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KOSOVO Antikriegsseite


Angriffskrieg!

Die NATO-Strategie im Kosovo und die Politik von Rot-grün

Redaktion Sozialismus

Mit den Luftangriffen auf den souveränen Staat Jugoslawien - ohne Notwendigkeit der Selbstverteidigung oder ein entsprechendes UNO-Mandat - hat die NATO den Rubikon überschritten. Die Phase einer neuen Weltordnung mit entsprechender Sicherheitsarchitektur nach dem Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung ist im Bombenhagel über dem Balkan beendet worden.

Die kapitalistischen Hauptländer, die sich in der »Neuen NATO« unter der Hegemonie der USA zum Weltpolizisten aufgeschwungen haben, versuchen den Bruch des Völkerrechts mit der sich in Jugoslawien ereignenden humanitären Katastrophe zu legitimieren. Der Bürgerkrieg und die Operationen der »ethnischen Säuberung« sind Verbrechen, die nur im Rahmen des bestehenden internationalen Rechts unterbunden und verfolgt werden können. Diese werden durch den NATO-Angriffskrieg nicht verhindert, sondern drohen, als Gegenreaktion eher verschärft zu werden.

Das offizielle Argument, im Kosovo eine humanitäre Katastrophe stoppen zu wollen, taugt zur Legitimation der NATO-Politik um so weniger, als Menschenrechte immer nur dann in die Waagschale geworfen werden, wenn es in die eigene politische Konzeption paßt. »Globale Verantwortung« buchstabiert sich für die politische Klasse der Hegemonialmacht USA wie folgt: Der eigene Wohlstand und die eigene Sicherheit benötigen vor allem

- ein sicheres, freies, geeintes und wirtschaftlich prosperierendes Europa,

- eine Machtbalance in Asien (was eine Transformation der sozialistischen VR China bedingt),

- und schließlich jedwede Eindämmung von folgenreichen Konflikten an der Peripherie des kapitalistischen Weltsystems.

Die USA bombardieren im Verein mit ihren Alliierten Jugoslawien, weil der Bürgerkrieg im Kosovo die Gefahr einer Ausweitung auf Mazedonien, Albanien und selbst Griechenland und die Türkei heraufbeschwört. Das bedeutet für die Europa-Politik der NATO: Eindämmung des Bürgerkriegs auf dem Balkan, Stabilisierung des Konfliktes zwischen Griechenland und der Türkei, Unterstützung des maroden und repressiven politischen Systems in der Türkei (der moderat islamische NATO-Partner kann als Puffer zu radikaleren Moslem-Staaten in Nahost instrumentalisiert werden), und schließlich die Neutralisierung der Atommacht Rußland durch Förderung und Verlängerung der Schuldensklaverei.

Es geht also gar nicht um die Verhinderung einer humanitären Katastrophe, auch wenn selbst die bundesdeutschen Grünen - einst NATO- und Militärgegner - uns dies immer wieder weismachen wollen. Die Grünen, wie auch der Großteil der sozialdemokratischen Linken, haben sich in eine menschenverachtende und politisch dumme Konzeption einbinden lassen.

Wer die gesellschaftlichen Ursachen für Bürgerkriege auf dem Balkan beseitigen will, muß seine Außen- und und vor allem seine Entwicklungspolitik drastisch ändern. Wer den Menschen- und Bürgerrechten zum Sieg verhelfen will, darf sie nicht als Mittel von außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Großmächte mißbrauchen lassen. Und wer sich über ein Veto im UN-Sicherheitsrat hinwegsetzt, kann diese Mißachtung des Völkerrechts nicht in einen Handlungsnotstand umdeuten.

Eine These ist in Jugoslawien besonders populär: »Das Ziel der USA ist es, das serbische Volk zu vernichten. Die Verweigerung einer militärischen Kontrolle einer politischen Lösung im Kosovo ist daher die einzige Lösung.« Mit Bombenschlägen wird sich die Mehrheit der serbischen Bevölkerung nicht von der Absurdität dieser Behauptung überzeugen lassen. Wer glaubt, Präsident Milosevic sei ein menschenverachtender Diktator, der nur noch ein paar militärische Schläge brauche, um sein Einlenken mit dem Hinweis auf Übermacht und Überleben rechtfertigen zu können, trifft die Realitäten in der Region nicht im geringsten. Die NATO hat keine Konzeption für eine dauerhafte Beseitigung der Bürgerkriegskonflikte auf dem Balkan, und sie hat noch nicht einmal - wie im Irak - eine Konzeption, was passieren soll, wenn sich die politische Klasse dort trotz Bombenterror nicht unterwirft. Der NATO-Angriffskrieg verschärft die Probleme, statt sie zu vermindern.

Die Brüchigkeit der NATO-Konzeption wird am Verhältnis zu Rußland bereits sichtbar. Ministerpräsident Primakow hat seine USA-Verhandlungen abgesagt, obwohl das Land auf die neuen Kredite und Wirtschaftsvereinbarungen Dollar dringlich angewiesen ist. Zudem hätten entsprechende Vereinbarungen die Umschuldungsverhandlungen mit den internationalen Banken und dem Internationalen Währungsfonds erleichtert. Aber auch eine angeschlagene Administration Jelzin wird die Ignoranz der politischen Option Rußlands von Seiten der NATO nicht einfach hinnehmen. Rußland hat zunächst moderat auf die Verletzung des internationalen Rechts und der bisherigen politischen UNO-Praxis reagiert. Bei einer länger andauernden Kriegssituation könnte sich das Entspannungsklima der letzten Jahre dramatisch verändern. Primakow hat einen Ausstieg aus der »Partnerschaft für den Frieden« bereits angekündigt. Die Selbstmandatierung für eine militärische Intervention der NATO ist und bleibt politisches Abenteurertum.

Dieses wird vom deutschen Außenminister Fischer gegenüber der Öffentlichkeit und der eigenen Partei legitimiert. Und diejenigen, die den Anpassungskurs der Grünen in Sachen Anerkennung der NATO, Militarisierung der Außenpolitik und neoliberaler Wirtschafts- und Finanzpolitik bisher noch lächelnd herunterspielten, werden sich zukünftig nicht mehr verstecken können. Wer mit solcher Eindeutigkeit einen Angriffskrieg unterstützt, von dem ist auch langfristig keine Änderung oder gar Abschaffung der Militärorganisation zu erwarten. Rot-Grün ist kein Reformprojekt. Spätestens nach dem Angriffskrieg darf sich die politische Linke in diesem Land über den Charakter des »Politikwechsels« in Bonn keiner Selbsttäuschung mehr hingeben.

Das »kurze 20. Jahrhundert« (Hobsbawm) begann am 28. Juni 1914 in Sarajewo. Für den kürzlich verstorbenen Yehudi Menuhin war es ein Jahrhundert, das »die größten Hoffnungen hervorrief, die die Menschheit jemals gehegt hat, und alle Illusionen und Ideale zerstörte.« Eine zukunftsfähige Politik wird verhindern müssen, daß das 21. Jahrhundert bereits am 24. März 1999 auf dem Balkan mit all den Schrecken und Verbrechen des alten begonnen hat.

Quelle: http://www.sozialismus.de/aktuell/1999/kosovo.htm

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