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KOSOVO Antikriegsseite


From: rain.stu@CITYWEB.de   (Rainer Stutzmann)
Newsgroups: bln.politik

Auszüge aus der Rede von Oskar Lafontaine zum 1. Mai 1999 in Saarbrücken.

Zu Kosovo:

Vor der Entscheidung des Deutschen Bundestages im Oktober 98 habe ich die Frage gestellt, ob ein solcher Beschluß des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung eine Automatik in Gang setzt, die keine politischen Konsultationen vor einem militärischen Angriff mehr zuläßt. Die Antworten der beteiligten Minister waren unterschiedlich. Ich ließ mir an diesem Tage vom Außenministerium schriftlich bestätigen, daß eine Entscheidung des Deutschen Bundestages keine Automatik in Gang setzt und vor einem Angriffsbefehl eine erneute politische Konsultation möglich bleibt.

Auf dieser Grundlage habe ich als Vorsitzender der SPD zugestimmt. Es wäre nicht verantwortbar gewesen, nach all dem, was vorher von den Regierungen Europas und von der Regierung der USA auf den Weg gebracht worden ist, die Maßnahmen innerhalb weniger Tage zu stoppen oder gar zu verändern. Ich habe während der Verhandlungen vom Rambuier allerdings im Kabinett darauf bestanden, daß es vor einem Angriffsbefehl zu einer erneuten Kabinettsentscheidung und zu einer ausführlichen Erörterung der militärischen Planungen kommen muß. Ich bin der Auffassung, daß es nicht möglich ist, Militäreinsätzen zuzustimmen, ohne die Planungen und deren Auswirkungen zu kennen und sorgfältigst zu diskutieren.

Es kam vor meinem Rücktritt vom Amte des Finanzministers nicht mehr zu einer solchen Darstellung der militärischen Überlegungen und deshalb kann ich nur im Nachhinein urteilen. Ich bin der Auffassung, daß die jetzige Vorgehensweise überhaupt nur begründbar ist, wenn es nach militärischen Angriffen wie vor einigen Jahren jetzt auch zu einer Unterschrift von Milosevic kommen würde, wodurch die Kriegshandlungen dann beenden würden. Nur dann wäre die Vorgehensweise militärisch nach meinem Urteil begründbar und verständlich. Wenn aber der Schutz der Vertriebenen im Kosovo das wichtigste Ziel der militärischen Einsätze war, ist für mich die militärische Einsatzplanung unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehbar.

Jeder Vergleich hinkt. Was würde man aber von einer Polizei halten, die in Erfahrung bringen würde, daß von dem Ort A zu dem Ort B eine Gruppe zieht, um im Ort B Menschen zu vertreiben und zu ermorden, und dann als Antwort die Brücken, Treibstofflager, Schienenwege usw. im Ort A bombadieren würde. Eine solche Polizei würde keine Minute akzeptiert werden.

Und ich weiß natürlich, daß die Dinge nicht so einfach übertragbar sind. Aber ich glaube, daß dieses Beispiel doch zeigen kann, daß die militärische Planung nicht durchdacht war. Sie kalkulierte nicht den Fall der Nichtunterschrift und ist jetzt, nach meiner Überzeugung, in einer Sackgasse galandet.

Ich möchte hier den nach Amerika ausgewanderten yugoslawischen Lyriker Charles Simec zitieren, der nach meiner Auffassung die jetzige Lage gut beschrieben hat:

Die Bombadierung von Städten gehört zu den großen Spektakeln des späten 20. Jahrhunderts. Das trifft heute im Fernseh- Zeitalter in noch viel höherem Maße zu als in den Zeiten des Rundfunks und der Tageszeitungen zu, als vieles noch der Phantasie überlassen bleiben mußte. Jetzt können wir uns mit einem kühlen Bier, einer Tüte Kartoffelchips auf das Wohnzimmersofa setzen und die nächtlichen Bombardements auf Bagdad oder Belgrad verfolgen. Ich bin sicher, daß die Bombardierungen von Hiroshima oder Dresden life im Fernsehen übertragen worden wären, wenn es die entsprechende Technologie bereits gegeben hätte. Heute sitzen wir in unseren Hausschuhen da und schauen uns solche Entsetzlichkeiten an. Die Kinder wollen vielleicht, daß auf irgendein anderes Programm umgeschaltet wird, und wir sagen, einen Moment noch. Ganz gleich, was irgendwelche Generäle oder Politiker behaupten, Bombadierung ist eine Form kollektiver Bestrafung. Das ganze Gerede vom systematischen Angriff auf den Feind, von der Aushöhlung seiner Kapazitäten, seiner Ermüdung und schließlich von seiner Zerstörung dient nur der Verschleierung der Tatsache, daß hierbei die Unschuldigen ebenfalls einiges abbekommen werden.

Zitat Ende.

Das ist die Problematik, in die die Bombardierung uns geführt hat. Immer mehr Unschuldige werden Opfer dieser Bombardements. Und deshalb fordere ich die Verantwortlichen auf, darauf hinzuwirken, daß diese Bombardierung eingestellt wird, und daß man unter Einbeziehung und Konsultation der UN, Rußlands und Chinas am Verhandlungstisch einen Weg findet, um Mord und Vertreibung zu stoppen und zu beenden.

Nicht nur dieser Schriftsteller ist bitter, auch unsere Nachbarn, die direkten Nachbarn Yugoslaviens. Ich zitiere Giorge Konrads, den ungarischen Schriftsteller, der vielen in Deutschland bekannt ist. Er schreibt verbittert:

Wenn die Herren des Wolkenhimmels der Bombardierung überdrüssig geworden sein sollten, werden sie den Balkan aufgeben, wie früher Afghanistan und die Schauplätze der etnischen Kriege in Afrika, nicht ohne den Rat zu erteilen, die Einheimischen sollten wieder aufbauen, was sie in Schutt und Asche gelegt haben und versuchen, miteinander auszukommen. Wer schützt uns vor dem mangelden Sachverstand, der mit jeder neuen Generation auf die Bühne tritt.

Zitat Ende.

Deshalb begrüße ich es, daß der Bundeskanzler einen Marschall-Plan ins Gespräch gebracht hat. Daß jetzt darüber gesprochen wird, wie das Zerstörte wieder aufgebaut werden kann. Aber wenn wir dann abends die Fernsehbilder sehen, wenn Brücken zerstört werden, die demnächst wieder aufgebaut werden sollen, dann fragen wir uns nach dem Sinn solcher Bombardements, wohin sie führen und welche Vernunft solcher Vorgehensweise zu Grunde liegt.

Es geht hier um viel Diplomatie. Es führen sicherlich nicht lautstarke Diskussionen der Verantwortlichen weiter. Und alle vorschnellen Pläne, die veröffentlicht werden - das weiß jeder, der die internationalen Mechanismen kennt - rufen nur Widerstände hervor. Aber ich hoffe, daß die europäischen Regierungen, und auch nach der Entscheidung des amerikanischen Kongresses die Clinton-Administration erkennen, daß sie sich in einer Sackgasse befinden. Und daß es notwendig ist, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Ich höre jetzt oft den Satz, die Nato müsse ihr Gesicht wahren. Sie könne nicht anders, sie müsse jetzt siegen. Nietsche hat geschrieben in "Also sprach Zaratrusta": Euer Friede sei ein Sieg. Zitat Ende.

Ich frage hier aber: Wessen Sieg wäre dieser Sieg eigentlich? Was bedeutet Gesichtswahrung gegenüber dem Elend der Menschen, die unter diesem Krieg leiden? Es geht nicht um Sieg oder Gesichtswahrung. Es geht darum Menschenleben zu retten und das Elend zu beenden.

Jetzt sind wieder Vorschläge zu einem Öl-Embargo gekommen. Und wenn ich diese Vorschläge höre, dann kann ich manchmal bitter werden. Und ich möchte das heute sagen. In bitteren Stunden denke ich, ein Ölembargo geht nicht, weil man mit Öllieferungen Geld verdienen kann, ein Waffenembargo geht nicht, weil mit Waffenlieferungen Geld verdient werden kann. In einer Welt, in der Geldverdienen so sehr das Handeln bestimmt, sind Öllieferungen, Waffenlieferungen, ist Kriegsführung möglich, weil an all deem Geld verdient werden kann. Das ist die bittere Wahrheit. Deshalb bleibe ich auch bei der Forderung der SPD, die da heißt:

Es ist moralisch nicht verantwortbar, Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Diejenigen, die dieses Land hochgerüstet haben, haben ebenfalls Verbrechen begangen.

Ich bitte euch alle, achtet auf die Sprache. Und ich bitte diejenigen, die die Sprache in Stellungnahmen verwenden, die eigene Sprache zu überprüfen. Wenn ich höre, daß da Frauen und Kinder ums Leben kommen und wenn ich dann offizielle Sprecher höre, daß sie sagen, das sind "Kolateralschäden", dann kann ich das nicht mehr verstehen. Diese Menschen müßten doch zur Besinnung kommen. Würden sie, wenn ihre eigenen Frauen und Kinder sterben, davon reden, daß Kolateralschäden eingetreten wären?

Noch einmal: Keiner kann einfach Antworten geben. Und niemand ist heute in der Lage, ein Lösung anzubieten, die den Ausweg mit Sicherheit bringen kann. Aber wir sollten an dem anknüpfen, was wir uns über viele Jahre erarbeitet haben. Wir sollten, und das sage ich an die Adresse meiner Freunde in der SPD, die Friedens- und Entspannungspolitik Willy Brands, die das beste Erbe sozialdemokratischer Außenpolitik nach dem Kriege darstellt, fortführen.

Zur Massenarbeitslosigkeit:

Laßt mich nach diesen Ausführungen zum Krieg in Yugoslawien noch einige Worte zum Thema Arbeitslosigkeit und der hierzu in den nächsten Jahren zu führenden Diskussion sagen.

Die Arbeitslosen sind auf unser Mitempfinden angewiesen. Es gibt vielleicht Parallelen. Ich habe vorhin auf die Gewöhnung durch das Fernsehen hingewiesen. Vielleicht sind wir alle nicht mehr ausreichend in der Lage mitzuempfinden - soweit wir nicht mitbetroffen sind - mitzuempfinden, was es heißt, arbeitslos zu sein, arbeitslos zu werden, die Familie nicht mehr ernähren zu können.

Ich stelle mir diese Frage immer wieder. Fassen wir es überhaupt, was es für diese Menschen heißt, arbeitslos zu sein? Und deshalb darf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kein Lippenbekenntnis werden, kein Lippenbekenntnis einer Mehrheit, die immer noch Arbeit hat.

Die wachsende Arbeitlosigkeit in Europa ist nicht das Ergebnis von Zufälligkeiten. Sie ist das Ergebnis einer über viele Jahre falsch angelegten Wirtschafts- und Finanzpolitik in ganz Europa, die einer falschen Ideologie folgte, nämlich der Ideologie des Neoliberalismus. Von dieser hat auch der Kollege Roth gesprochen.

Und wenn da jeden Tag in Dutzendware die Ratschläge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorgetragen werden, dann fragt immer wieder, von wem diese Ratschläge kommen und wem sie nutzen. Wenn Unternehmerverbände reden, dann hört ihr immer wieder die selbe Platte. Der Unternehmerverbands- Sprecher sagt: "Die Löhne sind zu hoch. Es muß eine zurückhaltende Lohnpolitik Platz greifen." Es wäre ja auch nicht ratsam zu sagen: "Wir müssen noch größere Gewinne haben."

Was nur auffällt ist, daß viele in diesem Land von Lohnzurückhaltung reden, und viele das nachplappern - auch in den Reihen der Gewerkschaften und der Sozialdemokraten - aber nie von Gewinnzurückhaltung die Rede ist. So als gäbe es nur eine Gruppe in der Gesellschaft, die angesprochen sei.

Und dann heißt es jeden Tag, die Unternehmenssteuern müssten sinken, weil dann die Wirtschaft anspringe. Und dann heißt es jeden Tag, soziale Leistungen müßten sinken, weil die Damen und Herren, die das vortragen, ja selbst davon nicht betroffen sind. Dann kann man immer solche Forderungen stellen. Es heißt dann, der Kündigungsschutz stehe uns im Wege. Wenn der Kündigungsschutz abgebaut ist, dann würden wir einen wirtschaftlichen Aufschwung haben, weil dann eingestellt würde.

Wenn ich könnte, würde ich in Deutschland darauf hinwirken, daß ein Wahrhaftigkeitsgesetz erlassen würde, das jeden Ratgeber verpflichtet, seine Ratschläge für sich selber anzuwenden und für sich selber gelten zu lassen. Wir hätten eine völlig andere Diskussion und Presselandschaft in Deutschland. Alle Kommentare würden anders geschrieben werden, wenn eben die Ratgeber von Lohnzurückhaltung und ungesicherten Arbeitsverhältnissen selbst von diesen Ratschlägen betroffen wären.

Dies gilt auch für die Forderungen nach flexibelen Arbeitsverhältnissen, die mit soviel Gedankenlosigkeit täglich wiederholt werden, und zwar von denen, die die Nachteile niemals am eigenen Leibe erfahren. Welcher Manager würde denn einen Vertrag unterschreiben, nach dem er morgen ohne Millionenabfindung hinausgeschmissen werden kann.

Wer würde denn von den politischen Ratgebern einen solchen Status akzeptieren, nach dem ihm morgen gekündigt werden kann, ohne jede Sicherung zu haben? Warum ist man nicht bereit, immer wieder zu prüfen, ob was man anderen empfiehlt, man auch für sich selbst gelten lassen würde?

Und ich sage angesichts der Tatsache, gerade hier an der Saar, daß viele Kollegen Schichtarbeit leisten, daß sie Wochendarbeit leisten, daß sie bereit sind, Überstunden zu fahren, wenn der Betrieb das erfordert, daß das Gerede von der mangelnden Flexibilität der Arbeitsverhältnisse schlicht und einfach eine Verhöhnung der Leistung dieser Menschen, ist, die da bereit sind, ihre Gesundheit einzusetzen.

Ich erinnere auch daran, daß wir in Deutschland befristete Arbeitsverhältnisse haben, wie in ganz Europa, was teilweise bei amerikanischen Gesprächspartnern gar nicht bekannt ist. Diese befristeten Arbeitsverhältnisse werden immer zahlreicher. Beispielsweise in einem Land der EU, Spanien, sind über 30% der Arbeitsverhältnisse befristet. Was soll das Gerede, mangelnde Flexibilität der Arbeitsverhältnisse sei Schuld an der Arbeitslosigkeit, angesichts der 630 DM-Jobs, angesichts der vielen befristeten Arbeitsverhältnisse, angesichts der Scheinselbständigkeit. Das ist falsch. Ursache der Arbeitslosigkeit ist die falsche Wirtschaft- und Finanzpolitik der letzten Jahre in Deutschland und Europa, die zu wenig Wachstum zur Folge hatte, um mehr Beschäftigung zu erreichen.

Zu einer wachstumsorientierten Politik gehört eine wachstumsorientierte Lohnpolitik. Und eine wachstumsorientierte Lohnpolitik heißt, daß die Löhne im Rahmen der Produktivität wachsen müssen. Die Arbeitnehmer müssen einen gerechten Anteil an dem haben, was sie an Mehrprodukt in unserer Wirtschaft erarbeitet haben. Das ist mit produktivitätsorientierte Lohnpolitik gemeint.

Und wir brauchen eine auf Wachstum orientierte Geldpolitik. Es ist einer der großen ideologischen Fehler in Europa, daß man hier einer Ideologie verhaftet bleibt, die in Amerika nie angewandt wurde. Der Ideologie nämlich, die Geldpolitik habe mit Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum nichts zu tun. Es sei einzige Aufgabe der Geldpolitik, Geldstabilität zu erhalten. Wobei ich wiederum etwas polemisch hinzufüge, daß an Preisstabilität ja insbesondere die Arbeitslosen "mit ihren hohen Sparkonten" interessiert.

Fragt deshalb immer, wer was predigt, und welche Interessen dahinter stehen. Die Ideologie aber, die da sagt, die Geldpolitik habe nichts zu tun mit Wachstum und Beschäftigung und ihre einzige Aufgabe sei es, die Preise stabil zu halten, diese Ideologie ist eine der Hauptursachen für die steigende Arbeitslosigkeit in Europa und in den letzten Jahrzehnten. Diese Ideologie ist in Amerika niemals angewandt worden. Deshalb gilt es, sich von dieser Ideologie zu lösen und dieses Trauerspiel zu beenden, das wir ja in den letzten Monaten wieder erleben konnten.

Ich habe nach meinem Amtsantritt als Finanzminister gesagt, Zinssenkungen seien notwendig. Ein großes Geschrei ging in der "Fachpresse" los, daß diese Forderung doch töricht sei. Dies sei unsinnig und diese Forderung unbillig. Man gefährde ja die Unabhängigkeit der Geldpolitik, wenn man sie in die politische Diskussion einbeziehe.

Welch vordemokratisches Denken! Um nicht zu sagen, welch Denken aus dem Kindergarten! Da soll es eine Institution geben, die man nicht in die öffentliche Debatte einbeziehen darf???

Und nachdem man dann 2 Monate lang in den neoliberalen Grundton eingestimmt haben, daß diese Forderung doch völlig falsch war, wurden dann in Gesamteuropa die Zinsen gesenkt!!!

Und ich habe dann gesagt, das reicht nicht. Und wieder ging das Geschrei los über diese Uneinsichtigkeit des Finanzministers und es waren auch hier wenige Wochen vergangen und es wurden wieder Zinsen um einen 1/2 Prozentpunkt gesenkt.

Und ich sage hier: Dies Zinsenkungen sind immer noch völlig unzureichend, weil Amerika zeigt, daß eine wachstums- und beschäftigungsorientierte Geldpolitik in einer Phase zurückgehender Konjunktur mit einem realen Kurzfrist- Zinssatz von 0 % operieren muß, und nicht mit 2,3 oder 1,8 %. Und es ist eine Schande, daß dieser simple Sachverhalt totgeschwiegen wird und mit den dümmsten Redewendungen tagein tagaus, und von diesen neoliberalen Rednern nicht beachtet wird. Es ist an der Zeit, daß wir hier in Europa eine ähnliche wachstumsorientierte Geldpolitik machen, wie in Amerika. Und dann wird die Arbeitslosigkeit innerhalb überschaubarer Zeit spürbar zurückgehen.

Und weil ich darüber so viel gelesen habe, ich würde die Bundesregierung kritisieren, so als ginge es nicht um die Sache, sondern um irgendwelche Gruppenauseinandersetzungen, sage ich hier - und wie könnte es anders sein - die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die wir in den letzten Monaten gemacht haben war richtig, sie muß fortgesetzt werden. Wir haben das gemacht, was wir den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl versprochen haben. Das ist ja auch mal wieder eine neue Erfahrung in Deutschland.

Wir haben vor den Wahlen auch den Gewerkschaften versprochen, die Lohnfortzahlung wieder einzuführen, wir haben sie wieder eingeführt. Und ich bin stolz darauf, dabei mitgewirkt zu haben.

Wir haben vor den Wahlen versprochen, den Kündigungsschutz bei Kleinbetrieben wiederherzustellen. Wir haben dies getan, und ich bin stolz darauf, daran mitgewirkt zu haben.

Wir haben vor den Wahlen versprochen, die Jugendlichen nicht auf der Straße stehen zu lassen, und wir haben ein Arbeitsplatzprogramm für 100.000 Jugendliche aufgelegt. Und ich bin stolz darauf, daran mitgewirkt zu haben.

Und wir haben gesagt, daß wir mir Steuergerechtigkeit herstellen wollen. Und ich bin stolz darauf, daß wir das Kindergeld für die Familien erhöht haben, daß wir den Eingangssteuersatz gesenkt haben, und daß die Industrieverbände diese Steuermaßnahmen kritisiert haben, denn das zeigt, daß sie richtig waren. Das Volk wurde durch diese Steuergesetze entlastet.

Soziale Gerechtigkeit ist nicht ein Widerspruch zu Wachstum und Beschäftigung. Das ist das große Mißverständnis der neoliberalen Ideologen, die in den letzten beiden Jahrzehnten überall dominierten. Soziale Gerechtigkeit ist die Grundlage für Wachstum und Beschäftigung und deshalb müssen die Gewerkschaften und muß die SPD unverbrüchlich für soziale Gerechtigkeit in diesem Lande eintreten.

Was wir brauchen ist ein Wertedebatte, um eine neue Orientierung auch für die Gesellschaftspolitik der nächsten Jahre zu finden. Was wir brauchen ist eine Wertedebatte darüber, ob es denn richtig ist, daß die Steigerung des Aktienwertes das wichtigste Ziel einer Gesellschaft sein kann, begleitet oft noch durch die Ankündigung von Entlassungen, so daß auf der einen Seite die Sektkorken der Aktionäre knallen, während auf der anderen Seite Menschen arbeitslos werden und ins Elend gestoßen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierung hat einen klaren Wählerauftrag erhalten. Dieser Wählerauftrag heißt Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Herstellung der sozialen Gerechtigkeit. Und ich fordere auf, an diesem Wählerauftrag festzuhalten. Die Wählerinnen und Wähler sind diejenigen, die letztendlich die Richtlinien der Politik bestimmen sollen. Und sie haben uns diese Richtung vorgegeben.

Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, niemals vergessen: Das Herz schlägt links.

In diesem Sinne, Glück auf!

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