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Der Stand der Dinge: Informationen zu den Verfolgungen wegen Interim

Was lange währt, wird endlich... Nachdem es in den letzten Monaten immer wieder Anfragen der geneigten LeserInnenschaft unseres Vereinsblättchens gab, wie der Stand des Verfahrens nach den Hausdurchsuchungen im Juni sei, mit welchen Methoden die Staatsmacht vorgegangen ist .und so weiter, hier also unser erster Zwischenstandsbericht zu den Ermittlungen in Sachen Interim. Um einen wenn auch unregelmäßigen Informationsfluß zu gewährleisten, hat sich in den letzten Wochen eine Gruppe von Menschen zusammengefunden, die versuchen wird, Euch bin und wieder über den Stand der Dinge in Kenntnis zu setzen.

Zusammengefaßt noch einmal die großenteils schon bekannten Fakten zum Ablauf des 12. Juni 1997. An diesem Tage wurden im Zuge einer aufwendigen Überwachungsnaktion neun Objekte gerazzt und gegen zwölf Personen ermittelt, die eines Vergehens nach § 140 in Verbindung mit (§ 126, 311, 315, 316 StGB verdächtigt werden (Belohnung und Billigung von Straftaten). Der Vorwurf lautet als „Verantwortliche(r) für die redaktionelle Zusammenstellung, Herstellung, den Druck, sowie den Vertrieb der Zeitschrift ,interim“ in mindestens drei Fallen durch den Abdruck anonymer Bekenner- bzw. Bezichtigungsschreiben zu Brandanschlägen auf Pkw, sowie Eingriffen in den Schienenverkehr Straftaten gebilligt zu haben.“ Durchsucht wurden zum Teil Meldeadressen, aber auch die tatsächlichen Wohnorte der Beschuldigten, sowie zwei Hausprojekte und eine Druckerei. Das Schwergewicht lag offenbar auf der Yorckstr. 59. Hier wurde das gesamte Wohnprojekt auf den Kopf gestellt und auch noch vermessen. Die dort vermuteten Redaktiosräume sollten gefunden werden

und so findet man sich auch beim nächsten Besuch auch besser zurecht. Von den zwölf Personen wurden acht angetroffen, die am Platz der Luftbrücke beim Staatsschutz ED-mißhandelt wurden. Die Verhörversuche zogen sich nur kurze Zeit bin, da auch von Bullenseite keine Erwartungen auf Aussagen bestanden. Die vier nicht angetroffenen Personen wurden im Nachhinein nicht weiter behelligt, erhielten keine Vorladungen ader ähnliches. Mit der Durchsuchung sollten nach offizieller Darstellung Druckvorlagen, Photos und Redaktionsunterlagen aufgespürt werden. So wurden in der Neuköllner Pannierstr. folgende Gegenstände beschlagnahmt: - Vier Sacke mit Interim Nr. 424, insgesamt ca. 750 Stück - Redaktioneller Entwurf der Interim Nr. 424 - Deckblätter und ungeheftete Seiten aus , der Zusammentragemaschine - ein Gummituch aus Druckmaschine Rotaprint R 30 SK - Montagefolien - eine Glasplatte aus Plattenkopiergerät - ein Karton mit Druckabfällen - zwei Drahthefteinrichtungen aus Zusammentragemaschine - ein Aktenordner mit Folien und mehreren Blatt Adressenmaterial - eine Schreibmaschine - ein Bildausriß von Herrn Schönbohm In den anderen Objekten wurden vor allem Computer, Disketten etc., Ausgaben der Interim, Kalender, Notizzettel usw. mitgenommen. Die Computer konnten inzwischen teilweise von den Eigentümerinnen wieder abgeholt werden, allerdings erst nachdem Kopien von den Festplatten gefertigt wurden. Dabei wurden auch gelöschte Dateien wiederhergestellt. Die personelle und logistische Ausstattung diesbezüglich scheint bei den Bullen (noch) recht mäßig zu sein. Die beiden Fachleute verfugen aber über gute Kenntnisse. Soweit es beim bisherigen Stand der Dinge zu beurteilen ist, haben die Bullen keine spektakulären Funde gemacht, wenn mensch von den Teil der Ausgabe und den Adressenlisten der BezieherInnen, die in der Druckerei beschlagnahmt wurden, absieht.

Inzwischen gab es die Möglichkeit der Akteneinsicht. Aus dieser geht einiges hervor über Umfang und Art der Arbeit, die sich die pigs im Vorfeld gemacht haben. Die Ermittlungen begannen demnach 1995, zunächst in Richtung ) 129a. Allerdings wurde das dann nach Weisung aus Karlsruhe auf ) 140 hinuntergestuft. Es scheint so, als lage der Anfang beim VS. Wie nicht anders zu erwarten, wird über dessen Arbeit in den Akten bis auf ein sogenanntes Behordenzeugnis explizit allerdings nur wenig mitgeteilt. An verschiedenen Stellen taucht der lapidare Hinweis „wie dienstlich bekannt wurde“ auf, was auf diverse Informationsquellen (z.B. VS) verweisen kanu. Die Arbeit des VS reicht auf jeden Fall bis in die Anfangsjahre der Interim zurück Seine Einschätzungen bezüglich des Blattes können auszugsweise auch in der Interim Nr. 425 S.19 nachgelesen werden. Vielleicht anmerkenswert ist, daß sich das alte Konkurrenzverhältnis zwischen VS und polizeilichem Staatsschutz in recht gute Zusammenarbeit gewandelt hat. Wußte bis vor Jahren oft der eine Dienst nicht was der andere ermittelte, so würde der Staatsschutz heute die beschlagnahmten Computer am liebsten von den Kollegen des VS auswerten lassen. Aus den Akten geht hervor, daß sowohl Orte, als auch diverse Personen observiert wurden, denen anscheinend auch hinterhergefahren wurde.

Spätestens seit 1996 war dann auch der Staatsschutz mit von der Partie. Als Ermittler tauchen vor allem die Herren Koch, Kleinhans und Teuchert auf. Koch hatte schon 1995 ein längeres Papier verfaßt, welches durch die Aktenlage der radikal bekannt wurde. Dort läßt er sich unter anderem ausführlich über vermutete militante Gruppen und deren Verbindung

zur Interim aus. Er stellte aber auch selber fest, daß sein Geschiebe nicht für eine offizielle Eröffnung von Verfahren taugt. Sowohl in diesem Papier als auch in den Interim-Akten wird über die Schwierigkeiten lamentiert, über eine Szene zu Erkenntnissen zu gelangen, in der alle, über politische Arbeit hinaus, eng miteinander verstrickt sind. Umgekehrt wird versucht über die Fragen „Wer hat mit welcher was gemacht?“, bzw. „Wer wohnt mit wem?“ auch politische Zusammenhänge herzustellen.

Bei den Observationen waren hauptsächlich Kleinhans, Teuchert und andere tätig, wobei es den Anschein hat, daß keine lückenlosen Observationen durchgeführt wurden, sondern sie eher alle paar Monate bzw. halbe Jahre mal beobachteten. Dann kam es aber vor, daß über mehrere Wochen und an vielen verschiedenen Orten Bullen herumstanden und zwar, wen wundert’s, Mittwochs und Donnerstags. Die cops waren dabei häufig alleine unterwegs und es wurde eher das Risiko in Kauf genommen, Zielpersonen zu verlieren oder einen Ort nicht richtig einsehen zu können (Bäume, Büsche, parkende Autos), als selber aufzufallen. Eine solche eher unübliche Vorgehensweise wird auch dadurch ermöglicht, daß eine Struktur, die jede Woche eine Zeitung herausbringt, ziemlich berechenbar und somit auch angreifbar ist.

Erster Höhepunkt der Ermittlungen war nach eigenen Angaben die Beobachtung der Entsorgung von Druckresten in einem Altpapiercontainer. Überglücklich über die angebliche Möglichkeit nunmehr eine geschlossene Ablaufkette rekonstruieren zu können, wurde gleich der gesamte Container von der eigens herangeholten BSR in einer ungemein geschickt getarnten Aktion in das polizeiliche Domizil verbracht.

Insgesamt kann also schon von einem großen Aufwand geredet werden, der umdas Blatt getrieben wurde. Der Versuch, zeitweise, flächendeckend" Erkenntnisse zu gewinnen, hat nur zum Teil den gewünschten Erfolg gebracht.

Der Versuch einer Einschätzung fallt momentan noch etwas schwer, null es nur wenig vergleichbare Falle gibt, die Situation in Berlin sich in den letzten Jahren gedauert hat etc. In Anbetracht der letztendlich eher läppischem Vorwürfe und Bedrohungen gegen die Beschuldigten, kann davon ausgegangen werden, daß sie weniger beabsichtigen Leute dranzukriegen, als das Projekt Interim als solches zu zerschlagen. Dafür spricht auch,

daß bestimmte Bereiche, von VS und Staatsschutz als die zentralen Stellen der Zeitung konstruiert, aufgespürt werden sollten, wahrend andere Teile bislang eher unbehelligt blieben.

Daß dies allerdings nicht so bleiben muß, zeigt das Verfahren gegen die Betreiber des Hamburger Buchladens. Dort ging die Staatsanwaltschaft nach der vorerst erlittenen Schlappe in Revision. Das Ermittlungs- und Verfolgungsinteresse ist also ungebrochen und ein Nachschlag jederzeit möglich.

Gemeinsamer Freundinnenkreis der Beschuldigten


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