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KOSOVO Antikriegsseite


Seit Pfingstsonntag besucht eine deutsche Gewerkschaftergruppe Betriebe in Jugoslawien, um sich ein Bild von den Zerstoerungen zu machen. Zu den zehn Mitgliedern gehoeren der Hamburger Schauspieler Rolf Becker und der Hannoversche Journalist Eckart Spoo

Wenn die schnellen Sterne kommen
Von Rolf Becker und Eckart Spoo

Die Summe der bisherigen Eindruecke sagt uns: Dieser Natokrieg richtet sich gegen die Zivilbevoelkerung. Die Bombardements zerstoeren die Nervenzentren der Produktion und der Versorgung. Zum Beispiel Kragujevac, die Automobilfabrik Zastava: Die Truemmer des Werks werden zwar von den Arbeitern so gut wie moeglich aufgeraeumt, aber ohne jede Aussicht auf Wiederinbetriebnahme in absehbarer Zeitl.

Die Aufraeumzeiten sind extrem kurz. Als wir in den Hallen sind, kommt Alarm. Alle verlassen das Gelaende. Nach elf Angriffen kann dies der zwoelfte sein. Es sind mehrere hundert Arbeiter, aber keine Tausende. Sie gruessen zurueck, als wir aus dem Bus hinauswinken. Auch das Kraftwerk auf dem Betriebsgelaende ist irreparabel zerstoert. Es hat auch die Stadt mit Strom und Waerme versorgt. Fuer die Bevoelkerung wird es einen harten Winter geben, denn die Wohnungen in den Hochhaeusern haben keine Kamine fuer F Radomil Pavlovic, 52, hat 35 Jahre bei Zastava gearbeitet, Sohn Slobodan, 27, sechs Jahre. Die Mutter Milanka ist zuckerkrank. Ihr mussten am 7. April beide Beine amputiert werden, zwei Tage vor dem schweren Angriff auf Kragujevac. Wegen der vielen Schwerverletzten wurde das Krankenhaus von den Frischoperierten geraeumt. Milanka Pavlovic kam nach Hause. Bei Alarm und Luftangriffen bleibt sie in der Wohnung. Der Lift funktioniert nicht bei Stromausfall und darf waehrend des stundenlangen Alarms nicht benutz Bei "Zastava" als staatlichem Betrieb b steht noch ein Selbsthilfenetz, das Privatbetrieben fehlt. Fuer den arbeitslosen Vater und seinen Sohn gibt es ein Arbeitsausfallgeld der Firma von 2 300 Dinar gleich 25 Mark im Monat, fuer drei Monate garantiert. Das Arbeitsamt zahlt monatlich 100 Dinar, also rund zehn Mat' -, zunaechst fuer ein halbes Jahr.

Bei der Ausfahrt aus Kragujevac passieren wir eine lange Menschenschlange vor einem Tabakladen. Die Ursache erfahren wir drei Stunden spaeter in Nis - 300 000 Einwohner. Hier ist die groesste Tabakfabrik Jugoslawiens - 2300 Beschaeftigte - total zerstoert worden. 1995 hatte die Fabrik neue Maschinen vom Hersteller Hauni aus Hamburg gekauft. Die Wasserpumpenfabrik in Nis - 1 500 Beschaeftigte - wurde sowohl von Spreng- wie auch von Splitterbomben getroffen. Metallteile aus den Lagern des Werkes flogen bis z Im Industriegelaende von Nis liegt ein Werk neben dem anderen in Truemmern. Auch die Technische Hochschule wurde beschaedigt. Der Vizedekan der Fakultaet fuer Elektronik - 2 000 Studenten -, Professor Milan Jevtic, der in Bochum studiert hat, fuehrt uns durch die verwuesteten Raeume. Der Detonationsdruck hat Regale mit Buechern durch die Fenster geschleudert. Im Eingangsfoyer ist eine nicht explodierte Kassettenbombe ausgestellt, die 130 Splitterbomben enthielt. Studenten haben die Frage "Kada?" daraufgema Eine Bruecke ueber die Nisava wurde am 9. Mal, dem Feiertag der Befreiung vom Hitlerfaschismus, so stark zerstoert, dass ihre Truemmer nur noch fuer Fussgaenger passierbar sind. Dabei wurde auch die Wasserleitung zum Stadtzentrum durchtrennt, das benachbarte griechische Konsulat und eine dahinterliegende Prothesenfabrik beschaedigt. Die umliegenden Privathaeuser sind unbewohnbar.

Eine Splitterbombe ging in der Mittagszeit auf dem Marktplatz von Nis nieder, 20 Menschen wurden getoetet und 50 verletzt. Der oertliche Vorstand der Gewerkschaft berichtet von 1925 getroffenen Gebaeuden, darunter 18 Schulen. Waehrend unseres Besuchs schlagen drei weitere schwere Bomben in Nis ein.

In der kleinen Bergbaustadt Aleksinac sind siebzehn Menschen durch Bomben getoetet und 36 verletzt worden. 36 Haeuser wurden vollstaendig zerstoert, allein in der Strasse Dujan Trivunac sind 120 Wohnungen nicht mehr bewohnbar, die meisten ausgebrannt. Viele Menschen haben sowohl ihr Heim und ihren Hausrat als auch ihre Arbeit verloren. Die kleinen Betriebe und das Bergwerk liegen wegen des abgeschalteten Stroms still. Die Einwohner sind vor allem auf die Hilfe von Jugoslawen im Ausland angewiesen. Einem der vielen Kinder, die sich zu uns draengen, haben wir die Frage gestellt, was wuerdest du Mister Clinton sagen? Es antwortete: "Ich kann nichts sagen, ich will nur schlafen." Die achtjaehrige Jana nennt die Flugzeuge am Nachthimmel "schnelle Sterne". In einem Luftschutzbunker hat das Serbische Rote Kreuz das Kindertheater "Smeschko" - Laecheln -eingerichtet. Mit kindlichen Buchstaben steht auf dem Beton: "Wir werden siegen, denn wir lieben unser Land, wir haben kein anderes."

Kontakt: Guenther Schwarberg, FAX 040 / 607 49

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