ERKLÄRUNG DER INTERNATIONALEN KOMMISSION ZUR BEOBACHTUNG DES PROZESSES GEGEN BENJAMIN RAMOS VEGA

Am 3. September 1997 beginnt der Prozess gegen den von der Bundesrepublik Deutschland am 5.6.1996 an das Königreich Spanien ausgelieferten politischen Gefangenen Benjamin Ramos Vega. Wir - zwölf Rechtsanwälte, Arzte, Professoren, Abgeordnete, Gewerkschafterlnnen, Journalistinnen, Filmemacher, ehemalige Diplomaten in Spanien und Mitarbeiterinnen von demokratischen Organisationen - haben uns zu einer Kommission zusammengeschlossen, um diesen Prozess zu beobachten. Die Anklage der spanischen Generalstaatsanwaltschaft gegen Benjamin Ramos Vega beruht auf Aussagen, die Polizeibeamte und Zivilgardisten von den beiden Mitbeschuldigten Agurtzane Ezberra und Felipe San Epifanio durch Folter erpreßt haben. Die Strafforderung beträgt für "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande, "Lagerung von Kriegswaffen',,Sprengstoffbesitz" sowie "Fälschung von Kennzeichen" 40 Jahre Gefängnis.

Während des Auslieferungsverfahrens hatte das Berliner Kammergericht festgestellt, daß "namhafte internationale Institutionen' wie die UN-Menschenrechtskommission, das Antifolterkomitee des Europarates oder amnesty international bestätigten, .daß in Spanien selbst in jüngster Zeit Beschuldigte mißhandelt und gefoltert worden sein sollen'. Weiter hatte das Kammergericht zur Kenntnis genommen, "daß den hier in Betracht kommenden Mitbeschul-digten San Epifanio und Ezberra gleiches widerfahren sein soll. Dabei sollen die Foltermethoden von Schlägen über Elektroschocks, Überstülpen von Plastiktüten über den Kopf, Untertauchen in einem Wassergefäß bis zu Scheiner-schieSungen reichen". Deshalb knüpfte das Gericht im Urteil vom 27.12.1995 die Auslieferung von Benjamin Ramos Vega an die Einhaltung folgender Bedingungen durch die spanischen Behörden:

  1. eine Inhaftierung ohne Isolation und gemäß den Rechten eines Untersuchungsgefangenen
  2. eine adäquate medizinische Behandlung der HIV-Infektion von Benjamin Ramos Vega
  3. das Verbot, in einem Strafprozess gegen Benjamin Ramos Vega Aussagen zu verwenden, die
Polizeibeamte durch Folter von den Mitbeschuldigten erpreßt haben.

  1. Entgegen der Forderung des Berliner Kammergerichts verweigern die spanischen Behörden Benjamin Ramos Vega die Rechte eines Untersuchungsgefangenen. Obwohl er nicht verurteilt ist, sitzt er in einer Strafhaftabteilung des Gefängnisses Alcalß Meco ein, wo er zudem mehrfach isoliert wurde. Benjamin Ramos Vega ist - ohne verurteilt zu sein - schon über zweieinhalb Jahre im Gefängnis.
  2. Entgegen der Forderung des Berliner Kammergerichts verweigern die spanischen Behörden Benjamin Ramos Vega eine adäquate medizinische Behandlung. Monatelang wurde ihm eine ärztlich verordnete DiC sowie ein zur HIV-Therapie dringend benötigtes Medikament nicht ausgehändigt. Benjamin Ramos Vega ist auf engsten Raum gemeinsam mit Gefangenen inhaftiert, die an Infektionskrankheiten wie Tuberkulose leiden, was angesichts seiner fortgeschrittenen HIV-Infektion eine ständige Lebensgefahr bedeutet. Seine Immunabwehr hat sich in Haft um 70% reduziert. Wir befQrchten deshalb, daß die spanische Justiz, ebenfalls
  3. entgegen der Forderung des Berliner Kammergerichts, im Strafprozess gegen Benjamin Ramos Vega Beweismittel verwenden wird, die durch Folter erpreßt wurden. Auf das vom Kammergericht ausgesprochene Verbot, durch Folter während der Inkommunikation erpreßte Aussagen" zu verwenden, geht die Anklageschrift der spanischen Generalstaatsanwaltschaft mit keinem Wort ein. Im Gegenteil sind dort die Beamten, die der Folterungen an den Angeklagten beschuldigt werden, als Zeugen der Anklage benannt. Was sollen diese Männer anderes berichten als das, was sie aus den Angeklagten während der Folter herausgeprügelt haben?

Die zuständigen deutschen Behörden haben - trotz mehrfacher Aufforderung - bisher nicht dafür gesorgt, daß die dem spanischen Staat von der deutschen Justiz auferlegten Bedingungen eingehalten werden. Wir sehen es als notwendig an, dies als unahängige Sachverständige und zu unserer Sache zu machen. Es darf keinen Prozess auf der Grundlage von durch Folter zustandegekommen Beweismitteln geben. Folter muß bestraft werden und darf nicht vor Gericht als Beweismittel akzeptiert und so juristisch wie politisch legitimiert werden. Wir fordern: Nicolas Becker (Rechtsanwalt, Berlin), Dr. med Volker Friedrich (Psychoanalytiker, Hamburg), Dipl. phil. Regine Gi-rod (Philosophin, Vorstand des Bundes der Antifaschisten, Berlin), Dr. Rolf Gössner (Rechtsanwalt und Publizist, Bremen), Constance Lindemann (Druckerin, Vorstand der IG Medien Berlin), Prof. Dr. Norman Paech (Professor f0r internationales Recht, Vereinigung demokratischer Juristen, Hamburg), Otto Pfeiffer (ehemaliger 1.Sekretär der deutschen Batschaft in Spanien), Volker Ratzmann (Rechtsanwalt, Vorstand des republikanischen Anwältinnen-und Anwaltsvereins, Vorstand der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V., Berlin), Johannes Santen (Rechtsanwalt, Hamburg), Marion Seelig (MdA PDS, Berlin), Oliver Tolmein (Journalist, Hamburg), Peter Kleinert (Filmemacher, Köln) Berlin, den 12. August 1997

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