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KOSOVO Antikriegsseite


Dokument der Kriegstreiberei

Quelle: www.gruene.de

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Beschluß der 2. Außerord. Bundesdelegiertenkonferenz, Bielefeld, 13. Mai 1999 

Frieden und Menschenrechte vereinbaren!
Für einen Frieden im Kosovo, der seinen Namen zu Recht trägt!

Im Kosovo führt das Milosevic-Regime einen Vernichtungs- und Vertreibungskrieg gegen die große albanische Bevölkerungsmehrheit. Es wiederholen sich die Greueltaten und humanitären Katastrophen des Krieges in Bosnien, für die auch hier vor allem die serbische Regierung und ihre Handlanger die Verantwortung tragen. Seit dem 24. März bombardieren NATO-Einheiten Ziele in ganz Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, ein Friedensabkommen zwischen Repräsentanten der kosovo-albanischen Mehrheit und der jugoslawischen Regierung zu erzwingen und so die jahrzehntelange Unterdrückung der Albaner zu beenden, die schon lange begonnenen Vertreibungsaktionen zu unterbinden und eine Autonomieregelung durchzusetzen. Mit größerer Verhandlungsbereitschaft hätte der jugoslawische Präsident Milosevic die Luftangriffe stoppen können. Statt dessen hat er die Vertreibungsaktionen zu einem ungeheuren Feldzug gegen die gesamte kosovarische Zivilbevölkerung gesteigert.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich in ihrem Verständnis von Außenpolitik immer an zwei Grundlinien orientiert: Entmilitarisierung der Politik und Absage an Gewalt sowie Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte. Diese beiden Grundlinien geraten bei der Bewertung des Kosovo-Konfliktes in einen Zielkonflikt. Verschärft wird der Konflikt durch schwerwiegende völkerrechtliche Einwände und Gegenargumente, vor allem wegen des Fehlens eines UN-Mandats für das militärische Vorgehen der NATO. Wir stehen schließlich noch vor einem weiteren Dilemma. Einerseits muß die rot-grüne Außenpolitik wirksame Strategien gegen die völkermörderische Politik des Milosevic-Regimes entwickeln. Andererseits aber ist sie vor eine Situation gestellt, die durch seit zehn Jahren begangene Fehler und Versäumnisse des Westens mitgeprägt und bei Regierungsübernahme bereits so weit eskaliert ist, daß Konzepte ziviler Konfliktprävention offenbar nicht mehr greifen können.
Die Entscheidung über die Unterstützung oder die Ablehnung einer Intervention in Jugoslawien gegen die menschenverachtende Politik der jugoslawischen Regierung war wohl für die meisten von uns die schwierigste politische Entscheidung ihres bisherigen politischen Wirkens. Für viele wurde deutlich, daß es nicht darum gehen kann, zu entscheiden, welches Prinzip grüner Politik einen höheren Stellenwert besitzt: die Wahrung und der Schutz der Menschenrechte oder das Bekenntnis zu Pazifismus und Antimilitarismus. Bündnisgrüne Außenpolitik muß den Anspruch erheben, eine Vereinbarung dieser beiden Prinzipien zu finden - unter Berücksichtigung der möglichen Folgen und der langfristigen Verbesserung der Bedingungen für eine friedensstiftende Politik der internationalen Staatengemeinschaft. In dieser Situation gibt es nicht die eine, objektiv richtige Antwort. Wir respektieren an diesem Punkt ausdrücklich, daß Mitglieder unserer Partei zu unterschiedlichen Schlußfolgerungen kamen. Wir sprechen keiner Seite weder die politische Ernsthaftigkeit noch den moralischen Willen ab. Wir sind überzeugt, daß wir auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts trotz der gewichtigen politischen Differenzen weiter zusammenarbeiten können.

Uns eint die Abscheu vor den politischen Verbrechen, den Mordtaten, Folterungen und Vergewaltigungen, der Geiselnahme von Zivilbevölkerung und der ethnischen Vertreibungspolitik. Uns eint der Wille, die Gewalt und die hunderttausendfache Verletzung von Menschenrechten zu beenden. Uns eint der Einsatz dafür, Deutschland zu einem offenen Land für Flüchtlinge aus der Region zu machen. Für uns steht die moralische Legitimation dafür außer Zweifel, dem Handeln des Milosevic-Regimes Einhalt zu gebieten. Gleichwohl lehnen wir es ab, dessen Vertreibungs- und Völkermordpolitik durch historisch fragwürdige Gleichsetzungen mit dem deutschen Faschismus darzustellen.
Zweifellos trägt der Westen und insbesondere auch die Bundesregierung Deutschland große Mitverantwortung für das Entstehen der Zwangssituation, in der wir uns seit Oktober 1998 befanden. Als verhängnisvoll erwies sich die Politik von Kohl und Genscher bei der Anerkennung ehemaliger jugoslawischer Teilrepubliken. Weder hat der Westen in den letzten Jahren zu einem gemeinsamen mittel- und langfristigen Vorgehen gegenüber Milosevic gefunden, noch gab es eine klare Linie auch nur der wichtigsten europäischen Verbündeten zur Eindämmung der serbischen Politik, noch gab es eine Gesamtstrategie für den gesamten südosteuropäischen Raum. Die Unentschiedenheit, Wankelmütigkeit und Sprunghaftigkeit der westlichen Politik führte im zerfallenden Jugoslawien in den letzten zehn Jahren mehrfach dazu, daß zu wenig zu spät unternommen und damit die Aggressivität des staatsterroristischen serbischen Regimes im Effekt sogar noch ermuntert wurde. Die langjährige Mißachtung und Nichtunterstützung des zivilen albanischen Widerstandes durch das Ausland war eine wesentliche Ursache für das Aufkeimen (groß)albanischer Nationalisten und die Verschärfungen der Spannungen im Kosovo in den letzten zwei Jahren.

Wir Grüne haben in dieser Zeit die gewaltfreie Politik Rugovas aktiv unterstützt und uns für die gemeinsame Einbeziehung des ganzen südosteuropäischen Raumes in den europäischen Einigungsprozeß eingesetzt. Wir haben die falsche Politik des Westens gegenüber dem Milosevic-Regime immer wieder kritisiert und auf die drohenden verhängnisvollen Konsequenzen hingewiesen. Leider haben wir mit unseren Vorschlägen zu rechtzeitigen zivilen Konfliktpräventions- und Interventionsstrategien keine Mehrheit im Parlament gefunden und deshalb mit unseren Warnungen weitgehend recht behalten. Dieses ändert aber nichts daran, daß wir mit Rahmenbedingungen konfrontiert wurden, die wir nicht zu verantworten hatten, die uns nun aber in der neuen Rolle als Regierungspartei vor einen Entscheidungsdruck stellten.
Die Außenpolitik der neuen Bundesregierung hatte maßgeblich zum Verhandlungsprozeß von Rambouillet geführt. Dieser war der Versuch, den geringen noch vorhandenen Spielraum für einen grünen Politikansatz zu nutzen. Ohne dies wäre es bereits früher zur militärischen Intervention gekommen. Nach dem Scheitern des Rambouillet-Prozesses hat sich die Mehrheit der bündnisgrünen Mandats- und EntscheidungsträgerInnen für den Einsatz militärischer Gewalt ausgesprochen. Das Verhalten des Milosevic-Regimes ließ zu dieser Zeit in der politischen Realität eine andere als die getroffene Entscheidung nur um den Preis zu, daß der bereits angelaufenen massenhaften Vertreibung und dem Morden nichts hätte entgegengesetzt werden können. Viele Mitglieder unserer Partei und - so die Meinungsumfragen - viele WählerInnen haben die Luftangriffe in der Hoffnung mitgetragen, daß die Vertreibung und Ermordung tausender Kosovo-AlbanerInnen dadurch verhindert oder wenigstens begrenzt werden könnte.
Aber die Politik der NATO, der Bundesregierung und unsere Politik muß sich bei jedem Schritt nicht nur an ihren Absichten, sondern auch an ihren Ergebnissen messen lassen. Die Entscheidung muß darauf hin ständig neu abgewogen werden. Werden alle vorhandenen nicht militärischen Spielräume genutzt oder bestimmt die militärische Logik die Politik?

Werden die Ziele erreicht? Gibt es eine Chance für die Beendigung der militärischen Gewalt?
Die UNO und ihr Gewaltmonopol sind politisch schwer beschädigt worden. Die neue NATO-Strategie mit ihrem erweiterten Sicherheitsbegriff und der Erklärung, künftig in "Ausnahmefällen" auch ohne UN-Mandat eingreifen zu wollen, verstärken den Eindruck, die NATO wolle sich selbst an die Stelle der UNO setzen. Das Vorgehen der NATO im Kosovo erscheint dafür als vorweggenommener Präzedenzfall. Ohne ausdrückliche Signale zur Stärkung der UNO - ob über die Einbindung des Generalsekretärs Kofi Annan als Vermittler im Balkankonflikt oder durch vorzeitige gemeinsame Krisenbewältigung im UN-Sicherheitsrat - bleibt die UNO geschwächt.
Die anfängliche Hoffnung auf eine Verhinderung der humanitären Katastrophe hat sich nicht erfüllt. Die NATO unterlag offenkundig einer Fehleinschätzung, was die Dauer des Krieges und die Auswirkung der Bombardierung angeht. Heute ist festzustellen: Die humanitäre Katastrophe wurde beschleunigt, sie wurde größer, als die meisten wirklich befürchtet hatten, und sie dauert immer noch an. Wie wenig vorbereitet die Staatengemeinschaft auf diese Entwicklung war, zeigt sich auch daran, daß keine ausreichenden Vorkehrungen zur Versorgung der Flüchtlinge getroffen waren. Die angrenzenden Aufnahmeländer waren und sind völlig überfordert und leiden als Folge daraus unter innenpolitischen Spannungen. Dies trug zu wachsenden Zweifeln an der Legitimität des Bombenkrieges ebenso bei wie die zunehmenden menschlichen Opfer und die zivilen Schäden, die er verursachte. Die militärischen Angriffe der NATO aus der Luft haben zwar den Militär- und Gewaltapparat des Milosevic-Regimes massiv geschwächt, sie haben aber auch aus der Illusion des chirurgisch präzisen Luftkrieges einen bitteren Hohn gemacht, politisch negative Wirkungen ausgelöst und eine Reduktion aufs militärische Denken gefördert (dieses wird besonders deutlich angesichts der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad). Wir Grüne haben dies von Anfang an thematisiert und immer mehr kritisiert. Wir kritisieren weiterhin, daß die NATO politische Chancen nicht ausgetestet hat, die in befristeter Aussetzung von Luftangriffen liegen können. Dies wäre mehrfach sinnvoll gewesen, um diplomatische Aktivitäten zu verstärken beziehungsweise die Versorgung der Binnenflüchtlinge zu ermöglichen. Eine politisch ebenfalls sinnvolle Einschränkung der Ziele der Luftangriffe wurde von der NATO nicht in Erwägung gezogen. Angriffe in Montenegro oder auf offensichtlich zivile Ziele in Serbien sind für die meisten von uns kaum nachvollziehbar. Dies alles macht die Suche nach einer politischen Lösung des Konfliktes immer zwingender.
Nachdem die humanitäre Katastrophe nicht verhindert werden konnte, müssen die humanitären Ziele in der neuen Situation neu bestimmt werden. Im Kern muß es darum gehen, daß die Flüchtlinge und Vertriebenen möglichst bald in ihre Heimat zurückkehren können, sowie darum, daß nicht auch noch die verbliebenen Kosovo-AlbanerInnen aus dem Land getrieben werden. Dieses Ziel ist nur auf dem Verhandlungswege zu erreichen. Nach den bisherigen Erfahrungen mit Milosevic erscheint es äußerst zweifelhaft, daß dieser ohne Druckausübung zu Verhandlungen bereit ist. Wie der Verlauf des Krieges zeigt, ist es allein mit militärischem Druck allerdings auch nicht zu erreichen. Deswegen teilen wir einerseits nicht Forderungen nach einem generellen Ende der militärischen Aktionen der NATO, wie wir andererseits Tendenzen in der NATO zu einer unflexiblen, ultimativen Politik kritisieren. Die Rückkehr zur Politik und der Ausstieg aus der militärischen Eskalationsspirale sind zwingend geboten.
Wir sind überzeugt, daß der Fischer-Plan die Kernelemente einer politischen Lösung enthält. Deshalb unterstützen wir ihn. Der grüne Außenminister hat nicht nur als erster verantwortlicher Politiker im Westen einen konkreten Vorschlag zur diplomatischen Lösung entwickelt, seit dem G8-Treffen in Bonn ist dieses Konzept zur gemeinsamen Perspektive des Westens und Rußlands geworden. Die Abkehr von der Implementierung der Rückkehr der Flüchtlinge durch NATO-Truppen hin zu einer Absicherung eines Friedenskonzepts für den Kosovo durch eine Friedenstruppe unter Mandat der UNO nach Kapitel VII der UN-Charta wird von uns positiv bewertet und unterstützt. Wir begrüßen es besonders, daß die Bundesregierung sich auch durch diesen Schritt intensiv um die Einbindung Rußlands in die Lösung des Konfliktes bemüht. Ohne die Beteiligung Rußlands gibt es für den Kosovo und den ganzen südosteuropäischen Raum keine Friedensperspektive.
Bei dem G-8-Außenminister-Treffen Anfang Mai in Bonn wurde ein substantieller Schritt vorwärts zu einer politischen Lösung gemacht. Die erreichte gemeinsame Haltung Rußlands und des Westens macht klar, daß Milosevic mit seiner Politik der Vertreibung und des Völkermords nicht durchkommen wird. Das Ergebnis des G8-Treffens beinhaltet auch ein Angebot an die Belgrader Führung. Wir fordern daher die Staatsführung Jugoslawiens auf, diese Chance nicht zu verpassen.

Um die diplomatische Chance zu verstärken, die derzeit vorhanden ist, sollte die NATO einen befristeten Stop der Bombenangriffe erklären. In der so entstehenden Zeit muß die jugoslawische Seite die Vertreibungen einstellen und mit dem Rückzug ihrer bewaffneten Kräfte beginnen. Die Waffenpause kann verlängert werden, wenn die Belgrader Führung dieses vollzieht. Die Unterbrechung der Luftangriffe kann auch einhergehen mit einem humanitären Waffenstillstand, der dem IKRK die Gelegenheit gibt, die Linderung des dramatischen Flüchtlingselends der Binnenvertriebenen im Kosovo anzugehen.

Gänzlich falsch wäre es im Gegensatz dazu, der militärischen Eskalationslogik zu folgen und auf einen Bodenkrieg zu setzen. Ein NATO-Bodenkrieg im Kosovo oder in anderen Teilen Jugoslawiens liegt aus unserer Sicht aus vielen Gründen jenseits einer Grenze, die nicht überschritten werden darf. Es ist sehr fragwürdig, ob und wann er den Vertriebenen helfen würde. Es ist auch fraglich, ob nicht die humanitären Folgen und die politischen Gefahren eines Bodenkrieges größer und gefährlicher wären als alles, was bisher geschehen ist. Wir lehnen ihn deshalb ab und würden einem Einsatz deutscher Truppen dafür nicht zustimmen.
Die Selbstmandatierung der NATO kann viele Länder der Erde in weiterer Aufrüstung bestärken. In zahlreichen ost- und südosteuropäischen Staaten besteht die Gefahr, daß militante nationalistische Strömungen die Oberhand gewinnen. Es besteht die Gefahr eines Flächenbrandes in Europa.
Wir haben eine große Verantwortung gegenüber den Opfern des Kosovo-Krieges, gegenüber den Opfern auf beiden Seiten. Eine erste Konsequenz gegenüber den vertriebenen Kosovo-AlbanerInnen muß darin bestehen, großzügig in unserem Land Flüchtlinge aufzunehmen und dafür zu streiten, daß dies auch in anderen europäischen Ländern geschieht. Im Rahmen eines Stabilitätspaktes, wie ihn die Bundesregierung vorgeschlagen hat, werden wir zusammen mit unseren EU- und NATO-Partnern auch eine wirksame Aufbauhilfe für die ganze Region leisten müssen.
In der vor uns liegenden Grundsatzdebatte werden wir uns vielen fundamentalen Fragen nach der Orientierung unserer Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik stellen müssen. Die grundsätzliche Orientierung am Pazifismus werden wir nicht aufgeben. Wir wollen ihn entfalten als politischen Pazifismus, der sich zum Ziel setzt, die Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen durch die Herausarbeitung eines wirksamen Gewaltmonopols der Vereinten Nationen zurückzudrängen. Dazu gehören konkretisierte Schritte zur UNO-Reform und zur Stärkung der OSZE. Wir müssen unsere programmatischen Ansätze zur UN-Reform und zur Weiterentwicklung des Völkerrechts im Sinne der Geltung der Menschenrechte auf die Ebene der praktischen Politik bringen. Wir müssen dafür sorgen, daß die grüne Regierungsbeteiligung bei der Institutionalisierung und Anwendung neuer Instrumente von Konfliktprävention und ziviler Konfliktbearbeitung konkrete Ergebnisse zeitigt. Die Glaubwürdigkeit grüner Außenpolitik wird sich in Zukunft auch daran messen lassen müssen, wie wir menschenrechtliche Kriterien in anderen Weltgegenden und unter anderen politischen Rahmenbedingungen praktisch ernst nehmen. Schließlich - und nicht zuletzt - hat sich im vorliegenden Konflikt auch wieder gezeigt, wie wichtig die Aussage des Europawahlprogramms ist, daß die europäischen Länder in Zukunft mehr gemeinsame außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen müssen.

Dreh- und Angelpunkt für die Beendigung des Krieges ist die Wiederherstellung des Gewaltmonopols der UNO. Dazu muß das Gewaltmonopol im Kosovo an eine neutrale Friedenstruppe mit UN-Mandat delegiert werden.
Diese Truppe könnte sowohl den Auftrag zum peace-keeping (friedenserhaltenden Maßnahmen) als auch zum peace-enforcement (friedenserzwingenden Maßnahmen) haben, kann aber nach Lage der Dinge nicht unter NATO-Kommando stehen. Sie muß von jenen Staaten entscheidend geprägt sein, die sich nicht an den laufenden Kriegsaktionen beteiligen. Die Stationierung von NATO-Truppen im Kosovo oder ein NATO-Oberkommando über UNO-Truppen zur Bedingung eines Waffenstillstandsabkommens zu machen, könnte nur als Versuch gewertet werden, eine Verhandlungslösung zu torpedieren.
Das Gleiche gilt für die wechselseitigen Forderungen Jugoslawiens und der NATO, die Einstellung der Kampfhandlungen und den Abzug der Truppen durch die jeweils andere Seite zur Vorbedingung einer Verhandlungslösung zu machen. Die ersten Schritte lassen sich nur regeln, wenn klar ist, daß am Ende eine Friedenstruppe unter UN-Mandat in den Kosovo einrücken wird.
Angesichts der Notwendigkeit und der genannten Chancen, den Kosovo-Krieg durch Verhandlungen zu einer politischen Lösung zu führen, fordert die Bundesversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, daß

  • die NATO einseitig eine Unterbrechung der Luftangriffe auf Jugoslawien erklärt, mit dem Ziel, den Beginn des Rückzuges der serbischen Einheiten aus dem Kosovo und einen sofortigen überprüfbaren Waffenstillstand aller Seiten zu erreichen;
  • nach Eintreten der Waffenruhe umgehend die Versorgung der Flüchtlinge im Kosovo aufgenommen wird;
  • für beide Seiten akzeptable Vermittler Verhandlungen mit Jugoslawien auf der Basis des Friedensplans Joschka Fischer sowie Kofi Annans aufnehmen;
  • in Zusammenarbeit mit der UNO entsprechend der Vereinbarung des G8-Außen-minister-Treffens durch eine internationale Friedenstruppe unter Mandat der UNO die Rückkehr der Flüchtlinge gesichert wird; in einem Abkommen mit Jugoslawien muß auch Vorsorge getroffen werden, daß nicht in anderen Teilen der BR Jugoslawien (z.B. Vojvodina) eine Politik der ethnischen Vertreibung vorbereitet und praktiziert wird;
  • der Einsatz von Bodertruppen weiterhin ausgeschlossen bleibt. Wir erwarten von der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, daß sie rechtzeitig und mit allem Nachdruck einen interfraktionell getragenen Beschluß des Bundestages herbeiführt, der die Beteiligung deutscher Soldaten an einem Einsatz von Bodentruppen außerhalb einer Friedensmission der Vereinten Nationen definitiv ausschließt. Auch einen Bodenkrieg der NATO ohne direkte Teilnahme deutscher Truppen lehnen wir ab;
  • bis zur Beendigung der militärischen NATO-Intervention keine völkerrechtswidrigen Waffen eingesetzt werden, auch keine mit abgereichertem Uran bestückte Munition;
  • über das bisherige Kontingent hinaus Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden;
  • die anderen europäischen Staaten ihrerseits der humanitären Verpflichtung zur weiteren Aufnahme von Flüchtlingen nachkommen;
  • serbische Deserteure in Deutschland politisches Asyl erhalten;
  • die demokratische Opposition in Serbien und im Exil zu unterstützen im Rahmen der Familienhilfe und -zusammenführung die Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen in Privatfamilien ermöglicht wird;
  • eine internationale Balkankonferenz einberufen und etabliert wird, mit dem Ziel, einen Stabilitätspakt für den gesamten südosteuropäischen Raum zu erreichen.

 

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