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Texte zur Kritik  

1993
KONKRET KONGRESS

Laboratorium radikaler, aufklärerischer antikapitalistischer Kritik ???

"Was Tun? Ist die »brennende Frage«, vor 90 Jahren von Lenin gestellt, wieder so brennend wie damals, fünfzehn Jahre vor dem Roten Oktober? Das läßt sich nicht anders als durch die Praxis beantworten.'So die Konkret; Lenin dagegen stellte diese Frage nicht umnebelt von den rosa Wölkchen praktischer Erfüllung, sondern formulierte:

"Jeder Schritt wirklicher Bewegung ist wichtiger als ein Dutzend Programme. " Dieses Wort in einer Zeit der theoretischen Zerfahrenheit wiederholen ist dasselbe, als wolle man beim Anblick eines Leichnams ausrufen:

"Mögen euch immer so glückliche Tage beschieden sein.' (Lenin, Was Tun) Gegenüber dem Anspruch Laboratorium radikaler, antikapitalistischer Kritik zu sein sind solche Verwechselungen von Theorie und Praxis oder von Praxis und Geschichte eigentlich kleine Fische. Ein dicker Hund dagegen ist wie mit dem selbstauferlegtem Ansprch der 'Aufklärung' umgegangen wird. Stattdessen:

POLIT- FASTFOOD

Eigentlich war bereits durch den Aufruf zur Durchführung des HAMBURGER "Was-tun-Kongreß" klargestellt, daß tiefere theoretische Einsichten oder gar umfassende Analysen nicht zu erwarten sind. Denn zur Debatte steht nicht etwa die Frage nach einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus, wie sie sich aus der Kritik der Ware-Geld-Beziehungen und des Kommandos über fremde Arbeit ableiten ließe, sondern Gegenstand des Diskurses soll lediglich das "neue Deutschland" sein, wenn auch mit radikaler Attitüde kritisiert und ohne Rücksicht auf Zustimmung seitens "sozialdemokratisch-evangelischer Bündnispartner'. So wurde folgerichtig eine "Linke" zur Diskussion gebeten, die "ihre einmal erworbenen Erkenntnisse nicht für obsolet" hält, wenngleich ihr der "Bezugsrahmen Oktoberrevolution" verlustig gegangen ist, und sie daher wissen sollte, daß sie "nicht gebraucht und nicht gefragt" wird.

Trotz der sich zugestandenen gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit versprechen die Ausrichter, daß am Ende des Kongresses "tausend Leute oder mehr besser über die Verhältnisse und über sich Bescheid wissen" werden. Kurzum: Der HAMBURGER-Kongreß will keinesweg schwer verdauliche, begriffliche Arbeit am gesellschaftlichen Gegenstand und schonungslose Sebstreflexion käuen, sondern - um im Bild zu bleiben - das Klientel mit politischessayistischem Fastfood als schnell sättigende und nicht lange vorhaltende Hilfe zur Selbsthilfe bedienen. Damit wird ein gewisser Unterhaltungswert garantiert. Die HAMBURGER-Kongreßspeisekarte - betitelt als "konkret extra" - enthält demgemäß kurzweilige Statements zur Einstimmung auf das Selbsterfahrungsprojekt, zu dem sich laut konkret 6/93 die erwarteten 1000 angemeldet haben. Dies ist insofern überraschend, als die HAMBURGER Materialien belegen, daß die Autorinnen tatsächlich keine neuen Botschaften fiir den Kongreß parat halten und vor allem keine Neigung verspüren, sich mit ihren Statements diskursiv aufeinander beziehen zu wollen.

Klaus Schönbergcr und Claus Köstler scheinen dies zu spüren und mahnen den Kongreß, zunächst mal herauszuarbeiten, was nicht zu tun sei. Leider verkennen sie völlig die gesellschaftliche Bedeutung des linken Diskurs. "Daher ist für die Linke nicht das Gemeinte, sondern die Wirkung des Gesagten maßgebend." Richtiger ist wohl, daß es im Sinne aktuell ablaufender gesellschaftlicher Prozesse ziemlich egal ist, was die Linke wie diskutiert. Fatal an ihrer Position ist, daß sie da-zubeiträgt, den Mythos aufrecht zu erhalten, daß die deutsche Linke noch irgendwie politikfähig sei. Sie ist es jedoch nicht. Und dies ist vor allem ihrer Analyseunfahigkeit geschuldet und der daraus resultierenden Abwesenheit eines gesellschaftlichen Gegenentwurf zum realexistierenden Kapitalismus.

Joachim Bruhn ist ein besonders markanter Vertreter dieser Mangelerscheinung. Er läßt die werte Leserinnenschaft wissen, daß das "Subjekt die Wertform des Individuums" sei und daß die Individuen durch die Verhältnisse halt der "repressiven Vergleichung" unterworfen sind. Hier endet dann allerdings der an sich sympathische Versuch, die kapitalistische Produktionsweise zum Gegenstand von Kritik und Diskurs machen zu wollen. Übrigbleibt eine schmalbrüstige Rezeption der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie, die - zurechtgebogen für eine Erklärung der Ursachen des Rassismus hier und überall -dem Autor zum Rundumschlag gegen alle jenseits des ISF Freiburg agierenden Linken ausreicht , die er aufgrund eines vermeindlichen Mangels an Dialektik zu "Milieutheoretikem" verortet.

Die Lupus-Gruppe ist mit dererlei marxologischen Verkürzungen nicht einverstanden. Anstatt jedoch den Bruhnschen Anspruch auf Diskurs einer Kritik der Ware-Geld-Beziehungen aufzugreifen und inhaltlich zu wenden, nimmt sie dessen Verkürzungen {"die Konstruktion existiert längst") nur auf und versucht, sie auf der Ebene der Politik zu erledigen. Damit frönt auch sie dem Mythos von der linken Politikfähigkeit. Folglich fordert sie von der Kongreßdiskussion "Gegenstrategien". Der eine oder andere Referent wird sie bestimmt hinreichend bedienen können.

Joachim Bischoff dagegen scheint auf den ersten Blick den Kongreß mit einer wirklichen theoretischen Neuentdeckung beglücken zu können. Seiner Auffassung nach erleben wir im Hier und Jetzt einen "neuen Typus von Imperialismus". Und was ist das Neue? Das Gesamtinteresse der führenden kapitalistischen Mächte wird mit "menschenrechtlich-universalistischer Ideologie verteidigt". Alle "Interventionen" müssen zu den Gesamtinteressen "kompatibel" sein, nicht nur gegenüber "subalternen" Staaten sondern auch zwischen den Metropolen. Nach dieser mehr oder weniger feuilletonistischen Beschreibung des "neuen" Imperialismus, wobei offensichtlich Unkenntnis des "alten" vorausgesetzt wird, labelt der Autor mal eben den Faschismus als Modernisierungsphänomen, um von dort aus der Restlinken (vermutlich alle außer Leserinnen der "Sozialismus") in dieser Frage gehörig die Leviten zu lesen. Damit dies irgendwie mit dem Kongreßgegenstand "neues Deutschland" zusammenpaßt, schiebt Bischoff den nächsten Vorwurf gleich hinterher: Die Linke verstünde nicht, daß in der BRD durch "Sozialdemontage" dem Fordismus die Grundlage entzogen werde und daß daraus "Modemisierungsäng-ste" erwachsen. Spinnefeind ist er dem Teil der Linken, der vorgibt Analyse zu betreiben und in Wirklichkeit nur altbekannte fundamentalistische Konzepte wie z.B. Abschaffung der Ware-Geld- Beziehungen preist. Hugh - der Häuptling der Realpolitik und Promoter der "sozialistischen Marktwirtschaft" hat gesprochen. (Auch alte Rothäute gehen heutzutage zu HamBURGER KING, um ihren Hunger zu stillen.)

Georg Fülberth ist dagegen weniger umständlich, das, was er so zu sagen weis, auf den Kongreßgegenstand zu beziehen. Für ihn ist das "neue" Deutschland" eigentlich das "alte". Die Kriegsziele des Bethmann-Hollweg-Plans von anno 1914 "sind heute verwirklicht". Dieser narrativen Geschichtsschreibung entspricht die Skizzierung der aktuellen innenpolitischen Situation. Da wird von einer verschwundenen starken Arbeiterbewegung aus früher BRD-Zeit fabuliert und von Reps bis Grüne wird die innenpolitische Landschaft nach einer gemeinsam vermuteten nationalen "Gemütslage" hin sortiert. Kritik an anderen linken Position formuliert er nicht. Eher möchte er bei den anderen zitierfähig bleiben (Näheres siehe bei Bischofi). Er bescheidet sich damit, gängige linke Stammtisch-Weißheit zu widerlegen, indem er uns eine neue auftischt. Guten Appetit.

Heiner Möller hat artig den Auftrag, das "neue Deutschland" radikal zu kritisieren, erfüllt. Der Einfachheit halber und überhaupt, wenn man(n) das Bad in den (linken) Massen sucht, macht es Sinn, griffige Auskünfte zu erteilen: "Ich behaupte einen Prozeß der Faschisie-rung und Tendenzen zu autoritärer Demokratie." Dann wird sauber durch-nummeriert und mit dubiosen Prozentzahlen belegt, was man(n) schon immer als Radikaler wußte: Das Massenbewußtsein ist in der BRD faschistoid. Deswegen ist der Prozeß der Fa-schisierung auch "demokratisch", obgleich es auch ein "Handlungsdruck" erzeugendes "faschistisches Potential" gibt, das irgendwie bei den Herrschenden verortet werden muß. Die Hoffnung auf analytische Durchdringung der gesellschaftlichen Realität BRD zum Zwecke der irgendwie gearteten Erhärtung dieser politischen Schnellschüsse können die Kongreßteilnehmerinnen begraben. Im Vorgriff auf die Kongreßdebatte machte Möller in der Zeitschrift Bahamas 10/93 schon mal deutlich, wie er zu seinen Thesen kam: Gibt's 'ne ökonomische Krise im Kapitalismus und bricht die dann in Deutschland aus, gibt's Faschismus.

Micha Brumlik dürfte von daher (nicht nur) für Möller eher ein Brechmittel als ein Diskussionpartner sein. Als professorierter Pädagoge kann eben er nicht anders: Wenn Staaten, die in den zivilisatorischen Kinderschuhen stecken, nicht so wollen, wie die mindestens eine Zivilisationsstufe höherstehenden, dann müssen sie halt von diesen bestraft werden. Vor diesem Erziehungsauftrag darf das "neue Deutschland"nicht kneifen. So wie die Karten weltpolitisch nun mal angemischt sind, ist "unser Vaterland" leider gezwungen, "eine gleichsam neokolonialistische Außenpolitik zu entwickeln und durchzusetzen". Strafende Väter haben es wahrlich nicht leicht - besonders dann, wenn sie nur vorgeführt werden, um selber abgestraft zu werden.

Claudia Pinl könnte hier für ihr Anliegen vielleicht einen Anknüpfungspunkt in der Debatte finden. Scheint die Behandlung der "Frauenfrage" durch die Kongreßausrichter wiedermal das Vorurteil zu bestätigen, was Frauen gemeinhin gegenüber Linken (zu recht) hatten und haben: Die Behandlung als Nebenwiderspruch. Daß Frauenpolitikerinnen von Haus aus keine Sozialistinnen sind, mag Frau Pini nicht gut finden; aber liegt sie nicht mehr als schief, wenn sie den Kampf gegen das Patriarchat nur dann akzeptieren kann, wenn er als soziale Frage jenseits der "Geschlechterdifferenz" geführt wird?

Robert Kurz hat sich in der Krisis 12 fundamental wertkritisch zur "Frauenfrage" geäußert. Die langatmig entwickelte Anwort lautete kurz (und der Name des Autors, soll hier nicht Botschaft sein): Die Frau ist der Gebrauchswert. Für den Was-tun-Kongreß hat sich Robert jedoch auf was anderes vorbereitet (Schade Claudia). Die Weltlage. Damit verfehlt er zwar den Kongreßauftrag, doch die Basistheorie (Kapital Band I, l. Kapitel, die Ware) reicht dafür alle mal (Warum? Siehe dazu MK 4). In erfrischender Sprache wird zunächst mal der Linken eins ideologisch übergebraten. Statt nämlich "die Frage der Aufhebung der Ware-Geld-Beziehungen" zum Gegenstand des linksradikalen theoretischen Diskurses zu machen, welcher durch die Entwicklung des Kapitalismus objektiv auf der Tagesordnung stünde, verharre mensch in "warenförmiger Opposition". Zur Erkennung solcher Tatsachen sei halt nur die Nürnberger fundamentale Wertkritik in der Lage, die habe nämlich in Gestalt des Autors entdeckt, daß die neue Produktivkraftentwicklung der 80er Jahre die "Binnenräume" der alten Nationen zerstört und den "kapitalistischen Nationalinteressen" die Grundlage entzogen habe. Entstanden sei nicht ein alles integrierender Weltkapitalismus, sondern ein "Fleckenteppich von Gewinner- und Verlierersegmenten". Dies beinhalte die Abkoppelung von "Individuen, Unternehmen, Regionen, Ländern und ganzen Erdteilen" vom kapitalistischen Weltmarkt. Diese Veränderungen sollen nun angeblich direkt aus der "Schrumpfung und globalen Streuung der produktiven Basis und der Märkte für Waren, Arbeitskraß und Geldkapital" entspringen. Vielleicht kann ihm während des Kongresses einer der anderen Referenten mal das Geheimnis dieses vermeindlichen Kausalzusammenhangs entlocken. Bischoff jedenfalls steht dafür nicht zur Verfügung (siehe oben).

Jan Reemtsma dürfte für diese knifflige Frage auch nicht der richtige Adressat sein. Raissoniert er ausschließlich darüber, warum in der SU die "bürokratische Macht" zerfiel und dennoch ihre ökonomische und politische Macht in den "Kanzleien verblieb". So werden die geschundenen linken Gemüter zum meditativen Relaxen eingeladen - am Kaminfeuer geschichtsphilosophischer Nostalgie zur Erholung von den Frösten der neugewonnenen Denkfreiheiten. Schade, daß die in Hamburg auftretende Linke nur ein Interesse an der "Gemütslage" der Bevölkerung im allgemeinen und nicht an der eigenen hat.

Hermann L. Gremlitza ist so ein Gemütslagenspezialist. Doch er beschreibt bild- und sprunghaft den deutschen Sozialcharakter und verpaßt dieser Beschreibung (und sich) die höheren theoretischen Weihen durch Berufung auf Marx und Elias. Warum eine Sache so hoch hängen, die als literarischer Versuch einer allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Schreiben ganz passabel gewesen wäre? Sollte dies etwa seine Ursache darin haben, daß das "Subjekt" Gremlitza "Ausdruck der Wertform" der Zeitschrift konkret ist? Nähere Auskünfte erteilt sicherlich der Wertformspezialist Bruhn.

Jürgen Elsässer geht es dagegen sicherlich nicht vornehmlich um Verwertungsinteressen, wenn er sich zu seinem Buch interviewen läßt. Seine Botschaft lautet knapp und hart: "Die linke Politik hat es kider nie verstanden, der Manschen Analyse des Kapitals zu folgen, und wirklich die mehrwertschaffende Arbeit und den Doppelcharakter der Ware ins Zentrum ihrer Kritik an den Verhältnissen zu stellen." Ob Unkenntnis oder wohlwollende Ignoranz gegenüber der Geschichte der Arbeiterinnenbewegung beim Autor Pate standen, sei mal dahin gestellt. Tatsache ist, daß gerade die theoretische Ausrichtung des Arbeiterbewegungsmarxismus auf den Mehrwert und das daraus abgeleitete schiefe Verständnis des Doppelcharakters der Ware signifikant waren. Daß Elsässer auf dem Kongreß in diesem Sinne zurecht gewiesen wird, steht kaum zu befürchten.

Karl Held dürfte der letzte sein, der sich mit solchen historischen Fragen befassen wird. Wenngleich er sich angesichts einiger Statements, die durch konkret schon vor dem Kongreß einen gewissen Bekanntheitsgrad hatten, "radikal enttäuscht" fühlt. Jahr um Jahr ist er nun bemüht, der BRD-Linken und allen anderen, die seiner ehemaligen MG-Truppe begegneten, die Sache mit dem Staat klar zu machen. Doch irgendwie fruchtet's nicht. Schade, daß es die MG nicht mehr gibt, denn dann hätte mensch sich seinetwegen nicht die "konkret-extra" kaufen müssen, sondern sein Artikel wäre als Flugi im Uni-Seminar verteilt worden und dank seiner Anhänger wochenlang Thema gewesen. Nun muß er sich selber zum Kongreß bemühen, um dort den vielen "linken Rassisten" den Spiegel ihrer Unwissenheit vorzuhalten. Doch der Altmeister der genuinen Marxinterpretation wird es schwer haben, trifft er dort auf solche Spezis, die wie er zutiefst von der Richtigkeit ihrer Position überzeugt sind. Er dürfte wie diese nicht dazu prädestiniert sein, den selbstverschuldeten Autismus des linken Diskurses zu durchbrechen. Eher ist mit kabarettistischen Einlagen zu rechnen.

Also doch Grund genug nach Hamburg zu fahren? Immerhin wird mensch alte Freunde wiedersehen können, an der einen oder anderen Kungelei teilhaben, manchmal den Altvorderen lauschen, selbst wenn die wieder Dönekes erzählen, die mensch eh schon kennt. Bleibt noch zu vermerken, daß Ingrid, Wiglaf, Fritz, Wolfgang, Thomas, Freek, Winfried, Karl-Heinz, etliche andere und sogar unsere Freunde von der PDS beim HAMBURGER Treffen dabei sein werden - gleichsam als ideologische Sättigungsbeilage für den Menüplan im linken Erlebnismileu.

Dialog im Vorfeld

Prädikat: besonders ärgerlich

FSK zugelassen ab Eriebnisfahrgang 1968

Als einzige, die sich im Vorfeld des Kongreß einen Dialog versuchten aufzubauen (Fortsetzung, Samstag, 15.00 Uhr), ist die Gruppe lupus mit ihrer Entgegnung zu Joachim Bruhn - Psychologie der Charaktermasken - zu nennen.

Bruhn - bekanntermaßen der Thomaskantor der Adornogemeinde des südwestdeutschen Raums - sprach, und hat somit gedeutet: Die gar nicht schwierige Ableitung des Rassismus aus den -zur Freude der Gemeindemitgliedern stark gekürtzen - Quellen texten. Dabei hält sich Bruhn an die Worte des Meisters aus einem Aufsatz, dessen Titel in Leuftchrift über dem Konkret-Kongreß prangen könnte -Meinung Wahn Gesellschaft. Darin sagt Adorno: "Gibt es kein richtiges Leben im falschen, so kann es eigentlich auch kein richtiges Bewußtsein darin geben. Nur real, nicht durch die intellektuelle Berichtigung allein wäre über die falsche Meinung hinauszukommen." Dies zu beweisen, bemüht sich Bruhn redlich. Mit Gedankenverbindungen und Begriffskonstrukte von zentrau-rusartiger Struktur belegt er, wie wenig allein intellektuelle Bemühung hinlangt, um dem alltäglichen Faschismus etwas entgegen zu setzten. Schon beim Titel ist die Bemühung von Erfolg gekrönt, ist doch die 'Charaktermaske' gerade jener Anteil des Menschen, bei dem jede Psychologie mangels Psyche erfolglos ist. Weiter geht es im Takt der assoziativen Fortschritte des unrichtigen Bewußtseins mit der Feststellung: es gehe den Menschen wie den Waren; sie und vor allem ihre Wertform ("Das Subjekt ist die Wertform des Individuums. ") konstituieren sich in der analogen Form des Tausches. Darin sei die Besonderung der Un- und Übermenschen strukturell schon angelegt. Nach der Verwertformung des Menschen braucht unser Kirchenoberhaupt nur noch wenige begriffliche Schöpfungsakte, um die unmittelbare Ableitung der Rassismus aus den Tausch- und Wertformen zu ziehen. "Ab Subjekte sind die Individuen gleich. aber das Maß ihrer Vergkichung liegt außer ihnen, im kapitalistischen Souverän^!]. Sie tun, was sie nicht sind, aber sie sind es, indem sie es tun; ein logisches Paradox, das trotzdem, gleichwohl und gerade deshalb funktioniert. Das Subjekt ist eine "verrückte Form" (Marx). " Jetzt braucht es nur noch ein "Subjekt der Menschenrechte", das, wie zu erwarten, "daher strukturell rassistisch und fundamental antisemitisch" sei und die Begründung für einen theoretischen Willkürakt höchster Ordung ist gelegt: "Der freie und gleiche Tausch stiftet die ßxe Idee des Parasiten als notwenig fahches Bewußtsein seiner selbst (des Tausches?) ..." und "Der Parasit ist die einzige Form, in der den Warenbesitzem das Kapital ah 'automatisches Subjekt" bewußt werden kann." Hiermit hätte Bruhn die Trinitarische Formel zugunsten der unmittelbaren Ableitung des Rassismus aus dem Tauschverhältnis radikal widerlegt!

Der Gerechtigkeit halber sei aber auch erwähnt, welche Intention unser badensischer Gemeindevorstand verfolgt: die Widerlegung der 'heretischen' sozialpädogischen Ansicht, Rassismus sei eine mißglückte Widerstands- und Kritikform an der bürgerlich, kapitalistischen Gesellschaft (Heitmeyer, Haug, Osterkamp u.a.). Bruhns Absicht ist es also, den Rassismus nicht als Phänomen oberflächlicher Konflikte zu verorten, sondern aus der Kernstruktur der bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft zu entwickeln. In seiner oberflächlich kurzschlüssigen Art, den Kapitalismus mittels der ersten drei bis vier Kapitel der Kapitals (erster Band) zu enthüllen, produziert Bruhn aber nicht nur die Außerkraftsetzung des Fetischcharakters des Kapitals sondern dazu noch unsinnigerweise eine zweite Fetischebene: die der individuellen Subjekte, die sich nur mittels ihrer Wertförmigkeit anerkennen - als ob sich die Menschen erst über irgendwelche rechtlichen oder ökonomischen 'Förmigkeiten' ihrer selbst vergesellschaften können. Ist es demnächst zu erwarten, daß Bruhn (wieder mal in Beweisnot geraten) verkündet, daß die Waren die Menschen als Dinge verstehen, deren Werthaftigkeit ihnen aber nicht durch ihren Produktcharakter spndern mittels ihrer Menschenförmigkeit zukommt?

Bei aller Mühe, die sich die Gruppe lupus mit der Entgegnung zu Bruhns Text gemacht haben mag - als Theoretiker ist lupus ziemlich zahnlos. "Daß der Mensch das Maß aller Dinge nur sein kann, indem er Unmensch und Obermensch ab Erbfeind definiert" (Bruhn) ist nun gerade keine 'präzise Schlußfolgerung'. Als Maß aller Dinge ist der Mensch gerade nicht Maß des Menschen - aber um solche und andere Feinheiten geht es der lupus-Gruppe leider nicht. In Wirklichkeit geht es ihe um die Frage: Klare Gegnerschaft gegenüber den Rassisten oder aber Bemühung um Verständnis der Genese des Rassismussyndrom. Und die Antwort ist klar: Bevor man sich in die Gefahr begibt, zwischen Verstand herstellen und Verstädnis entwickeln nicht mehr scheiden zu können, wird die scheinbar radikale Antwort vorgezogen. Damit dies ohne Belastung des Selbstanspruchs nach Analyse geht, wird den 'sozialpädagogischen' Ansätzen unterstellt, sie lösen den Täter aus dem Tatzusammenhang, indem sie diese in abstrakten Bezugsystemen zu Opfern machen. Damit ist auch die Metafrage beantwortet, die nachgeschoben wird: "Wie entgeht man den zahlreichen Fallen des Antrassismus?" Ganz einfach, indem Widersprüche ausgeklammert werden.

Was hat sich die Konkretredaktion dabei gedacht, die Kritik an Bruhn in ihrem Kongreßspeiseplan einer Gruppe zu überlassen, die doch eher praxisbezogen antirassistische Arbeit leistet als sich theorieimmanent zu verausgaben? Im günstigsten Fall ist die Antwort darauf. Nichts.

Wohlwollen gegenüber der Konkretredaktion ist aber bei einem Dialog ganz anderer Art erschöpft - entstanden um das angekündigte Thema 'Die deutsche Frauenbewegung - ein etwas anderer BDM?

Alles ist ganz harmlos, diese Formulierung und die Frauenbewegung - das weiß man(n) ja - völlig humorlos, aber:

Ist es denn verwunderlich, wenn Frauen 'etwas' gereizt reagieren, wenn das einzige Thema der linkssubkulturellen Selbstkritik auf die Frauenbewegungt abzielt? Warum gibt es keine Veranstaltung mit dem Titel: 'Die (deutsch) Linke nach 1989 - ein benebelter Machostammtisch unter der Fuchtel narzistischer Rädelsführer?' (man(n) achte auf das Fragezeichen!) Und welcher/wem verginge nicht der Humor, werden solche paradoxen Vergleiche (vor allem beliebt bei Pohrt oder Gremliza), die aufs Dritte Reich zielen, aus der Konkretredaktion vorgenommen. Konkretleserinnen wissen aus Erfahrung, daß mit dieser Methode jede politische Schamgrenze hemmungslos überwunden werden kann. Hier hat der Spaß an Paradoxien sein Ende gefunden.