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KOSOVO Antikriegsseite


Badische Zeitung, 22. April 1999 S. 2

Lebenslänglich für die Kriegstreiber aus Bonn?

Der Generalbundesanwalt bearbeitet Strafanzeigen, die die Regierung als Herbeiführende eines Angriffskrieges bezichtigen

VON UNSERER KORRESPONDENTIN GUDULA GEUTHER

KARLSRUHE. "Hiermit setzen wir Sie in Kenntnis, daß wir glaubhaft von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Vorbereitung des Angriffskrieges erfahren haben." So beginnt eine der mehr als 50 Strafanzeigen gegen die Bundesregierung, die in den vergangenen Wochen Generalbundesanwalt Kay Nehm erreicht haben. Dabei dürften auch die Verfasser der Anzeigen davon ausgehen, daß Herr Nehm Zeitung liest und selbst vom Nato-Einsatz im Kosovo gehört hat. Den Chefankläger der Bundesrepublik haben die Anzeigen in eine schwierige Lage gebracht.

Seit einigen Wochen werden die Anzeigeerstatter in Briefen darüber informiert, daß keine Ermittlungen gegen Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Rudolf Scharping eingeleitet werden. Warum das so sein soll, läßt sich aber bei einem Krieg, der völkerrechtlich und in seinen Wirkungen umstritten ist, juristisch nicht so einfach erklären. "Wer einen Angriffskrieg, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft", heißt es in § 80 des Strafgesetzbuches. Ein ganz normaler Straftatbestand, der die Maschine des Rechts in Gang setzt. Also: Ist der Kosovo-Einsatz ein Angriffskrieg? Was ist überhaupt ein Angriffskrieg?

Nehm muß plötzlich einem Begriff Kontur geben, der in der Rechtswissenschaft umstritten ist. Das Strafgesetz drückt sich um eine Definition. Statt dessen verweist es auf das Grundgesetz. "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten", erklärt Artikel 26 für verfassungswidrig und verlangt strafrechtliche Sanktionen. Was 1949 damit gemeint war, ist noch recht nachvollziehbar: Das Verbot entstand unter dem Eindruck der Nürnberger Prozesse, nach einem Krieg, für dessen Rechtfertigung Schlagworte wie "Volk ohne Raum" ausreichen sollten.

Sobald der Verfassungsauftrag aber allgemeingültig umgesetzt werden sollte, schieden sich die Geister. Was ein Angriffskrieg ist, war inzwischen auch unter Völkerrechtlern unklar. Die Formulierung des Straftatbestandes wurde aufgeschoben, bis man dann das Wort ohne nähere Definition aus dem Grundgesetz übernahm. Die Mehrzahl der Kommentatoren verlegte sich darauf, auf das Völkerrecht zu verweisen.

Darauf will sich Nehm aber auf keinen Fall einlassen. Schließlich, sagte er vor Journalisten in Karlsruhe, könne man die Auslegung nicht jedesmal ändern, wenn wieder ein renommierter Völkerrechtler eine neue Position zur Berechtigung der Bombardements verbreite. Würde man sich auf einen so schwankenden Boden begeben, wäre außerdem ein Straftatbestand völlig unbestimmt, auf den immerhin lebenslang steht. Also die Wirkung des Krieges für das im Grundgesetz normierte "friedliche Zusammenleben der Völker" prüfen? Dann müßte vom Ergebnis abhängen, ob die Bundesregierung angeklagt wird. Statt dessen beruft sich Nehm auf die Wendung "geeignet und in der Absicht vorgenommen". Das friedliche Zusammenleben der Völker sollten die Bomben ja gerade nicht stören, sondern herbeiführen, argumentiert Nehm. Der Einsatz ziele allein darauf, Milosevic dazu zu bewegen, von einer Unterdrückung der Kosovo-Albaner abzulassen. Völkerrecht hin oder her - strafbar könne das nicht sein.

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