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KOSOVO Antikriegsseite


Seit Pfingstsonntag besucht eine deutsche Gewerkschaftergruppe Betriebe in Jugoslawien, um sich ein Bild von den Zerstoerungen zu machen. Zu den zehn Mitgliedern gehoeren der Hamburger Schauspieler Rolf Becker und der Hannoversche Journalist Eckart Spoo

Auch die Fähren gibt es nun nicht mehr
Von Rolf Becker und Eckart Spoo

Am vorletzten Tag unserer Reise sind wir wieder in Belgrad, sehen immer neue Zerstörungen, hören immer mehr Flugzeuge und Detonationen. Wir erfahren in Gesprächen mit vielen Menschen, wie der Krieg das ganze Volk würgt.

Tomislav Banovic, der Vorsitzende des serbischen Gewerkschaftsbundes sagt: Die materiellen Schäden nach 64 Tagen Nato- Bombardement sind schlimmere als alle Zerstörungen während des ganzen 2. Weltkrieges in Jugoslawien. Viermal ist das Belgrader Krankenhaus Dr. Dragisa Misovic am Bulvar Mira (Friedensboulevard) von Nato-Bomben getroffen worde. Es ist benannt nach einer Ärztin, die von den Nazis erschossen wurde. Der stellvertretende Chefarzt, Dr. Miodrag Lazic, sagt: Hit ler hat in Jugoslawien kein Krankenhaus getroffen. Die Massenmorde der Naziokkupation wolle er nicht verharmlosen.

Im Krankenhaus Dr. Dragisa Misovic ist die einzige jugoslawische Klinik für lungenkranke Kinder. Die Mauern sind zerbombt, in den verbogenen Bettgestellen liegen keine kleinen Patienten mehr, sondern beschädigte medizinische Geräte, die sämtlich deutsche Fabrikate sind. Krankenschwestern suchen in den Trümmerhaufen nach den Behandlungsberichten für die Langzeitpatienten.

Die Neurologie ist durch die letzten Angriffe Ende April und am 10. Mai total zerstört. Sie war kurz vor dem Angriff renoviert worden. Alle 810 Patienten mu ten in Notunterkünfte evakuiert werden. Die meisten der 1200 Beschäftigten haben ihren Arbeitsplatz verloren. Wir treffen uns mit verschiedenen Frauen und Männern aus der bürgerlichen Opposition und aus gewerkschaftlichen Gruppen. Alle verurteilen die Luftangriffe.

Hier einige Beispiel ihrer Argumente:

  • Sind das die Menschenrechte, die wir jetzt von der Nato bekommen? Das erste Menschen recht ist das Recht auf Leben!
  • Durch die Bombardements ist die sich öffnende Gesellschaft wieder geschlossen. Der Krieg begünstigt die Entwicklung einer Diktatur.
  • Es wird vielleicht wieder Strom geben, wenn wir die Nato reinlassen, aber wir verlieren Freiheit und Würde.
  • Wenn der Westen weiterbombt, werdet ihr noch viel mehr Flüchtlinge bekommen, auch aus Serbien.
  • Die Nato am Himmel, Milosevic am Boden wir leben wie in einem Sandwich. Zwei arrogante Mächte erdrücken uns von oben und von unten.

Wissenschaftler und Vertreter der Grünen berichten uns über nicht absehbare ökologische Gefahren durch die Bombardements der chemischen Werke und durch die Verwendung neu artiger Waffen. Professor Dr. Luka Radijar warnt, der bisher schon zu hohe Phosgengehalt der Luft ist durch die Bombardierung des petrochemischen Kombinats Pancevo bei Belgrad um das Zehntausendfache angestiegen. Er verursacht Lungenödeme: Mein Enkelkind in einer Hochhauswohnung im 16. Stock hat kein Wasser, keinen Strom, und die Mutter hat keine Milch. Was hilft dieser Krieg den Albanern im Kosovo, dessen Dörfer und Städte derma en zerstört und vergiftet sind, da dort auf lange Zeit kein Leben mehr möglich ist?

Im Land wächst die Angst vor völliger Isolation, nachdem schon seit langer Zeit das Embargo die wissenschaftlichen Kontakte eingeschränkt hat. Mit Beschämung hören wir, da wir die erste deutsche Gewerkschaftsgruppe seit Beginn der 90er Jahre sind und da der DGB alle Kontakte eingefroren hat. Das Volk fürchtet, mundtot gemacht zu werden. Durch die Unterbindung der Satelliten übertragungen von Rundfunk- und Fernsehsendungen erfährt die Weltöffentlichkeit immer weniger vom Terror aus der Luft. Die Bundesrepublik verweigert wichtigen Informanten, auch aus den Gewerkschaften und Oppositionsgruppen, die Einreise nach Deutschland.

Unser Begleiter Sveto Vladisvijevic, der jahrelang als gewerkschaftlicher Vertrauensmann bei der DEMAG in Düsseldorf gearbeitet hat, wollte am 29.Mai zum DGB-Vorstand fahren, um über die Situation der Gewerkschaften in Jugoslawien zu informieren und solidarische Hilfe zu erbitten. Die deutschen Behörden lassen ihn nicht einreisen.

Als wir uns vom Personal des Hotels Moskwa in Belgrad verabschieden, weinen einige. Sie haben Angst vor der bedrohten Zukunft: Bitte, la t uns nicht allein!

Und wie zum Schluß aller Gespräche in diesem gequälten Land: Berichtet die Wahrheit!

Auf der Rückfahrt passieren wir noch einmal die zerstörten Donaubrücken von Novi Sad. In der letzten Nacht ist auch die letzte Möglichkeit zur Überquerung des Flusses, die Anle ger der Fährboote an beiden Ufern des Flusses, zerbombt worden. 

Donnerstag, 27. Mai 1999

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