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Ken Loachs "Land and Freedom" und die verletzten Gefühle einiger Spanienkämpfer

von Hippolyte Svoboda

Als wir an einem schönen Juli-Sonntag pünktlich ins Haus der IG Medien kamen, um den Film "Land and Freedom" von Ken Loach zu sehen, konnten wir nicht ahnen, daß uns ein langer Nachmittag bevorsteht. Jedoch waren daran nicht in erster Linie die weit aushol enden Beiträge von Fritz Teppich und einem weiteren ehemaligen Spanienkämpfer, dessen Namen ich mir leider nicht gemerkt habe, schuld, sondern diverse technische Schwierigkeiten. Zum einen mußten die sechs Filmrollen in einem nahe gelegenen Kino erst zurüc kgespult werden, weil das entsprechende Gerät nicht vor Ort verfügbar war. Des weiteren wurde auch das Vorführen des Filmes auf den vorhandenen Geräten, die fünfzig Jahre alt waren (bei der IG Medien!) zum Abenteuer, da diese den Film des öfteren völlig ve rheddert ausspiehen. Soviel zu den äußeren Bedingungen.

Schon bevor ich also - als relativ von der Materie und ihren Zusammenhängen unbeleckte, damit aber auch unbelastete Zuschauerin - mir durch den Film einen Eindruck verschaffen konnte, wurde mir von Fritz Teppich und seinem Freund nahegebracht, wie die Vora ussetzungen für die Revolution und die Bedrohung des Faschismus in Spanien 1936-39 und ganz allgemein in Europa aussahen. Sie entwarfen ein Bild von sich als jungen Männern, die damals enthusiastische Kommunisten bzw. Sozialisten waren und - vor allem sens ibilisiert durch den Hitler-Faschismus im eigenen Land - sehr schnell erkannten, daß die Faschisten in Spanien geschlagen werden mußten, damit nicht über ganz Europa eine braune Welle von Gewalt, Terror und Unfreiheit schwappen konnte. Zusammen mit etliche n weiteren Tausenden von begeisterten Freiwilligen aus anderen Ländern eilten sie dem spanischen Volk, das - im Gegensatz zu Franco und seiner Truppe - militärisch absolut lausig ausgerüstet war, zu Hilfe. Auf dem Weg dorthin waren sie diversen Schikanen, z.B. an der französisch-spanischen Grenze, ausgesetzt. Letzten Endes kämpften sie jedoch in teilweise sehr hohen militärischen Positionen Seite an Seite mit den spanischen Menschen, deren Mut, Entschlossenheit und Zusammenhalt sie nachhaltig beeindruckte. Sie erwähnten wohl, daß es neben den Internationalen Brigaden, die ab einem bestimmten Zeitpunkt von Rußland logistisch, finanziell und militärisch unterstützt wurden, noch u.a. der POUM (kleine marxistische Partei) nahestehende freie Milizen gab, spielten deren Bedeutung jedoch herunter. Eigentlich dachte Fritz Teppich den anarchistischen KämpferInnen nur eine wesentliche Rolle zu, nämlich durch den von ihm und anderen so genannten Putsch in Barcelona im Mai 1937 den kämpfenden Brigaden an der Front in den Rücken gefallen zu sein und so in letzter Konsequenz den Sieg Francos ermöglicht zu haben.

Mir, die ich nicht in die Diskussion um den Spanischen Bürgerkrieg involviert bin und die auch aktuell nicht in politischen Zusammenhängen arbeitet, sind vor allem drei Dinge aufgestoßen.

1. Es schien sich bei den ehemaligen Spanienkämpfern auch 60 Jahre nach dem Geschehen ein sehr fest verwurzeltes Feindbild zu halten, das sie zu der Schwarz-Weiß-Malerei veranlaßte: hie die guten kommunistischen Internationalen Brigadisten, die an der Seit e des spanischen Volks ihr Bestes gaben, um die Faschisten zurückzudrängen - dort die bösen AnarchistInnen, die ihre Ideen von der Kollektivierung von Grund und Boden mit Zwang bei der Landbevölkerung durchsetzten und, als sie merkten, daß sie nicht durchk amen, einen Putsch in Barcelona anzettelten und somit die antifaschistischen Kräfte spalteten, anstatt sie gegen Franco zu bündeln.

Fritz Teppich aktualisierte diese seine Sicht der Dinge, indem er meinte, auch heute sei angesichts des drohenden Sozialabbaus und des Rückfalls in tiefsten Kapitalismus vor allem eine Bündelung aller gesellschaftlichen Gegenkräfte nötig, ob das nun Studen ten oder Arbeiter oder Rentnerinnen seien. Die Differenzen seien da nicht so wichtig wie das gemeinsame "Weg mit ..."

2. Direkt verbunden mit dem ersten Punkt hatte ich den Eindruck, daß hier - analog zu der bekannten 'Dolchstoßlegende' , die zugegebenermaßen von reaktionären Kräften nach dem 1.Weltkrieg geschürt wuirde und zu einem Sargnagel für die Weimarer Republik wur de - eine andere, linke Legende konstruiert wird, nach dem Motto: die Anarchisten sind uns in den Rücken gefallen. Diese dient dazu, die oben beschriebenen Feindbilder und Schwarz-Weiß-Gemälde aufrechtzuerhalten. (Um Mißverständnissen vorzubeugen: ich will hier nicht Fritz Teppich und die Vertreter seiner These gleichstellen mit den rechten Propagandisten der 'Dolchstoßlegende'.)

3. Gerade bei der Rede des Freundes von Fritz Teppich, der, ebenfalls Kommunist, jedoch nicht in allem mit diesem übereinstimmte, hatte ich gehofft, ein bißchen mehr zu erfahren, zumal dieser meinte, er wolle gerade den heute jungen Menschen versuchen, ver ständlich zu machen, warum sie damals so begeistert in diesen Verteidigungskrieg zogen. Leider löste er sein Versprechen nicht ein. Im Gegenteil: statt Verständnis stellte sich bei mir teilweise ein ähnlicher Eindruck ein, wie ich ihn schon zuvor in Gesprä chen mit ehemaligen Teilnehmern des 2.Weltkriegs hatte. Mir wurde übel, wenn ich es in ihren Augen leuchten sah, als sie sich erinnerten an die großartige Gemeinschaft unter den Soldaten, den Mut, die Ausdauer und Kampfesstärke, das zusammenschweißende "Wi r gegen die anderen", an das Abenteuerhafte, Männliche des Krieges. Ich möchte die kommunistischen und anderen Spanienkämpfer nicht in einen Topf schmeißen mit deutschen Soldaten in Hitlers Eroberungskrieg. Sicherlich bin ich auch etwas einseitig. Aber was mir wirklich imponiert hätte, wäre, wenn einer gesagt hätte: "Ja, wir sind damals mit viel Enthusiasmus, mit der politisch richtigen Überzeugung und einem guten Teil Abenteuerlust in den Krieg gezogen, und viele mußten Qualitäten zeigen oder entwickeln, d ie im zivilen Leben so nicht eingefordert werden. Aber letzten Endes war es ein schreckliches Gemetzel. Es sind zu viele gestorben, lebenslang verkrüppelt; wir haben schmählich verloren und dabei auch teilweise unsere Ideale eingebüßt. Im Krieg herrschen d ie unmenschlichsten und widernatürlichsten Gesetze, und das einzige, was ich euch auf den Weg geben kann, ist: sorgt dafür, daß es nie wieder Krieg gibt." Ein solches von Distanz zum und Reflexion des Erlebten zeugendes Statement hätte mir Respekt abgenöti gt. Aber sie wollten eben über die Schuldfrage reden, was ja auch nicht uninteressant ist, womit wir endlich beim Film angelangt wären. Da mir versichert wurde, daß ich dessen Inhalt als bekannt voraussetzen kann bei den LeserInnen dieser Zeitschrift, möch te ich nur hervorheben, was ich besonders gelungen und eher mißlungen fand. Den Konflikt zwischen AnarchistInnen und KommunistInnen auch innerhalb eine Person (Dave) zu verlegen, ist zum einen recht realistisch (s. dazu auch George Orwells „Mein Katalonien ") und zum anderen ein gutes Mittel, um die Gefühle und Motive der KämpferInnen und innere Entwicklungen darzustellen. Eine der stärksten Szenen des Films fand ich, als sich, nachdem Daves Brigade ein Dorf frei gekämpft hat, die DorfbewohnerInnen in einem Saal versammeln, um zu entscheiden, ob ihr Land kollektiviert wird oder nicht. Hier wird auf fatale Weise deutlich, daß die SpanierInnen, so sie ihre Revolution wirklich durchsetzen und nicht nur Franco zurückdrängen wollen, nicht mehr mit der Unterstützun g der Weltöffentlichkeit rechnen können. Als am Ende des Films die POUM-Miliz durch Regierungseinheiten aufgelöst und Daves Geliebte Blanca erschossen wird, drückt diese melodramatische Szene, die Loach auch noch 'slow motion' dreht, mir etwas zu reichlich auf die Tränendrüse. Solche Erschießung ebenso wie die Kämpfe zwischen Anarchisten und Kommunisten im Anschluß an den "Putsch" jedoch als historische Lüge hinzustellen, wie der Ex-Generalstabs-Offizier Fritz Teppich es nach dem Film tat, zeugt, denke ich, schon von verletzten Gefühlen, verletztem Stolz und dem Unwillen, sich mit einer anderen Meinung als der eigenen auseinanderzusetzen. Es bleibt mir noch, zuzufügen, daß mein Begleiter versuchte, die Grundaussage des Films durch Beispiele zu belegen. Als e r jedoch erzählte, daß die kommunistische Brigade Lister im Hinterland Spaniens herumgefahren sei und dort anarchistische Kollektive aufgelöst und Mitglieder liquidiert hätte, die Kommunisten also nicht nur hehre Kämpfer gegen den Faschismus gewesen seien, zieh ihn ein später angekommener Spanienkämpfer, nach eigener Aussage persönlicher Freund von Lister, ebenfalls der Lüge und zudem billiger Rhetorik und Propaganda.

Fazit: für kritische Stimmen war an diesem Tag in diesem Raum wenig Platz.


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