Wenn es bei Kaiser's brennt Wenn es bei Kaiser's brennt - wie am 3. Oktober - ...dann hat das auch was mit uns, die wir im Kiez wohnen, zu tun. Die Erregung hat danach hohe Wellen geschlagen, und das zu recht. Und wenn wir vorher schon nicht gefragt worden sind, dann wollen wir wenigstens jetzt etwas dazu sagen. Denn was in der Presse und von den Politikern gesagt und geschrieben worden ist, hat uns bei aller Kritik an dem Anschlag gestunken. Wir wollen nicht, daß nur Parteien und der Innensenator zu Wort kommen - sondern auch als Bewohner und Bewohnerinnen darüber diskutieren.

Wir wohnen hier und haben uns in der Nacht vom 3. Oktober schon gewundert, daß der Supermarkt in Flammen aufgeht, schließlich haben wir hier auch gelegentlich eingekauft. Die Polizei hatte gleich die ganze Gegend abgesperrt, einige Autos von Leuten aus dem Kiez und sämtliche Telefonzellen waren kaputt.

Wir glauben aber trotzdem: Wenn es bei Kaiser's brennt... ...dann bestimmt nicht, um die Bewohner und Bewohnerinnen rund um den Teutoburgerplatz, die Fehrbelliner- und die Zionskirchstral3e zu bedrohen. Kaiser's will den Zwangseinkauf für Flüchtlinge organiseren. Das heißt: Flüchtlingen wird sämtliches Bargeld weggenommen und sie dürfen nur noch mit Gutscheinen in festgelegten Läden einkaufen - einer der Läden könnte der Kaiser's am Teutoburgerplatz sein. Das ist eine Schweinerei und menschenunwürdig. Deshalb finden wir es zwar ideotisch, irgendwelche Autos und Telefonzellen kaputtzumachen - aber um Kaiser's tut es uns so betrachtet auch nicht leid.

Erst recht nicht angesichts dessen, was hier im Kiez seit Jahren passiert: Ein kleiner Laden nach dem anderen geht ein, zum Beispiel in der Brunnenstraße. Neben den beiden Kaiser's-Großnärkten kann sich keiner halten - statt dessen macht eine Yuppiekneipe nach der anderen auf und bald haben wir die Schickeria vom Wasserturmplatz hier. Das wird in nächster Zukunft nur noch schlimmer, wenn auch noch das Multiplex in der Kulturbrauerei tatsächlich gebaut werden sollte. Deshalb waren wir auch sogar irgendwie froh, daß es hier mal wieder sowas wie Protest gab. Und das ausgerechnet am 3. Oktober. An dem Tag hat der Westen den Sieg über die DDR und den ganzen Osten gefeiert. Praktisch ohne Widerspruch. Uns zumindest stinkt dieses neue Neue Deutschland gewaltig. Und wir wollen auch nicht, daß Flüchtlinge so behandelt werden, wie das in Berlin passiert: daß sie sich verstecken müssen, keine eigene Wohnung haben, ausgegrenzt werden.

Auch wenn wir also Kritik an dem Anschlag haben, wollen wir den Anlaß nutzen, uns darüber zu unterhalten, was wir Bewohner und Bewohnerinnen für den Kiez und vielleicht auch für ausländische Leute im Kiez tun können. Wir finden, daß es jetzt höchste Zeit ist, denn wenn so was wie das neue Multiplex erst steht und der Franz-Club mußte deshalb schon dran glauben-, ist hier für uns bald kein Platz mehr. Die Mieten und die Läden können wir uns alle nicht leisten.

Weil wir mit den Leuten, die hier wohnen, diskutieren wollen - und nicht mit Polizei und Presse -, schicken wir diesen Text auch an den - Scheinschlag und hoffen, daß er dort abgedruckt wird. - Über Reaktionen würden wir uns natürlich freuen... Einige Anwohnerinnen und Anwohner aus dem Kiez

V.i.5.d.P.: T. Engelmann, Teuroburger Platz, 10115 Berlin

Einige Anfragen zum Anschlag auf Kaisers am Teutoburger Platz

Soweit ich das mitbekommen habe, wird über die Aktion am Teutoburger Platz in "der Szene" ziemlich viel diskutiert. Insofern hat sie jedenfalls etwas bewegt. Ich möchte im folgenden Kritik, ein paar Anregungen und Fragen loswerden, gerade weil mir Eure Aktion eigentlich wichtig ist. Versteht das also bitte durchaus solidarisch.

Problematisch finde ich, daß die Vermittlung ganz offensichtlich nicht geklappt hat. Anscheinend habt Ihr am Ort des Geschehens keine Plakate, Flugis, Erklärungen, Sprühereien oder sonstwas hinterlassen, die Aufschluß über den Hintergrund der Aktion gegeben hätten. So war es möglieh, daß es überhaupt erst zu Reaktionen wie der "eine(r) Anwohnerin" in der letzten Interim (434) kommen konnte. Sie hat ja scheinbar gar nicht mitbekommen, was Ihr damit wolltet. Sie steht damit aber nicht allein; so ist es ziemlich vielen gegangen. Einheizrandale? Wagensportliga? Mackermilitanz? - Die Aktion sollte wieder einmal Anlaß sein sich klarzumachen, auch die beste Aktion - politisch jedenfalls - von ihrer Erklärbarkeit lebt.

Leider finde ich auch Eure Erklärungen, die in der letzten Interim abgedruckt waren, ziemlich ungenau und dürftig können (insbesondere die auf Seite 4). Spekulationen über "Geheimgespräche" zwischen Kaisers und dem Senat sind eher lächerlich; das haben die doch gar nicht nötig. Und "... nach dem Rückzug von SORAT ..." ist leider nur ein frommer Wunsch, da seid Ihr auch auf deren medienwirksame Propaganda reingefallen. Die Magazine und sind weiterhin offen, und überhaupt zieht SORAT sich in keiner Weise aus dem Geschäft zurück. Dafür gibt's noch schnell den Bogen über Bosnien zur PKK und von dort zu "alle(n) SozialhilfebezieherInnen".- na ja.

Dabei gibt es genug Grund, Kaisers anzugreifen. Die Aktionen gegen Lohnbetrug an "ausländischen" Reinigungskräften bei Kaisers sind vielen noch in Erinnerung, und das Thema ist, wie zu hören ist, leider weiter aktuell. Damit wäre dann durchaus auch zu begründen, wieso gerade Kaisers das Ziel Eurer Aktion ist, wenn Ihr, wie Ihr selbst schreibt (Erklärung von Seite 3), gar nicht wißt, ob Kaisers eigentlich an der Umsetzung der rassistischen Senatspolitik beteiligt ist. (Sorry - kleine Polemik am Rande: Wie gut habt, Ihr die Aktion eigentlich im Vorfeld diskutiert, wenn Teile von Euch keine Ahnung, andere aber Insider-Informationen über "Geheimgespräche", haben?)

Wie auch immer: Interessanter scheint mir grundsätzlich zu diskutieren, ob militante Aktionen gegen einzelne Supermärkte oder Läden an diesem Punkt eine sinnvolle Strategie sind. Dabei wird mensch möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen - das finde ich total o.K., wenn - wie gesagt - die Vermittlung klappt. Militante Angriffe - gegen einzelne Nutznießer rassitischer Politik sind ja ein klassisches Mittel autonomer Politik. Solange es gegen einen einzelnen "Gegner" geht, in diesem Fall sORAT oder SPAR, gibt es wohl auch wenig Kritik an dem Konzept. Geht es aber gegen alle Ketten und viele EinzelhändlerInnen in der Stadt, geraten wir in die Gefahr, uns aufzureiben. Können wir da wirklich ein ernsthaftes Drohpotential gegen deren Beteiligung entwickeln, oder ärgert sich allenfalls die Versicherung? Und was ist mit dem türkischen oder griechischen Lebensmittelladen, der bei dem System mit-spielt, um seinen "Landsleuten" trotz der Wertgutscheine den Einkauf zu ermöglichen - ist das dann was anderes? Oder können wir da trennen?

Und wen trefft Ihr wirklich mit der Aktion am Teutobuzger Platz? Kaisers hätte die Filiale sicherlich ohnehin im Laufe der nächsten fünf Jahre modernisieren wollen/"müssen". Das machen sie dann eben jetzt auf Kosten der Versicherung, und werden darüber garantiert nicht traurig sein. Und so viele andere Supermärkte gibt es da in der Gegend auch nicht. Wie wär's denn mit einem Reichelt oder gerade auch Kaisers in Zehlendorf, Tempelhof oder Steglitz gewesen: das hätte dann auch die richtige Kundschaft erwischt, oder?

Schließlich: In Zeitungsberichten war der Vorwurf der Grünen zu lesen, Ihr hättet auch ein Auto angezündet, in dem Menschen saßen. Ich hätte mir gewünscht, dazu von Euch zu lesen, daß das nicht stimmt. Schade.

Schön wär's, hierzu von Euch zu hören. Lassen wir uns nicht spalten! In diesem Sinne:

Keine Profite auf Kosten von Flüchtlingen! Weg mit den rassistischen Sondergesetzen! "Charlie"

Zur Übersicht der aktuellen Nummer