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KOSOVO Antikriegsseite


Seit Pfingstsonntag besucht eine deutsche Gewerkschaftergruppe Betriebe in Jugoslawien, um sich ein Bild von den Zerstoerungen zu machen. Zu den zehn Mitgliedern gehoeren der Hamburger Schauspieler Rolf Becker und der Hannoversche Journalist Eckart Spoo

Gruesse aus dem Feindesland
Von Eckart Spoo und Rolf Becker

Nach Mitternacht sind wir zur Belgrader Donaubruecke gegangen, auf der sich jeden Abend eine Menschenmenge versammelt mit der angesteckten Zielscheibe "Target". Es gibt Alarm, auf einmal stehen wir allein auf der Bruecke. Die Menschen glauben nach alt ihren Erfahrungen, dass die Nato-Piloten auch Bruecken mit Menschen darauf bombardieren werden. Wir gehen die zehn Minuten zu unserm Hotel "Moskwa" im Zentrum der Stadt, ziemlich schnell, aber nicht in den Luftschutzkeller, sondern bleiben auf dem Zimmer, oef Zehn Minuten vor 4 beginnt die Flak zu schiessen. Es hoert sich an wie Geprassel, bald naeher, dann wieder ferner. In grosser Hoehe zieht ein zirpendes, leise pfeifendes Geraeusch ueber uns. Die Maschinen fliegen in etwa 20 Kilometern Hoehe ueber Belgrad.

Dann unerwartet der Einschlag, nahe, sehr hart metallisch, ganz anders als bei Bomben. Das Innenministerium ist getroffen, das schon einmal bombardiert worden war. Am naechsten Morgen sehen wir uns die Ruine des voellig zerstoerten Fernsehsenders an. Ein Techniker, der den Angriff mit hohem Blutverlust ueberstanden hat, erzaehlt uns: er war Sekunden vorher an einer Stelle, wo dann die sechzehn Menschen getoetet wurden. Er hat sie alle gut gekannt. Aber sechs weitere sind noch immer vermisst. Nichts ist bis Unmittelbar am Sender liegt das Belgrader Kindertheater vor einer Kirche, auf der anderen Seite der Strasse. Aus dem Kirchenschiff haben sie Leichenteile geborgen. Wir legen hier einen Blumenstrauss nieder, zehn grosse Rosen - es ist schoenste Rosenzeit in Belgrad. Auf einer kleinen Schleife steht das Motto unserer Reise: "Dialog von unten statt Bomben von oben."

Wir fahren nach Kragujevac. Die Stadt der Zastava-Automobilwerke ist seit der Bombardierung des Betriebes die Stadt der Arbeitslosen. Von den 200 000 Einwohnern haben durch die elf Angriffe auf das Werk 37 000 Beschaeftigte ihren Arbeitsplatz verloren. Und alle Zulieferbetriebe mussten ebenfalls schliessen. Was sollte man mit Autopolstern ohne Autos? Als unser Bus vor dem Gewerkschaftshaus haelt, kommen ungefaehr 30 Kolleginnen und Kollegen, fast alle haben bei Zastava gearbeitet, heraus und schuetteln uns die Haende. Gaeste aus dem Feindesland: "Euer Besuch in Kragujevac ist der wichtigste seit dem zweiten Weltkrieg."

Die Gewerkschaftsvorsitzende Rusica Milsavjlovic nennt die Folgen der Bombardements fuer die Stadt eine humanitaere Katastrophe. Entfernt ist die Detonation von zwei Raketen zu hoeren. Eine Frau zuckt die Achseln: "Wir versuchen, normal weiterzuleben."

Wir geben ihnen eine von unserer Initiative gesammelte Spende, 10 000 Mark. Nichts im Vergleich zu den Bombenschaeden, aber unser Beitrag wird verstanden als Zeichen der Solidaritaet, als Gruss aus dem Land, dessen Wehrmacht an diesem Ort vor einem halben Jahrhundert das groesste Massaker in Jugoslawien waehrend der deutschen Okkupation veruebt hat. Am 21. Oktober 1941 wurden hier siebentausend Menschen, darunter 300 Schueler, klassenweise mit ihren Lehrern, als "Geiseln" erschossen. Ein Gedenkstein erinnert.

Gleich zu Beginn des Nato-Krieges wurde das Gelaender der Gedenkstaette von Raketen getroffen. Am 14. Mai zerstoerte eine 100 Meter entfernt eingeschlagene Rakete das Museum teilweise. Die Direktorin Slavica Kominac zeigt uns die beiden Skulpturen, stilisierte Adler aus Metall, die Aufstieg und Niedergang des Faschismus symbolisieren. Aber der abstuerzende Adler mit dem Titel "Der Faschismus ist ueberwunden" ist von Raketensplittern schwer beschaedigt. Sie moechte uns auch gerne das Gaestebuch des Museums Bei der Renovierung des Museums soll ein Raum angegliedert werden fuer die Dokumentation der Bombardements durch die Nato.

Wir legen in der Gedenkstaette ein Blumengebinde aus gruenen Zweigen und roten Rosen nieder mit einer Schleife: "Den Opfern der deutschen Wehrmacht, der Nato und der Bundeswehr." Wieder Luftalarm. Die geplante Besichtigung der Zastava-Werke muessen wir auf morgen verschieben. Es ist ein traumhaftes Sommerwetter, die Akazien verbluehen gerade. Rote Mohnfelder in der Huegellandschaft, bunte Haeuser in den Feldern, ein weiter Blick. Was fuer ein schoenes Land! Hoch oben das Zirpen von Flugzeugen. Sehr fern schiesst die Flak.

Kontakt: Guenther Schwarberg, FAX 040 /60 7 49

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