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KOSOVO Antikriegsseite


Artikel aus dem "Vorwärts" - Zeitung der Partei der Arbeit der Schweiz

Schweiz flüchtet sich in den blanken Zynismus

Wenn es um den Krieg im Kosova geht, hat die Schweiz nur eine Sorge: Wie können wir garantieren, dass der Weg zur Ausschaffung von Flüchtlingen nach Jugoslawien offen bleibt

(dh) Was aber hat die Schweiz mit dem Krieg in Serbien und im Kosova zu tun Natürlich nichts. Zum Glück. So hört man es aus bundesrätlichen Verlautbarungen, verlesen vom allzeit charmanten Vizekanzler Achille Casanvova heraus. Zum Glück haben die NATO und die in dieser Militärorganisation verbündeten Länder die Eidgenossen noch nie um ein Überflugsrecht über unsere schönen Kantone und Alpen gebeten. Also gebe es da keinen Handlungsbedarf, irgend etwas zu entscheiden.

Und: natürlich, die Schweiz sei jederzeit bereit, ihre «guten Dienste zur Verfügung zu stellen», so Noch-Aussenminister Flavio Cotti noch am letzten Montag in einem Interview, aber das sei zur Zeit sehr schwierig, und überhaupt. So wie die kleine Schweiz auch überhaupt ganz andere Probleme mit der grossen Aussenpolitik hatte. Siehe China, siehe Jiang Zemin. Einen Konflikt, den man westlich psychologisch schnell erledigen wollte, erledigt hatte.

Auch den Krieg auf dem Balkan will der Bundesrat anscheinend «psychologisch» regeln. Psychologisch für den vermeintlichen Volkeswillen, den es zu befriedigen gelte, für die Empfindlichkeiten der kriegführenden NATO. Und auch noch ein bisschen für Serbien, wenn auch da aus Eigennutz.

Das Resultat der Schweizer Haltung: Nicht einfach diplomatische Peinlichkeiten. Der blanke Zynismus, der blanke Hohn schlägt in der Politik des Bundesrats durch. Und die Bundesratsparteien schweigen bis anhin dazu. Lassen wir die eineinhalb letzten Wochen in Bundesbern Revue passieren.

Am Montag vor einer Woche, damals, als die westlichen Botschaften in Belgrad geschlossen worden sind, damals, als die OSZE und das UNHCR aus dem Kosova abzogen, damals als der amerikanische Unterhändler Richard Holbrook die letzten Verhandlungen in Belgrad führte und keinen Erfolg mehr sah, damals, als sämtliche westlichen Länder den Flugverkehr mit Jugoslawien, sprich Belgrad einstellten, blieb Bern hart: Die JAT, die jugoslawische Fluggesellschaft, dürfe weiter auf Schweizer Flughäfen landen. Die Swissair fliege war nicht mehr an die Save, aber die Jugoslawen dürfen an Glatt, Rhone oder Rhein fliegen.

Ein nobler Akt, ein neutraler Akt. Man müsste Hochachtung haben wäre da nicht die gleich nachgelieferte Begründung des eidgenössischen Justiz- und Polizeiministers Arnold Koller gewesen.

Ganz besorgter Landesvater lieferte die Grundlage für seine Lageeinschätzung nach: Wenn man Jugoslawien mit einem Landeverbot brüskiere, werde es in der nächsten Zeit nicht mehr möglich sein, abgewiesene, straffällig gewordene Asylbewerberinnen und Asylbewerber nach Jugoslawien zurückzuschaffen. Die Verträge mit Jugoslawien machten das ganz klar. Auf die Lage im Kosova angesprochen hiess es von amtlicher Stelle in Bern, es gebe schliesslich noch andere Orte, in der Republik Serbien unter zu kommen. Es ging damals, als diese Worte aus Bern fielen noch etwas mehr als 48 Stunden, bis die ersten Bomben fielen. Und alle konnten das wissen.

Peinlichkeit Nummer zwei: Braver Schulknabe gegenüber der NATO, der die Schweiz nun mal sein will, veröffentlichte der Bundesrat am Mittwoch nach seiner ordentlichen Sitzung ein Communiqué. Darin unterstützt er das harte Vorgehen der NATO gegen Belgrad, verurteilt die serbische Gewalt im Kosovo aufs schärfste. Schuld am Scheitern der Verhandlungen sei die Führung Jugoslawiens. Damit wurde möglicherweise der Psyche irgendwelcher NATO-Botschafter Genüge getan. Aber dann folgte in derselben Verlautbarung der zu diesem Zeitpunkt nur noch als zynisch in seiner Begründung zu verstehende Satz: «Diskutiert hat der Bundesrat die Frage, ob die Schweiz wie alle EU-Staaten der JAT das Landerecht entziehen soll. Ein Entscheid wurde nicht gefällt. Kriminelle und abgewiesene Asylbewerber könnten danach nicht mehr ausgeschafft werden» (zitiert nach SDA). Es ging nach der Verkündung dieser Botschaft noch ein paar Stunden bis zu den ersten Angriffen. Alle wussten es. Auch der Bundesrat hat es hoffentlich gewusst. Aber glücklich war er wohl doch: Schliesslich hat sich das Problem von selbst gelöst: Seit Mittwoch Nacht kann die JAT gar nicht mehr fliegen.

Aber wieder stand für die Schweizer Regierung das Problem der Ausschaffungen im Zentrum ihrer Überlegungen. Dabei gehe es, so Koller, oberster Asylherr unseres Landes nur um Schwerstkriminelle. Ganz guter Landesvater christlicher Prägung liess er am letzten Samstag verlauten, dass die Flüchtlinge aus dem Kosovo, die einen Rückschaffungsbescheid auf Ende April nicht mit einer Ausschaffung rechnen müssten. Ausser Kriminellen, Schwerstkriminiellen, wie Roger Schneeberger, Pressesprecher des Bundesamtes für Flüchtlinge, klarstellte, Drogendealer, Vergewaltiger, Mörder. Sie sollen in den wahrscheinlichen Tod geschickt werden. Die schleichende Einführung der Todesstrafe Das Schweizer Volk hätte etwas gegen mehr Flüchtlinge, meint Koller, genug ist genug und trifft sich damit mit seinem CSU-Hardliner-Kollegegen Beckstein aus Bayern, dem schon die Zahl von 20'000 Flüchtlingen den Schlaf raubt (Bayern hat über acht Millionen Einwohnerinnen und Einwohner).

In den sicheren Tod schicken: Als hätte es nicht genügend Plätze in Schweizer Haftanstalten, solche Leute hinter Gitter zu bringen zumindest wenn man sie leert von all den Kleinkriminiellen, die das Asylgesetz in dem Bereich produziert. Oder soll der Entscheid eine indirekte Einführung der Todesstrafe sein Wenn Du nicht spurst, dann in den Krieg

Der Bundesrat geruht in der nächsten Woche über die Problematik zu diskutieren. Der christliche Koller wollte mit seiner Aussage «den Ängsten» der Flüchtlingen Rechnung tragen. Was umgekehrt heisst, dass bis zu seinen Worten vom letzten Samstag diese Ängste eine Grundlage gehabt hätten können.

Als wäre es nicht das allerselbstverständlichste auf der Welt, dass man Flüchtlinge aus dem Kosova nicht in den Krieg, nicht mit Hilfe der jugoslawischen Luftlinie und Polizei an das Messer von Mördern welcher Seite auch immer ausliefert Ist es wirklich so, dass albanische Flüchtlinge in der Schweiz Angst haben mussten. Bevor sie Papa Koller ihnen gnädigst nahm Ist das, womit sich der humanitäre Bundesrat jetzt brüstet, nicht die absolute Selbstverständlichkeit? Wieweit sind wir gekommen, dass die Betroffenen sich nicht mehr auf die Schweiz verlassen können, nicht in den sicheren Tod geschickt zu werden?

Sehr weit anscheinend. Wir danken Herrn Justizdirektor für die freundlich-relativierend-besorgte Klarstellung. Und wir warten auf den nächsten Zynismus: In ein paar Wochen, ein paar Monaten, wenn es dort, im Kosova nur noch verbrannte Erde geben wird, werden dieselben Behörden in Bern sagen, jetzt brauche es die albanischen Flüchtlinge wieder, um das Land aufzubauen, das sei wichtig und richtig, denn schliesslich hätten sie in der Schweiz technisch etwas gelernt.

Bloss gibt es dann den Kosova bloss noch als geographischen Begriff. Aber das wird wohl reichen. Der Zynismus feiert in Bern Urstände. Das ist keine Unbeholfenheit mehr. Aber Jiang Zemin wird's verstehen.

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