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KOSOVO Antikriegsseite


PlPr.: 14/31, TOP 14, S. 2586-2589
Datum: 26.03.1999
Dokumentart: Rede im Deutschen Bundestag
Redner/in: Gregor Gysi

Erklärung der Bundesregierung zur aktuellen Lage im Kosovo nach dem Eingreifen der NATO und zu den Ergebnissen einer Sondertagung des Europäischen Rates in Berlin

Dr. Gregor Gysi (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Gestatten Sie mir, mit dem EU-Gipfel zu beginnen. Ich finde eine
solche Debatte einfach deshalb schwierig, weil die meisten im Hause
das Ergebnis noch nicht kennen. Wir hatten überhaupt keine
Möglichkeit, die Vereinbarungen zu studieren. Wir sind also allein auf
die Informationen des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers
angewiesen, und wir sollen darüber diskutieren. Nur, diese
Informationen sind so allgemein, daß eine Beurteilung wirklich
ausgesprochen schwerfällt.

Andererseits möchte ich der rechten Opposition in diesem Hause sagen:
Man kann an das Ergebnis eines solchen Gipfels auch nicht die gleichen
Maßstäbe anlegen wie an einen Kabinettsbeschluß; denn es muß eine
Übereinstimmung mit sehr vielen Ländern in Europa herbeigeführt
werden. Exkanzler Kohl und viele andere wissen, wie schwierig das ist.
Das muß schon der Ausgangspunkt für die Beurteilung sein.

(Beifall bei der PDS)

Auf jeden Fall kann man jetzt schon zwei Dinge begrüßen, nämlich
erstens, daß es der Europäischen Union gelungen ist, sich sehr schnell
auf einen neuen Kommissionspräsidenten zu verständigen, und zweitens,
daß dies Herr Prodi sein soll. Daß das so zügig ging, ist auf jeden
Fall zu begrüßen. Das wird auch von meiner Fraktion ausdrücklich
begrüßt.

(Beifall bei der PDS)

Natürlich begrüßen wir auch die Vereinbarung mit Südafrika als einen
ganz wichtigen Schritt zur Kooperation mit diesem in jeder Hinsicht
geschundenen Land.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Es wäre übrigens gut gewesen, wenn die Solidarität mit Mandela in
diesem Hause nicht erst begonnen hätte, als er Präsident dieses Landes
geworden ist. Dies sage ich in Richtung des gesamten Hauses.

(Beifall bei der PDS)

Ich stelle fest, daß es dann mit der Beurteilung allerdings sehr
schwierig und auch kritisch wird. Die Bundesregierung hat vorher - das
können Sie nicht leugnen, Herr Bundesaußenminister- wirklich groß
getönt, was die Nettoentlastung der Bundesrepublik Deutschland
betrifft. Daß die Töne von Herrn Stoiber da noch lauter wurden, ist
zwar richtig. Aber animiert worden ist er ursprünglich durch den
Bundeskanzler, der damit begonnen hat. Das Ganze konnte so nicht
funktionieren.

(Dr. Norbert Wieczorek [SPD]: Es war aber Bundeskanzler Kohl in
Cardiff, der das gemacht hat!)

Nun habe ich mir die Rede des Bundeskanzlers durchgelesen, um zu
sehen, was er dazu gesagt hat. Da habe ich wirklich einen schönen Satz
gefunden. Da steht nämlich folgendes:

Wir haben uns in Berlin geeinigt, daß die Kurve der deutschen
Nettozahlungen in der Tendenz gestoppt und umgedreht wird.

Das ist so nebulös, Herr Bundesaußenminister, daß damit nun überhaupt
kein Mensch etwas anfangen kann. Was heißt "in der Tendenz"? Wann wird
das sein? In welche Richtung wird das gehen, und in welchen Stufen
wird das geschehen? Das ist als Information ein bißchen dünn. Ich
denke einmal, wenn die Ergebnisse erfolgreicher gewesen wären, hätte
der Bundeskanzler bei diesem Punkt etwas länger verharrt; dann wäre er
darauf ausführlicher eingegangen, als er es getan hat.

(Beifall bei der PDS)

Dann gibt es noch einen schönen Satz, und zwar zur Frage der
Beitragsgerechtigkeit, was Großbritannien betrifft. Da heißt es:

Bei dem Beitragsrabatt für Großbritannien sowie beim Schlüssel für die
Finanzierung dieses Rabatts haben wir Modifikationen vereinbart, die
zu einer größeren Beitragsgerechtigkeit führen.

Allgemeiner und verschwommener kann man es nicht ausdrücken. Kein
Mensch weiß, was da nun wirklich vereinbart worden ist, wie das
Ergebnis aussieht.

Ich meine auch daß die Ergebnisse für die Landwirtschaft bedrückend
sind. Nun kann es ja sein - das muß ich durchaus einräumen -, daß in
Berlin kein anderer Kompromiß zu erreichen war; das ist möglich. Aber
dann ist das, was Sie im Zusammenhang mit der sogenannten ökologischen
Steuerreform und durch andere Gesetze an zusätzlichen Belastungen für
die Landwirtschaft beschlossen haben, einfach unvertretbar.

(Beifall bei der PDS)

Wenn man auf europäischer Ebene keinen Ausgleich erreicht, dann hätte
man ihn innerstaatlich erstreiten müssen. Aber die Landwirtschaft
jetzt von allen Seiten kaputtzumachen, ist einfach indiskutabel. Das
gilt für die Landwirtschaft in Ost und West. Wir werden die Folgen zu
spüren bekommen.

Ansonsten muß man, auch wenn man die Ergebnisse noch nicht kennt,
würdigend sagen: Es gab auch in diesem Hause und in der Presse, und
zwar in der gesamten europäischen Presse, sehr viele, die es überhaupt
nicht mehr für möglich gehalten haben, daß dort ein Kompromiß gefunden
wird. Es wurde von einer lang anhaltenden Strukturkrise gesprochen.
Daß heute nacht ein Ergebnis zustande gekommen ist, ist zunächst
einmal ein Ergebnis für sich, das man auch positiv bewerten sollte.

(Beifall bei der PDS)

Ich komme jetzt zu dem wesentlich schwereren Konflikt, der uns hier
bewegt, über den wir gestern schon debattiert haben und zu dem der
Bundesaußenminister eben noch einmal sehr eindringlich gesprochen hat.
Das ist die Frage des europäischen Krieges gegen Jugoslawien und des
Kosovo-Konflikts.

Es hat mich schon bestürzt, Herr Bundesaußenminister, daß Sie zur
rechtlichen Grundlage dieses Krieges kein einziges Wort verloren
haben, genausowenig wie der Bundeskanzler und genausowenig wie der
Fraktionsvorsitzende der F.D.P., Gerhardt. Der einzige, der etwas dazu
gesagt hat, war der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Herr Schäuble.

Er hat gesagt, daß der Beschluß vom 16. Oktober 1998 auf sicherer
verfassungsrechtlicher und völkerrechtlicher Grundlage gefaßt worden
sei; dies hätte jetzt auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt.

(Ingrid Matthäus-Maier [SPD] Karlsruhe hat Ihnen doch die Anwort
gegeben!)

Das ist völlig falsch. Erstens hat das Bundesverfassungsgericht das
überhaupt nicht bestätigt, weil es sich nur mit der Zulässigkeit eines
Antrages auseinandergesetzt hat. Es hat diese Frage sogar ausdrücklich
offengelassen und festgestellt, daß es damit kein Urteil über die
Verfassungsmäßigkeit trifft. Zweitens ist es ganz eindeutig: In der
Wissenschaft, im Großteil der Medien, von der UNO - nicht nur von
Rußland -, vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, wird klar
darauf hingewiesen, dieser europäische Krieg ist ein
Völkerrechtsbruch.

(Beifall bei der PDS)

Nun haben Sie, Herr Gerhardt, dazu gesagt: Rechtsbrechern muß man
entgegentreten. Das ist wahr. Aber muß man ihnen mit Rechtsbruch
entgegentreten? Ich sage nein. Das ist immer der falsche Weg.

(Beifall bei der PDS)

Wissen Sie, Völkerrecht dann einzuhalten, wenn es mit den eigenen
Zielen, mit dem, was man ohnehin tun will, übereinstimmt, das ist ja
leicht. Das ist wie beim innerstaatlichen Recht. Aber es dann
einzuhalten, wenn es einem politisch nicht paßt, das ist die
eigentliche Schwierigkeit. Für genau solche Fälle schafft man Recht.
Wenn man es verletzt, dann ist man nicht viel besser als andere
Rechtsverletzer. Dieser Tatsache müssen wir einfach ins Auge sehen.

(Beifall bei der PDS)

Sie - sowohl der Bundeskanzler als auch Herr Schäuble - haben gesagt,
die Bomben richten sich nicht gegen das serbische Volk, sondern gegen
Milosevic. Meine Damen und Herren, das ist doch nichts weiter als eine
abstrakte Phrase, die mit Realitäten nichts zu tun hat. Bomben richten
sich niemals gegen einen einzelnen Diktator, sondern immer gegen das
Volk.

(Beifall bei der PDS)

Es sind immer die Zivilisten und die wehrpflichtigen Soldaten, die
dabei sterben, nicht der Diktator. Das war im Irak so. Erklären Sie
mir doch einmal: Ist denn Saddam Hussein durch die Bombenangriffe
heute in irgendeiner Form geschwächt? Ich behaupte, auch hinter
Milosevic standen noch nie so viele Jugoslawen wie heute. Das ist auch
das Ergebnis der Bombenangriffe.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wir liegen doch in der Beurteilung dieses Mannes gar nicht so weit
auseinander, Herr Bundesaußenminister Fischer, und auch nicht in der
Beurteilung des Kosovo, obwohl man dazu noch einiges sagen muß. Ich
sage nur: Ihre Antwort darauf, die Antwort Krieg, das ist genau die
falsche. Sie bringt uns keinen Schritt weiter und setzt uns
völkerrechtlich und nach dem eigenen Grundgesetz ins Unrecht.

(Beifall bei der PDS)

Krieg darf nicht wieder zum Mittel der Politik werden. Mir wird immer
gesagt: Ja, würden Sie denn tatenlos zusehen? Sie, Herr Gerhardt,
haben gesagt: Pazifismus ist etwas Ehrenwertes, führt hier aber nicht
weiter. Es gibt in meiner Partei viele Pazifisten. Ich würde mich gar
nicht so bezeichnen, weil ich zum Beispiel das Recht auf Notwehr
innerstaatlich durchaus akzeptiere. Ich gehe auch so weit zu sagen:
Man muß sich auch militärisch gegen eine Aggression wehren dürfen.

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, es gibt auch
das Recht auf Nothilfe!)

Das Problem ist nur, Herr Gerhardt, Jugoslawien hat keinen der Staaten
angegriffen, die jetzt Jugoslawien bombardieren. Deshalb ist es eben
kein Verteidigungs-, sondern ein Angriffskrieg. Und der ist
völkerrechtlich verboten. Das ist eine Tatsache. Im Völkerrecht gibt
es nichts dazwischen.

(Beifall bei der PDS - Ingrid Matthäus-Maier [SPDl: Nothilfe!)

Sie können doch eines nicht leugnen, Frau Matthäus-Maier: Die Ordnung,
die nach 1945 in der UN-Charta festgelegt worden ist, ist beseitigt.
Wenn Sie mir das schon nicht glauben, vielleicht glauben Sie es dann
Professor Bradeddo von der Bundeswehrakademie Hamburg, also jemandem,
der sich nun wirklich mit Bundeswehr beschäftigt und mit Sicherheit,
wenn er dort Professor ist, eine positive Beziehung dazu hat. Dieser
Mann hat heute im Frühstücksfernsehen gesagt: Es ist ein klarer
Verfassungs- und Völkerrechtsbruch; 40 Jahre UN-Politik sind damit
zerstört.

(Beifall bei der PDS)

Wenn Sie das Vetorecht Rußlands und Chinas aushebeln, dann hat auch
das von Frankreich und Großbritannien in anderen Situationen keinen
Wert mehr. Sie geben doch die UN-Charta nicht nur für die NATO frei,
die Sie davon abkoppeln, sondern praktisch für alle Kontinente. Das
ist das Problem. Es geht doch nicht nur um kurzfristige Folgen,
sondern auch um Spätfolgen, die man mitzubedenken hat.

(Dr. Christa Luft [PDS]: Selektive Wahrnehmung!)


Ich sage noch etwas anderes. Natürlich weiß ich, daß die Situation
schwer ist. Aber wie hat denn alles angefangen? Alles hat nach Dayton
damit angefangen, daß Jugoslawien die Rechte der albanischen
Minderheit in Jugoslawien bzw. der albanischen Mehrheit im Kosovo
verletzt hat. Das ist wahr. Aber es gab damals keine Massaker, es gab
eine Verletzung der Rechte. Das kennen wir von der Welt. Dann passiert
irgendwann folgendes: Diese Bevölkerung fängt an, sich zu bewaffnen,
um für Unabhängigkeit und Loslösung von dem Staat einzutreten. Jeder
Zentralstaat setzt dagegen Militär ein. Das war und ist im Baskenland
so, das war und ist so in Nordirland, das ist vor allem im kurdischen
Gebiet der Türkei so. Das war in Tschetschenien so und im Kaukasus.
Erinnern Sie sich noch, als die russische Armee gegen Tschetschenien
lief und wir alle - nicht wir alle, leider - protestiert und gesagt
haben: Das ist kein Lösungsmittel? Herr Kohl, Sie haben sich damals
als Bundeskanzler hingestellt und gesagt: Man muß auch das Recht
Rußlands auf territoriale Integrität respektieren. Deshalb hätten Sie
Verständnis für diesen Einsatzbefehl. Ich hatte dieses Verständnis
überhaupt nicht. Ich hatte es auch nicht bei Jugoslawien, weil ich
nicht glaube, daß man solche Probleme - und seien sie auch
innerstaatlich - mit militärischen oder polizeilichen Mitteln lösen
kann.

(Beifall bei der PDS)

Insofern gibt es eine Glaubwürdigkeitslücke: Sie beurteilen das je
nach Situation anders. Die Türkei ist Mitglied der NATO und macht
jetzt bei der Abwendung einer humanitären Katastrophe mit, während sie
seit Jahrzehnten eine schlimme humanitäre Katastrophe im eigenen Land
organisiert. In der letzten Woche hat eine Regierung aus SPD und
Grünen neuen Waffenlieferungen an die Türkei zugestimmt, anstatt diese
wenigstens, wie sie es vorher immer hier im Bundestag gefordert haben,
zu stoppen.

(Beifall bei der PDS)

Die Alternative ist nicht Tatenlosigkeit. Das kommt gar nicht in
Frage; das ist ganz klar.

Was ist denn passiert? Nachdem sich die Zustände verschlimmert hatten,
hat man im Oktober ein Abkommen getroffen. Tatsächlich haben sich -
das kann man ja nicht leugnen - die jugoslawischen Streitkräfte und
die Polizei zurückgezogen. Es wurde sozusagen etwas erträglicher. Dann
wurden OSZE-Beobachter hingeschickt. 2 000 waren vereinbart. Die
Höchstzahl derjenigen, die da waren, betrug 1 200. Warum haben wir
nicht wirklich die 2 000 entsandt? Anschließend begannen die
Verhandlungen in Rambouillet. Immerhin hatte Jugoslawien der Autonomie
schon im Prinzip zugestimmt. Es ist doch nicht so, daß in Rambouillet
gar nichts herausgekommen wäre. Im übrigen gab es ja zwei
Vertragsentwürfe, Herr Bundesaußenminister. Auf dieser Grundlage hätte
man zwingend weiter verhandeln müssen. Denn ganz schlimm wurde es im
Kosovo wieder, nachdem die OSZE-Beobachter im Zuge der Vorbereitungen
der Bombardierungen abgezogen wurden, weil die jugoslawische Armee und
Polizei dann nachstieß.

Was Sie, Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister, mir nicht
beantwortet haben: Worin soll denn die Lösung Ihrer Alternative
bestehen? Es gibt keine andere als die von Verhandlungen. Sie sagen,
Milosevic müsse nur zustimmen. Sie haben Ihn als schlimmen Diktator,
als irrational bezeichnet.

(Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Ist er das denn nicht?)

Sie sagen, er nehme den Krieg in Kauf und handele gegen die Interessen
seines eigenen Volkes. Können Sie mir dann erklären, warum er nach
vier, fünf Bombenangriffen plötzlich rational werden, plötzlich sein
Volk lieben und plötzlich den Krieg als ein Mittel ausschließen soll?
Er wird nicht unterschreiben.

Und was machen wir dann? Diese Frage ist nicht beantwortet. Was ist
das politische Ziel, wenn er nicht unterschreibt? Denn wenn er allein
einem Waffenstillstand zustimmen würde, genügte das nicht; Sie
verlangen ja zudem die Unterschrift. Sie haben der deutschen
Bevölkerung bislang keine Antwort auf die Frage gegeben, was Sie dann
machen. Sollen dann Bodentruppen einmarschieren? Wo ist das politische
Lösungskonzept? Das ist hier nicht offenbar geworden. Das sind Fragen,
die ganz viele Menschen bewegen - ich finde, zu Recht. Sie haben eine
Antwort darauf verdient.

(Beifall bei der PDS)

Man kann doch nicht einfach sagen: Wir bomben bis zur Unterschrift.
Wie lange soll das gehen, wenn sie nicht kommt?

(Gernot Erler [SPD]: Er hat es nicht verstanden !)

- Ich glaube schon, daß ich es verstanden habe.

(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie geben auf die
andere Frage keine Antwort: Was geschieht, wenn nichts gemacht wird?)

- Stellen Sie eine Zwischenfrage! Ich kann das akustisch nicht
verstehen. Ich bin sehr gerne bereit, darauf zu antworten.

Wir müssen die Bombardierungen beenden. Wir müssen zurück zu
Verhandlungen. Wir müssen Rußland wieder in das Boot nehmen. Rußland
war bereit, den Druck zu verschärfen. Vor allem müssen wir den
UN-Sicherheitsrat wieder einschalten. Ansonsten hat das katastrophale
Folgen. Das Tischtuch zu Rußland ist doch schon nahezu zerschnitten.

Jetzt noch zu etwas, was mich in den letzten Tagen sehr beschäftigt
hat: Die Argumente sind fatal. Es wird immer von der militärischen
Überlegenheit der NATO gegenüber Jugoslawien gesprochen, die natürlich
zweifellos gegeben ist. Das Argument in bezug auf Rußland ist dann:
Die können gar nichts machen, die brauchen neue Kredite, und zwar
spätestens im Mai, wenn die neue Charge des IWF ansteht. Wo sind wir
moralisch hingekommen, wenn das die entscheidenden politischen
Argumente werden: Wir sind a) militärisch überlegen und b) finanziell
stärker; deshalb können wir eh entscheiden, was die anderen machen?

(Beifall bei der PDS)

Wer sagt Ihnen denn, wer in einem halben Jahr in Rußland die Macht
hat? Wer garantiert, daß dann, wenn das Argument mit dem Geld noch
zehnmal gebraucht wird, dort nicht ganz irrationale Entscheidungen
getroffen werden? Politik ist nicht nur rational; sie ist auch
irrational. Das macht mir große Sorgen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege Gysi, Sie haben schon
die ganze Ihrer Fraktion zustehenden Redezeit ausgeschöpft.

Dr. Gregor Gysi (PDS): Frau Präsidentin, ich komme zum letzten Satz. -
Über die historische Dimension ist übrigens so gut wie gar nicht
gesprochen worden; lediglich der Bundesaußenminister hat am Rande
darauf hingewiesen.

Es bleibt eine traurige Tatsache: Europa und die Welt werden hinterher
anders aussehen. Das gilt ebenso für die SPD, aber auch für die
Grünen, die ihren Pazifismus aufgegeben haben.

Ich finde es traurig -

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Kollege Gysi !

Dr. Gregor Gysi (PDS): - daß dieser Krieg in Europa in Deutschland
durch einen Kanzler der Sozialdemokratie angeordnet wurde. Das hätte
nie passieren dürfen. Das wird Folgen haben - kurzfristige,
mittelfristige und auch langfristige Folgen.

(Beifall bei der PDS)


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