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KOSOVO Antikriegsseite


DEUTSCHES MISERE

von DIETMAR KESTEN

GELSENKIRCHEN, 6. April 1999

 

Die Propheten des Unheils haben für Deutschland recht behalten. Deutschland bewegt sich mit beklommener Aktualität dem 'cry the beloved country' (weine über das geliebte Land) zu. In der jetzigen Phase der allgemeinen Ratlosigkeit versuchen sie Optismus zu verbreiten - der Herr SCHRÖDER, der die Luftoperationen der NATO immer wieder verteigen muß und will, um die idealen Realitätsgebilde mit Stoff zu füllen Sein schon bemitleidenswerter Außenminister, Herr FISCHER, konnte sich den NATO-Partner nicht verweigern, und erfährt so, was überhaupt in der der Politik des warenproduzierenden Systems in dieser Funktion möglich ist, und was nicht. FISCHER wollte gerne der heilbringende Vermittler sein - und man  könnte ihm Glauben schenken - wenn da nicht der unselige Blankoscheck wäre, der da NATO und NATO-Strategie heißt, die zu jeder Stunde in diesem Tagen beweisen, wie sie sich eine kommende Weltordnung vorstellen.

Und sein außenpoltischer Prestigegewinn entpuppt sich tatsächlich als Mächtepolitik auf dem Balkan, wo die connection NATO-Partner und Deutschland die Waffenbrüderschaft wieder auferstehen lassen, im Namen der Humanität. Sich das Heft der Krisenzonen packen, Muskelspiele betreiben und die Erben des Osmanischen Reiches auf ihre Weise zu Gefolgsleuten machen, das ist die Frevelei, die jetzt mit Macht nach oben drängt. Die Heimsuchung Deutschlands, die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts den ruchlosesten Verbrechern gegen die Menschlichkeit anheim fiel, scheint erneut nicht wahrhaben zu wollen, daß seine Toleranzgrenze schwindet, und die superdemokratische Tugendhaftigkeit sich mehr als einmal als sehr brüchig erweist.

'Wir stehen voll an der Seite unserer NATO-Partner' -dieser Satz SCHRÖDERs hätte auch von BRANDT, SCHMIDT oder KOHL stammen können, wird in die Geschichte Deutschland eingehen; die Übersättigung mit Phrasen ist erreicht, jetzt zählen nur noch Taten, und der eigentliche finstere Dämon wird freigesetzt, der schon lange begraben schien, feiert seine Auferstehung.

Die deutsche Sozialdemokratie und der Krieg, die Verblendung und   Verklärung - da zieht sich eine eigenartige Mischung aus Aufbruch und Standesdünkel durch die Geschichte, die ihren Ausgang 1914 nahm und im Diebstahl des Mottos von 1989 'Wir sind das Volk', endet.

Der Kanzler spricht eine Sprache, die alle Merkwürdigkeiten enthält, die in der Verehrung der Konsequenzen des kapitalistischen Schocks einmüden: Die schreckliche Destabilität des globalen Weltsystems, die finanzielle Unsicherheit, die in die Wirtschaftskrisen einmünden wird, die hohe Arbeitslosigkeit, die Entbehrungen mit dem Los der Feindseligkeit der Menschen untereinander - das 'hohe' Ethos der Sozialdemokratie kann in die Formel gesteckt werden: 'Es reicht nicht mehr für alle, deshalb mache ich dort weiter, wo KOHL aufgehört hat!'

SCHRÖDER kann sich noch sicher fühlen, aber wie lange noch? Er braucht noch nicht auf die Unberechenbarkeit seiner Landsleute zu insistieren, denn die fliegen lieber in die Sonne, feinern Mallorca Partys, oder frönen einfach dem Kriegstourismus, wie an Ostern in Sprangdahlem, wo das große Schaudern weiter geht: Menschen sterben unter Trümmern, Tausende sind auf der Flucht, doch der perverse Drang, den Trieb zu stillen, ist besonders groß. Zur Ausgangsbasis für Luftangriffe gegen Jugoslawien pilgern einige hundet Menschen, deutsche Kriegstouristen, die ein wenig Krieg schnuppern, die US-Tarnkappenbomber aus nächster Nähe sehen wollen. Was mag Voqeure sonst noch bewegen? Indesen bleibt fraglich, wie die schüchternen Anlaufversuche gegen MILOSEVIS Militär enden mögen?

Daß die Angriffe noch '10 -14 Tage dauern können', daran läßt   SCHARPING keinen Zweifel aufkommen. CLARK UND NAUMANN jedenfalls sind für einen Einsatz von Bodentruppen zu haben, ihre Pläne dafür liegen in ihren Schubladen; denn ihrer Mitleidshumanität darf man nicht trauen - denn das war immer der Beginn für große Expansionen, der Niederwerfung, der Versklavung, der Vertreibung; und mündete selbstverständlich in die logische und unabdingbare Voraussetzung für das tausendjährige germanische Reich. Alles - und das die Crux - hat das Militär in den letzten 10 Jahren gut unterbringen können, den halb bohemenhaften Umgang mit den 'Part- nern', das Eindringen in die Siegermächte des 2. imperialistischen Krie- ges, die Bereitung des Bodens auf dem Balkan - der Schlüssel zum Endsieg, der weite Raum, geopolitisch wie biologisch-ökonomisch. Das ist nur im Osten zu finden. Der rassenstolze angelsächsische Westen geht ohne Gewissensbisse in diese Schlachten: Aufnordung, Erbgesundung, Gewöhnung, Ent- wöhnung vom Pazifismus, Stimmung für den 'Hurra-Patriotismus', der Plan. Es fehlt nur noch der Zeitpunkt.

Und dieser wird vom Militär so präzise bestimmt werden, daß die gebeutelte deutsche Seele die guten alten Zeiten wiederherstellen möchte. Und daran wird mit Akribie gefeilt. Aber vielleicht rechnet man mal wieder nicht mit der Gegenseite? Der Aufmarsch der Bodentruppen - wie immer man sie interpretieren mag - ist ein Fakt: In Mazedonien sollen bereits ca. 20. 000 NATO- Soldaten stehen, um eine spätere 'Friedensordnung' abzusichern, weitere 8.000 Mann sollen als 'Schutztruppe' für eine albanische En- klave' oder ein 'internationales Protektorat' bereit gehalten werden; das Kosovo unter dem Schutz von NATO-Truppen, darauf wird es hinauslau- fen, wie einst in Bosnien mit dem uns bekannten blanken Entsetzen. Doch der Aufmarsch könnte nach hinten losgehen, und wie einst KHOMEINI könnte es MILOSEVIC gelingen, die Karten so zu zinken, daß ausgerechnet er für den Einsatz der gesamten Militärmaschinerie der NATO den Ausschlag gibt. Warum sich der Henker des Balkans so unnachgiebig zeigt, darüber kann spekuliert werden; wird er vielleicht das Ende des NIKOLAI CEAUSESCU nehmen, der alle damaligen politischen Widersprüche in seiner Person vereinigte, daß Wiederbelebung alter Ängste auf dem Balkan sich dann nur noch in der seltsamen Form von Gewalt und Gegen- gewalt niederschlagen könnten?

An dem monetären Klub der Deutschen brauchen keine Abstriche vorgenommen werden. Man ist wieder wer, und diese Umkehr, besser Einkehr, schlägt sich   nicht nur im Militarismus, auch in der Politik nieder, vor unser aller Augen, und die 'Chronisten', die seit Jahrzehnten gegen die unheilvolle Warenproduktion wettern, sehen sich jetzt auf einmal bestätigt. 'Viel Feind, viel Ehr!' - die Ambiguität deutschen Denkens, die Hegemonialrolle, die sich z. Zt. in vertrackter Form auf dem Balkan vollzieht, und die Schmach der Vereinten Nationen, die auf ewig ihre Glaubwürdigkeit verspielt hat, all das sind die Warnbilder, die gezackten Pfeile nach unten, die die Grundwerte menschlicher Daseinsform in die Platidüden umleiten Zivilisiertes Zusammenleben in aufgeklärten Kulturkreisen - und der Jugoslawien-Krieg bringt es mit Vehemenz hervor ist nicht mehr mög- lich. Wenn Bundesinnenminister SCHILY um die Aufnahme von Vertriebenen feilscht, dann ist das nicht nur ein erbärmliches Schauspiel, sondern ein- zuordnen in den Disput um eine generelle Einwanderungsquote, der auch für die nächste Zeit alle Probleme um Aufnahmen und Schutzgewährung anzeigt.

Jedenfalls ist die Staatenvielfalt und die kulturelle Übertragung auf die westlichen Schemata zur Farce geworden. Die neuen arroganten Überfremdungen des CLINTON-Parlamentarismus zeigen die Gesinnungsschwankungen, denen wir selbst ausgesetzt sind, wenn eine Lage klar und deutlich zu beurteilen ist. Wir spenden für die Kosovo-Flüchtlinge, und beruhigen damit nur un- ser Gewissen, wie einst bei den Lichterketten; viele gehen auf Demos, und wissen ganz genau, daß sie dabei dem Datum ihrer Wahrnehmungs- erscheinung unterliegen: Was heute richtig ist, kann morgen falsch sein, so war es immer, aber das kümmert uns wenig; eine Demonstra- tion gegen die NATO und mit den Serben, oder umgekehrt, mit den Albanern für Bodentruppen, oder eben gegen den Krieg - all das fächert die Widersprüche auf, die ideologischen Wirbelstürme über Europa treiben uns vermutlich in das genaue Gegenteil?

Doch der Krieg ist anders. Die Endlösungsfrage des zweiten Krieges wird vielleicht wieder zur erdrückenden kontinentalen Realität? Wenn die oberflächlichen-humanistischen Begriffe, die wir haben, nur noch aus Katalogen herauszulesen sind, dann ist das mehr als fundamentale Intoleranz gegenüber dem Leben.

MILOSEVIC, der Völkermörder, der Kriegsverbrecher, der die Nationalitätenfrage - wie es seiner morbiden Veranlagung entspricht - so behandelt, als sei sie nur zum Zwecke der Ausschaltung anderer Ethnen interessant, hat über 10 Jahre lang mit seiner 'confessional cleansing' dafür gesorgt, daß UN und SFOR-Truppen machtlos den Schlächtern zusahen, sie bestärkten ihn noch in seinem Aufstieg: Die Deportationen - gerade auch im Kosovo - gingen weiter; die sich  anbahnende Völkerwanderung, der Exodus, mit dem Mitteln der  Vertreibung, des Krieges, der Ausrottung - sie bestätigen die apokalyptischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts.

Das christliche Abendland - sofern der Ausdruck überhaupt noch angebracht ist - wird die Geographen wieder auf den Plan bringen, die die Gebiete abstecken, minutiös, einem Haushaltsbuch gleich, die Toten summieren, um vorrangig Stabilität zu gaukeln.

Das Kosovo, kommendes NATO-Protektorat? Böse Ahnungen!

Umstrittene Territorien - das lehrt auch die Geschichte - haben immer 'bewaffneten Schutz' benötigt, um der Macht zum Durchbruch zu ver- helfen. Sie wird es wieder geben. Und ihr 'political correktness' sollte immer ein Maximum an Zivilisation und Wohlstand hervorbringen. Jetzt ist der Krieg hervorgebracht, und die Hoffnungen, gegen ihn auf- zustehen, schwinden von Tag zu Tag. Geschichte ist ein Kreislauf geworden, ein Sichfortentwickeln, aber in eine Richtung, die wir nicht mehr kontrollieren können. Jetzt läuft im Fernsehen 'Twister' - und mir scheint, als kämen wir den Wirbelstürmen des 21. Jahrhunderts immer näher.

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