butback.gif (224 Byte)

KOSOVO Antikriegsseite


Materialien für einen neuen Antiimperialismus, Berlin
Überlegungen zum Krieg in Kosovo

In den ersten Kriegstagen gab es auch innerhalb der radikalen Linken einiges an Verunsicherung, was die Haltung gegenüber dem Krieg in Kosovo anbelangt. Allerdings war schnell klar, daß wir uns solche Verunsicherung nicht sehr lange leisten könnten. Die Ereignisse haben sich zugespitzt und könnten sich in noch viel dramatischerer Weise zuspitzen, und auf einen umfangreichen und lange anhaltenden Kriegszustand hinauslaufen. Wer darunter zuallererst und am allermeisten zu leiden hat und haben wird, dürfte klar sein. Die Bevölkerung in Serbien, im Kosovo, in Mazedonien, Albanien, Bosnien usw.

Aber auch, wenn es zu einem schnellen Ende der Kriegshandlungen gekommen wäre, (was von Anfang an unwahrscheinlich war) könnten wir uns nicht beruhigt zurück lehnen und durch unser Nichtverhalten, den Kriegseinsatz der BRD und Nato rechtfertigen, die angeblich, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, den Krieg führt(e).

Die durch den erstmaligen Kriegseinsatz der Bundeswehr hervorgerufenen Veränderungen innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft, werden gravierend sein, sie werden nicht einfach wieder rückgängig zu machen sein, und sie werden die Spielräume politischer und sozialer Auseinandersetzungen weiter einschränken. Das ist zumindest eine sich aufdrängende Befürchtung, schaut man sich den Verlauf der Auseinandersetzungen der letzten Wochen an. Bis tief in die vierte Kriegswoche hinein, ist es außer bei den Ostermärschen, zu keinerlei größeren Demonstrationen gegen den Krieg gekommen. Von einer radikalen Linken ist bislang kaum etwas zu hören. Einige waren zumindest in den ersten Kriegstagen verunsichert, ob den Vertreibungen damit nicht doch ein Ende gesetzt werden könnte. Zudem will man nicht als Fürsprecher eines serbischen Nationalismus mißverstanden werden. Andere versuchen das Thema Nationalismus möglichst außen vor zu lassen, weil sie darin eine Schwächung der Proteste gegen den Nato Einsatz sehen (wodurch sich die erst genannten bestätigt fühlen könnten) und offenbaren damit das Dilemma einer Linken deren Verhältnis zu nationalistischen (Befreiungs) -bewegungen noch immer von deren Beziehungen zur ehemaligen SU, bzw. einer marxistisch- leninistischen Rhetorik abhängt.

Auch wenn sich in den bürgerlichen Medien die uneingeschränkte Zustimmung zum Vorgehen der Nato relativiert hat, gibt es kaum ernsthafte Zweifel und eine dem entsprechende Berichterstattung zur Notwendigkeit der Nato- Angriffe. Einzig dann, wenn Flüchtlingszüge unmittelbar durch Nato- Bomben getroffen werden, wächst der Rechtfertigungsdruck. Ansonsten floriert das Geschäft mit der Instrumentalisierung der Flüchtlinge. Wer behauptet, die Nato- Bomben hätten das Ausmaß der Flüchtlingsströme erst hervorgerufen, der "verrät" zwar hie und da "das Vaterland", eine besondere vaterländische Mobilisierung für den Krieg ist trotzdem nicht zu erkennen. Die Akzeptanz für den deutschen Kriegseinsatz wird ja gerade dadurch geschaffen, daß er so zerknirscht, innerlich zerrissen und von Seelenplagen gepeinigt daher kommt (wenn auch der Tonfall von Schröder und Fischer sich da schon verändert hat, und Schröder an Ostern an die deutschen Soldaten denkt, "die von Italien aus ihre Pflicht erfüllen" ARD - Interview).

Der hochgelobte, von Fischer eingebrachte, "deutsche Friedensplan", dient einerseits dazu, die Gefahr einer weiteren Destabilisierung Russlands und eines dadurch wahrscheinlicher werdenden russischen Kriegseintritts, entgegen zu wirken, und andererseits sich innenpolitisch den Rücken frei zu halten. Militärisch wird dennoch der Einsatz von Bodentruppen vorbereitet. Politisch- propagandistisch changiert man zwischen Ablehnung und Verständnis für die Nöte beschränkter Kriegsführungsmöglichkeiten. Die TAZ hat ihn schon mehrmals offen gefordert ("Der Plan, den Krieg in der südserbischen Provinz durch gezielte Schläge aus der Luft zu beenden, ist gescheitert. Und damit steht – ob man das gut findet oder nicht – der Einsatz von Bodentruppen auf der Tagesordnung. Mit allen Risiken für den Weltfrieden". R. Rossig TAZ v. 14.4.99). Die Schaffung eines Flüchtlingskorridors könnte der Türöffner, der Granatenbeschuß auf die UCK- Stellungen in Albanien durch die serbische Armee (oder ähnliches) könnte der Anlaß sein. Sicherlich gibt es hier Widersprüche innerhalb der "Allianz". Albright hat mittlerweile angemahnt, daß, wer wie Deutschland den Zerfall Jugoslawiens Anfang der 90er Jahre entscheidend forciert hat, heute nicht vor einer umfassenden militärischen Intervention zurück schrecken darf, was sie den Deutschen damals schon gesagt hätte (laut eines Korrespondentenberichts aus Washington).

Als hegemonial angelegtes Projekt militärischer Einhegung sozialer Kämpfe, emanzipiert sich die Nato (neue Nato- Strategie) von bisherigen, durch UN, Völker- und Kriegsrecht festgelegten (wie auch immer unzureichenden) Restriktionen. Die BRD emanzipiert sich im Prozeß der sogenannten Normalisierung von den so empfundenen "Altlasten" deutscher Geschichte, um sich in Zukunft auch unmittelbar kriegsmäßig am hegemonialen Zugriff auf die Verwertungsbedingungen ("Einflußsphären") beteiligen zu können.

Gegenüber Rußland dokumentiert die Nato ihre Bereitschaft, selbst unter dem Risiko eines russischen Kriegseintritts, als Ordnungsfaktor im Balkan einzugreifen. Darin steckt der Hinweis, dies gegebenenfalls in den südlichen GUS Staaten oder im Kaukasus ebenfalls zu tun, sollte das russische Regime und die instabilen ehemaligen Sowjetrepubliken nicht endlich die IWF und anderen Kredite dazu nutzen, den Modernisierungsangriff gegen die zählebigen Hemmnisse einer verschärften Verwertungsordnug effektiv ein zusetzten.

Im Zusammenhang der "geostrategischen Absicherung ihrer Interessen" steht beispielsweise auch der anvisierte sog. "eurasische Korridor" (Transport Corridor Europe-Caucasus-Asia, Traceca- Programm der EU, der Bau von Häfen, Straßen, Eisenbahnlinien, Pipelines, Schaffung eines Luftkorridors). "Man spricht bereits von einer neuen Runde des "Großen Spiels", um die Anziehungskraft deutlich zu machen, die dieses Gebiet (Zentralasien, das Kaspische Meer, der Kaukasus), das lange Zeit als exklusiv russische Einflußsphäre galt, auf die multinationalen Konzerne bzw. die westlichen Staaten ausübt". Le Monde diplomatique v. 12.6.98) Mit dem Krieg in Kosovo setzt die Nato auch ein Zeichen dafür, wie sie zukünftig in Krisenregionen gegebenenfalls vorzugehen gedenkt.

Woher kommt die Verunsicherung?

  • Es handelt sich in Serbien um ein autoritär totalitäres Regime, das Oppositionsbewegungen rigide unterdrückt, nationalistisch und chauvinistisch agiert, eine ethnisierende Politik bis hin zu Massaker und Vertreibung betreibt. Diese Charakterisierung ist zutreffend und deshalb darf der Protest gegen den Krieg, nicht als Zustimmung für das diktatorische serbische Regime umdeutbar sein.
  • Der Kosovo war eine Region Jugoslawiens, der seit 1945 vom Zentralstaat, aus unterschiedlichen Gründen mal mehr, mal weniger Autonomie zugestanden wurde und gegen die sich, mit der Verschärfung der wirtschaftlichen Krise in Jugoslawien Anfang der 80er Jahre, der serbische Nationalismus massiv richtete. Gleichzeitig tauchten in Zusammenhang mit sozialen Kämpfen in Kosovo ebenfalls albanisch-nationalistische Parolen auf: wie "Kosovo den Kosovaren"
  • Die Ethnisierung des Sozialen hat in Ex- Jugoslawien mit Hilfe der sog. Ethnischen Säuberungen, und in den Strategien ihrer Ermöglichung eine neue Dimension erreicht. Insbesondere die BRD hat durch ihre (nicht nur) Annerkennungspolitik, gegenüber Kroatien, Slowenien und Bosnien einen erheblichen Anteil am Funktionieren dieser ethnisierenden, und nationalisierenden Gewalt.
  • Der Prozeß dieser kriegsmäßigen Ethnisierung erleichtert die Durchsetzung patriarchaler Ansprüche in neuen Formen, er unterminiert die Stellung und Stärke der Frauen, die sie in den ehemaligen (ebenfalls patriarchalischen) Reproduktionszuammenhängen noch hatten.
  • Eine der wenigen, wenn nicht die einzige Möglichkeit, sich diesem Mechanismus der Ethnisierung, durch geplante und gezielte Massaker an hierüber serbisierten, kroatisierten, usw. Bevölkerungsteilen und den Kriegsauseinandersetzungen zu entziehen, war damals wie heute die Flucht. Damals wie heute erschweren und behindern aber die selbsternannten Verhinderer einer humanitären Katastrophe genauso gezielt und bewußt, eben diese Fluchtmöglichkeiten. Deserteure der jugoslawischen Armee wurden abgeschoben, die Grenzen wie wir alle wissen zu kaum mehr zu überwindenden Hindernissen ausgebaut, das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft.

Wie kommen Linke zu der Ansicht der Nato, den USA und der EU ginge es um die Verhinderung einer humanitären Katastrophe?

  • Auch wenn die Verantwortung für die derzeitige Vertreibung und die Massaker im Kosovo, beim serbischen Regime liegt, so war den Kriegsstrategen der Nato ebenfalls klar, daß ein totalitäres Regime, daß auf ethnische Säuberungen setzt, kaum eine bessere Gelegenheit haben wird diese durchzusetzen und vor der "eigenen" Bevölkerung zu legitimieren, als im Falle eines gegen ihn geführten (nicht erklärten) Krieges.
  • "Jeder kennt die Begrenzung dessen, was man mit Luftangriffen allein machen kann", so ein namentlich nicht genannter Nato- Stratege in der FR. v. 3.4.98. Je mehr über das Abkommen von Rambouillet an die Öffentlichkeit gelangte, um so deutlicher wurde, daß die Nato den Krieg wollte. Sie hatte die Verhandlungsführung darauf angelegt, ihn als unausweichlich erscheinen zu lassen. Denn nirgendwo auf der Welt gibt es ein Regime, ob im demokratischen oder totalitär- autokratischen Gewand, daß seine Souveränität freiwillig abtritt. Und es war den erfahrenen Kriegsstrategen klar, daß das serbische Regime im Schatten der Luftangriffe seine Vertreibungspolitik intensivieren würde. Sie wußten, daß Luftangriffe im Zusammenhang des Kosovo- Konflikts, anders als im Zusammenhang mit Dayton, eine allgemeine Katastrophe nach sich ziehen würden (vgl. Le Monde diplomatique v. 4/ u. 11/ 98). Hieraus ist nur eine Schlußfolgerung möglich: das Ausmaß des Mordens und der Vertreibung im Kosovo, ist von den Nato- Verbündeten zumindest bewußt in Kauf genommen worden.
  • Wir müssen uns mit der Möglichkeit vertraut machen, daß dieser Prozeß der Vertreibung und der damit verbundenen Auflösung der alten, sich einer Modernisierung widersetzenden sozialen Zusammenhänge (den Menschen werden sämtliche Dokumente abgenommen, ihre Familien werden auseinandergerissen, sie können nicht mehr "beweisen" wer sie sind, woher sie kommen und was ihnen einmal gehörte, sofern es nicht sowieso zerstört ist) durchaus ein Kriegsziel nicht nur des serbischen Regimes, sondern ebenfalls der Nato- Strategen ist. Denn die Verwertungsbedingungen auf dem Balkan lassen sich erst dann profitabel verbessern, wenn die bisherigen sozial- ökonomischen Zusammenhänge radikal über den Haufen geworfen worden sind.
  • Flucht heißt nicht nur, den Versuch zu unternehmen, sich der Gewalt zu entziehen, sondern heißt insbesondere, die ehemaligen sozialen Strukturen aufgeben zu müssen – im Krieg zwangsmobilisiert zu werden und, sofern man überhaupt wieder zurückkehren kann, unter weitaus schlechteren Bedingungen leben und arbeiten zu müssen. Aus Sicht des Kapitals ein Versuch, günstigere Verwertungsbedingungen durchzusetzen.
  • Krieg und Vertreibung sind aus der Sicht des Kapitals noch nie eine "humanitäre Katastrophe" gewesen, sondern immer ein Versuch Blockierungen der Akkumulation, soziale Antagonismen und innere Hemmnisse, durch Mobilisierungs- und Innovationsoffensiven zu überwinden. Auch wenn nicht klar absehbar ist und sie selbst nicht wissen, worauf es genau hinaus läuft. Und Krieg ist immer mit einer ungehemmten Freisetzung patriarchaler Gewalt verbunden, die sich über Tötung, Vergewaltigung und Erniedrigung rekonstruiert.
  • Die Nato-Partner, allen voran die BRD, hatten schon im Jugoslawienkrieg durch ihre Annerkennungs- und Flüchtlingspolitik, durch die ökonomische Anbindung von Slowenien und Teile Kroatiens, sein Interesse an der Zerstörung des jugoslawischen ökonomisch-sozialen Zusammenhangs deutlich gemacht. Die Anbindung an das europäische Wertschöpfungsgefälle konnte nur gelingen in dem Maße, wie die alten Strukturen der spezifischen jugoslawischen Arbeiterselbstverwaltung in Zusammenhang mit den Subsistenzbasen auf dem Land, durch eine Politik der Vertreibung aufgelöst wurden. Voraussetzung dieser Vertreibungspolitik und der Auflösung starker sozialer Bindungen mit ihren Aneignungsforderungen, waren die letztlich erfolgreichen Strategien der Ethnisierung. In deren kriegsförmigen Durchsetzung erfolgte die patriarchale Restrukturierung der jugoslawischen Gesellschaft.
  • Die kriegsmäßige Auflösung Jugoslawiens gehört zur unumgänglichen Vorgeschichte des heutigen Kosovo- Krieges. (vgl. Materialien für einen neuen Antiimperialismus Nr. 6: Die Ethnisierung des Sozialen, Berlin 1993, vergriffen, im Internet bei nadir)
  • Der Kosovo- Krieg erklärt sich auch aus der Neubestimmung der Nato- Strategie nach dem Ende des Ost-West Konflikts. Hierzu gehört die Verhinderung unerwünschter Migrationsbewegungen genauso wie die Beseitigung unerwünschter Regimes. Unerwünscht sind die Migrationsbewegungen aber vor allem, wenn sie bis in die europäischen Zentren gelangen. Deshalb auch die "humanitären" Anstrengungen die Flüchtlinge in der Region zu belassen.
  • Das nur ein "Marshall"- Plan auf dem Balkan langfristig mehr "Stabilität" bringen würde, war auch vor dem Krieg bekannt. Jetzt scheint breite Einigkeit darüber zu bestehen, nach dem Krieg einen solchen initiieren zu müssen (siehe EU- Finanzministerkonferenz am 17./18.4.99). Die geschätzten Kriegsschäden belaufen sich für Jugoslawien bis zur vierten Kriegswoche auf ca. 180 Mrd. DM. Anscheinend wurde eine kriegsmäßige Auflösung und Zerstörung, als Voraussetzung für das Gelingen einer neuen Verwertungsordnung angesehen. So ließe sich auch das relative Desinteresse der EU / BRD an der gemäßigten Fraktion eines Rugova im Kosovo und das Gewähren lassen der militant nationalistischen UCK verstehen. (Ohne irgendwelchen Verschwörungstheorien das Wort reden zu wollen, deutet einiges auf die Unterstützung der UCK durch CIA und BND hin, siehe den Artikel von M. Chossudovsky, Department of Economics, University of Ottawa, in partizan net). Marshall- Plan ist ein Euphemismus. Die Bedingungen an Kreditvergabe und Investitionsvorhaben werden an Rigidität nichts zu wünschen übrig lassen.
  • Was das Ende des "unerwünschten" serbischen Regimes anbelangt, so ist noch nicht ausgemacht, ob Milosevic die Auseinandersetzung politisch überleben wird. Die Krise in Jugoslawien war jedenfalls vor dem Krieg für sein Regime bedrohlich genug. Der Durchschnittslohn lag bei ca. 150.- DM im Monat, 80% der jugoslawischen Unternehmen arbeiteten defizitär. (vgl. Le monde dipl: v. 16.4.99) In der von Gysi besuchten, zerbombten Fabrik waren zu Hochzeiten 240000 Autos produziert worden. Vor dem Krieg waren es gerade noch 8000 jährlich. Nichtsdestotrotz soll es der Arbeitsplatz von ca. 50000 gewesen sein, was das Ausmaß der verdeckten Arbeitslosigkeit deutlich macht. Auch "der Nationalismus hat (te) keine Zugkraft mehr", so J. A. Derens, in "Ein böses Erwachen für die Opfer des großserbischen Projekts" (ebd.). Zumindest bislang scheint der Krieg der Machtstellung von Milosevic keinen Abbruch zu tun. Im Gegenteil, einer radikalen Opposition wurde durch den Krieg vorläufig der Boden entzogen (vgl. Äußerungen von 17 unabhängigen Basisinitiativen, kursiert als Flugblatt). Die sogenannte demokratische Opposition wurde von Milosevic schon vorher zum Teil integriert bzw. schlägt sich jetzt im Krieg auf seine Seite. Überhaupt scheint unklar, welche Art von Regime eine, wie auch immer geartete Nachkriegsordnung ("Serbien muß einen Platz in Europa haben", Nato- Sprecher J. Shea) durchsetzen soll.
  • Ob die Konstellation eines Großalbanien, Großserbien und Großkroatien durchführbar ist, was die (nochmalige) Aufsplitterung/Auflösung Bosnien - Herzegowinas, Montenegros und Mazedoniens beinhalten würde, ob Kosowo geteilt werden wird, wofür sich schon seit längerem auch die serbische Akademie der Wissenschaften ausgesprochen hat und dessen Grenzverlauf ungefähr der Nato- Option der Schaffung eines Flüchtlingskorridors entsprechen könnte, oder ob verschiedene Protektorat ähnliche Gebilde den Vorzug erhalten, wird darauf ankommen, wie sich der Konflikt militärisch und politisch weiter moderieren läßt. In jedem Fall wird es ein langfristiges "Engagement" von Nato / UN- Streitkräften geben.
  • Die BRD ist dabei, ihre lang ersehnte neue Rolle auch als zukünftig wichtigste (?) militärische Macht neben den USA praktisch einzuüben. Das hierbei noch Reibungsverluste zu verzeichnen sind, ist nicht verwunderlich. Allerdings setzt sich die "neue Mitte" überraschend schnell mit einer hegemonialen Aggressivität in Szene. Und die Sozialdemokratie ist dabei sich auch als Trägerin einer verschärften Aggressivität nach innen durchzusetzten. Aber zweifellos hätte sich das innerdeutsche Szenario bei einer anderen Regierungskonstellation nicht grundlegend anders abgespielt. Aber in Deutschland hat dabei Rot/Grün eine spezifische Funktion. Das merken auch einige Grüne. Monika Knoche, grünes MdB wirft Fischer ein "ganz übles Geschäft der Rechtswende" vor. Die "vermeintliche linke" Bundesregierung betreibe einen Tabubruch,, "den sich eine CDU nicht hätte leisten können". (aus FR v. 19.4.99) Tatsächlich, den ungeheuerlichen Versuch der Legitimierung des deutschen Kriegseinsatzes mit der Verantwortung für Auschwitz, hätte sich ein CDU/CSU- Politiker wohl nicht so unwidersprochen erlauben können.
  • Sicher, es gab eine jahrelange Einstimmung in der BRD-Öffentlichkeit für einen Kriegseinsatz der Bundeswehr. Dazu gehörten die Einsätze in Somalia und Bosnien, die öffentlichen Gelöbnisse, genauso wie die Debatten um die "Entsorgung" der deutschen Vergangenheit (Walser usw.) und die Art und Weise, wie sich Regierung und Konzerne den Wiedergutmachungsansprüchen der Zwangsarbeiterinnen entledigen wollen. Heute ist man sich darüber einig, daß der erste, auch von Deutschland aus geführte Krieg nach 1945, eine "Zäsur in der deutschen Geschichte" darstellt. Gerade deshalb ist es so verwunderlich, daß von einer starken Anti- Kriegsbewegung (noch) wenig zu sehen ist. Trotzdem liegt das Dilemma der EU und der Nato darin, daß die gesellschaftliche Akzeptanz für den Krieg (hoffentlich) ein enges Zeitfenster vorgibt. Den Grünen steht spätestens Mitte Mai eine ernste Zerreißprobe bevor. Falls es zum Einsatz von Bodentruppen kommt, schon früher. Ob sich daraus Keimungen einer neuen außerparlamentarische Opposition ergeben, bleibt abzuwarten. Wesentlich ist, ob es gelingt, neue Debatten über den Imperialismus der Jahrtausendwende und die soziale Aggressivität in Europa zu initiieren. Genauso wie praktische Initiativen voran zu treiben, die die nationalisierenden, ethnisierenden und repatriarchalisierenden Beschränkungen überwinden könnten. Der Bezug auf solche Initiativen wie den für Mai und Juni geplanten InterContinental Caravan, der Initiative mehrerer Millionen Bauern und Bäuerinnen des Trikonts, deren Vertreterinnen auch beim EU- Gipfel in Köln sein werden, wäre wünschenswert. Und selbstredend nicht zuletzt jetzt sofort den Druck gegen den Krieg auf der Straße zu verstärken.