Editorial




Gotham City und die Zukunft des öffentlichen Raumes
*

Nichts neues in den Städten?
Nichts neues in den Städten!

von Tobias Ebbrecht und Timo Reinfrank

Als im Juni 1997 die Innenstadt-Aktionswoche zuende ging, war nicht zu sagen, ob man mit dem Gewesenen zufrieden sein sollte, oder enttäuscht. Schon vorher war klar, daß die Aktionswoche nicht mit einem bestimmten Ereignis, einer konkreten "Veränderung" abschließen würde. Das, wofür die Woche stehen sollte: Widerstand gegen Umstrukturierung, Ausgrenzung und Vertreibung, wird auch nach dem Sommer 1997 noch nötig bleiben. Deshalb soll unser Innen.Stadt.Politik-Reader weniger ein Blick zurück, als nach vorn sein.

Wir versuchen mit dieser Textsammlung die unterschiedlichen Bestandteile des Themas "Innenstädte" zusammenzubringen: Theoretische Auseinandersetzung, Austausch, Berichte und Aktionen. Natürlich repräsentiert das, was wir hier veröffentlichen nur einen Teil jener Gruppen und Aktiven, die die Innenstadtaktionswochen getragen haben. So fehlt beispielsweise ein Blick über den nationalen Tellerrand völlig. Natürlich ist die Entwicklung, die wir in den Städten beobachten kein spezifisch deutsches Problem. Nicht nur, daß zur theoretischen Aufarbeitung des Komplexes das Buch "City of Quarz" des US-Soziologen Mike Davis noch immer ein Standardwerk ist und die Entwicklung in US-Amerikanischen Städten maßgeblich für die Thematisierung von Stadtpolitik war, auch im europäischen Ausland gab es schon vor einiger Zeit Zusammenhänge, die gegen die Veränderung in den Städten vorgehen wollten. In Zürich und Wien gibt es aktive Gruppen und Einzelpersonen, die europaweit die Aktionen (mit-) koordinieren. In Großbritannien wurde schon vor einiger Zeit mit dem Versuch, über illegale Partys öffentliche Räume zurückzugewinnen gehandelt.

Seine Attraktivität gewinnt der Komplex vor allem wegen seiner thematischen Vielschichtigkeit. In der Stadt kristallisieren sich die verschiedensten Formen der Herrschaftspraxen heraus. Die besondere Betroffenheit von Frauen im Öffentlichen Raum, kommt in dieser Sammlung nur am Rande im Artikel "Mythos öffentlicher Raum" vor.

Eigentlich ist das, was in den Städten passiert, keine überaus neue Angelegenheit. Die Innenstädte waren schon immer herrschaftsförmig ausgerichtet und auf Kapitalverwertung orientiert. Auch die Versuche ungewünschte Gruppen aus den Städten fernzuhalten entpuppt sich nicht als besondere Neuerung. Das repressive Vorgehen gegen MigrantInnen oder Junkies ist dabei genausowenig ein Phänomen der 90er Jahre, wie die Anfeindungen gegen BettlerInnen, Obdachlose und Berber. Auch das, was sich gegen diese Tendenzen formiert ist nicht großartig verschieden von traditioneller Anti-Repressionspolitik. Was das Thema vor allem brisant macht ist die Offenheit, mit der sich in den letzten Jahren ein rassistischer, sexistischer, nationalistische und ausgrenzender Sicherheitsdiskurs etabliert hat, der sich durch die gesamte gesellschaftliche Öffentlichkeit von Politik über Medien bis zum Stammtisch zieht. Auch an einzelnen Ausprägungsformen hat sich einiges geändert. Die Sorge für die Ordnung wird genauso privatisert, wie die zu ordnenden Räume selbst. Private Sicherheitsdienste sind heute nicht mehr aus dem Stadtbild wegzudenken. In den 80ern kannte sie noch kaum jemand. Die repressive Drogenpolitik richtet sich heute nicht mehr in erster Linie gegen die KonsumentInnen, sondern hat mit dem Dealer ein neues - viel besseres - Feindbild ausgemacht. Auch Linke und Alternative finden sich hier in das Kollektiv der guten StaatsbürgerInnen mit ein.

Die deutlichste Veränderung vollzog sich aber in der Bewegung selbst. Während früher zuforderst Bürgerrechtsgruppen und GrundrechtskämpferInnen das Gros der Aktivitäten gegen Repression bestritt, bzw. Anti-rassitische Gruppen Rassismus als abgelösten Teilbereich behandelten, ist die Bewegung heute "hipper" geworden. Das lockere Innenstadt-Aktions-Bündnis wird zu einem nicht geringen Teil von kulturellen Gruppen und Zusammenhängen mit künstlerischem Anspruch getragen. Neue Elemente, wie die Party als Element der politischen Agitation sind Kinder dieser Entwicklung und lehren das gezielte Stören der Rezeptionsgewohnheiten und der "Kulturellen Grammatik". Andere sprechen lediglich von "besserer Vermarktung" und Verlust an theoretischer Reflektion.