Text von Sandra K. zu Köln:

Die Rechnung der Regierenden ist voll aufgegangen, der Protest gegen die Gipfel wurde neutralisiert

Eine kritische Betrachtung der Aktionen gegen die Gipfel in Köln im Juni 1999

Die Gipfel in Köln sind vorbei, und fast hätte niemand gemerkt, daß es

auch Gegenaktivitäten dazu gab. Die Krönung lieferte Bundeskanzler

Schröder im ZDF, als er nach seiner Meinung zur Demo am 19.6.99 befragt

wurde und sinngemäß antwortete: "Die wollen doch das gleiche:

Schuldenerlaß für die ärmsten Länder!".

Die Betonung der Schuldenerlaßforderung, die sich nur schwer von der

aktuellen Regierungspolitik der rot-grünen Regierung unterschied, trug

erheblich mit dazu bei, daß der Protest gegen die Gipfel in der

=D6ffentlichkeit kaum sichtbar war. Es kam auch zu fast keinen nennenswerten

Störaktionen, den Regierungsvertretern dürften die Proteste kaum

aufgefallen sein.

Lauter Latschdemos

Aber nicht nur zum Weltwirtschaftsgipfel (WWG), auch zum EU-Gipfel am 3.

und 4. Juni, sowie zur G8-Außenministertagung und zur

"Kosovo-Stabilitätskonferenz" im Juni in Köln regte sich kein allzu lauter

Widerstand. Und wenn auf den Straßen etwas stattfand, waren es auch nicht

viel mehr als Latschdemos. Latschdemos fallen in der öffentlichen

Darstellung kaum auf: selten werden die Forderungen der Demo medial

vermittelt, allenfalls die Zahl der Teilnehmenden wird registriert - und

die blieb in Köln meist hinter den Erwartungen zurück. Selbst die

Erlaßjahrkampagne mobilisierte aufgrund des gleichzeitig stattfindenden

Kirchentags in Stuttgart weniger Menschen als erwartet. Beim letzten

Weltwirtschaftsgipfel in Birmingham 1998 versammelten sich sogar bis zu

80000 Menschen.

Die größte Demo gegen die Gipfel in Köln war die Demo der Europäischen

Märsche mit einem Antifa-Block der AABO. Die Euromarsch-Demo vermochte am

meisten TeilnehmerInnen (nämlich 35000) aus anderen Ländern und Städten

anzulocken.

kaum kleine Aktionen, aber eine ganze Palette von verschiedenen

Aktivitäten

Latschdemos sind ein integrierbarer Protest, der zum Gipfelbrimborium mit

dazu gehört. Der Polizeichef in Köln kündigte im Vorfeld an, er werde den

"legalen" Protest (die angemeldeten Großdemos) zulassen, aber jegliche

spontane Aktionen in der Innenstadt unterbinden. Dies geschah rigoros, es

hagelte zig Platzverweise. Bei einem Verstoß gegen den Platzverweis (für

das gesamte Stadtgebiet innerhalb der Ringe) wurden die Menschen verhaftet

und in die Gefangenensammelstelle nach Brühl (Polizeikaserne zwischen Köln

und Bonn) gebracht. Dies widerfuhr auch einigen zufällig anwesenden

TouristInnen.

Es kam zu fast keinen nennenswerten Störaktionen, den Regierungsvertretern

dürften die Proteste kaum aufgefallen sein. Die Kölner Polizei mußte sich

jedoch von zwei Briefen distanzieren: die BewohnerInnen von Köln-Deutz

wurden aufgefordert, während der Gipfel ihre Häuser nicht zu verlassen,

und AutobesitzerInnen fanden Hinweise daß ihre Fahrzeuge

erkennungsdienstlich erfaßt seien und sie eine Polizei-Hotline anrufen

müßten.

Andererseits lief eigentlich viel in Köln, aber vieles nebeneinander her:

3 Großdemos, eine Menschenkette, 3 Alternativ- oder Gegenkongresse, zwei

Karawanen, ein internationaler Aktionstag, ein Hungerstreik, und es gab

zwei Bündnisse und mehrere Plenen (FrauenLesben-Plenum gegen die Gipfel,

das Infopoints-Treffen rund um den Infoladen Köln, usw.).

Eine ausgewählte Kurzübersicht

11.5.-3.6. Fahrradkarawane "Geld oder Leben"

22.5.-20.6.: Interkontinentale Karawane (ICC)

28.5.-2.6.: EU-Alternativgipfel (Bündnis Köln 99)

29.5.: Demo der Europäischen Märsche

3./4.6.: Offizieller EU-Gipfel

3.6.: Anti-EU-Demo (bundesweites linksradikales Anti-EU/WWG-Plenum)

4.6.: FrauenLesben-Aktionstag

5.6.: Innenstadtaktionstag und FrauenLesbendemo gegen den Abschiebeknast

in Neuss

4./5.6.: Anti-EU-Kongreß (bundesweites linksradikales Anti-EU/WWG-Plenum)

15.6.: Grüne ließen hungerstreikende Flüchtlinge aus dem Kölner

Grünen-Büro polizeilich räumen (Karawane für die Rechte der Flüchtlinge

und MigrantInnen)

17./18.6.: G7-Alternativgipfel (Bündnis Köln 99)

18.-20.6.: Offizieller G7-Gipfel (G8 mit Rußland)

18.6.: Internationaler Aktionstag

19.6.: Menschenkette (Erlaßjahrkampagne) und Demonstration gegen den

G8-Gipfel (Bündnis Köln 99)

Die Demo am 29.5.99 in Köln

Die Demo der Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte

Beschäftigung, Rassismus und neuerdings auch gegen Krieg war mengenmäßig

ein Erfolg. Diese bunte Demo verzeichnete die größte Beteiligung von

Gruppen aus anderen Städten und Ländern. Die AABO (Antifaschistische

Aktion/ Bundesweite Organisation) mobilisierte zu einem großen Block,

außerdem gab es einen riesigen anarcho-syndikalistischen Block, einen

kurdischen Block, usw.. Dennoch sollte die Demo vom 29.5.99 nicht über den grünen Klee gelobt

werden. Die Demospitze der Europäischen Märsche hat nicht angemessen

reagiert, als es der Polizei darum ging, die Demonstration zu trennen. Es

sollten wohl symbolisch Synergieeffekte zwischen verschiedenen Spektren

verhindert werden. Angela Klein vom Bundesbüro Euromarsch hat in einem

Artikel in der Zeitung "SoZ" (Köln) die Demo vom 29.5. in rosigen Farben

gemalt und schreibt von der "Vorhut der sozialen Bewegungen in Europa".

Die Tatsache, daß der zweite Teil der Demo von der Polizei gestoppt wurde,

währenddem die Demospitze weiter lief, wird in dem Artikel nur in einem

Nebensatz beiläufig erwähnt.

Der Trennungsversuch war jedoch für alle Demoteilnehmenden vorhersehbar,

bereits zu Beginn der Demo (bei Schwitztemperaturen) trat die Polizei

martialisch in Kampfmontur auf. Die Polizei begleitete den Antifablock von

Anfang mit einem dichten Spalier und griff mehrmals die Demo an. In den

engen Straßen zog sich die Polizei trotz mehrmaliger Aufforderung durch

die Demoleitung immer noch nicht zurück. Die Demoleitung wunderte sich,

daß die Polizei ihr Spalier verstärkte statt abbaute und schließlich den

Antifablock mit einem Kessel längere Zeit zum Stehen brachte.

Die Demoleitung - garantiert ohne böse Absichten, vielleicht ist ihnen

also Naivität vorzuwerfen - versuchte, die Demospitze zum Anhalten zu

bewegen. An der Spitze seien GewerkschafterInnen aus Spanien und

Frankreich gewesen, hieß es hinterher, die wollten nicht stehenbleiben

weil das in ihren Ländern nicht so üblich sei. In Ermangelung von

OrdnerInnen an der Demospitze gelang es der Demoleitung nicht, den Zug

anzuhalten, die Demo lief also weiter bis zum Schluß, es gab keine

Lautsprecherdurchsagen, und die meisten TeilnehmerInnen haben nicht

erfahren was beim Antifablock los war. Nur die Demoleitung lief zum

Antifablock zurück. Irgendwer handelte mit der Polizei aus daß der

Antifablock weiterlaufen dürfe, wenn der vordere Teil der Demo am

Abschlußort angekommen ist, und zwar auf einer abgekürzten Strecke die

nicht am Dom vorbeiführt.

Anti-EU-Demo am 3.6. und Kongreß am 4./5.6.

Für den fehlenden Protest während des EU-Gipfels (am 3. und 4. Juni) war

auch die Tatsache verantwortlich, daß am 4.6. ein Kongreß stattfand, und

eine Demo am 3.6., zu der nur 3500 Menschen kamen und wenig Menschen aus

anderen Ländern, im Gegensatz zur Demo der Europäischen Märsche am 29=2E5.

Mit der Verlegung der Demonstration auf den 29.5. gehe die Rechnung der

Herrschenden voll auf, der EU-Gipfel bleibe protestfrei, hatte die

=D6kologische Linke argumentiert und darum die linksradikale Demonstration

auf den 3.6. festgelegt. So fand am 3.6. eine äußerst berechenbare kleine

bundesweite linksradikale Latschdemo weitab von der Innenstadt statt, und

ansonsten blieben die Linksradikalen am 3. und 4. Juni mit ihrem

Gegenkongreß der Straße fern und beschränkten sich auf verbalen Protest.

Die Medien nahmen den Gegenkongreß fast nicht zur Kenntnis.

Hinzu kommt, daß gar das Scheitern der bundesweiten linksradikalen Demo

drohte, die hauptsächlich von der =D6kologischen Linken und der Gruppe

Perspektive aus Bremen organisiert wurde. Erst im letzten Moment sicherten

weitere Kräfte, die Antifa KOK aus Düsseldorf und die Infopoints in Köln,

eine funktionierende Organisationsstruktur (z.B. OrdnerInnen) für die

Demo.

Der Demoversammlungsort in der Innenstadt (Offenbachplatz) wurde

polizeilich verboten, und die Erfahrungen des Antifablocks am 29.5. taten

ihr =DCbriges, daß überhaupt wenig Menschen motiviert waren, zum 3. Juni

nach Köln zu reisen. Busse wurden so gut wie nicht organisiert, mit

Ausnahme eines Busses aus München, der kurz vor der Abfahrt von einem

Unterstützungssonderkommando in voller Kampfmontur gestürmt wurde. Das

Gepäck wurde durchsucht, Gegenstände beschlagnahmt und eine Person

festgenommen.

In den Tagen vor der Demo rechneten AktivistInnen in Köln mit dem

Schlimmsten, und malten sich in den düstersten Farben einen unangenehmen

Wanderkessel aus. Am 3. Juni begleitete die Polizei die Demo jedoch mit

einem lockeren Spalier, lediglich hinter der Demo folgte ein größerer

Trupp an PolizistInnen. Die Demo lief völlig ohne Zwischenfälle bis auf

die Festnahme eines angeblichen "Drogendealers", die nur zufällig während

der Demo stattfand, wie die Polizei beteuerte. Als die Situation zu

eskalieren drohte, ließ die Polizei den Mann frei. Die Befürchtungen im

Vorfeld bewahrheiteten sich nicht, führten aber zu erheblicher

Einschüchterung. Um eine größere Teilnahmezahl für den 3./4. Juni zu gewährleisten, wäre es

notwendig gewesen, linksradikale TeilnehmerInnen aus dem Ausland mit einem

attraktiven Kongreß in der Zeit vor den Gipfeln zum Verbleib in Köln zu

bewegen. Die meisten linksradikalen Gruppen aus Spanien, Italien,

Frankreich und der Schweiz reisten am Samstagabend gleich nach der Demo

wieder ab. Hätte der linksradikale Anti-EU-Kongreß parallel zum

EU-Alternativgipfel (vom 28.5. bis zum 2.6.) stattgefunden, wäre auch Zeit

für Arbeitsgruppen zur Vorbereitung von phantasievollen Aktionen am 3. und

4.6. vorhanden gewesen. Zum Anti-EU-Kongreß waren fast keine

TeilnehmerInnen aus anderen Ländern angereist (im Gegensatz zu den

Alternativgipfeln des Bündnis Köln 99). Indem die beiden Alternativ- bzw.

Gegenkongresse nicht parallel, sondern nacheinander stattfanden, fehlte es

weitgehend an einem Zusammenkommen unterschiedlicher Spektren,

Synergieeffekte wurden dadurch verhindert.

Kleine unberechenbare Aktionen gegen den EU-Gipfel beschränkten sich auf

Ausnahmen: die Poldermodell-Aktion am 2.6., die Aktionen des

FrauenLesbenPlenums am 4.6., der Innenstadtaktionstag am 5.6. Sie erfuhren

allesamt eine herbe Repression durch die Polizei.

2.6., 5.6., und andere Aktionstage: Eene mene Platzverweis - und weg bist

du!

Mit Platzverweisen und großen Verhaftungsaktionen hatten 12000

PolizistInnen die wenigen Protestierenden völlig im Griff. Wir hätten viel

zahlreicher sein müssen und an mehreren Orten gleichzeitig, um

=DCberraschungseffekte erzeilen zu können. So konnte mit sofortigem

Platzverweis ab einer versammelten Person schon vor einer Aktion

ebensolche bereits vor ihrem Stattfinden verhindert werden. Eine

=D6ffentlichkeit zu dieser Aktionsverhinderungswelle durch die Polizei fand

kaum statt. Ein Aktivist, unauffällig gekleidet, wurde am Hauptbahnhof

Köln nichtsahnend namentlich von einem Zivilpolizisten angesprochen:

"Guten Tag, Herr Sowieso, ich erteile Ihnen hiermit einen Platzverweis!".

Eine Journalistin und ein Aktivist wurden beim harmlosen Espressotrinken

in einem Caf=E9 verhaftet.

Auf die Polizeitaktik der Platzverweise, spätestens seit den Chaos-Tagen

in Hannover gang und gäbe, gab es in Köln keine Antwort. Auch die

AktivistInnen des internationalen Aktionstags vermochten nicht

phantasievoll darauf zu reagieren: Die TeilnehmerInnen der

Interkontinentalen Karawane blieben angesichts der am 18.6. erfahrenen

Repression (stundenlanges Festsitzen in einer Straßenbahn während eines

Polizeikessels an der Haltestelle, 260 Platzverweise, Handgreiflichkeiten

und rassistische =C4ußerungen der PolizistInnen) bei der Demo am 19.6., die

zum Höhepunkt ihres Europaaufenthaltes werden sollte, mehrheitlich auf dem

Camp. Auch in bezug auf soziale Bewegungen die sich international

vernetzen stehen wir offenbar erst am Anfang. Schließlich hätte doch

jemand den Bäuerinnen und Bauern aus Indien sowie AktivistInnen aus

Bangladesch, Nepal, Mexiko und anderen Ländern doch vorher beschreiben

können, wie polizeiliche Repression hierzulande aussehen kann.

16.-18.6.: G7-Alternativgipfel des Bündnis Köln 99

Beim Alternativgipfel am 17./18. Juni war eine ausführliche Diskussion

nicht vorgesehen. Der Kongreß war sehr akademisch, es handelte sich um

eine Aneinanderreihung von Vorträgen mit anschließenden Nachfragen aus dem

Publikum. Da es keine Arbeitsgruppen gab, blieb wenig Raum für Interaktion

unter den Teilnehmenden. Der Kongreß bot thematisch wenig Neues, und es

waren teilweise dieselben prominenten ReferentInnen eingeladen wie beim

alternativen Weltwirtschaftsgipfel in München 1992 oder 1985 in Bonn:

Susan George, Elmar Altvater, Vandana Shiva, usw.

Auch zwischen den verschiedenen Bereichen fand kaum Interaktion statt. Am

16.6. lief ein Symposium zu Alternativen zur Globalisierung (veranstaltet

vom Komitee Widerstand gegen das MAI und anderen), die dortigen

Diskussionen wurden anderntags kaum aufgegriffen. Am ersten Tag des

Alternativgipfels liefen drei Foren gleichzeitig: Migration, Zukunft der

Arbeit und =D6konomie, und am zweiten Tag sollten diese Themen

zusammenfließen, in dem TeilnehmerInnen aus allen drei Foren auf den

Podien sassen. Ein erkennbarer Austausch auf dem Podium entstand jedoch

nicht, trotz der Teilnahme z.B. des Hungerstreikenden Viraj Mendis

(Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen) und von Detlef

Hartmann (Kein Mensch ist illegal). Letzterer glänzte mit einem schön

bissigen Beitrag über NGOs sowie Krieg, nur die Synchronübersetzung konnte

ihm überhaupt nicht folgen.

Ausgrenzende Mobilisierung

Beide Bündnisse, das breitere Bündnis Köln 99 (anfangs

Antoniterkirchenplenum genannt) und das bundesweite linksradikale Plenum

(im folgenden Lira-Plenum) entwickelten trotz einer sehr langen

Vorbereitungsphase wenig Mobilisierungskraft. Vielmehr sorgten sie mit

gegenseitigen Abgrenzungstendenzen dafür, daß sich immer mehr Gruppen aus

dem Vorbereitungsprozeß zurückzogen, an dem anfänglich bundesweit sehr

viele Städte beteiligt waren. Sie wandten sich Antikriegsaktionen oder

anderen Aktivitäten vor Ort zu.

Einzig die Europäischen Märsche konnten durch das frühzeitige Organisieren

von Bussen im In- und Ausland eine nennenswerte Anzahl von Menschen dazu

bewegen, nach Köln zu kommen. Bundesweit kamen am 29.5. allerdings relativ

wenige aus dem Gewerkschaftsspektrum (nur die Gewerkschaft

Nahrung-Genußmittel-Gaststätten war in größerer Zahl vertreten).

Bündnis Köln 99

Das Bündnis Köln 99 verhedderte sich in endlosen Aufruf-Diskussionen, bei

denen ernsthaft diskutiert wurde, die "Bleiberecht für alle"-Forderung

entweder zu streichen (und damit das Netzwerk "Kein Mensch ist illegal"

aus dem Bündnis zu drängen) oder in eine verwässernde Aufzählung zu

verwandeln. Hintergrund der von der Umweltorganisation BUND aufgeworfenen

Auseinandersetzung waren die Botschaftsbesetzung durch KurdInnen für die

Freiheit von =D6calan (wenn kein Bleiberecht für alle, dann wohl nicht für

kriminalisierte AusländerInnen?). Schließlich wurde die Forderung in eine

völlig akzeptable Formulierung "für ein Europa ohne Grenzen..."

umgewandelt. Gleichzeitig (und in der Aufregung weniger beachtet, dies war

bestimmt auch Absicht) wurde die Forderung nach "Schuldenstreichung für

alle Entwicklungsländer und Reparationszahlungen für neokoloniale

Ausbeutung" gestrichen und in das Erlaßjahr-kompatible "Schuldenstreichung

für die ärmsten Länder" umgewandelt.

Ein eigenständiges Profil gegenüber der Erlaßjahrkampagne, die am 19.6.99

eine Menschenkette veranstaltete, war seitens des Bündnisses Köln 99 nicht

sonderlich beabsichtigt. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) WEED aus

Bonn übte im Bündnis Köln 99 eine deutliche Hegemonie in der

Außendarstellung aus. Erklärtes Hauptziel auch des gesamten Alternativen

Weltwirtschaftsgipfels war gemäß den Presseerklärungen von WEED die

Forderung nach einem Schuldenerlaß für die ärmsten Länder.

Bundesweites linksradikales Anti-EU-/WWG-Plenum (LiRa)

Das bundesweite Lira-Plenum führte ebenfalls endlose Aufruf-Diskussionen.

Grundlage war ein Text, der in seinen Grundzügen auch vor zehn Jahren

hätte geschrieben werden können (und einige munkelten, es handele sich bei

der Vorlage um einen Text, der für den WWG 1992 geschrieben wurde). Die

=D6kologische Linke setzte hier eine bundesweite Hegemonie durch, die

Schwerpunktsetzung auf den EU-Gipfel wurde mit (im Vergleich zum Aufruf)

geringer Diskussion durchgesetzt.

Ein großes Problem entstand bei der Verlegung des offiziellen EU-Gipfels

vom 3. bis zum 6. (inklusive Wochenende) auf den 3./4. Juni. Die

Europäischen Märsche entschieden sich auf einer Konferenz Ende Januar in

Köln, bei der nur wenige Linksradikale und auch wenige KölnerInnen

anwesend waren, für die Demo am 29.5., weil Fronleichnam (3.6.) nur in

wenigen europäischen Ländern ein Feiertag ist. Die AABO mobilisierten für

den 29.5. und verabschiedeten sich aus dem bundesweiten Lira-Plenum.

Beim bundesweiten Lira-Plenum wurde Ende Februar diskutiert, wie darauf zu

reagieren sei, und die Hälfte der Anwesenden sprachen sich für eine

Vorverlegung des Gegenkongresses aus, insbesondere auch, um Linksradikale

aus dem Ausland anzusprechen. Die =D6kologische Linke und die Gruppe

Perspektive aus Bremen nutzten die Moderatorenposition aus, um ihre

Meinung durchzusetzen. Wenn die Europäischen Märsche Erwerbslose

vertreten, können sie auch unter der Woche demonstrieren", fanden sie

gehässig. Eine Kritik aus München an diesem Treffen wurde vom

Bundesvorstand der Roten Hilfe abschlägig beantwortet und insgesamt kaum

beachtet. In der Folge erschienen viel weniger Gruppen zu den bundesweiten

Treffen (dieser Trend war auch beim Bündnis Köln 99 zu beobachten), die

Kongreß- und Demovorbereitung wurde im kleinen Kreis weitgehend von =D6koli,

Perspektive und Rote Hilfe durchgeführt, es gab keine ausführlichen

Protokolle von den AGs.

Schließlich wurde sogar die Beteiligung von weiteren Gruppen an der

Anti-EU-Kongreßvorbereitung verhindert: War schon die Aufforderung, andere

Gruppen aus dem Ausland in die Kongreßvorbereitung mit einzubeziehen, auf

taube Ohren gestoßen, so wurde ein Antinationales Forum von den Gruppen

Venceremos Berlin, Demontage Hamburg u.a. auf dem Kongreß rundweg

abgelehnt. Der Kongreß selbst blieb so am 3./4. Juni ein kleiner Kreis,

doch das ausgelagerte Antinationale Forum vermochte immerhin am meisten

TeilnehmerInnen anzulocken.

"Es gibt kein richtiges Leben im Falschen" - müssen wir deswegen alles

falsch machen?

Wir haben in Köln zahlreiche Fehler gemacht, und es gilt, für die nächste

große Kampagne (z.B. Anti-Expo, Anti-WTO) daraus zu lernen. Beim G7-Alternativgipfel wurde ein Flugblatt (aus autonomen

antiimperialistischen Kreisen) verteilt mit dem Titel "Neokeynesianische

Illusionen", das sich kritisch mit dem Programm des Alternativgipfels von

"Bündnis Köln 99" auseinandersetzt: "Das dortige Programm erscheint bunt

bis beliebig, radikalere und reformistische Ansätze stehen unvermittelt

bis widersprüchlich nebeneinander. So kann es kaum verwundern, daß ein

Diskussionstitel für den 18.6. gänzlich unverhohlen nach =82Perspektiven

neokeynesianischer Reformalternativen' fragt". Nach einer Darstellung der

Rolle des Keynesianismus im (sozialen) Krieg und der Bedeutung einer

Rückkehr zu alten Regulierungsformen, erklären die

FlugblattschreiberInnen: "Wenn sie [diejenigen, die nur die Organisation

des Krieges verändern und verbessern wollen] nach Defizitfinanzierung

rufen, dann muß ihnen gesagt werden, daß die internationalen Finanzmärkte

gewaltige Spielräume der Defizitfinanzierung geschaffen haben, daß der

aktuelle G7-Keynesianismus in der Form einer enormen amerikanischen

Privatverschuldung den weltweiten Wachstumsmotor monetär füttert." Und

anschließend zitieren sie aus dem Manifest der Interkontinentalen Karawane

(ICC): "Diese Reformen bewirken keine Veränderung in bezug auf die Ballung

wirtschaftlicher, politischer und technologischer Macht, in welcher all

unsere Probleme wurzeln - im Gegenteil, sie haben die Tendenz, diese

Mechanismen zu verstärken." Angesichts der ICC, die gemeinsam mit der

"Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen" gegen die

Unterdrückungen und Verwüstungen im Trikont sowie gleichzeitig gegen den

rassistischen Abschiebeterror demonstriert, kommen die AutorInnen zu

folgendem Ergebnis: "Allein in der konkreten Verknüpfung verschiedener

Auseinandersetzungsfronten [wie antirassistischen Fluchthilfen und

Widerständen gegen die sozialen Säuberungen in den Städten, in Kämpfen

gegen neofaschistische Formierungen, gegen neue patriarchale Formen

sexistischer Gewalt u.a.] liegt die Möglichkeit, Widerstandsstrategien auf

ein Niveau zu bringen, das der komplexen Logik des abgestuften sozialen

Krieges entgegenwirken kann".

Synergieeffekte am 18.6.

Wenn Gruppen aus verschiedenen Spektren und aus verschiedenen Ländern sich

miteinander solidarisieren und zu einer gemeinsamen Praxis kommen, können

durch diese unerwarteten Zusammenkünfte unberechenbare Aktionen geplant

werden. Aus dieser Interaktion zwischen verschiedenen Gruppen können sich

Synergieeffekte entwickeln, aus denen etwas Neues entstehen kann. Ein

Beispiel für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist der

internationale Aktionstag, der von Reclaim the Streets und vielen anderen

Netzwerken initiiert wurde.

Der globale Aktionstag beinhaltete koordinierte Aktionen in Nigerien,

Australien, den USA, Kanada, Argentinien, Uruguay, in der Tschechischen

Republik, Weißrußland, Zimbabwe, Pakistan und zahlreichen anderen Ländern.

In London protestierten fast 10000 Menschen in der Innenstadt mit mehreren

Aktionen, und die Medien berichteten über eine "antikapitalistische

Demonstration". Ansonsten fand dieser globale Aktionstag wenig Echo in den

Medien. Dies liegt vielleicht auch an der Unvorstellbarkeit des Neuen, daß

Gruppen in 43 Ländern auf allen fünf Kontinenten längere Zeit auf ein

solches gemeinsames Datum hinarbeiten. Die Idee des internationalen Aktionstages, der in einer ähnlichen Form

bereits am 18. Mai 1998 anläßlich der Konferenz der

Welthandelsorganisation in Genf stattfand, ist eine Verbindung von

Spaßkultur (Tanzen auf der Straße), die auf ökologische Aktionsgruppen

gegen Autobahnbau (wie Earth First!) und gewerkschaftliche Basisgruppen

wie seinerzeit die Liverpool Dockers in England trifft. Daraus können

spannende Diskussionsprozesse entstehen mit weiteren Verbindungen, so daß

andere dazu bewegt werden, mitzumachen, und die Aktion immer weitere

Kreise zieht.

Friede, Freude, Eierkuchen oder Repolitisierung der Love Parade? Weder

noch. Auch diese neue Aktionsform trifft schnell auf die Repression durch

die Polizei. In Köln scheiterte die geplante Aktion am Nachmittag des 18.

Juni an einem Beinahekessel am Versammlungsort und einer Einkesselung von

mehreren hundert AktivistInnen an einer Straßenbahnhaltestelle. Einzig die

am Vormittag des 18. Juni durchgeführte Demonstration gegen Bayer

Leverkusen (vom Werktor in die Innenstadt) blieb unbehelligt.

Es muß also (trotz Repression) versucht werden, noch mehr Leute für diese

Aktionsformen zu gewinnen, gleichzeitig dürfen die Proteste nicht

inhaltsleer bleiben (was böse Zungen "puren Aktionismus" nennen). Eine

länderübergreifende Zusammenarbeit ist auch nicht so einfach, wie die

Interkontinentale Karawane zeigte: das Projekt von rund 500 Bäuerinnen,

Bauern und AktivistInnen aus Indien, Nepal, Bangladesch, Mexiko und

anderen Ländern war viel zu überdimensioniert, die Inhalte blieben

manchmal buchstäblich auf der Strecke. Zu viele Länder und Orte in zu

kurzer Zeit wurden per Bus angefahren, und zum Schluß, beim

Weltwirtschaftsgipfel in Köln, waren die Busreisenden erkennbar fix und

fertig. Das Projekt zog in den Durchgangsorten erhebliche (finanzielle und

personelle) Kräfte ab, die bei der Mobilisierung für Köln deutlich

fehlten.

Einbindung des Protestes

In bezug auf Bewegungen wie der Schuldenerlaßkampagne Jubilee 2000 werden

jedoch auch Gefahren von breiten internationalen Bündnissen sichtbar. Die

Erlaßjahrkampagne unterscheidet sich fundamental von den "IWF-Mördertreff

und IWF zerschlagen!"-Parolen 1988 in Westberlin. Noch 1994 hieß es beim

IWF-Weltbank-Treffen in Madrid, als das Bretton-Woods-System sein

50jähriges Bestehen feierte, "50 Jahre sind genug". Die

Nichtregierungsorganisation WEED (World Economy, Environment and

Development) in Bonn lieferte mit ihren Analysen zur Schuldenproblematik

im Vorfeld und während des Weltwirtschaftsgipfels die kritische aber brave

Begleitstimme zur Schuldeninitiative der Bundesregierung und mauserte sich

so zur Regierungsberaterin. Die von WEED geleistete öffentliche

Darstellung "ihres" Alternativgipfels, der von der Stadt als Teil des

offiziellen Rahmenprogramms zum WWG subventioniert wurde, vernachlässigte

stark die anderen beiden Foren beim Alternativgipfel, das Forum "Flucht

und Migration" von "Kein Mensch ist illegal" sowie das Forum "Zukunft der

Arbeit" der linken NGO "medico international".

Nicht nur in Zeiten des (militärischen) Krieges, auch in befriedeten Vor-

und Nachkriegszeiten ist die vielbeschworene "Zivilgesellschaft", in der

sich die unterschiedlichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) tummeln,

als Ort der Herrschaftssicherung ein umkämpftes Terrain. Es gilt, sich

nicht der neuen Mitte anzubiedern, die immer mehr nach rechts tendiert.

=DCber die Zivilgesellschaft läuft die Stabilisierung von Herrschaft und der

Versuch der Einbindung einst radikalerer Kräfte. Diese Einbindung geht

soweit, daß ehemalige Teile der Friedensbewegung in der Grünen-Partei auf

einmal humanitäre Bomben befürworten und mithelfen, einen Krieg zu

legitimieren und die Besetzung eines Landes als Friedensmission zu

verkaufen. Die Antikriegsproteste in Köln und anderswo (auch WEED und das

Bündnis Köln 99 positionierten sich gegen den Krieg) trafen auf wenig

Resonanz in den mainstream-Medien.

In geordneten Bahnen, leicht kontrollierbar durch den Staat, ist Protest

kaum mehr öffentlich sichtbar. In Köln wurde über die Medien ein solcher

Jubel über den Besuch der Staatgäste inszeniert, daß der vorhandene =C4rger

über Personenkontrollen und Verkehrsbehinderungen bis hin zu einem

eigentlichen Belagerungszustand von 12000 PolizistInnen, kaum eine

kritische =C4ußerung fand. Während der Kosovo-Stabilitätskonferenz in Köln

war keine Antikriegsstimme zu hören, es blieb in dieser Hinsicht beim

Schweigen im Blätterwalde.

Nur mit einer internationalen Vernetzung von sozialen Bewegungen, die sich

neue und unberechenbare Aktionsformen einfallen lassen, kann die Lethargie

in der Gesellschaft aufgebrochen werden. Es müssen Freiräume geschaffen

werden, in denen Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen

und sich gegenseitig informieren, weiterbilden und versuchen,

Gegeninformationen zur herrschenden Meinung in die Welt zu setzen, um

Diskussionen in Gang zu bringen, die schrittweise dazu beitragen, nebst

fundierten Analysen der gegenwärtigen Situation und der Veränderungen seit

zwei Jahrzehnten auch Perspektiven der Aufhebung der Verhältnisse zu

eröffnen. Mit Abgrenzungen gegenüber breiteren Bündnissen, wie sie Köln praktiziert

wurden, werden jedoch die Nichtregierungsorganisationen sich selbst und

ihren regierungskompatiblen Vorschlägen überlassen, und auch die

Linksradikalen bleiben unter sich, so daß keine öffentlich wahrnehmbare

Auseinandersetzung gegen diese kapitalismusverbessernden Positionen

stattfinden kann.

Sandra K.

***

Kasten

Eine ausgewählte Liste von Gegenaktionen in Köln

28.5.-2.6.99: EU-Alternativgipfel. Parlament der Erwerbslosen, 2.6.

Verteilung von Flugblättern vor dem Arbeitsamt. 30.5.: ChemieKreis:

Workshop; ganztägiges Treffen von antirassistischen Gruppen

29.5.: Holländischer Nulltarif-Zug an der Grenze in Emmerich gestoppt.

Außerdem weitere Nulltarifaktionen, z.B. aus Frankreich

29.5.: Demo der Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützter

Beschäftigung, Rassismus und Krieg.

31.5.: Trauermarsch mit Straßentheater anläßlich des gewaltsamen Todes des

sudanesischen Flüchtlings Aamir Ageeb, der am 28.5. bei der Abschiebung in

einer Linienflugmaschine der Lufthansa getötet wurde. Am 16.6. Protest bei

der Lufthansa-Aktionärsversammlung in Köln

1.6.99: Besetzung des AZ in der Aachener Straße, leider am 9.6.99 bereits

wieder geräumt

2.6.: Aktion gegen das niederländische Poldermodell (staatliches

Förderprogramm für Niedriglohnjobs) gegen die Zeitarbeitsfirma Randstad,

25 internationale AktivistInnen verhaftet; Aktion gegen Abschiebungen bei

der Lufthansa vor einem Reisebüro

27.5./2.6.: Hausdurchsuchungen in München

3.6.: Bus aus München vor der Fahrt nach Köln von Polizei durchsucht, eine

Festnahme; 3.6.: linksradikale Anti-EU-Demo, etwa 3500 TeilnehmerInnen, unter anderem

auch VertreterInnen der Interkontinentalen Karawane (ICC). Der

Versammlungsort in der Innenstadt wurde nicht genehmigt, stattdessen war

die Demo außerhalb der Sicherheitszone; 3.6. abends: ICC-Frauenveranstaltung im Bürgerzentrum Alte Feuerwache mit

Frauen aus Indien, Bangladesch, Mexiko, Iran, usw. in Zusammenarbeit mit

dem FrauenLesben-Plenum gegen die Gipfel

3./4.6. Offizieller EU-Gipfel

4.6.: Beginn des Hungerstreiks der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge

und MigrantInnen im Parteibüro der Kölner Bündnisgrünen; Kranbesteigung

durch eine Aktivistin in der Sicherheitszone; FrauenLesben-Aktionstag mit

Fahrraddemo und Straßentheater. An den FrauenLesben-Aktivitäten vom

3.-5.6. nahmen etwa 200 teil

4./5.6.: Anti-EU-Kongreß. Rund 200 TeilnehmerInnen, kaum ausländische

Gäste (einige wenige bei der AG politische Gefangene aus Italien und

Griechenland, u.a.). Veranstaltet wurde der Gegenkongreß von =D6koLi, Gruppe

Perspektive Bremen und Rote Hilfe. Ein Antinationales Forum fand auf der

anderen Rheinseite statt und verzeichnete am meisten TeilnehmerInnen (etwa

150). 4.6. Aktion vor dem Max-Planck-Institut, ein Gentechnik-Forschungszentrum.

Der Direktor lud die AktivistInnen, darunter auch VertreterInnen der

Interkontinentalen Karawane zum Gespräch ein.

5.6.: Innenstadtaktionstag: Polizeikessel in der Einkaufsmeile, zahlreiche

Platzverweise und Verhaftungen; 5.6.: FrauenLesbendemo gegen den Frauenabschiebeknast in Neuss, etwa 200

Teilnehmerinnen. Bullenstreß, die FrauenLesben hatten Seifenblasen dabei

9./10.6. G8-Außenministertagung

12.6. Gemischte Demo in Neuss gegen den Frauenabschiebknast, etwa 2500

Leute

15.-20.6. Interkontinentales Kultur- und Widerstandscamp in den Riehler

Rheinauen, insgesamt rund 700 TeilnehmerInnen

15.6.: Grüne ließen Flüchtlinge räumen. Am Tag nach den Europawahlen

stellten die Kölner Grünen den Räumungsantrag gegen die Hungerstreikenden

in ihrem Büro. Die Polizei kam gegen 9 Uhr morgens und nahmen sämtliche

Flüchtlinge mit zum Polizeihauptquartier und ließ sie abends wieder frei.

Für den 15.6. war um 11 Uhr eine Pressekonferenz über Alex Alayo Chavez

angesetzt. Alex wurde am 8.6. auf dem Weg zu einem Treffen verhaftet und

in den Abschiebeknast Büren gebracht. Nachmittags gab es eine kurze

Solibesetzung des Grünen-Büros der Kölner Ratsfraktion mit der Forderung,

die Strafanträge zurückzunehmen. Am 15.6. abends wurde die Geschäftsstelle

der Grünen in Aachen mit Steinen und Farbe aufgesucht.

16.6. Veranstaltung "Alternativen zur Globalisierung" (Komitee gegen das

MAI und andere) und Anhörung des NRO-Frauenforum "Callgirls des globalen

Marktes"

17.6. Kabelaktion: eine Polizeihotline wurde gestört.

17./18.6. Alternativer Weltwirtschaftsgipfel. Insgesamt etwa 600-800

TeilnehmerInnen. AktivistInnen protestierten bei einem "go-in" gegen Kriegsbefürworter Ralf

Fücks, der für die Heinrich-Böll-Stiftung auf dem Podium saß. Sie

informierten über die Räumung des Grünen-Büros. Am 18.6. um 17 Uhr gab es ein kleines Theater auf dem Platz vor dem

Alternativgipfelveranstaltungsort, der Volkshochschule (VHS), gleich neben

der Josef-Haubrich-Kunsthalle mit einer Ausstellung zum G7-Gipfel. Die

Polizei versuchte nach dem Theater, den Platz zu räumen, und trieb die

KongreßteilnehmerInnen in die VHS zurück, weil die Ehegattinnen der

G7-Staatschefs sich die Ausstellung ansehen wollten.

18.-20.6. Offizieller Weltwirtschaftsgipfel der sieben größten

Industrieländer, G8 mit Rußland

18.6.: Internationaler Aktionstag: Demo gegen Bayer Leverkusen mit 400-500

Leuten vom Werktor zur Stadtmitte; Laugh Parade in Köln. Beinahekessel am Versammlungsort Ebertplatz (fast

300 Leute), die Kundgebung löste sich vorher auf. Kessel an der

Straßenbahnhaltestelle beim Camp, die Straßenbahn wurde festgesetzt,

zahlreiche Verhaftungen und etwa 250 Platzverweise. Gentechnisches Versuchsfeld bei Bentfeld zerstört. International kam es in ganz vielen Ländern zu parallelen Aktionen, z.B.

Nigerien, Argentinien, Weißrußland.

19.6.: Nulltarifaktion in einem Zug aus den Niederlanden nach Köln;

Menschenkette der Erlaßjahrkampagne mit 20000 TeilnehmerInnen;

Demonstration gegen den G8-Gipfel des Bündnis Köln 99 mit rund 10000 bis

12000 TeilnehmerInnen, davon 5000 KurdInnen, außerdem Flüchtlinge aus Sri

Lanka und die Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen,

ein kleiner linksradikaler Block. Für die Demo am 19.6. wurde der genaue

Versammlungsort ("Köln-Innenstadt") erst wenige Tage zuvor bei einem

Gerichtstermin bekannt. Die Demo hatte eine ähnliche Route wie diejenige

vom 29.5., bei strahlendem Sonnenschein, aber sie war ebenfalls zu lang

und die TeilnehmerInnen waren danach fix und fertig. Zu anschließenden

Aktionen in der Innenstadt kam es nicht.

20.6.: Demo von etwa 150 IranerInnen gegen Khatami vor dem Kölner Dom. Sie

wurden brutal verprügelt - es kam zu mehreren Verletzten - und

anschließend nach Brühl gebracht. Abends: Spontansolikundgebung vor den Toren der Gefangenensammelstelle.

Die PolizistInnen waren bei der Freilassung so verängstigt, daß sie sogar

einen Wasserwerfer auffuhren und die Freigelassenen nach Köln

zurückbrachten; 20.6.: FrauenLesben-Aktion mit Transparenten auf einem Personenschiff auf

dem Rhein