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KOSOVO Antikriegsseite


http://www2.pds-online.de/bt/themen/9904/99043005.htm

Beschluß zum Jugoslawienkrieg

PDS-Parteivorstand am 26. April 1999

Nach 34 Tagen Bombenkrieg ist vieles im Kosovo und in ganz Jugoslawien entsetzlich schlimmer, nichts aber ist besser geworden. Die PDS appelliert an die Bundesregierung und an die anderen im Bundestag vertretenen Parteien innezuhalten und gemeinsam einen Weg aus der ausweglos erscheinenden Sackgasse der Eskalation von Gewalt zu finden. Wir fordern die sofortige Einstellung der Bomben- und Raketenangriffe. Nur eine sofortige Feuerpause ermöglicht es, das Gespräch zu beginnen über eine grundlegende und dauerhafte Lösung der Konflikte in der Region.

Die PDS begrüßt jede Initiative, die den Frieden wieder etwas näher bringt, ob sie nun von Regierungen ausgeht oder von nichtstaatlichen Organisationen und Einzelpersonen. Wir unterstützen nachhaltig den Friedensplan von Lothar Bisky und Gregor Gysi und das Ergebnis der Beratungen der Linksparteien auf Zypern. Unsere besondere Solidarität gehört Gregor Gysi, der wegen seines unermüdlichen Einsatzes für den Frieden mit Schmähungen geradezu überschüttet wurde.

Im Interesse des Friedens erstreben wir einen breiten parteiübergreifenden Dialog, in den wir unsere Positionen und Forderungen einbringen:

1.  Geltung und Achtung des Völkerrechts müssen ebenso wiederhergestellt werden wie der Respekt vor dem grundgesetzlichen Verbot eines Angriffskriegs.  Der Angriff auf den souveränen Staat Jugoslawien war weder als Verteidigung gerechtfertigt noch von der internationalen Staatengemeinschaft legitimiert. Auch ein Recht Betroffener zum Widerstand gegen Diktatur oder koloniale Unterdrückung gibt anderen Staaten kein Recht zur militärischen Intervention. Die NATO muß die angemaßte Funktion eines Weltpolizisten aufgeben. Sie darf die Bedeutung und die Handlungsfähigkeit der UNO und der OSZE nicht weiter beschädigen und in Frage stellen. Nur so kann wieder die "Stärke des Rechts" an die Stelle des "Rechts des Stärkeren" treten. (Egon Bahr)

2.  Menschenrechte dürfen nicht gegen das Völkerrecht ausgespielt werden; ohne Beachtung des Völkerrechts gibt es keinen umfassenden Schutz der Menschenrechte.  Im Kosovo wurden durch den Bruch des Völkerrechts Menschenrechte nicht geschützt, wurde entgegen der Logik der NATO durch die Bombardierungen eine humanitäre Katastrophe weder verhindert noch eingedämmt. Bomben und Raketen brachten mehr Tod, mehr Elend und auch mehr Haß. Dieser Haß ist Quelle weiterer Menschenrechtsverletzungen und wird ein friedliches Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft noch lange behindern.

3.  Gewaltsame Vertreibung von Menschen und Greueltaten an ihnen finden unsere Abscheu und haben sie in der gesamten PDS immer gefunden. Das gilt für die jetzigen Verbrechen an Kosovaren albanischer Herkunft, für die der jugoslawische Präsident Milosovic die politische Hauptverantwortung trägt, wie für die an moslemischen Bosniern in der Schutzzone von Srebreniza. Das gilt aber gleichermaßen für die gewaltsame Vertreibung mehrerer hunderttausend Menschen serbischer Herkunft aus Slawonien und der Krajina durch das von den USA ausgerüstete und angeleitete kroatische Militär. Und das gilt schließlich für die Tötung von serbischen, montenegrinischen und albanischen Zivilisten durch die Luftangriffe. Mit doppelter Moral und einseitiger Parteinahme kann eine Friedenslösung, die auf Vertrauen, zumindest auf Akzeptanz beruhen muß, nicht geschaffen werden.

4.  Die NATO hat die Möglichkeiten nicht genutzt, eine friedliche Lösung der Konflikte um das Kosovo zu erreichen.  Im Gegenteil: Bereits vor dem Beschluß des deutschen Bundestags vom 16. Oktober 1998, auf dem der jetzige Einsatz der Bundeswehr beruht, war die NATO-Führung zum militärischen Eingreifen entschlossen. Nach dem Abzug von Militär- und Polizeikräften Jugoslawiens aus dem Kosovo wurde ein Einrücken bewaffneter Kräfte der UCK in Kenntnis der Tatsache toleriert, daß die UCK nach eigenem Bekunden ein Eingreifen der NATO provozieren wollte. Dann kam es zu der jugoslawischen Offensive und dem Beginn der unentschuldbaren gewaltsamen Vertreibungen. Die Verhandlungen in Rambouillet waren von vornherein auf ein Scheitern angelegt. Sie ließen der jugoslawischen Staatsführung nur die Wahl zwischen einer bedingungslosen Kapitulation mit einer möglichen Abtrennung des Kosovo, mit einer Stationierung von NATO-Truppen und mit einem Besatzungsstatut für das ganz Land auf der einen Seite und den angedrohten Luftangriffen auf der anderen. Später wurden die Vermittlungsbemühungen des russischen Ministerpräsidenten Primakow ebenso leichtfertig wie überheblich übergangen. Es bleibt zu hoffen, daß nach der politischen Erfolglosigkeit der zerstörerischen Bombenangriffe dieser Fehler gegenüber den jetzigen Vermittlungsbemühungen Rußlands nicht wiederholt wird.

5.  Hauptursache der Auseinandersetzungen im früheren Jugoslawien sind serbischer, aber auch kroatischer, muslimischer und albanischer Nationalismus.  Statt auf einen Ausgleich in einem fortbestehenden multi-ethnischen Jugoslawien mit Autonomie und Minderheitenrechten zu orientieren, hat Milosewic auf Nationalismus gesetzt. Der Westen, allen voran die Bundesrepublik Deutschland, haben dies - insbesondere durch die völlig verfrühte, völkerrechtliche Anerkennung von Kroatien und Slowenien - befördert. Dies bewirkte ethnische Abspaltungen und ethnische "Säuberungen". Folge war die Vertreibung der Menschen serbischer Herkunft aus ihrer Heimat in Kroatien und die Vertreibung der jeweiligen Minderheiten aus den verschiedenen Siedlungsgebieten in Bosnien-Herzogowina. In einer einzuberufenden langfristig angelegten Balkan-Konferenz muß ein dauerhafter Ausgleich zwischen den Bevölkerungsgruppen erreicht werden. Wie immer Lösungen im einzelnen zu gestalten sind, nur wenn die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden, wenn eine Lösung von allen akzeptiert werden kann, wird dauerhafter Frieden möglich. Notwendig ist auch, daß die westliche Staatengemeinschaft ihren Beitrag zum Wiederaufbau und zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region leistet.

6.  Die aus dem Kosovo geflüchteten Menschen brauchen schnelle und großzügige Hilfe.  Sie dürfen nicht für die Durchsetzung politischer Ziele instrumentalisiert werden. Ihre Rückkehr in den Kosovo ist nur in dem Maße zumutbar, wie friedliche Verhältnisse und ein Wiederaufbau der zerstörten Städte und Dörfer gewährleistet sind. Eine menschenwürdige Existenz in Albanien und Mazedonien ist für so viele Flüchtlinge nicht möglich. Eine dauerhafte Zuwanderung nach Mazedonien würde auch dieses Land in eine ethnische Zerreißprobe stürzen. Deshalb müssen die westeuropäischen Länder in weit größerem Maße zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit sein und dafür ausreichend finanzielle Mittel bereitstellen. Noch gibt es einen krassen Gegensatz zwischen freigiebigen Ausgaben für die militärische Intervention und engherziger Sparsamkeit bei der humanitären Hilfe!

7.  Wer für sich in Anspruch nimmt, anderen Vorschläge für friedliches Zusammenleben zu machen, muß sich auch daran messen lassen, ob er zum Frieden im inneren bereit und in der Lage ist.  Diffamierungen wie "Fünfte Kolonne" und "Weißwäscher des Faschismus" haben allein die Funktion, innenpolitische Gegner "zum Abschuß freizugeben". Sie sind historisch absurd und politisch gefährlich: Wenn der Außen- und der Verteidigungsminister Milosovic mit Hitler, Vertreibungen mit Auschwitz und den serbischen Nationalismus mit dem deutschen Faschismus gleichsetzen, dann relativieren sie mit allen Konsequenzen für einen demokratischen Konsens die Verbrechen Nazi-Deutschlands. Sozialdemokraten sollten sich bei allem Bedürfnis nach Selbstrechtfertigung auch daran erinnern, wie sie in der Adenauer-Zeit und wegen ihrer Ostpolitik als "vaterlandslose Gesellen" und "Handlanger Moskaus" diffamiert wurden.

8.Aus der Ablehnung des Kriegs gegen Jugoslawien folgt: Die PDS wird eine Regierung, die diesen Krieg betreibt, weder aktiv unterstützen noch tolerieren. Das gilt auch für eine Unterstützung einer solchen Politik im Bundesrat. Die PDS unterstützt die Friedensbewegung und ihre Bündnisse im Kampf für die Beendigung des Kriegs und für eine friedliche Lösung der Konflikte. Sie begrüßt, daß trotz permanenter Kampagnen von Seiten der Massenmedien auch in anderen Parteien, vor allem in der SPD und bei den GRÜNEN, die Diskussionen um den Krieg zu nehmen, die Kriegsgegner stärker werden. Die sich auf Parteitagen, in Parlamenten und in der Öffentlichkeit dem Druck der Meinungsmacher noch nicht entziehen konnten, die wegen der Gewalt gegen Kosovo- Albaner schwanken oder zögern, bitten wir mit großem Ernst, ihre Haltung zu überprüfen. Unser Werben für eine immer breitere Ablehnung des Kriegs ist zugleich ein Absage an jede nationalistische Rhetorik und unduldsame sektiererische Überheblichkeit. In Politik und Gesellschaft brauchen wir eine sich stetig verbreiternden Diskussion über die Notwendigkeit des Friedens in Jugoslawien und über die Rolle Deutschlands in der NATO und der Europäischen Union, in der UNO und der OSZE.  Wir wollen eine Welt ohne Krieg: in Jugoslawien, in Europa und überall auf der Welt!

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