. Bereits 1921 hatte die Londo-
ner Times die Fälschung nachgewiesen, wie auch Schweizer Ge-
richte 1935 und 1937. Der NSDAP kamen die Protokolle äußerst
gelegen. Hitler, Rosenberg, Streicher und andere waren tief beein-
druckt von den propagandistischen Möglichkeiten. Die Protokolle
lieferten "Beweise" für die antisemitischen Propagandalügen und
sollten Hitlers Kriegserklärung an die "jüdisch-imperialistischen
Mächte" rechtfertigen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die
Fälschungen hohe Auflagen in arabischen Ländern, aber auch-
wieder - in Europa, Afrika und den USA. (338)

Mit solchem anitsemitischen Stoff des Gesellianers Otani wurde
im grünen Kreisverband Harburg-Land geschult, und niemand griff
ein. Ganze Arbeitskreise wurden in den Grünen eingerichtet, die nur
der Verbreitung der Gesellschen Ideologie dienten, viele dürften
heute noch bestehen. Die Grünen in Nordrhein-Westfalen leisteten
sich eine Landes-Arbeits-Gemeinschaft Wirtschaft mit einem AK
Geld und Banken in Düsseldorf, der nur aus Gesell-Debattiere-
rInnen zu bestehen schien. In Baden-Württemberg schlug sich Ge-
sells Ideologie im Wirtschaftsprogramm nieder, und auch bei den
Grünen in Sachsen-Anhalt wird dem Sozialdarwinisten Gesell ge-
huldigt. (339)
 
Margrit Kennedy
 
Sie hatte ein Erweckungserlebnis: "Durch Helmut Creutz habe ich
dann im Mai 1983 (...) in einer halben Stunde begriffen (...)", (340) und
ab da war sie auf dem Gesell-Trip.

Die Gesellianerin Margrit Kennedy ist Architektin, Umwelt-
schützerin und Professorin an der Universität Hannover. Gesells
Ideologie scheint ihr gerade heute sehr nützlich: "In der Vergangen-
heit wurde die krebsartige Akkumulation von Geldvermögen und
damit Macht in den Händen einer Minderheit durch Revolution,
Kriege oder ökonomische Zusammenbrüche beseitigt. Heute sind
solche Methoden nicht mehr praktizierbar"(Hervorhebg. i. Orig.). (341)
Das Subjekt ihrer Fürsorge sind "die Reichen". (342) "Werden jene zehn
Prozent der Bevölkerung, (...) die an den wesentlichen Schalthebeln
der Macht sitzen, es zulassen (...) da sie dann nicht mehr die Mög-
lichkeit haben, von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung
ein arbeitsfreies Einkommen zu beziehen? (...) Die historische Ant-
wort lautet: Natürlich nicht!"

Doch Kennedy tröstet uns: "Und ich sage ihnen, die meisten Rei-
chen verstehen genausowenig, wie unser Geldsystem funktioniert,
wie der Mann auf der Straße." (343) "Leider haben", sagt sie, "viele sei-
ner [Gesells] Anhänger den Fehler begangen, die Menschheit aufzu-
teilen in die Bösen, die vom jetzigen System profitieren und die Gu-
ten, die draufzahlen und leiden. Ich lehne diese Vereinfachung ab."
"Ich sage nicht: Die Milliardäre sind die Bösen, und die große Mehr-
heit der Leute, die draufzahlen, die Guten." (344) Sie habe erfahren,
"daß diese Sichtweise sich sehr befreiend auswirkt, vor allem im Hin-
blick auf einen Dialog mit den Menschen, die sonst die 'Bösen' wä-
ren. Ich möchte nämlich auch mit den Reichen sprechen" - das wis-
sen wir inzwischen - "und ihnen klar machen können, daß der Ast,
auf dem sie sitzen, ihnen nichts bringt, wenn der Baum, an dem er
wächst, krank ist." (345)

Den "Reichen" wird der "weiche Weg" einer "gesellschaftlichen
Evolution" zur Vermeidung des "harten Wegs" einer "Revolution"
versprochen. (346) Gesells Rezepte wirken wie "homöopathische Mit-
tel", die "den Übergang zu einer Gesellschaft, die 'für das Leben' ist,
'sanft' erleichtern helfen." (347) "Der evolutionäre Weg gäbe den Rei-
chen die Möglichkeit, ihr Geld zu behalten, das sie bisher durch Zinsen
gewonnen haben. Der revolutionäre Weg wird unweigerlich zu fühl-
baren Verlusten führen, möglicherweise sogar zur persönlichen Ge-
fährdung" (Hervorhebg. i. Orig.). (348)

Beide, Gesell wie Kennedy, fürchten die Revolution, denn sie ha-
ben sich für die herrschende Klasse entschieden. Evolution, Weg-
steuern, Rosten, Schwinden usw, alles Worte, die nur der Verewi-
gung kapitalistischer Verhältnisse dienen. Das Interessante an diesen
Kapitalismus-BändigerInnen ist, daß sie den Kapitalismus durch
schrankenlose Enthemmung der Menschen im gnadenlosen ökono-
mischen Wettbewerb erst richtig entfesseln wollen.

Margrit Kennedy mag es mystisch, sie bezieht sich auf "Moses,
Aristoteles, Jesus, Mohammed, Luther, Zwingli und Ghandi", wenn
sie gegen den Zins wettert, und damit implizit auch auf den christli-
chen Antijudaismus. Sie setzt auf "das spirituelle Wissen, welches in
vielen Teilen der Welt" wachse, und "auf tiefgreifende Bewußtsein-
umwandlungen" für eine "friedliche Transformation des Geldsy-
stems". (349) In biologistischer Manier unterscheidet sie eine "Frauen-
welt", zu der "lebende Systeme" gehörten wie "Pflanzen, Tiere und
Menschen und besonders Kinder", während die " 'Männerwelt' ge-
meinhin automatisiert", "Menschen und alles, was nach eigenen Ge-
setzen wächst und lebt, auszuschalten sucht". (350) Margrit Kennedy
gehört zur esoterischen Szene, sie schreibt für Bücher wie "Gaia. Das
Erwachen der Göttin" (351) in dem das ganze Potpourri an Germanen-
und Naturmystik, von der Weltesche "Ygdrasil" bis zur "Uterus-
Herzens-Bildung" für die "Gebärmutter Erde" gefeiert wird. Sie hat
Kontakt zur esoterischen Sekte Findhorn, und sie tritt bei der sexi-
stisch-autoritären Sekte ZEGG auf. Im Juli 1993 referierte sie im
Rahmen der Vorlesungsreihe von Rudolf Bahro an der Berliner
Humboldt Universität. (352)
 
Ökologische und alternative Medien
 
Kaum hat die Zeitschrift Politische Ökologie, die hin und wieder auch
mit Pro-Mediations-Texten befriedend gegen möglichen linken Wi-
derstand eingreift, (353) etwas moderat Kritisches gegen die Verbin-
dung von Ökologiebewegung und rechtem Rand geschrieben, wü-
ten Gesellianer in Leserbriefen: "Zwar wurde (...) von Nationalisten
und Antisemiten versucht, die Freiwirtschaftstheorie zu mißbrau-
chen. Das darf aber nicht pauschal der Freiwirtschaftsbewegung und
schon gar nicht ihrem geistigen Vater angelastet werden." (354)

Oder: "Ist eine solche Zinssenkung etwas schlechtes, nur weil die
Nazis die leere Parole 'Brechung der Zinsknechtschaft' zum Stim-
menfang mißbraucht haben?" schimpft Wilhelm Schmülling, verant-
wortlicher Redakteur der Zeitschrift Der dritte Weg, Essen. (355)
Schmülling behauptet, daß "nicht erwähnt [wird], daß von den Na-
zis alle freiwirtschaftlichen Vereinigungen und Publikationen verbo-
ten" wurden. Die Ablehnung der Gesellschen Theorie durch die Na-
zis sei "überdeutlich" gewesen. (356) Wieder wird behauptet: "das
Gesell-Konzept" stelle "primär ein Wirtschaftsprogramm und nicht
eine Weltanschauung dar". (357)

Die Kenntnis über die Entstehungsbedingungen des deutschen
Faschismus ist so gering, daß es für Interessierte kein Problem ist,
Leuten heute glaubhaft zu machen, diese oder jene Strömung, Gei-
steshaltung oder Organisation sei bereits deshalb antifaschistisch,
weil sie von den Nazis verboten oder verfolgt worden sei. Dieses Ar-
gument benutzen die meisten bürgerlichen Strömungen heute, dar-
unter antisemitische Konservative, AnthroposophInnen und auch
die GesellianerInnen. Daß diejenigen Strömungen, die auf die eine
oder andere Weise dem NS-Faschismus zum Durchbruch verhalfen,
dann auch in der neuen Herrschaftsformation zu erfolgreichen In-
Groups werden würden, hatte ihnen niemand garantiert. Der Um-
kehrschluß, wer von der siegreichen herrschenden Clique (NSDAP-
Führung) drangsaliert wurde, müsse antifaschistisch sein, ist absurd.
Genauso unzulässig wie die Hoffnung von Bernd Kramer, daß das
Leiden seiner Verwandten im KZ, ihm an rechtsextremem Gedan-
kengut zu verlegen erlaube, was immer seinem benebelten Kopf auch
einfällt.

Die Zeitschrift Politische Ökologie gab dem Druck der Gesell-
Fans blitzschnell nach und ließ bereits in ihrer nächsten Ausgabe dem
Gesellianer und Grünen-Mitglied Helmut Creutz ausführlich das
Wort. Eine danebenstehende vorgebliche "Contra"-Position der
ehemaligen wirtschaftspolitischen Referentin der Grünen im Bun-
destag, Elisabeth Paskuy, beginnt mit folgenden Worten: "Ich be-
daure es, daß die Ökonomenzunft dieser Bewegung (der Freiwirt-
schaftler, deren Konzepte auf Silvio Gesells Theorie aus dem Jahre
1916 gründen) kein Augenmerk zu schenken gewillt ist. Dieser Bei-
trag will dazu Anstöße geben." (358) So funktioniert eine "Contra"-Po-
sition.
 
Umweltjugendbewegung
 
Aufgrund der gegenwärtigen Verwirrtheit umweltbewegter und al-
ternativer Gemüter rekrutieren GesellianerInnen in diesem Spek-
trum mit einem gewissen Erfolg. Im Programm des BUND fanden
wir die Einladung für ein Seminar über Silvio Gesells Freiwirt-
schaftslehre, Referent: Helmut Creutz, Organisator und verant-
wortlich: Jens Dörschel, der sich manchmal auch Ökosozialist
nennt, aber noch nicht auf die Idee gekommen war, ein Seminar über
Marx' "Kapital" anzubieten, was der BUND-Jugend nur nützen
könnte. Auf Kritik reagiert Dörschel beleidigt: Es sei sein "Wunsch",
sich "auf Seminaren mit Andersdenkenden persönlich auseinander-
zusetzen, ob nun mit Freiwirten oder ökologischen Modernisierern
aus CDU, FDP und der Wirtschaft". (359) Aber mit Gesell kann
mensch sich auch auseinandersetzen, ohne daß AnhängerInnen der
Gesellschen Ideologie ein Forum geboten wird.

Auch auf dem Auftaktfestival der Umweltjugendbewegung im
Juli 1994 in Magdeburg waren die Gesellianer unter vielfältigen Eti-
ketten zugegen, als Liberalsoziale beispielsweise. Christen für eine
gerechte Wirtschaftsordnungwarben mit Rudolf Steiner und dem An-
tisemiten Yoshito Otani für ihre "Zinstheorie".

Es ist immer deutlicher zu sehen, daß die Umweltjugendbewe-
gung in ihrer Masse unpolitisch gehalten, entpolitisiert und damit in
Wirklichkeit nach rechts orientiert werden soll, orientiert aufs rein
praktische "Do it!", aufs Gefühlige, auf Nabelschau, Psycho- und
verblödende Wohlfühlgrüppchen. Es wurde ein Begriff von Toleranz
und Pluralismus durchgesetzt, der einem hemmungslosen Eklekti-
zismus entspringt, theoriefeindlich und von Geschichtsbewußtsein
weitgehend frei. An solcher Entpolitisierung sind viele interessiert,
nicht nur Typen wie der esoterisch-anarchistisch-rechte Kleinverle-
ger Hermann Cropp ("Packpapier-Hermann") aus Osnabrück, Ein-
geweihten bekannt durch seinen Kniefall vor dem von ihm selbst zu-
vor kritisierten Max Otto Bruker. Cropp bringt 1995 Eduard
Gugenberger und Roman Schweidlenkas "Bioregionalismus. Bewe-
gung für das 21. Jahrhundert" heraus (vgl. Kapitel 5) und trägt damit
einmal mehr zur Verbreitung von biologistischem Gedankengut bei.
Auch Neoliberale wie die Bündnisgrünen wissen, daß durch eine ver-
blödete Umweltjugendbewegung Kritik und Konkurrenz kleinge-
halten werden können - von etwaigen antikapitalistischen Attacken
ganz abgesehen.

Die Mehrheit der Umweltjugendbewegung weiß nichts von ihrer
großen Vorgängerin aus der Zeit vor 1933, ihrer Ignoranz gegenüber
der sozialen Frage, ihrer Mystifizierung der Natur und ihrer Selbst-
auflösung ins "Dritte Reich", als ein Großteil ihrer Mitglieder voller
Begeisterung in die zuvor unbedeutende Hitlerjugend (HJ) überlief.
Und so ist die Umweltjugendbwegung aufs schlimmste darauf vor-
bereitet, eine vergleichbare Entwicklung durchzumachen, sofern die
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nur ungünstig genug sind.
 
Gesell goes East -
Die Knochengeldaktion am Prenzlauer Berg

 
Auf Initiative einer Künstlergruppe galt am Prenzlauer Berg in Berlin
im November und Dezember 1993 eine zweite Währung: der "Kno-
chen". Die Idee basiert auf der sogenannten "Schwundgeldtheorie"
Silvio Gesells. Die Gruppe Ioe Bsaffot und die Galerie o zwei (Berlin,
Prenzlauer Berg) organisierten gemeinsam die Aktion "Künstler ma-
chen Geld". Rund drei Dutzend KünstlerInnen entwarfen je einen
Geldschein. Der Wert jedes Scheins betrug 20 Knochen oder ein
Pfund Knochen und mußte für 20 DM gekauft werden. Die Geld-
scheine wurden zu 50 Stück gebündelt und jedes Bündel zu 1000
DM verkauft. Pro Woche verlor jeder Geldschein eine DM an Wert,
der durch zusätzliche Kaufmarken ausgeglichen wurde, die aufge-
klebt werden mußten! Nach sieben Wochen sind das für ein Bündel
zusätzliche 350 DM. (Natürlich verlieren die echten 20 DM-Scheine,
die für das Schwundgeld an die Herstellerinnen bezahlt wurden,
längst nicht so schnell an Wert. Sonst wär's ja auch kein Geschäft.)

Der Gewinn sollte mit den KünstlerInnen geteilt werden, was in
"weihevoller Form" zu geschehen habe. Einige Läden und Kneipen
am Prenzlauer Berg erklärten, daß sie Knochengeld nähmen. Sie pro-
fitierten von der Aktion, denn wer nicht zu viel Geld verlieren will,
muß es ausgeben. Doch so wird lediglich Kaufkraft abgeschöpft, und
einige Geschäfte erhöhen ihre Einnahmen. Eine Art nichtprogressive
Steuer, kein Griff in die Tasche der Kapitalisten. Es ist eine Wirt-
schaftsförderungsmaßnahme zugunsten der Kneipen am Prenzlauer
Berg, ein läppisches Spiel im Rahmen und in der Logik des Kapitalis-
mus. Weder Produktionsbedingungen noch Profit werden auch nur
andeutungsweise in Frage gestellt.

Das zeigt sich auch an anderen Beispielen: Statt zu kritisieren, daß
der Staat SozialhilfeempfängerInnen und Erwerbslose zur Zwangs-
arbeit verpflichtet, fordern angeblich anarchistische Gesell-Fans, daß
ein sogenanntes "Zweitgeld (ein Geld, das an Wert verliert, wenn es
nicht ausgegeben wird, d. A.) für Notstandsarbeiten an Arbeitslose"
in der Ex-DDR gezahlt wird. (360)

Daß Steuern, wie die Geldsteuer (Hortungsgebühr, Schwund-
geld), als negative Sanktionen die zentrale Steuerung des Kapitalis-
mus zum Guten bewirken soll, steht im Zentrum der Gesellschen
Lehre.

Im Rahmenprogramm der Knochengeld-Aktion finden wir Vor-
träge von Gesellianern, unter anderem von Klaus Schmitt (über das
"Wörgeler Schwundgeld" am 6.11.1993) und Helmut Creutz ("Za-
ster, Zins und Zinseszins" am 8.12.1993). Dem "Strategiepapier Nr.
5" von Ioe Bsaffot durften wir die freudige Botschaft entnehmen:
"Stirnerianer und Steinerianer geben sich den Henkel in die Hand,
Bahro läßt grüßen ..." (361) Dann sind ja alle beieinander.

Eine Aktion, die keine Propaganda für eine rechtsextreme, antise-
mitische, prokapitalistische Gesellsche Wirtschaftstheorie gewesen
wäre, kam den KünstIerInnen nicht in den Sinn. Bis heute haben sich
die KünstlerInnen, darunter auch Mitglieder der IG Medien, nicht
mit der Kritik an der Aktion auseinandergesetzt. (362)
 
Klaus Schmitt, die Gaspistole der Anarchisten
 
Schmitt denunziert seine linken GegnerInnen gerne als "rote Faschi-
stInnen", schreibt Louis Lerouge, zum Beispiel indem Schmitt ihm,
Lerouge, vorwerfe, "auf der Seite der serbischen Faschisten zu ste-
hen", anstatt inhaltlich auf seine Kritik an Gesell einzugehen. (363)
Contraste, die nach der Veröffentlichung von Pro-Gesell-Texten nun
wenigstens eine kritische Debatte zuläßt, solle "ihre teuren Seiten
(nicht) mit 'Antifa'-Gewäsch verschwenden", hetzt der Antikom-
munist Klaus Schmitt, (364) der eben diese Zeitschrift zuvor mit Pro-
Gesell-"Gewäsch" füllen durfte. (365)

Sein mehrfach erwähntes Buch "Silvio Gesell - der 'Marx' der
Anarchisten?" wird im Katalog des Karin Kramer Verlages übrigens
so angepriesen: "... eine Alternative sowohl zum Privatkapitalismus
der Liberalen als auch zum Staatskapitalismus der Marxisten (...): das
anarchistische Konzept einer Marktwirtschaft ohne Kapitalis-
mus." (366) Auch bei Kramer wird also den AnhängerInnen die friedli-
che Bändigung des Kapitalismus vorgegaukelt und tatsächlich der
Entfesselung des totalen, inhumanen Wettbewerbs, Motto: "Der
Stärkere überlebt", das Wort geredet.

In nationalrevolutionärer Manier nimmt Schmitt historisch Be-
zug: "Doch ohne die 'Brechung der Zinsknechtschaft' (einst zün-
dende NSDAP-Parole) läßt sich keine soziale Revolution machen,
keine ökologische Gesellschaft aufbauen, noch nicht einmal ein kri-
senfester und ausbeutungsfreier Selbstverwaltungsbetrieb eröffnen
(...)." (367)

Zu Klaus "Gaspistole" Schmitts Anliegen gehört die Teil-Entna-
zifizierung der NSDAP: "Die linken Nazis vertraten zwar eine
staatsozialistische und - ähnlich wie der faschistische, konservative
und rassistische Flügel der NSDAP - eine antisemitische Position,
wendeten sich jedoch entschieden gegen das Finanz- und Bodenka-
pital und versprachen dem Proletariat 'Arbeit und Brot' und den
Kleinbürgern und Bauern die 'Brechung der Zinsknechtschaft'." (368)
Ihr Erfolg, sagt Schmitt, habe auch mit ihrem "zinsorientierten Anti-
kapitalismus" (369) zu tun gehabt. Der "Erfolg" dieses "zinsorientier-
ten Antikapitalismus" bei den proletarischen und kleinbürgerlichen
Juden und Jüdinnen dürfte in dieser Hinsicht anfänglich geringer,
später um so endgültiger gewesen sein.

"Trotz vieler theoretischer Mängel und politischer Differenzen in
der NSDAP hat sie Anfang der 30er Jahre ein - wie sich zeigen sollte
- durchaus brauchbares Wirtschaftsprogramm zur Überwindung
der Deflationskrise vorgelegt." (370) Was sich "zeigte" und in faschisti-
schem Interesse "brauchbar" war, war eine terroristische Zentral-
wirtschaft, die vollständig auf wirtschaftliche und militärische Er-
oberung anderer Teile Europas ausgerichtet war und in der - neben
der Shoa - Hunderttausende von Menschen durch Arbeit, durch
vollständige Verwertung ermordet wurden. Ein offensichtlich
"brauchbares Wirtschaftsprogramm". Schmitt trifft eine fast mysti-
sche Unterscheidung, wie dies heute in rechten anarchistischen Krei-
sen wieder hochbeliebt ist: auf der einen Seite die "bösen" Nazis, auf
der anderen Seite die "guten" Nazis um den Zinstheoretiker Gott-
fried Feder und die Brüder Gregor und Otto Strasser. Immerhin hat
Otto Strasser die SA mit aufgebaut, in der dann auch Max Otto Bru-
ker Mitglied wurde, der wiederum Silvio Gesell heiß verehrt.

"Neu"rechte Nationalrevolutionäre wie Günter Bartsch, aber
auch die faschistische Nationalistische Front (NF) Jürgen Riegers
("Schluß mit den Holocaust-Vorwürfen! Deutscher, willst Du ewig
zahlen?" (371)), die Anfang der neunziger Jahre an vorderster Front Po-
grome organisiert haben, beziehen sich - wie Henning Eichberg-
auf die Brüder Otto und Gregor Strasser, die Führer des angeblichen
"linken Flügels" der NSDAP. Hauptfigur war Otto Strasser (1897 -
1974), der 1925 in die NSDAP eintrat, 1930 austrat und die Kampfge-
meinschaft revolutionärer Nationalsozialisten (genannt Schwarze
Front) gründete. 1933 geriet diese Faschistenfraktion mit Hitler in
Konflikt, weil sie einem völkischen Sozialismus huldigten und das
Wort Sozialismus damit in seinen Ohren zu sehr betonten. Die Kon-
kurrenz zur nationalrevolutionären Schwarzen Front der Strasser-
Brüder, Himmlers SS, setzte sich durch.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Bund für Deutschlands
Erneuerung auf Basis der Thesen Otto Strassers gegründet und
nannte sich, nachdem er 1956 in Berlin verboten worden war, in
Deutsch-Soziale Union (DSU) um, die sich auch Strasser-Partei
nannte. (372) Auch Ex-NS-Reichsarbeitsdienstführer Erwin Schön-
borns Deutsche Freiheits-Partei (DFP), gegründet im Mai 1954,
orientierte sich an Strassers Thesen. Schönborn sind wir als Führer
des 1975 gegründeten Kampfbundes Deutscher Soldaten (KDS) im
Zusammenhang mit Max Otto Bruker begegnet. Auch der KDS
leugnet die industriell betriebene Vernichtung von Millionen von Jü-
dinnen und Juden, von KommunistInnen, SozialistInnen, Homose-
xuellen, von Roma und Sinti in Auschwitz.

Daß die Anarchisten Rudolf Rocker und Erich Mühsam mit Otto
Strasser diskutiert haben, ist Klaus Schmitt Beleg genug, um daraus
inhaltliche Übereinstimmungen zwischen ihnen und dem angebli-
chen linken Flügel der NSDAP abzuleiten. (373) "Kurz vor der Macht-
ergreifung der Nazis befand sich die Linke, und dies gilt für die zah-
lenmäßig kleine Gruppe der Linksradikalen erst recht, dermaßen in
der Defensive, daß sich ein Gespräch mit einer oppositionellen
Gruppe der Nazis praktisch auszahlen konnte", (374) schreibt Wolf-
gang Haug (375) in einem Leserbrief an Contraste. Unabhängig davon,
ob mensch diese Taktik gutheißt, ergibt sich aus ihr keineswegs die
von Schmitt unterstellte "geistige Nähe". Daß Schmitt diese gern
konstruieren möchte, ist nachvollziehbar, denn Erich Mühsam als
Kronzeuge würde Schmitts eigene "geistige Nähe" zur "Neuen"
Rechten in anarchistischen Kreisen schönfärben.

Klaus Schmitt schätzt vor allem Gesells biologistische Freiland-
Idee: Ein Mütterbund, Gesells Staatsersatz, verwaltet den gesamten
Boden einer Gemeinschaft und verpachtet ihn an die Meistbieten-
den. Die Größe des Bodens hängt von der Gebärfreudigkeit der
Frauen ab. Schmitt behauptet: Gesell habe dies als Beitrag zur "bio-
logischen und kulturellen Fortentwicklung der Menschheit" verstan-
den, als Möglichkeit, den potentiellen Vater unter eugenischen Ge-
sichtspunkten auszuwählen. (376) Er setzt auf die rassistische Eugenik
Silvio Gesells: "(...) immerhin ist dieser Gedanke einer für die Ge-
sunderhaltung des Erbguts und für die Evolution der menschlichen
Art vorteilhaften und von den betroffenen Individuen selbst-
bestimmten Eugenik eine diskutable Alternative zu den auf uns
zukommenden, von Staat und Kapital fremdbestimmten Genmani-
pulationen und 'Hochzucht'-Programmen (...)." (377) Gesell formu-
liert das so: "Jede Zucht, die nicht in völliger Freiheit erfolgt, bei der
die natürlichen Triebe nicht die führende Rolle spielen, ist widerna-
türliche Zucht, ist Unzucht, Sodomie." (378) Auch vermeintlich
"selbstbestimmte" Eugenik ist immer fremdbestimmte Selektion
von Menschen in solche mit "höherwertigem" und "minderwerti-
gem" Erbgut. Purer biologistischer Rassismus.

Schmitt kann der Menschenzucht viel abgewinnen: "Der Ge-
danke, das Erbgut gesund zu erhalten und eventuell den Selektions-
prozeß durch bewußtes menschliches Handeln fortzuführen, (...) ist
im Grund genommen eher eine höchst humane Kulturaufgabe. Denn
wir kommen kaum um die Erkenntnis von Konrad Lorenz herum:
'Das lang gesuchte Zwischenglied zwischen dem Tier und dem
wahrhaft humanen Menschen - sind wir!' " (379) Der rassistische Anar-
chist leugnet, daß der "wahrhafte" Mensch, um "human" zu sein,
humane gesellschaftliche Verhältnisse braucht, die unter der Bedin-
gungen von Kapitalismus, Hochzucht-Auslese oder völkischem
Denken nicht gedeihen können. Human kann ein behinderter oder
kranker Mensch nach dieser Logik nicht sein.

Der Mensch ist weder gut noch böse, er hat ein unbeschreiblich
großes Potential an Möglichkeiten, die aber erst in einer Gesellschaft,
die die soziale Gleichheit garantiert, zur vollen Entfaltung kommen
können. Es ist "wahrhaft inhuman", einen Zusammenhang zwischen
"Hochzucht" und "Humanität" zu konstruieren, es entwertet die
heutigen Menschen. Schmitt leitet seinen "naturwüchsigen Wettbe-
werb" als "vorantreibende Naturgesetzlichkeit" mit "selektiven
Vorteilen" aus der Tradition der biologistischen Verhaltensforschung
Konrad Lorenz' und Irenäus Eibl-Eibesfeldts ab. (380) Schmitt reißt das
Tor weit auf für Bioethik und gentechnische Manipulation bezie-
hungsweise die Züchtung eines neuen Übermenschen.

Auch für die polygame, rassistische Frauenkommune, wie sie Ge-
sell in "Der abgebaute Staat" beschreibt, plädiert Schmitt: "Die Kin-
der dieser Frauen stammen von verschiedenen Vätern hoher 'physi-
scher und psychischer Qualität' ab, und zwar von Männern aus den
verschiedensten Völkern und Rassen der Erde! Es geht hier also nicht
um die 'Aufnordung' einer bestimmten Rasse, wie es die NS-Rassi-
sten vorhatten, sondern um die Fortentwicklung der gesamten Gat-
tung Mensch" (Hervorhebg. im Orig.). (381)

Schmitt, der Rechtsanarchist, übernimmt die ideologische Kon-
struktion von Menschenrassen, meint, weil die Kinder von Vätern
unterschiedlicher "Rassen" stammten, hebe sich der Rassismus auf.
Wer entscheidet, wer Väter "hoher physischer und psychischer Qua-
lität" sind? Was ist mit den Menschen, die männlich oder weiblich,
den erbgesundheitlichen Kriterien nicht entsprechen oder nicht ge-
nug "eugenische Disziplin" walten lassen? Drohung mit dem Revol-
ver oder gleich Hinrichtung? "Jeder nach seiner Facon!"

Der abgebaute Staat ist keiner, in dem Menschen wirklich frei und
sozial gleich leben könnten. Der sozialen Gleichheit versperrt der eu-
genische Kult des kraftstrotzenden (arischen) erbgesunden Men-
schen den Weg. Die Freiheit wird durch ein geschlechtsspezifisches
Apartheidsystem erstickt. Aus der Mütterrente "können die Mütter
ohne patristische und bürokratische Bevormundungen und nach ei-
genem Gutdünken selbstverwaltete Kinderkrippen, Kinderläden,
Spielplätze, Kinder- und Jugendheime, Freie Schulen und Frauen-
und Kinderkommunen, aber auch Betreuer finanzieren". (382) Das Na-
turweib ist nichts als eine "freie" Zuchtstute in einer Art feministi-
schem Patriarchat, dessen vorwiegendes Interesse auf die Aufzucht
erbgesunden Menschenmaterials und die Pflege der Scholle ("Blut
und Boden") gerichtet ist. Es ersetzt die patriarchale Staatsherrschaft
durch die Herrschaft des Mütterbundes. Die Eugenik der Mütter soll
auch das "Überbevölkerungproblem" lösen, "das malthusianische
System der Empfängnisverhütung und das daraus sich entwickelnde
Ein- und Zweikindersystem führen mit mathematischer Notwendig-
keit zur Degeneration und zum Untergang, weil hier der wichtigste
Faktor der Arterhaltung, die Auslese, wegen Mangel an Auslesema-
terial ausgeschaltet wird." (383) Das wird einen wie Franz Alt freuen:
nach der Übereinstimmung beim Antisemitismus nun auch noch bei
der Abtreibung.

Das frühgeschichtliche Modell der "Muttersippe" und die "ge-
schlechtsspezifische Arbeitsteilung" der Frauenkollektive in indiani-
schen Gesellschaften (Schmitt verklärt sie zu herrschaftsfreien Stam-
meskulturen!) verbunden mit einer kapitalistischen, auf Ausbeutung
und Naturvernichtung beruhenden Gesellschaft - was für ein Ge-
sellschaftsmodell und wieviel Emanzipation wird dabei wohl heraus-
kommen? (384) Nichts anderes als ein biologistischer Mütterkult, der
nicht mit einem Millimeter gesellschaftlicher Emanzipation, sondern
mit einer knochenreaktionären Festlegung auf Frauen- und Männer-
rollen verbunden ist, in einer stickigen, von völlig enthemmt konkur-
rierenden Menschen beherrschten Gesellschaft, gnadenlos gegen
"Minderwertige". Eine soziale Utopie, die mehr mit dem völkischen
Mythos gemanischer Heldensagen als mit befreiten Gesellschaften
zu tun hat, wie sie sich soziale AnarchistInnen oder undogmatische
MarxistInnen vorstellen.

1994 wurde Klaus Schmitt von der schweizerischen Sektion der
INWO (Internationale Veinigung für natürliche Wirtschaftsord-
nung) in die Schweiz eingeladen. Er sollte in der Shedhalle in Zürich
einen Vortrag halten. Die Rote Fabrik widmete Gesell eine ganze
Ausgabe ihrer Fabrik Zeitung. Als Klaus Schmitt aber noch vor der
Veranstaltung "von den Vorzügen der 'Zuchtwahl' und der 'Euge-
nik' zu faseln begann, wurde er von den Kuratorinnen der Shedhalle
zurechtgewiesen und trat daraufhin noch vor seinem Vortrag die
Heimreise an". (385)
 
Das sonstige anarchistische Spektrum
 
Im Gegensatz zum Karin Kramer Verlag, der bereits Ende der siebzi-
ger, Anfang der achtziger Jahre Texte von Henning Eichborn, einem
der einflußreichsten nationalrevolutionären Theoretikern veröffent-
licht hatte, (386) hat die anarchistische Zeitschrift Schwarzer Faden
schon 1984 einen ausführlichen Artikel veröffentlicht, in dem die
Gesellsche Theorie sowie die GesellianerInnen scharf kritisiert wur-
den. (387)

Der Berliner A-Kurier druckt nach der Gaspistolenaffäre einen
tatsachenfreien Beitrag aus telegraph (388) nach, in dem mit keinem ein-
zigen Wort auf Peter Bierls inhaltliche Kritik an Gesell eingegangen
wird, sondern der Referent nach Strich und Faden beleidigt wird. Ein
gewisser Knobi, der nicht mit seinem Namen für seinen Text gerade-
stehen will, darf einen törichten Text schreiben, in dem er alle Gesell-
Kritik als marxistische Verschwörung gegen den Anarchismus an-
prangert. (389)

Für diesen Text auch von AnarchistInnen angegriffen, reagiert der
A-Kurier wachsweich: Einerseits distanziert er sich von Gesell, an-
dererseits wirft er denen, die Gesell und anarchistische Gesellianer-
Innen kritisieren voller Pathos "Spaltung" vor: "Eine Debatte (...)
in der (...) bestehende Spaltungen vertieft und ihnen noch weitere
hinzugefügt werden, ist ganz einfach politisch verantwortungslos ge-
genüber der gesamten antifaschistischen Bewegung, vor allem aber
gegenüber denjenigen, für die der Kampf gegen Faschismus, Rassis-
mus und Sexismus um so existentieller ist, je weniger weiß und
männlich sie sind." (390) Jenseits der paternalistischen Attitüde (wir
verteidigen die Marginalisierten dieser Erde gegen böse weiße, mög-
licherweise männliche Kritiker, sind aber selbst nicht so "betroffen")
fehlt im langen Brief des A-Kurier jegliche antikapitalistische Posi-
tion: Dabei könnte es doch sein, daß eine antikapitalistische Perspek-
tive den "Verdammten dieser Erde" (Frantz Fanon) nicht gleichgül-
tig ist.

Wer Berührungspunkte von faschistoider Ideologie mit dem An-
archismus und seinen VertreterInnen benennt und kritisiert, um in
angemessener Weise links - und darin auch einen linken, sozialen
Anarchismus - von rechts abzugrenzen, spaltet in den Augen des A-
Kurier "die Bewegung". Wenn es sich bei dieser um eine Bewegung
handeln sollte, die durch die Kritik an einer antisemitischen, rassisti-
schen, völkischen Ideologie gespalten werden könnte, dürfte sie es
eigentlich nicht wert sein, vom A-Kurier verteidigt zu werden.

Die traditionsreiche anarchistische Zeitschrift Schwarzer Faden
kritisiert den telegraph: "Der Ostberliner telegraph, der Klaus
Schmitt ein großes Interview zur Ausbreitung seiner Ideen ein-
räumte, verteidigte indirekt Schmitts Ausraster, indem die Kritik
Bierls als marxistisch abqualifiziert wurde und die Konfliktebene
flugs zu einer zwischen 'Anarchisten und Marxisten' umgedeutet
wurde. Ein seltsames Gebaren, zumal eine Kritik an Schmitts Verhal-
ten genausowenig vorkam wie eine kritische Auseinandersetzung
mit seinen Positionen bzw. eine mit den Inhalten Gesells (...) Wenn
Bierl von einem marxistischen Ansatz aus argumentiert, aber das
richtige sagt, wo liegt das Problem? Wenn er das verkehrte sagt, wes-
halb wird nicht inhaltlich dagegen gehalten?" (391)

Die Attraktivität der Ideen Silvio Gesells bei Teilen des anarchisti-
schen Spektrums ist weder Zufall noch Unwissenheit. Der Ansatz ei-
nes individualistischen Freiheitskonzepts ist offen für Mystik, für
Egokult und Verteidigung des Eigentums wie beispielsweise bei Max
Stirner (1806-1856), bis hin zu faschistischen Konsequenzen. (392) Daß
sich Gesell ebenso auf Nietzsche und Stirner wie auf Proudhon be-
ruft, (393) liegt in der Logik seiner Ideologie.

Mit Proudhon stimmte er nicht nur in der Zinskritik überein.
Trotz der berühmten Formulierung "Eigentum ist Diebstahl" vertei-
digte Proudhon Privateigentum, wenn es aus eigener Arbeit ent-
sprungen war, gegen Wucher und Spekulanten. Er bekämpfte nicht
nur jegliche revolutionäre Politik und die Emanzipation der Frau,
sondern war auch ein erklärter Antidemokrat. (394) Gesell schreibt:
"Die Rechte der Massen können niemals eng genug begrenzt werden
(...) Der Fortschritt geht also vom Massenrecht zum Recht des Ein-
zelmenschen. Die Völker sind im Vergleich zu ihren Bestandteilen
immer minderwertig". (395)

"Der verquere Freiheitsbegriff [der GesellianerInnen], in dem das
Subjekt überhöht und losgelöst erscheint, ist letztlich Brücke zum
Ego-Trip, etwa bei Stirner, und Anknüpfungspunkt für New Age
und Gesellschen Sozialdarwinismus: Auslese der Besten ohne Rück-
sicht auf andere und, wie in der liberalen Doktrin, ohne staatliche
Eingriffe. Der Dschungel als Utopie." (396) Viele AnhängerInnen der
Gesellschen Freiwirtschaftslehre möchten die Idee gern ganz und gar
von Gesell trennen. Die "Kritik an weltanschaulichen Ansichten eini-
ger Anhänger der Freiwirtschaftsidee (...)" diskriminiere "die Theo-
rie selbst". (397) Da wird die "Freiwirtschaftsidee" als "echte Alterna-
tive zwischen Kapitalismus und Kommunismus" gelobt und
besonders die Machenschaften des Kommunismus gegeißelt, der
nicht erst in der Praxis, sondern bereits "bezüglich der menschlichen
Natur" gescheitert sei. (398) Mensch zeigt Einfühlungsvermögen ge-
genüber dem Antisemiten und prokapitalistischen mittelständischen
Unternehmer Gesell, verständlich sei, "daß ein Mensch im Lauf sei-
nes Leben auch mal seine politische bzw. weltanschauliche Meinung
korrigieren kann", ohnehin sei es ein Rätsel, wie "man bei der Frei-
wirtschaftsidee (...) etwas Rechtsextremes, Antisemitisches oder
Prokapitalistisches finden" (399) könne, denn sie sei "eine rein wirt-
schaftspolitische Theorie, die zunächst erst mal nichts mit Weltan-
schauung zu tun" habe.

Wenn es in gewissen anarchistischen Kreisen angeblich nicht um
Silvio Gesell, sondern nur um die Freiwirtschaftslehre geht, weshalb
konnten "anarchistische" Gesellianer im Infoladen Bambule, Berlin,
Vorträge halten, wie Klaus Schmitt am 26. Oktober 1993 und am 2.
November 1993 ? (400) Weshalb erscheint im "anarchistischen" Karin
Kramer Verlag das Pro Gesell Buch "Silvio Gesell. 'Marx' der Anar-
chisten?" unter Beteiligung rechtsextremer Autoren? Wie konnte im
anarchistischen Libertad-Verlag ein Werk des Wiener Gesellianers
Gerhard Senft, "Weder Kapitalismus noch Kommunismus. Silvio
Gesell und das libertäre Modell der Freiwirtschaft", (401) erscheinen,
für das wie folgt geworben wird: es eröffne "Zugänge zur Gedan-
kenwelt Silvio Gesells". (402) Offensichtlich alles eine einzige marxisti-
sche Weltverschwörung.

Das vor dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich Moderne an der Ge-
sellschen Wirtschaftslehre, die Funktionsfähigkeit des Marktmecha-
nismus durch politische Maßnahmen bzw. den Staat zu sichern,
brauchte später keine eigenständige neben den staatstragenden Par-
teien funktionierende Organisation mehr, auch wenn die Gesellianer-
Innen sich bis heute abmühen. Das praktisch Brauchbare an der Ge-
sellschen Lehre haben neoliberale Kapitalismustheoretiker längst
abgeschrieben. Es verwundert nicht, daß unter anderem Keynes die
Gesellsche Ideologie lobte, das Anliegen der "Natürlichen Wirt-
schaftsordnung" sei die "Entfesselung des Wettbewerbs statt (...)
seine[r] Abschaffung". (403)

Anmerkungen

201 Peter Bierl, Silvio Gesell. Über die Attraktivität eines Antisemiten für die Alternative Szene, ÖkoLinX 12/1993, S. 7

202 die Autorin dieses Buchs

203 vgl. ÖkoLinX 13/1993, S. 11 ff.

204 Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie. Silvio Gesell und das Knochen- geld, in: ÖkoLinX 13/1994, S. 4 f.

205 Klaus Schmitt (Hrsg.), Silvio Gesell - "Marx" der Anarchisten? Texte zur Be- freiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus und der Kinder und Mütter vom patriarchalischen Bodenunrecht, Karin Kramer Verlag Berlin 1989

206 Volkmar Wölk, Neue Trends im ökofaschistischen Netzwerk. Am Beispiel der Anthroposophen, dem Weltbund zum Schutz des Lebens (WSL) und der ÖDP, in: Raimund Hethey/Peter Kratz (Hrsg.), In bester Gesellschaft. An- tifa-Recherche zwischen Konservatismus und Neofaschismus, Verlag Die Werkstatt Göttingen 1991 (1. Aufl.), S. 122/123

207 Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie ... (Anm. 204)

208 Anke Lehmann, Klaus Schmitt zückt die Pistole, in: ÖkoLinX 16/1994, S.15

209 Silvio Gesell, Die Ausbeutung, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung, 1. Aufl. 1922, 3. Aufl. 1932 zit. nach: Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch ... (Band 2), (Anm. 43), S. 1400

210 Richard Stöss (Hrsg.), ebenda

211 Silvio Gesell, Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Frei- geld, 4. letztmalig vom Autor überarbeitete Auflage, in: ders., Gesammelte Werke, Band 11 (1920), Gauke Verlag Fachverlag für Sozialökonomie, Lüt- jenburg 1991, S. 10

212 ebenda, S. 42

213 ebenda, S. 12

214 ebenda, S. 3 ff.

215 ebenda, S. 72 f. und S. 99 f.

216 ebenda, S. 72

217 ebenda, S. 70

218 ebenda, S. 41-43

219 ebenda, S. 63

220 ebenda, S. 226

221 ebenda, S. 106

222 ebenda

223 ebenda, S. 119 f.

224 ebenda, S. 172

225 ebenda, S. 162

226 ebenda, S. 130

227 ebenda, S. 131

228 ebenda, S. 122

229 ebenda, S. 124

230 Die Konstruktion folgt dem Beispiel von Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie ..., (Anm. 204)

231 Karl Marx, Das Kapital, Bd. l, MEW 23, Berlin 1972, S. 117

232 Karl Marx, Das Kapital ..., (Anm. 231)

233 Silvio Gesell, Die Natürliche ..., (Anm. 211) S. 123

234 Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie ..., (Anm. 204)

235 entfällt

236 entfällt

237 ebenda, S. 195

238 Thomas Ebermann/Rainer Trampert, Die Offenbarung der Propheten. Über die Sanierung des Kapitalismus, die Verwandlung linker Theorie in Esoterik, Bocksgesänge und Zivilgesellschaft, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1995, S. 65-73

239 ebenda

240 ebenda

241 George L. Mosse, Die völkische Revolution. Über die geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus, Frankfurt 1979, S. 122

242 Oliver Geden, Rechte Ökologie ..., (Anm. 44), S. 158

243 Willi Dreßen, Rassenhygiene, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Legenden Lügen Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte, 3. Aufl. München 1993, S. 167/168

244 vgl. Willi Dreßen, Rassenhygiene ..., (Anm. 44)

245 Silvio Gesell, Die Natürliche ..., (Anm. 211), S. XVII

246 ebenda, S. XXI

247 ebenda

248 ebenda, S. XVII

249 ebenda, S. XVIII

250 ebenda, S. XXI

251 ebenda, S. 64

252 ebenda, S. 67

253 ebenda, S. 77

254 ebenda, S. 91

255 ebenda

256 ebenda, S. 95

257 ebenda, S. 101

258 ebenda, S. 72

259 ebenda, S. 73

260 ebenda

261 ebenda, S. 72

262 ebenda, S. 91

263 ebenda

264 ebenda, S. 211

265 ebenda, S. 212 und 217 f.

266 zit. nach: Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie .. , (Anm. 204)

267 Silvio Gesell, Der abgebaute Staat - Leben und Treiben in einem gesetz- und sittenlosen hochstrebenden Kulturvolk, A. Burmester Verlag, Berlin 1927, in: ders., Gesammelte Werke, Band 16 (1926-1927), Gauke Verlag Fachver- lag für Sozialökonomie, Lütjenburg 1995, S. 261

268 ebenda, S. 262

269 ebenda, S. 263

270 ebenda, S. 264

271 ebenda, S. 265

272 ebenda, S. 305 ff.

273 Silvio Gesell, Die Natürliche ..., (Anm. 211), S. 249

274 Silvio Gesell, Der abgebaute Staat ..., (Anm. 267), S. 295

275 Silvio Gesell, Die Natürliche ..., (Anm. 211), S. 92

276 ebenda

277 ebenda, S. 93

278 ebenda

279 die biographischen Daten vgl. Siegbert Wolf, Silvio Gesell. Eine Einführung in Leben und Werk eines bedeutenden Sozialreformers, Hannoversch-Mün- den 1983; Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch ... (Band 2), (Anm. 43) S. 1397

280 ebenda, S. 1398

281 Nachdruck des Programms der Edener Gilde in: Landesgemeinde, Heft 3, Oktober 1917, zit. von: Louis Lerouge, Leserbrief in: Contraste Nr. 112, Ja- nuar 1994

282 Silvio Gesell, Die Natürliche .. , (Anm. 211)

283 Franz Oppenheimer, Erlebtes, Erstrebtes, Erreichtes, Berlin 1931, S. 153, zit. nach: George L. Mosse, Die völkische Revolution ... , (Anm. 241), S. 123

284 ebenda

285 Die folgenden Informationen stammen aus: George L. Mosse, Die völkische Revolution ..., (Anm. 241), S. 123-125

286 vgl. Carl Russwurm, Das germanische Grundgesetz von der Freiheit des Menschen und der Welt, Leipzig 1916, zit. nach: George L. Mosse, Die völki- sche Revolution ..., (Anm. 241), S. 123/124

287 Eden 40 Jahre, S. 102 f., zit. nach: George L. Mosse, Die völkische Revolution ..., (Anm. 241), S. 124

288 Louis Lerouge, Rinks und lechts kann man nicht velwechsern - oder doch?, in Contraste 106/107, Juli/August 1993

289 Landesgemeinde, Heft 3, Oktober 1917 S.105, Nachdruck des Programms der Edener Gilde zit. nach: George L. Mosse, Die völkische Revolution ..., (Anm. 241), S. 123

290 Zurück o Mensch zur Mutter Erde, Landkommunen in Deutschland 1890 - 1933, dtv Dokumente, München 1983, S. 40; zit. nach: ÖkoLinX 13/1994; und: Nachdruck des Programms der Edener Gilde in: Landesgemeinde, Heft 3, Oktober 1917, zit. von: Louis Lerouge, Leserbrief in: Contraste Nr. 112, Januar 1994

291 Literaturempfehlungen zu diesem Kapitel deutscher Geschichte: 1) Klaus Gietinger, Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung der Rosa L., Verlag 1900, Berlin 1995 - Anm. d. Autoin: über die Rolle des Vornamens bei politischen Frauen könnte einiges geschrieben werden. Ist vorstellbar, daß ein Buch über Karl Marx "Karl M. " oder ein anderes "Wladimir L. " untertitelt würde ? 2) Sebastian Haffner, Der Verrat. Deutschland 1918/1919, 3. korrigierte und erweiterte Auflage, Verlag 1900, Berlin 1995

292 Silvio Gesell, Verteidigungsrede, in: Rolf Englert, Silvio Gesell in München 1919. Erinnerungen und Dokumente aus der Zeit vor, während und nach der ersten bayerischen Räterepublik, Gauke Fachverlag für Sozialökonomie, Hannoversch-Münden, 1986, Anhang, S. 88-111

293 ebenda

294 vgl. Ernst Toller, Eine Jugend in Deutschland, Leipzig, 1990, S.109, zit. nach: Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie ... (Anm. 204)

295 Silvio Gesell, Verteidigungsrede ..., (Anm. 292), S. 88-111

296 vgl. Wolfgang Haug, Leserbrief, Contraste Juni 1993

297 Erich Mühsam, Ein Wegbahner. Nachruf zum Tode Gesells 1930, in: Klaus Schmitt (Hrsg.), Silvio Gesell ..., (Anm. 205), S. 297

298 Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch ... (Band 2), (Anm. 43), S. 1397

299 ebenda, S. 1403

300 ebenda, S. 1405

301 vgl. auch: ebenda, S. 1410

302 ebenda, S. 1420, Anm. 55

303 vgl. Kurt Hirsch, Rechts von der Union ..., (Anm. 75), S. 105 f.

304 ebenda

305 vgl. Volkmar Woelk, Natur und Mythos, Duisburg 1992, S. 19 f.

306 vgl. Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch ... (Band 2), (Anm. 43), S. 1412 ff.

307 vgl. Volkmar Woelk, Natur und Mychos ..., (Anm. 305), S. 19 f.

308 vgl. das Protokoll der ersten öffentlichen Veranstaltung, Archiv Richard Stöss; vgl. Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch ... (Band 2), (Anm. 43), S. 2351

309 ebenda, S. 2352

310 ebenda, S. 2348 f.

311 vgl. Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie ..., (Anm. 204)

312 Wolfgang Haug in einem Schreiben an die Ökologische Linke, Anfang 1993

313 Günter Bartsch, Silvio Gesell, die Physiokraten und die Anarchisten, in: Klaus Schmitt (Hrsg.), Silvio Gesell ..., (Anm. 205), S. 11

314 ebenda

315 ebenda

316 ebenda, S. 12

317 ebenda, S. 15

318 ebenda

319 ebenda

320 ebenda, S. 16

321 ebenda, S. 23

322 aus: Silvio Gesell, Verteidigungsrede ..., (Anm. 292), S. 88-111

323 Günter Bartsch, Silvio Gesell ..., (Anm. 313), S. 28

324 Margrit Kennedy, Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel, das je- dem dient, überarbeitete und erweiterte Ausgabe, München 1994, S. 184

325 Silvio Gesell, Die Natürliche ..., (Anm. 211), S. XX

326 Günter Bartsch, Silvio Gesell ..., (Anm. 313), S. 26

327 ebenda

328 Silvio Gesell, Der abgebaute Staat ..., (Anm. 267), S. 337

329 Günter Bartsch, Silvio Gesell ..., (Anm. 313), S. 26

330 ebenda, S. 29

331 ebenda, S. 26

332 ebenda, S. 31

333 siehe Anmerkung 111

334 Z.B. bot die ÖDP auf ihrer zentralen Wahlkampfveranstaltung am 19. April 1994 in Frankfurt/Main Bücher von Silvio Gesell, Margrit Kennedy, Herbert Gruhl und Franz Alt an.

335 Vgl. Thomas Ebermann/ Rainer Trampert, Die Offenbarung der Propheten . ., (Anm. 238)

336 Die biographischen Daten Georg Ottos beruhen auf eigenen Informationen innerhalb der Grünen und: Richard Stöss (Hrsg.), Parteienhandbuch ... (Band 2), (Anm. 43), S. 1412

337 vgl. Justus H. Ulbricht, Grün als Brücke zu Braun?, in: Politische Ökologie, Special "Grün Heil", Nov./Dez. 1993

338 vgl. Ruth Körner, Protokolle der Weisen von Zion, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Legenden Lügen Vorurteile ..., (Anm. 243), S. 166/167

339 Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie ..., (Anm. 204)

340 Margrit Kennedy, Die Ökologie der Ökonomie, in: Susanne G. Seiler (Hrsg.) Gaia. Das Erwachen der Göttin, Braunschweig 1991, S. 210

341 Margrit Kennedy, Geld ohne Zinsen ..., (Anm. 324), S. 62

342 ebenda, S. 74

343 Margrit Kennedy, Die Ökologie der Ökonomie ..., (Anm. 340), S. 217

344 ebenda, S. 215

345 ebenda, S. 210/211

346 Margrit Kennedy, Geld ohne Zinsen ..., (Anm. 324), S. 75

347 ebenda, S. 185

348 ebenda, S. 76

349 ebenda, S. 89

350 ebenda

351 Margrit Kennedy, Die Ökologie der Ökonomie ..., (Anm. 340)

352 Margit Kennedy bei der Vorlesungsreihe von Rudolf Bahro, Auftritt am 21.6.1993 unter dem Titel "Geld für eine Begrenzungsordnung", Quelle: Veranstaltungsankündigung der Humboldt-Umversität, enthält die gesamte Vorlesungsreihe des Semesters von Bahro und seinen Gästen

353 Mehr zum Thema Mediation und Befriedung in: Jutta Ditfurth, Feuer in die Herzen ... (1994) (Anm. 4), S. 440-451

354 Josef Hüwe, Berlin, Leserbrief in: Politische Ökologie 35, Januar/Februar 1994

355 Wilhelm Schmülling, Essen, Leserbrief in: Politische Ökologie 35, Januar/ Februar 1994

356 ebenda

357 Gerhard Senft, in Contraste, September 1993 zit. in: Wilhelm Schmülling, Essen, Leserbrief in: Politische Ökologie 35, Januar/Februar 1994

358 Elisabeth Paskuy, (ehemalige wirtschaftspolitische Referentin der Grünen im Bundestag), Politische Ökologie Nr. 36 März/April 1994

359 Jens Dörschel, Leserbrief in: ÖkoLinX 13/1994, S. 48

360 Peter Bierl, Bakunin empfiehlt Marx, in: ÖkoLinX 16/1994, S. 15

361 vgl. ÖkoLinX 13/1994, S. 8

362 Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie ..., (Anm. 204)

363 Louis Lerouge, Leserbrief, Contraste 3/1994

364 Klaus Schmitt, Leserbrief, Contraste Nr. 112, Januar 1994

365 Klaus Schmitt, Die "Knochen" des Diogenes, in: Contraste, Dezember 1993; ders., "Das Geldsyndrom - Wege zu einer krisenfreien Marktwirt- schaft" - ein wichtiges Buch von Helmutz Creutz!, in: Contraste, Dezem- ber 1993

366 Verlagskatalog Karin Kramer Verlag, Berlin, ca. 1993

367 Klaus Schmitt, Geldanarchie und Anarchofeminismus. Zur Aktualität der Gesellschen Geld- Zins- und Bodenlehre, in: Klaus Schmitt (Hrsg.), Silvio Gesell ..., (Anm. 205), S. 45

368 ebenda, S. 182

369 ebenda

370 ebenda

371 Edition ID-Archiv, Drahtzieher im braunen Netz ..., (Anm. 65), S. 24

372 vgl.1 ) Antifaschistisches Autorenkollektiv, Drahtzieher ..., (Anm. 63), S. 87; 2) vgl. Kurt Hirsch, Rechts von der Union ..., (Anm. 77), S. 15, 35, 41, 56 und 450

373 vgl. Wolfgang Haug, Leserbrief, Contraste, Juni 1993

374 ebenda

375 Wolfgang Haug ist Verleger des anarchistischen Trotzdem Verlages und der Zeitschrift Schwarzer Faden

376 Klaus Schmitt, Geldanarchie ..., (Anm. 205), S. 129

377 ebenda, S. 129-131

378 Silvio Gesell, Der abgebaute Staat ..., (Anm. 267), S. 265

379 Klaus Schmitt, Geldanarchie ..., (Anm. 205), S. 242

380 ebenda, S. 214 und Anm. 245

381 ebenda, S. 131

382 ebenda, S. 132

383 Silvio Gesell, Der abgebaute Staat ..., (Anm. 267), S. 329

384 Klaus Schmitt, Geldanarchie ..., (Anm. 205), S. 134

385 Christoph Kind, Rostende Banknoten. Silvio Gesell und die Freiwirtschafts- bewegung, Beute 4/1994 S. 114 ff.

386 Horst Blume, Silvio Gesell - der "Marx der Anarchisten" - ein Faschist!, in: Schwarzer Faden Nr. 13/1984 (vergriffen)

387 Brief der anarchistischen Zeitschrift A-Kurier, Berlin, an die Redaktion der ÖkoLinX, Frankfurt/Main, ohne Datum, Eingang: 22.10.1994

388 Barni Geröllheimer, ÖkoLi-Meinungsterror im Westberliner "el locco", Te- legraph Nr. 5 Mai 1994, nachgedruckt in: A-Kurier Nr. 65, v. 1.6.1994 bis 30.6.1994, S. 28

389 Pseudonym "knobi", Nachschlag - oder warum Marxisten es gerne sehen würden, wenn Silvio Gesell ein Anarchist wäre, in: A-Kurier Nr. 65, v. 1.6.1994 bis 30.6.1994, S. 26

390 Brief der anarchistischen Zeitschrift A-Kurier ..., (Anm. 387)

391 Schwarzer Faden 4/1994

392 vgl. Leszek Kolakowski, Die Hauptströmungen des Marxismus, Bd.1, 1981, S. 186 ff., zit. nach: Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie ..., (Anm. 204)

393 Silvio Gesell, Die Natürliche ..., (Anm. 211), S. XXVI

394 vgl. Thilo Ramm (Hrsg.), Pierre-Joseph Proudhon, Ausgewählte Texte, Stuttgart, 1963, zit. nach: Peter Bierl, Der rechte Rand der Anarchie ..., (Anm. 204)

395 Silvio Gesell, Die Natürliche ..., (Anm. 21 I), S. 62

396 Peter Bierl, "Komplett unterwandert". Gesellianer deckt ökolinke Ver- schwörung gegen die Anarcho-Szene auf, in ÖkoLinX 21/22, 1995/96

397 Leserbrief von Wolfgang Guth, Düsseldorf, in ÖkoLinX 14/1994

398 ebenda

399 ebenda

400 Interim 258 v. 21.10.1993; Interim 259 v. 28.10.1993

401 Gerhard Senft, Weder Kapitalismus noch Kommunismus. Silvio Gesell und das libertäre Modell der Freiwirtschaft, Libertad Verlag, Berlin 1990

402 zit. nach: Peter Bierl, "Komplett unterwandert", (Anm. 396)

403 John Maynard Keynes, The General Theory of Employment, Interest And Money, London 1936, Neudruck von 1967, S. 355, zit. nach: Richard Stöss (Hrsg.) Parteienhandbuch ... (Band 2), (Anm. 43), S. 1422