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London, Oktober 96.
B&B beherrscht die A­Szene.

Bücher & Besetzungen.

Am 19. Oktober fand die jährliche anarchistische Buchmesse am Red Lion Square statt, mit Austeller-Innen aus ganz Großbritannien. In mehreren Räumen tummelten sich über 50 A­VerlegerInnen und Gruppierungen, darunter so illustre Namen wie Freedom, Blackflag, Classwar und Direct Action Movement. Französische Situanionisten waren genauso vertreten wie kurdische Anarchisten.

Der Besucherandrang war riesig, teilweise war kein Vorrankommen mehr, schon gar nicht am "Ohne Mampf, kein Kampf"-Essenstisch. Hatte mensch endlich seinen Tofuburger ergattert und alle Stände abgegrast, waren da immer noch die LeserInnentreffen diverser Zeitschriften, die mensch besuchen konnte. Besonders hervor tat sich die neugegründete "Anti Election Aliance" (Anti­Wahl Bündnis), die tausende Wahlboykottaufkleber in die Menge warf. Scheint gewirkt zu haben, denn schon eine Woche später klebte an mindestens jedem fünften Londoner Lichtmast einer dieser rosa Kleber. Was macht es da schon, daß die Aufkleber mehrheitlich so sinnvolle Aussagen tragen, wie "John Major, fick Dich ins Knie! Wahlen sind für'n Arsch!"? Viel Werbung wurde gemacht für einen Boykott der neu eingeführten "Job Seekers Allowance" (Zwangsarbeit' für Arbeitslose, die sich nicht genug um einen Job bemühen') und Schlupflöcher für Arbeitslosengeldempfänger wurden breitest publik gemacht. Ansonsten war's ein Riesenspaß und eine gute Gelegenheit alte Kontakte zu erneuern oder neue zu knüpfen. Polizei ließ sich den ganzen Tag keine Blicken, außer ein paar Politessen, die Strafzettel verteilten.

Einen Tag vorher waren die Herren dafuer gut dabei. London's größte Freiluftbesetzung wurde nach ca. fünf Monaten geräumt. "Pure Genius" (s.zurückliegende A­Kuriere) an der Themse hatte sich über den Sommer zu einem richtigen kleinen Dorf mit über 100 ständigen BewohnerInnen entwickelt. Die Permakultur­Gärten wuchsen prächtig, ein Windrad lieferte ein bißchen Strom und die offene Küche hatte eine einmalige Lagerfeuerromantik. Nicht so für die Herren von "Guiness" und den Behörden, die das Areal am 18. Oktober von privaten Sicherheitstrupps räumen liessen (die Polizei hält sich hier bei sowas weitgehend raus und beobachtet bloß). Was sich in den vergangenen Monaten zu einem Treffpunkt für die BewohnerInnen des mit Grünflächen nur spärlich gesegneten Stadtteils entwickelt hatte, ist jetzt wieder Brachland. Zertrampelte Kräuterbeete und einige schiefe Hütten zeugen von besseren Tagen, an denen sich teilweise bis zu 500 Leute in "Pure Genius" befanden.

Eigentumswohnungen und ein Supermarkt sollen in unmittelbarer Flussnähe aus dem Boden wachsen. Noch Fragen...?

GUINNESS­Bier ist damit ja wohl out!

Derweilen drüben in Brixton, im 121 Infoladen, hat sich eine Art BesetzerInnen­Kaffeekränzchen gegründet. Mensch trifft sich Samstag­ oder Sonntagnachmittag zum Teetrinken und Pfannekuchenessen (lecker!). Der Laden selber braucht ein neues Dach, Geld und Leute die sich mit Dächern auskennen. @dresse: 121 Infoshop, 121 Railton Road, Brixton, London, U.K.

Zwei kleine Anekdoten zum Schluß: Zwei Labour-Abgeordnete stehen gerade vor Gericht, weil sie zusammen mit anderen DemonstrantInnen gegen den Kohleabbau über Tage protestiert haben und dabei den Garten des stellvertretenden Ministerpräsidenten (einem vehementen Befürworter dieses Landraubs) mittels Schaufeln und Baggern in eine Kohlegrube verwandelten.

Von einem anderen Gericht wurde eine 60­jährige Kaufhausangestellte freigesprochen. Die Verkäuferin hatte vorher in ihrer Abteilung einen Papierkorb in Brand gesetzt und damit ein Großfeuer entfacht. Ca. 3 Mio. DM Schaden. Ihre Begründung war so einleuchtend, daß der Richter nicht umhin kam, sie freizusprechen. Sie sagte, daß sie es satt hatte, ständig für ekligreiche KundInnen zu lächeln und freundlich zu sein und außerdem sei ihr Chef immer furchtbar unfreundlich.

mARTin


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