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KOSOVO Antikriegsseite


A N T I R A S S I S T I S C H E I N I T I A T I V E e.V.
ANTIRASSISTISCHES TELEFON & Z A G - R E D A K T I O N
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Berlin, 09.06.99

DER KRIEG WIRD NICHT MEHR ERKLÄRT, SONDERN FORTGESETZT (*)

Zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien ist eigentlich alles gesagt worden. Alle, die es wissen wollten, konnten sich informieren über die jeweiligen geopolitischen, innenpolitischen und wirtschaftlichen Motive und Ziele der beteiligten NATO-Staaten. Man brauchte dazu nicht dunkle Hinterzimmer aufzusuchen, um an konspirativ vertriebene Gegeninformationen heranzukommen. Aufmerksames Zeitunglesen, ab und zu mal was anderes als die TAZ, ein halbwegs funktionierendes Gedächtnis und das Mißtrauen gegenüber kriegsführenden Regierungen reichten aus, um zu erkennen, daß dieser Krieg nicht dem Schutz hilfloser Menschen diente, daß kein über Nacht entstandener 'humanitärer Sachzwang' über verantwortungsgeplagte Politiker hereinbrach, sondern daß es sich um eine lange vorbereitete und absehbare militärische Machtdemonstration handelt. Auch die Folgen waren angesichts der verheerenden Langzeitschäden der gleichen Militärstrategie im Irak bekannt. Umso erstaunlicher, daß keine nennenswerte Opposition gegen diesen Krieg, den ersten seit 1945 mit deutschen Soldaten, entstand, geschweige denn ein Widerstand.

Die Regierungsbeteiligung der Grünen hat offensichtlich vielen die Identifikation mit der Macht, die man noch vor einiger Zeit, wenn nicht bekämpft, so doch wenigstens kritisch hinterfragt hat, erleichtert. Andere sind der 'Milosovic gleich Hitler' Rhetorik erlegen, - am massivsten die, die schon immer politische Analyse durch moralische Haltung ersetzt haben und nur den bisherigen Inhalt 'Pazifismus' gegen den aktuelleren 'Menschenrechte' austauschen mußten. Die, die noch vor sechs Jahren gegen den Angriff auf den Irak auf die Straße gingen, ringen seit Kriegsbeginn um die Wahrheit, das heißt um die richtige Haltung, die unter einer CDU- geführten Regierung vermutlich schneller zu finden gewesen wäre.

Ohnmächtige Wut hat uns die letzten Wochen begleitet, Ratlosigkeit, Sprachlosigkeit aber auch viel Bitterkeit angesichts der Haltung, die viele eingenommen haben, mit denen wir seit Jahren in Bündnissen zusammenarbeiten. Dieser Krieg hat nicht nur verheerende Folgen für Jugoslawien und für die gesamte Region. Die Machtdemonstration der NATO und die Selbstermächtigung zum Hüter einer Welt-Ordnung, die den Interessen der Mächtigsten innerhalb der NATO entspricht, wird die internationale Entwicklung der nächsten Jahre bestimmen. Auch innenpolitisch wird dieser Krieg bzw. die Art, wie er propagandistisch durchgesetzt werden konnte, verheerende Folgen haben. Mit der Zustimmung zum Krieg oder der weit verbreiteten Positionslosigkeit des einerseits/andererseits, etablieren sich Haltungen und Überzeugungen, die unserer Meinung nach einen unglaublich großen Rückschritt für eine emanzipatorische Politik bedeuten. In der Hoffnung, diese Entwicklung doch noch beeinflussen zu können, melden wir uns als Antirassistische Initiative zu Wort

"Da kann man doch nicht zusehen, da mußte man doch etwas tun, man macht sich sonst mitschuldig"

Wer meint, diese mit Dackelfalte und Tränenauge vorgetragenen Handlungsnöte von Kriegsbetreibern verstehen zu können oder sich sogar damit identifiziert, ist nicht mehr willens oder in der Lage die Realitäten der deutschen Außenpolitik wahrzunehmen. Es wurde die ganze Zeit etwas getan: Mit der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens wurde der nationalistische Zerfall Jugoslawiens besiegelt. In den zwangsläufig folgenden Bürgerkriegen wurde mal die eine, mal die andere Seite unterstützt. Es wurde die UCK aufgerüstet und beraten. Man hat nicht die ganze Zeit nichts getan, sondern man führt jetzt nur das zuende, was man angefangen hat: Die Zerschlagung eines multiethnischen Staatenmodells voranzutreiben, das den eigenen Vorstellungen von EinVolk/EinBoden noch nie entsprochen hat. Man tut auch in anderen Ländern ständig etwas: Man liefert Waffen, man unterstützt mit Geld, wen man brauchen kann, man zerstört regionale Märkte und so weiter und so weiter.

Man tut andererseits die ganze Zeit nichts, da, wo millionenfach gehungert wird, wo elementare Menschenrechte wie Wohnen, Zugang zu sauberem Wasser, zu Bildung, Gesundheitsversorgung usw. unmöglich gemacht werden durch ein Wirtschaftsssystem, das hier seinen Ursprung hat und von hier weltweit mitaufrechterhalten wird.

Die Rede vom Handlungsdruck und von der bisherigen Untätigkeit unterstellt eine Neutralität und Enthaltsamkeit, die die gesamte deutsche Außenpolitik zum arg-und harmlosen Menschlichkeits-verein schönredet. Daß eine Regierungspartei wie die Grünen sich derart in die Bundespolitik einbindet, ist zwar bedauerlich, aber von ihrem Interesse her verständlich. Wenn sich die mit dieser Partei sympathisierende außerparlamentarische Linke aber derartig einbinden läßt, um Positionslosigkeit und Handlungsunfähigkeit zu kompensieren, so verliert sie jede Glaubwürdigkeit und dankt als mögliche gesellschaftliche Gegenkraft endgültig ab.

"Da kann man doch nicht einfach zusehen" entsorgt nebenbei noch ein anderes Problem: Rassisten sind die andern trotz 'national' befreiter Zonen und täglichen Übergriffen und wenn die guten Kosovaren nach Deutschland wollen, so sind sie binnen kürzester Zeit wieder die kriminellen Albaner, die Schily schnellstmöglich abschieben läßt. Und man hat ja nun auch nicht diesen teuren Krieg geführt, damit die alle herkommen, sondern genau im Gegenteil! Bleibt wo ihr seid ( auch wenn es jetzt ein bißchen verstrahlt ist ).

Krieg als moralische Pflicht

Grüne und SPD stehen als kriegsführende Regierungsparteien stärker unter Rechtfertigungsdruck als es die CDU und FDP getan hätten. Dementsprechend wurden von ihnen nicht nur die Menschenrechte für die Legitimierung des Krieges bemüht, der Krieg wurde kurzerhand zur moralischen Pflicht im Namen der Menschlichkeit. Bedenken wurden Pazifisten zugestanden, ihnen wurde eine Art seelsorgerisches Interesse zuteil (Gewissenskonflikt), jede andere Kritik wurde aggressiv als moralische Ausfallerscheinung ins gesellschaftliche Aus verwiesen. Politische Kritik gab es im öffentlichen Diskurs nicht mehr, durfte es nicht mehr geben. Wer gegen den Krieg ist, ist gegen die Menschenrechte, wurde mit weinerlicher Rethorik bis zum Erbrechen wiederholt.

Das Einlassen auf diese Konstruktion bedeutet:

  • · Eine durch nichts gerechtfertigte und das eigene politische Wissen ignorierende Naivität und Loyalität gegenüber der NATO als Militärbündnis, gegenüber den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten und den sie tragenden Machtblöcken. Dies mag nützlich sein für diejenigen, die an der Macht teilhaben wollen, eine staatskritische Linke führt eine solche Haltung in die völlige Analyse-und Handlungsunfähigkeit.
  • · Es bedeutet eine völlig haltlose Verwechseln von Machtpositionen. Man muß sich das mal konkret vorstellen: da wird ein Land, das nicht mal so groß ist wie die ehemalige DDR, zehn Wochen lang mit durchschnittlich 200 Bombenangriffen pro Tag von den mächtigsten Armeen der Welt systematisch zerstört, um einen 'Schurken' 'an den Verhandlungstisch zu bomben', wo er unterschreiben soll, was sowieso passiert, die Besetzung des von ihm regierten Landes. Und dann erdreistet man sich auch noch den Menschen, die dort im Bombenhagel leben und sterben, zu erzählen, sie seien nicht gemeint und man habe ja nichts gegen sie und überhaupt sei das ja nur zu ihrem Besten. Nebenbei bombadiert man ab und an noch mal kurz den Irak, weil da auch so ein Volk lebt, das einen unliebsamen Präsidenten nicht vertreiben kann oder will. Man mag zu Kriegen stehen, wie man will und Pazifismus versus militante Befreiung als politische Widerstandstrategien rauf und runter diskutieren, wer aber diese Art Krieg für notwendig und in irgendeiner Form gerechtfertigt hält, gibt es auf, die realen internationalen Machtverhältnisse noch als solche begreifen zu wollen.
  • · Wer Menschenrechte als Kriegsgrund für herrschende Machtapparate, wie zum Beispiel die NATO-Länder, akzeptiert, redet dem Kolonialismus das Wort. Nicht selten wurde von Grünen in Diskussionen auf die Frage, wo sie denn die Menschenrechte in Türkei/Kurdistan verteidigen, gesagt: Ja, da müsse man auch hin und man habe sich überall immer gedrückt und deshalb muß man nun überall militärisch intervenieren. Die Menschenrechtler auf dem Kreuzzug! Einst war es das Christentum, dann mal die Demokratie, jetzt Menschenrechte und nationale Selbstbestimmung. Die heeren Ziele wandeln sich mit den Zeiten, die Botschaft ist die gleiche: wir wissen was gut für euch ist, wir setzen die Normen, die Werte, die Standards und wer sie nicht teilt wird dazu gezwungen.

Die Haltung der NATO ist eindeutig: Ihr fügt euch lebend oder tot. Eine seit 500 Jahren praktizierte kolonialistische Haltung. Selbstverständlich ist dabei der Rassismus nicht weit: Die jugoslawische Gesellschaft wird nicht wahrgenommen als keine komplexe, gewachsene Struktur mit unterschiedlichen Akteuren und Interessen sondern wird zur willenlosen Volksgemeinschaft, die unter falsche Führung geraten ist.

Es ist der moralisierenden Rhetorik gelungen einen modernen imperialistischen Krieg zum archaischen Mann gegen Mann-Duell zu stilisieren. Da wird ein Missetäter gejagt, der nicht nachgibt, und der, weil er nicht nachgibt, bestraft werden muß. Man entschuldigt sich für die Prügel, die auch die Kinder und die Frau abkriegen, die man doch schützen wollte (die können das nämlich nicht selber und die wissen nicht, was gut für sie ist). Man ist zerknirscht und kann leider nicht anders und leidet so, daß man scheinbar nicht mehr Täter, sondern Opfer ist. weit. Wo Kolonialismus zur guten Denkungsart wird, ist die Anmaßung patriarchaler Strafgewalt nicht weit.

Milosovic gleich Hitler

Der erste Angriffskrieg von deutschem Boden nach 45 im Namen der Opfer des Nationalsozialis-mus! Die unerträgliche Gleichsetzung von Milosovic und Hitler soll legitimieren, was nicht zu legitimieren ist. Wer moralisch nicht zwischen Vertreibung und Vernichtung unterscheiden kann, ist gefährlich und sollte von der Politik ferngehalten werden. Wer die politische Situation in Jugoslawien vor dem NATO-Krieg mit der Politik des Dritten Reich verwechselt ist entweder grenzenlos dumm oder so unverschämt, daß es einem tatsächlich die Sprache verschlägt. Was Walser und Konsorten noch nicht ganz geschafft haben, nun ist es erreicht: Die Deutschen haben sich ihrer Geschichte entledigt, sie gehören endlich zu den Guten. Und sie dürfen ganz Opfer sein. So wittern denn auch die deutschen Vertriebenen als Ewig-Zukurzgekommene Morgenluft, denn wenn man wegen denen im Kosovo einen Krieg führt, warum dann nicht auch wegen ihren 'Heimatsrechten'. Schily ist folgerichtig beim jüngsten Treffen des Bundes der Vertriebenen in Berlin sehr bemüht gewesen die "Fehler der Linken" (o-Ton Schilly) wiedergutzumachen und sich als Unterstützer anzudienen. Natürlich nur moralisch vorerst aber wer weiß was noch kommt ?

Und wer waren im Zweiten Weltkrieg bitte eigentlich die Guten, denen man es jetzt so gerne gleichtun möchte? Die Alliierten im Zweiten Weltkrieg führten keinen Krieg, um den organisierten Massenmord der Nazis zu stoppen. Das sich hartnäckig haltende romantische Weltbild, in dem das Böse immer von einem Guten bekämpft wird, hat mit der politischen Realität leider nichts zu tun, weder historisch, noch aktuell.

Es war absehbar, daß die Grünen mit ihren letzten Grundsätzen brechen würden, sobald sie an der Regierung beteiligt sind. Bemerkenswert ist allenfalls die Geschwindigkeit mit der jedes kritische Denken dem Willen zur Macht geopfert wurde. Das große Entsetzen von vielen, die sie gewählt haben, verstehen wir nicht, schließlich ist das nicht die erste Erfahrung mit einer Rot/Grünen Koalition. Die Grenzen des Parlamentarismus sind nun mal eng und wer an der Macht teilhaben will, muß sich den herrschenden Interessen anpassen. Enttäuschend sind dagegen die Verbiegungen der grünen Opposition, ihr Harmoniebedürfnis, das Pöstchensichern und das Verharmlosen eines Angriffskrieges zum politischen Betriebsunfall, nach dem man jetzt alles besser machen will, nur um noch dabeibleiben zu können. Entsetzlich ist die Lähmung, die die Grünen-Wählerschaft befallen hat. Aber:

Niemand hat mit der Stimme auch den Kopf abgegeben und wir hoffen sehr, daß das Denken bald wieder einsetzt!

STELL DIR VOR ES IST KRIEG UND ALLE GEHEN HIN !
REIN IN DIE NATO - SCHLUß MIT DEM VERGNÜGEN
FRIEDEN SCHAFFEN NUR MIT WAFFEN !

(*)

Alle Tage

Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.

Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.

Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.

Ingeborg Bachmann

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