Zensur und Internet

Der bürgerliche Staat versuchte im Sommer vergebens das Erscheinen der Interim zu verhindern. Das gelang ihm unter anderem deshalb nicht, weil das linke und autonome Spektrum sofort reagierte und solidarisch das Wiedererscheinen ermöglichte. Trotzdem konnte die Printausgabe nur rudimentär und mit Verspätung rauskommen. Wir ermöglichten der Interim den Bruch der bürgerlichen Zensur, indem wir die Zusage der TREND-Redaktion vermittelten, die Interim wenigstens on-line zu veröffentlichen. Die RedakteurInnen der Interim hatten dieses Angebot dankend angenommen.

Da die Interim-RedakteurInnen in den letzten Nummern nun selbst "bürgerliche Zensur" (so im Vorwort zur Nr. 437) ausübten, indem sie den Abdruck des Artikels von Mili-Tante Spinne ("Mola - Die Morgenlatte") und unseren Leserbrief dazu ablehnten, haben wir das gleiche getan und den Text dem TREND zur Veröffentlichung zugeleitet. Die TREND-Redaktion ist erklärtermaßen gegen jede Zensur und hat den Text auch prompt on-line gestellt (www.berlinet.de/trend/).

In der neuesten Ausgabe der Interim schreiben die RedakteurInnen nun, diejenigen, die der "bürgerlichen Zensur via Internet ein Schnippchen schlagen" wollen, "sollten zumindest die Frage beantworten, wer überhaupt Zugang zum Internet hat". Abgesehen davon, daß die Interim-RedakteurInnen die eigene Zensur gegen mißliebige Texte als "bürgerlich" kennzeichnen, ist diese Auslassung auch deshalb interessant, weil sie ihren eigenen Zynismus in dieser Frage mit Heuchelei zu verdecken suchen. Wenn's um die eigene Haut geht, ist on-line-gehen gerade recht, trifft's aber andere, die man selber nicht leiden mag, wird auf proletarisch gemacht und spitz die Frage gestellt, wer überhaupt Zugang zu dieser Technik hat. (Ein 386/486iger mit 4 MB RAM und 100er Festplatte oder der billigste Pentium mit 14400er-Modem und berlinet als Provider mit 20,- DM pro Monat für 30 Stunden Internet-Surfen tut's schon. Wir erinnern an die diesbezüglichen Diskussionen im xb-liebig und im Chip Anfang des Jahres).

Abschließend bleibt uns nur die Feststellung, daß wir für die inhaltliche Klarstellung der Interim-RedakteurInnen dankbar sind, welches Ausmaß an Feigheit inzwischen gegenüber divergenten Texten erreicht ist. Wir sind auch dankbar für die Feststellung, daß die Redaktion "bügerliche Zensur" ausübt. Was in autonomen Zusammenhängen über bürgerliche Zensur gedacht wird, sollte der Interim-Redaktion nicht unbekannt sein. Falls die Redaktion keine Korrektur vornimmt, kann sie nicht mehr als autonom angesehen werden.

Gruppe zur Verteidigung autonomer Kritik und Selbstkritik


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